Protocol of the Session on December 17, 2015

(Walter Kern [CDU]: Nein!)

egal, ob wir ein Projekt A, B, C nennen und das Alphabet bis zur Gänze durchbuchstabieren.

(Hendrik Wüst [CDU]: Nein!)

In Ihrem Forderungskatalog stehen Projekte genau drin. – Danke.

Diese Projektgeschichten bringen gar nichts; denn sie haben uns an den Punkt gebracht, an dem wir jetzt sind. Wenn Sie einmal eine Liste aller Projekte haben wollen: Das MAIS kann bestimmt ein relativ dickes Buch mit diesen Projekten ausdrucken – gerade denen, die mit dem ESF zusammen finanziert werden. Darunter sind übrigens total tolle Projekte, auch Projekte, die richtig helfen und Menschen nachhaltig in Arbeit bringen. Dann sind sie nach zwei Jahren zu Ende, und wir fangen wieder etwas Neues an. Genau daran krankt es. Das muss man hier auch benennen.

Zweiter Punkt: Wenn Sie die Projekte, die schon gelaufen sind, einmal einzeln auswerten, werden Sie feststellen: Es liegt eben nicht daran, was man da an Kreativität hineinbringen kann, sondern es liegt grundsätzlich daran, die Menschen nachhaltig zu qualifizieren

(Walter Kern [CDU]: Ja, natürlich!)

und nachhaltig zu betreuen. Da bringen Betreuungsschlüssel von eins zu hundert oder mehr nichts. Vielmehr müssen wir hier flexible Betreuungsschlüssel haben, die wirklich bei einer Eins-zueins-Betreuung anfangen.

Übrigens gibt es gerade ein neues ESF-Projekt, das eben nicht die Träger der normalen Weiterbildung im Arbeitsmarkt in die Verantwortung nimmt, sondern die Träger der Behindertenausbildung. Das halte ich für einen guten neuen Ansatz. Ich glaube sogar, dass dieses Projekt richtig gut werden wird.

Und nach zwei Jahren ist es zu Ende. Dann stehen wir wieder da wie vorher. Wir haben das Problem, dass diese Projekte zu kurz greifen. Im Sinne der Nachhaltigkeit brauchen wir eine Änderung der Regelsysteme. Wenn diese Projekte gut sind und gut bewertet werden, müssen wir sie in die Regelsysteme übernehmen und auf Dauer anlegen.

Wenn wir das dann auf Dauer angelegt haben, kriegen wir auch die Unternehmen wieder dazu, wirklich dabei mitzumachen. Die Unternehmen fühlen sich jetzt völlig davon überfordert, dass sie alle Naselang ein neues Projekt lernen müssen.

Fünf Jahre, nachdem ein Unternehmen einmal jemanden mit multiplen Vermittlungshemmnissen eingestellt hat, geht es wieder zum Jobcenter und sagt: Das ist vor fünf Jahren gut gelaufen. Jetzt wol

len wir das noch einmal machen. Dieses Projekt, das ihr hattet, war super. Damit würden wir gerne noch jemanden einstellen. Das können wir jetzt gebrauchen, weil es gerade gut läuft.

Dann sagt der Jobcentermitarbeiter: Erstens kenne ich Sie gar nicht; denn ich bin erst seit einem Jahr hier. Zweitens gibt es das Projekt nicht mehr, glaube ich. Jedenfalls kenne ich es nicht. Ich gucke noch einmal nach. Wir haben jetzt ein neues Projekt. Das passt bei Ihnen aber nicht. Wir können es also nicht anwenden. Das ist ein bisschen schade.

Genau das ist das Problem. Es gilt, dieses Problem zu benennen. Hier irgendwelche neuen Projekte aufzumachen, hilft gar nichts. Es geht darum, Projekte in Regelsysteme zu überführen und die Betreuungsquoten zu ändern. Das wird Arbeitslosen helfen – völlig egal, ob es Langzeitarbeitslose sind, die schon länger hier leben, oder ob es Menschen sind, die gerade zu uns geflüchtet sind.

Dann kann man auch über eine nachhaltige Qualifikation sprechen. Die Teilqualifikation, die jetzt immer genannt wird, mag zwar einem kleinen Teil der Menschen helfen; dem großen Teil der Langzeitarbeitslosen hilft sie aber nicht.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Preuß?

