Protocol of the Session on May 31, 2012

Dazu müssen wir uns einerseits im Klaren sein, wie wir selbst unsere Arbeit im Landtag gestalten wollen. Und wir müssen anderseits stärker darauf eingehen, wie die Menschen in Nordrhein-Westfalen ihr Parlament sehen und verstehen.

Hier im Landtag treffen wir politische Entscheidungen, die das Leben und das Zusammenleben von rund 18 Millionen Menschen unmittelbar betreffen und verändern. Wir alle sind uns dieser großen Verantwortung, aus der Verantwortlichkeit erwächst, bewusst. Und wir wissen: Die Freiheit und die Vielfalt unserer Meinungen sind alles andere als selbstverständlich. Sie sind ein kostbares Gut, das es Tag für Tag zu hüten und zu pflegen und notfalls auch zu verteidigen gilt.

Wir selbst, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen an erster Stelle dafür sorgen, dass die parlamentarische Demokratie lebendig und lebhaft bleibt. Un

ser alltäglicher Umgang miteinander bereitet die Basis für das Ansehen unseres Parlaments.

Mögen unsere politischen Ansichten und unser Handeln, mögen unsere Instrumente und unser Verständnis von Politik auch noch so unterschiedlich sein: Eine würdevolle und angemessene Parlamentskultur und ein kollegialer Umgang miteinander müssen unser gemeinsamer Anspruch bleiben. Dazu sind wir den Bürgerinnen und Bürgern Nordrhein-Westfalens über alle Fraktionen hinweg verpflichtet.

Unsere Aufgabe in den kommenden Monaten wird es aber genauso sein, die Arbeitsweise und die Strukturen unseres Parlaments dem Wandel der Zeit anzupassen. Die Geschichte des Landtags bietet zahlreiche Beispiele dafür, dass unser Parlament mit diesem Wandel Schritt gehalten hat. Denken wir an die Professionalisierung der Parlamentsarbeit in den 70er-Jahren! Denken wir an den Ausbau der Petitionsarbeit, bei dem unser Landtag eine Pionierrolle in Deutschland übernommen hat!

Ich finde: Es ist nun an der Zeit, mutig weitere Schritte zu gehen.

Als Präsidentin und als Parlamentarierin möchte ich gemeinsam mit Ihnen einen Denkprozess anstoßen, wie wir bestehende Regeln unserer Arbeit anpassen und den Landtag insgesamt stärken können. Deshalb freue ich mich, dass wir soeben im Zusammenhang mit unserem ersten Beschluss auch eine Arbeitsgruppe zur Geschäftsordnung und vor allem zur Parlamentsreform beschlossen haben.

Die nun beginnende 16. Wahlperiode bietet uns eine gute Chance, aus dem Parlament heraus neue Wege einzuschlagen – besonders mit Blick auf die Bedeutung des Landtags als dem zentralen Ort von Politik und Demokratie.

Die heutige, konstituierende Sitzung ist der erste Herzschlag für die Landespolitik der nächsten fünf Jahre. Wir sind vom Volk gewählt. Aus unserer Mitte geht in wenigen Wochen die Ministerpräsidentin Nordrhein-Westfalens hervor. An diesem Pult müssen bald die ernannten Ministerinnen und Minister der Landesregierung uns Abgeordneten Rede und Antwort stehen. Um es ganz einfach zu sagen: Erst kommt das Parlament und dann die Regierung!

(Allgemeiner Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, umso mehr sollten wir uns gemeinsam dafür einsetzen, dass der Landtag in seinen Kompetenzen und Rechten ein Parlament auf Augenhöhe ist. Ich wünsche mir, dass wir in dieser Wahlperiode nicht nur die Informationsrechte des Parlaments in der Verfassung regeln können, sondern auch die parlamentarische und die direkte Demokratie weiterentwickeln. Demokratie ist nämlich kein technischer Begriff, Demokratie ist das, was die Bürgerinnen und Bürger daraus machen. Wollen wir das Parlament erneuern, sind wir

auf die Mitwirkung möglichst vieler Menschen im Land angewiesen.

Die Vielfalt unseres Landes und unserer Gesellschaft ist der fruchtbare Boden, auf dem unsere Demokratie gedeiht. Umso schmerzlicher ist eine Zahl: Auch bei dieser Landtagswahl haben über 40 % der Wahlberechtigten ihre Stimme nicht abgegeben und sich nicht daran beteiligt, die Weichen für die politische Zukunft Nordrhein-Westfalens zu stellen.

In seiner ersten Rede als Bundespräsident hat Joachim Gauck erklärt: „Mir macht diese Distanz vieler Bürgerinnen und Bürger zu den demokratischen Institutionen Angst.“

An uns als politisch Handelnde hat er zugleich appelliert: „Redet offen und klar, dann kann verloren gegangenes Vertrauen wiedergewonnen werden.“

Dieser Aufforderung will ich gerne nachkommen. In Begegnungen, in Debatten und über neue Wege der Kommunikation will ich gemeinsam mit Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, zeigen: Unser Parlament ist das Zuhause des Wortes und des Widerwortes.

Sicher, wir alle müssen realistisch bleiben: Mit der Vielzahl neuer Medien kann kein Parlament ernsthaft konkurrieren. Das muss auch nicht unser Anspruch und kann auch nicht unsere Aufgabe sein. Wir Abgeordnete müssen vielmehr erklären und vermitteln. Unsere Debatten finden nicht abgehoben von den Meinungen der Menschen statt, sondern sie gehen vielmehr aus den unterschiedlichen Diskussionen im Land hervor. Hier im Plenarsaal treffen Rede und Gegenrede aufeinander, hier bringen wir Positionen auf den Punkt, hier münden Meinungen in demokratische Entscheidungen ein.

