Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die gute Nachricht vorweg: Wir werden nicht ablehnen. – Wir werden uns allerdings enthalten. Zustimmen können wir dem Gesetzentwurf nicht. Ich kann die Begründung dazu relativ kurz machen. Inhaltlich möchte ich nichts weiter ausführen. Die vier Vorrednerinnen und Vorredner haben gerade schon gesagt, wie wichtig das Ganze ist. Dazu werde ich am Ende noch einen Satz nachlegen.
Natürlich müssen wir die Akzeptanz steigern, was Organspenden, Transplantationen etc. angeht. Was uns an dem Gesetzentwurf missfällt, ist die Tatsache, dass sich die Landesregierung aus unserer Sicht hier völlig aus der Verantwortung zieht. Das Mindeste wäre gewesen, dass sich die Landesregierung in der Verantwortung sieht, zum Beispiel Informationen aufzubereiten oder eine zentrale Homepage zur Verfügung zu stellen. All das ist nicht der Fall und wird anderen Beteiligten überlassen. Das ist für uns zu wenig bzw. fehlt uns im Gesetzentwurf, sodass wir unter dem Strich nicht zustimmen können.
Abschließend habe ich noch eine Bitte. Wir haben jetzt in mehreren Reden gehört, wie wichtig das Thema für die Landesregierung, für den Landtag und so weiter und so fort ist. Ich möchte Sie fragen, liebe Kolleginnen und Kollegen, wer denn hier im Hause Organspender bzw. Organspenderin ist. – Ich sehe jetzt ein paar Hände. Das habe ich gar nicht unbedingt erwartet. Ich biete Ihnen Folgendes
an: Ich bringe morgen 237 ausgedruckte Organspendeausweise mit. Diese lege ich hier vorne bei mir auf den Tisch. Wer möchte, kann sich einen Ausweis abholen. Einfach nur ausfüllen, fertig! Dann gehen wir als Landtag mit gutem Beispiel voran. – Herzlichen Dank dafür.
Danke, Herr Kollege Düngel. – Für die Landesregierung spricht in Vertretung von Frau Ministerin Steffens Herr Minister Kutschaty.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Düngel, ich habe meinen Organspendeausweis gleich mitgebracht.
Ich freue mich daher ganz besonders, dass ich Frau Kollegin Steffens heute bei diesem Punkt vertreten darf und wir diesen Gesetzentwurf heute abschließend beraten.
Sie alle wissen, am 1. August 2012 ist das Bundesgesetz zur Änderung des Transplantationsgesetzes und am 1. November 2012 die Regelung zur Entscheidungslösung in Kraft getreten.
Wichtige neue Regelungen sind insbesondere Maßnahmen zur Aufklärung der Bevölkerung über die Themen „Organspende“, „Organentnahme“ und „Organtransplantation“, aber auch die Pflichten der Entnahmekrankenhäuser, die verpflichtende Bestellung von Transplantationsbeauftragten und die Festlegung ihrer wesentlichen Aufgaben.
Der Bundesgesetzgeber hat außerdem festgelegt, dass die Länder Näheres zur Qualifikation, organisationsrechtlichen Stellung und Freistellung der Transplantationsbeauftragten von sonstigen Aufgaben bestimmen können. Insbesondere war es notwendig, die im Transplantationsgesetz getroffenen Regelungen auf Landesebene umzusetzen bzw. zu konkretisieren. Daher war eine Anpassung des Gesetzes zur Ausführung des Transplantationsgesetzes, das jetzt zur Schlussberatung vorliegt, erforderlich.
Außerdem haben wir durch neue Regelungen unser wichtiges Anliegen umgesetzt, den Organspendeprozess zu unterstützen und zu befördern. Dabei geht es zum Beispiel um die Sicherstellung der Qualifikation der Transplantationsbeauftragten, aber auch um die Sicherstellung des Erfordernisses nach aktuellen Daten und größter Transparenz hinsichtlich der Aktivitäten der Kliniken zum Thema „Organspende“.