Ja. Herr Preuß darf mir immer gerne eine Zwischenfrage stellen.

Aber nicht nur Herr Preuß darf Ihnen eine Frage stellen?

Nein, eigentlich nicht nur Herr Preuß. Aber wenn wir das jetzt ausweiten, weiß ich nicht, ob das mit der Tagesordnung …

Nein, ausweiten tun wir nichts. Wir haben ja eine Geschäftsordnung.

(Heiterkeit und Beifall von den GRÜNEN)

Herr Preuß, Sie haben das Wort.

Herzlichen Dank, Herr Kollege Sommer, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie sprechen die ganze Zeit von sozialem Arbeitsmarkt und zeitlich befristeten Projekten.

Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass es sich bei dem Gegenstand des Antrags nicht um den sozialen Arbeitsmarkt in dem Sinne handelt, in dem wir ihn immer besprechen, insbesondere nicht um zeitlich befristete Projekte, sondern dass der Antrag ein – ich darf es einmal so sagen – gigantisches Investitionsprogramm und Konjunkturprogramm für Handwerk und Mittelstand initiieren soll, verbunden

mit den entsprechenden Beschäftigungseffekten für die genannten Personengruppen?

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Das tut mir jetzt ein bisschen leid, Herr Preuß; aber zuerst nehme ich einmal zur Kenntnis, dass Sie mir nicht zugehört haben.

(Heiterkeit von Eva Voigt-Küppers [SPD])

Ich habe nicht ein einziges Mal in meiner Rede „sozialer Arbeitsmarkt“ gesagt.

Ich weiß aber, was Sie meinen. Damit haben Sie auch völlig recht. Wir brauchen ein Konjunkturprogramm – aber ein Konjunkturprogramm, das auf Dauer angelegt ist, und nicht einzelne Projekte. Es mit einzelnen Projekten zu machen, wie Sie das als Lösung beschreiben, macht eben keinen Sinn. Das ist das, was ich gesagt habe. Ich hoffe, bei der Antwort auf die Nachfrage ist es jetzt angekommen.

Dauerhaft und nachhaltig, aber bitte auch eine dauerhafte und nachhaltige Qualifikation der Menschen! Keine Teilqualifikation, keine neuen Praktikantenplätze für drei bis sechs Monate, sondern echte Qualifikation und echte Ausbildung werden den Menschen helfen. Das, was Sie in Ihrem Antrag genannt haben, hilft leider nicht.

Wenn Sie jetzt noch ansprechen, dass man mit den Akteuren, mit den Playern vor Ort sprechen muss, dann kann ich nur sagen: Meine Güte! Sie kennen doch die Jobcenter-Beiräte. Da ist das doch alles organisiert. Die Kirchen sind dabei und auch die Unternehmensverbände vor Ort. Das funktioniert aber nur, wenn man ihnen nachhaltige, dauerhafte Projekte an die Hand gibt.

Auch das Maßnahmen- und Projektehopping hilft an der Stelle nicht. Es hilft den Geflüchteten nicht, es hilft Langzeitarbeitslosen nicht, es hilft den Mitarbeitern in den Jobcentern und bei der BA nicht, und es hilft selbstverständlich auch allen anderen Akteuren vor Ort nicht. Deshalb: Wir brauchen dauerhafte und sinnvolle Regelsysteme. Stimmen Sie uns das nächste Mal zu, wenn wir einen entsprechenden Antrag einbringen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Danke schön, Herr Kollege Sommer. – Für die Landesregierung spricht nun Herr Minister Schmeltzer.

: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Lieber Kollege Walter Kern, ich möchte als Erstes festhalten: Es freut mich grundsätzlich, dass sich auch die CDU-Fraktion den Themen „Langzeitarbeitslosigkeit“ und „arbeits

marktbezogene Vermittlungshemmnisse“ widmet. Umso bedauerlicher finde ich es, dass Ihr arbeitsmarktpolitischer Antrag vom Bundesparteitag in dieser Woche die Langzeitarbeitslosen nicht einmal anspricht. Sie sagen dann hier in Ihrer Rede, dass Ihnen das Thema nicht egal ist, und fordern uns auf, zu tun. Von den Vorrednern haben Sie schon gehört, dass das Tun in großen Teilen erledigt ist. Es wurde getan! Das sollten Sie beim Schreiben Ihrer Anträge zur Kenntnis nehmen.