Gehen wir also gerade deshalb offen und ehrlich mit Kritik an unserer Arbeit um! Zeigen wir uns lernfähig und zugleich selbstbewusst! Stärken wir unser Parlament, dann stärken wir auch unsere Demokratie an sich!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin überzeugt: Ein offenes, ein modernes und ein sich fortentwickeltes Parlament steht immer auch im Zentrum unserer Demokratie. Mit Ihrer Unterstützung will ich meine Amtszeit nutzen, den Landtag von NordrheinWestfalen genau dort fester zu verankern. Ich wünsche mir ein entscheidungsfreudiges, ein mutiges, ein kommunikatives Parlament. Ich wünsche mir ein Parlament am Puls der Zeit. – Vielen Dank und Glück auf!

(Langanhaltender lebhafter allgemeiner Beifall)

Ich danke Ihnen, Frau Präsidentin, und darf Ihnen im Namen des Hohen Hauses noch einmal herzliche Glückwünsche aussprechen.

Kommen Sie zu mir, damit ich Ihnen das Amt der Präsidentin übergeben kann.

(Allgemeiner Beifall – Geschäftsführender Präsident Eckhard Uhlenberg übergibt die Sitzungsleitung.)

Es geht sofort weiter. Ich verspreche Ihnen, sonst nicht so lange zu reden.

(Allgemeine Heiterkeit)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, irgendwie hat Herr Kollege Uhlenberg alle Blätter durcheinander gebracht.

(Allgemeine Heiterkeit)

Das ist meine Feuertaufe, ob ich es auch ohne Sprechzettel hinbekomme.

Wir befinden uns immer noch beim Tagesordnungspunkt 4 und kommen zur Wahl des Ersten Vizepräsidenten des Landtags von NordrheinWestfalen. – Ich erteile dem Vorsitzenden der CDUFraktion, Herrn Kollegen Laumann, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Namens der CDU-Landtagsfraktion schlage ich Ihnen als Ersten Vizepräsidenten Eckhard Uhlenberg vor. – Danke schön.

(Allgemeiner Beifall)

Vielen Dank, Herr Kollege Laumann. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben den Vorschlag gehört. Gibt es weitere Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, wieder ihre Positionen an den Tischen zur Ausgabe der Wahlunterlagen sowie an den Wahlkabinen einzunehmen.

Wir haben eben schon einmal geübt. Sie haben gemerkt: Es dauert eine ganze Weile. Sobald der Namensaufruf beginnt, möchte ich Sie bitten, sich rechts und links so zu verteilen, dass keine Staus entstehen. Die Kolleginnen und Kollegen Schriftführer haben ihre Plätze eingenommen. Herr Kollege Burkert wird die Namen aufrufen.

(Der Namensaufruf zur Stimmabgabe erfolgt.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, da der Namensaufruf durchgeführt worden ist und die Stimmzettel ausgegeben worden sind, können jetzt auch die Schriftführerinnen und Schriftführer ihre Stimme abgeben. – Nachdem auch das geschehen ist, schließe ich hiermit die Wahlhandlung.

Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer Frau Kopp-Herr, Frau Lück, Frau Güler, Frau Korte, Herrn Bolte, Herrn Alda und Herrn Bayer die Stimmauszählung vorzunehmen.

Wie eben schon einmal praktiziert, unterbrechen wir die Sitzung bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Sie haben ja gesehen, dass die Auszählung nicht so lange dauert. Somit können wir sicherlich in ein paar Minuten weitermachen.

(Die Stimmen werden ausgezählt.)

Ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder und gebe Ihnen gerne das Ergebnis der Wahl des Ersten Vizepräsidenten des Landtags bekannt. Dass wir 237 Kolleginnen und Kollegen sind, wissen Sie bereits, dass wir heute zwei Entschuldigungen hatten, auch. Demzufolge haben sich auch an diesem Wahlgang 235 Abgeordnete beteiligt. Wir haben auch 235 gültige Stimmen. Mit Ja entfielen auf Eckhard Uhlenberg 220 Stimmen und mit Nein 9. Es gab 6 Enthaltungen.

(Anhaltender allgemeiner Beifall)

Zu meiner großen Freude stelle ich damit fest, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass der Abgeordnete Eckhard Uhlenberg zum Ersten Vizepräsidenten gewählt worden ist.

Lieber Eckhard, ich gratuliere dir schon einmal ganz herzlich und frage auch dich, ob du die Wahl annimmst.

Ja, Frau Präsidentin, ich nehme die Wahl an.

Vielen Dank.

(Allgemeiner Beifall)

Herzlichen Glückwunsch im Namen des gesamten Hauses!

(Vizepräsident Eckhard Uhlenberg nimmt Glückwünsche aller Fraktionen entgegen.)

Damit Sie sich nicht wundern: Wir haben verabredet, dass die neugewählte Präsidentin ihren neugewählten Vizepräsidenten nachher komplett gratuliert, dann auch die Blumen kommen und die Bilder gemacht werden. Aber von dieser Stelle aus schon einmal einen herzlichen verbalen Glückwunsch! Auf gute Zusammenarbeit!

(Allgemeiner Beifall)

Damit können wir jetzt unmittelbar zur Wahl des Zweiten Vizepräsidenten des Landtags von Nordrhein-Westfalen kommen.