Zum Verfahren: Die Verbändeanhörung zu dem Gesetzentwurf verlief unproblematisch. Seitens der beteiligten Verbände bzw. Institutionen wurden kei
ne substanziellen Änderungswünsche vorgelegt. Der Ausschuss kam in seiner ersten Beratung am 9. Dezember zum weiteren Vorgehen darin überein, keine Anhörung zum Gesetzentwurf durchzuführen, und hat in seiner Sitzung am 20. Januar eine entsprechende Beschlussempfehlung für das heutige Plenum ausgesprochen.
Welche neuen Änderungen gibt es nun konkret? – Lassen Sie mich folgende Punkte besonders gerne hervorheben:
Da ist zum einen der neue § 1 zu nennen. Darin werden die nach Landesrecht zuständigen Stellen zur Aufklärung der Bevölkerung über die Themen „Organspende“, „Organentnehme“ und „Organtransplantation“ benannt.
Zum anderen werden im ebenfalls neuen § 5 die Krankenhausträger verpflichtet, dem für Gesundheit zuständigen Ministerium oder dessen Beauftragten auf Verlangen schriftlich Auskunft zu erteilen. Damit wird dem Erfordernis nach aktuellen Daten und Transparenz Rechnung getragen. Bisherige Erfahrungen zeigen nämlich leider, dass nicht alle Kliniken der Aufforderung nachkommen, über ihre Maßnahmen zur Förderung der Organspende zu berichten. Aktuelle Daten sind aber für die Planung eine ganz wesentliche Voraussetzung.
Drittens. Ergänzende Regelungen zur Qualifikation, organisationsrechtlichen Stellung und Freistellung von den Transplantationsbeauftragten in Entnahmekliniken werden getroffen.
Viertens enthält § 4 außerdem die neue Regelung, dass Transplantationsbeauftragte innerhalb von drei Jahren nach ihrer Bestellung die Teilnahme an einer kurrikulären Fortbildung zum Thema „Organspende“ nachweisen müssen. Damit wollen wir, meine Damen und Herren, sicherstellen, dass sie für die Wahrnehmung ihrer Aufgabe über die notwendigen Qualifikationen verfügen, und dafür sind, wie Sie wissen, besondere fachspezifische und interdisziplinäre Kenntnisse und Fertigkeiten im Bereich Organspende unerlässlich.
Mit diesen Maßnahmen wollen wir die Organspendebereitschaft in der Bevölkerung steigern, aber auch gleichzeitig die Abläufe zur Organspende in den Krankenhäusern verbessern. Schon allein diese Maßnahmen werden einen ganz entscheidenden Beitrag dazu leisten, dass die Organspendebereitschaft in der Bevölkerung gesteigert werden kann.
Aber die Landesregierung ist sich auch bewusst, dass wir möglichst früh die jungen Generationen auf dieses Thema aufmerksam machen wollen. Deswegen sind wir stolz darauf, dass es innerhalb der Landesregierung zu einem gemeinsamen Projekt zwischen Gesundheitsministerium und Schulministerium kommt. Ab sofort wollen wir schon im Schulunterricht für das Thema „Organspende“ werben.
Ich glaube, wir sind, was dieses Thema anbelangt, in Nordrhein-Westfalen auf einem guten Weg und gut aufgestellt. Daher bitte ich Sie um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales empfiehlt in Drucksache 16/10813, den Gesetzentwurf Drucksache 16/10247 unverändert anzunehmen. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Gesetzentwurf selbst und nicht über die Beschlussempfehlung. Wer dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen möchte, den darf ich um sein Handzeichen bitten. – Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Enthaltungen? – Dann stelle ich fest, dass der Gesetzentwurf Drucksache 16/10247 mit den Stimmen von SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP bei Enthaltung der Piratenfraktion und des fraktionslosen Abgeordneten Schwerd angenommen und der Gesetzentwurf in zweiter Lesung verabschiedet ist.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Koschorreck das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Den vorliegenden CDU-Gesetzentwurf haben wir in den Ausschüssen ausführlich und intensiv inhaltlich diskutiert. Deshalb beschränke ich mich in meiner Rede auf drei konkrete Punkte; alles andere ist schon besprochen worden.