Langzeitarbeitslosigkeit – das wissen wir alle – ist eine schwere Hypothek für jeden einzelnen Betroffenen. Die Folgen und Kosten von Langzeitarbeitslosigkeit und gesellschaftlicher Exklusion für den Einzelnen, die Familien und die Gesellschaft können, dürfen und wollen wir alle uns nicht leisten. Auch deshalb ist die konsequente und nachhaltige Bekämpfung der Arbeitslosigkeit nach wie vor eine zentrale Herausforderung für unser Land.

Zahlreichen Initiativen – meine Vorrednerinnen und Vorredner haben schon viel angesprochen – wurden bereits ergriffen, um die Situation von Menschen mit Vermittlungshemmnissen zu verbessern und Zugangshürden auf dem Arbeitsmarkt für alle Menschen abzubauen, die einen besonderen Unterstützungsbedarf bei der Integration in Arbeit und Ausbildung haben.

Ein Punkt ist zum Beispiel die öffentlich geförderte Beschäftigung. Unsere Projekte stehen dabei sowohl den Langzeitarbeitslosen als auch den Flüchtlingen offen. Das ist ein Grundprinzip der Landesregierung: keine Sonderprogramme für Flüchtlinge, die im ungünstigsten Fall noch unseren Langzeitarbeitslosen etwas wegnehmen würden.

Sie fordern, die Landesregierung möge Projekte in den Kommunen identifizieren, bei deren Umsetzung Beschäftigungseffekte erwirkt werden könnten. Die Landesregierung ist davon überzeugt, dass in erster Linie die Kommunen selbst die Fähigkeit haben, die regionale Situation am besten zu beurteilen. Sie haben beispielsweise die Möglichkeit, sich am Aufruf „Starke Quartiere – starke Menschen“ zu beteiligen, und das, ohne dass die Landesregierung den Kommunen diktiert, welche Bedarfe sie vor Ort haben.

Die Landesregierung verfolgt bei allen Aktivitäten den Ansatz, verschiedene Ressourcen zu bündeln, alle verfügbaren Programme zu nutzen und alle beteiligten Akteure an einen Tisch zu bringen. Das ist doch eigentlich ganz in Ihrem Sinne. Das, was Sie fordern, machen wir schon längst.

Zuletzt – es ist hier schon mehrfach angesprochen worden – war das am Montag dieser Woche der Fall, als Minister Duin und ich Wirtschaftsvertreter, Gewerkschaften und Arbeitsmarktakteure zu einer Konferenz zum Thema „Integration von Flüchtlingen in Arbeit und Ausbildung“ geladen hatten. – Herr Kollege Alda, das war keine arrogante Feststellung,

die eben getätigt wurde, das war Fakt. Somit ist auch Punkt 4 des Antrags der CDU eigentlich als erledigt anzusehen.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, da sich die CDUFraktion heute des Themas der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit annimmt, habe ich angenommen, dass sich dies auch in den Beschlüssen des jüngst zu Ende gegangenen Bundesparteitags widerspiegeln würde. Und siehe da, wenn man in den Beschlüssen sucht, dann findet man die Arbeitslosen tatsächlich ganz prominent in der neuen Beitragsordnung vertreten.

(Zuruf von Christian Möbius [CDU])

An einer weiteren Stelle werden sogar die Langzeitarbeitslosen angesprochen. In dem Bericht „Zusammenhalt stärken – Zukunft der Bürgergesellschaft gestalten“ findet sich der Satz:

„Vielmehr braucht es Modellprojekte, die auch Langzeitarbeitslose in bürgerschaftliches Engagement integrieren.“

Herr Kollege Kern, schauen Sie doch mal nach Oberhausen oder nach Dortmund, wo wir Langzeitarbeitslose im Rahmen der Flüchtlingshilfe in Arbeit bringen. Dort geht es nicht um das bürgerschaftliche Engagement, sondern um Hilfe. Gleichzeitig vermitteln wir die Langzeitarbeitslosen in Arbeit. Das ist der Weg, den Sie eigentlich wollen, den Sie aber nicht ansprechen.