Erstens. Wenn man überregulierte Bürokratie abbauen will, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, ist es unbedingt notwendig, zu differenzieren. Der CDU-Gesetzentwurf enthält viel Allgemeines. Er lässt offen, wie Sie sich Bürokratieabbau in den
Kommunen konkret vorstellen. Auch in den Beratungen sind Sie ziemlich wage und unbestimmt geblieben.
Zweitens. Sowohl die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände als auch die Stadt Bielefeld begrüßen zwar in ihrer Stellungnahme die Zielsetzung Ihres Gesetzentwurfs, haben aber erhebliche Bedenken, dass diese umgesetzt werden kann.
Mein Kollege Christian Dahm hat bereits bei der Einbringung des Gesetzentwurfs die Frage gestellt, wie Sie sich denn in der Praxis vorstellen, dass Kommunen auf Antrag im Einzelfall von landesrechtlichen Standards befreit werden können. Die Antwort auf diese Frage sind Sie uns leider auch in den Ausschüssen schuldig geblieben.
Es kann doch hoffentlich nicht Ihr Ziel sein, dass wir in Nordrhein-Westfalen zukünftig unterschiedliche Auslegungen oder möglicherweise eine unterschiedliche Aufgabenwahrnehmung haben. Das werden Sie doch wohl mit Ihrem Gesetzentwurf nicht gewollt haben.
Je nachdem, welches Problem man angehen möchte, benötigt man unterschiedliche Instrumente. Nicht überall liegen die Problemlösungskompetenzen bei den Ländern. Hier muss man auch die Bundes- und europäische Gesetzgebung beachten. Hierauf haben die kommunalen Spitzenverbände ebenfalls hingewiesen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, sehr verwundert waren wir über Ihren Hinweis, den Sie im Gesetzentwurf unter den Begriff „Problem und Regelungsbedarf“ gestellt haben. Sie weisen diesbezüglich darauf hin, dass im Jahr 2006 der erste Versuch mit dem Gesetz – damals Standardbefreiungsgesetz genannt – gemacht wurde. Im gleichen Atemzug sagen Sie, dass dieses 2011 wieder außer Kraft gesetzt wurde.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal in Erinnerung rufen, warum das Standardbefreiungsgesetz außer Kraft gesetzt wurde. Die Erfahrungen mit dem Gesetz waren äußerst ernüchternd. Die Kommunen haben kaum Gebrauch davon gemacht.
Nun erwarten Sie von uns, liebe Kollegen, dass wir dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen. Dies ist uns aber aus Gründen, die ich eben genannt habe, nicht möglich.
Gehen Sie doch einmal in die Kommunen und fragen Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen, wie es in der Praxis aussieht. Diese werden Ihnen bestätigen, dass bereits jetzt regelmäßige Evaluationsverfahren und Abstimmungsgespräche zwischen Landesregierung, Landesverwaltung und den Kommunalverwaltungen stattfinden. Es findet also ein regelmäßiger Austausch auf Augenhöhe statt.
In der Gemeindeordnung sind vielfältige Experimentierklauseln vorgesehen. Wenn also eine Kommune eine gute Idee hat – auch das haben wir schon in Ausschüssen vorgetragen –, wie sie die Aufgaben besser, kürzer und effektiver erledigen kann, dann wird dies durch die Gemeindeordnung ausdrücklich gestattet.
Sehr verehrter Herr Kollege Nettelstroth, Sie haben bei der Einbringung des Gesetzentwurfes gesagt – Sie erinnern sich vielleicht –:
Dazu kann ich Ihnen heute nach intensiver Diskussion sagen: Wir nehmen nicht für uns in Anspruch, perfekt zu sein. Gleichwohl nehmen wir für uns in Anspruch, kommunalfreundlich zu sein, zu handeln und das Ohr ganz nah an den Kommunen zu haben. In diesem Sinne muss ich Ihnen mitteilen, dass wir dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht zustimmen können. – Vielen Dank.