Ich bitte nun die Schriftführer, ihre Stimme abzugeben. – Verehrte Kolleginnen und Kollegen, nachdem die Schriftführer ihre Stimme abgegeben haben, frage ich: Haben alle Abgeordneten ihre Stimme abgegeben? – Das ist offenbar der Fall.
Dann schließe ich die Wahlhandlung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer Frau Kopp-Herr,
Frau Lück, Frau Güler, Frau Korte, Herrn Bolte, Herrn Alda und Herrn Bayer die Auszählung vorzunehmen, die aus organisatorischen Gründen – ebenso wie alle weiteren folgenden Auszählungen – im Empfangsraum des Präsidenten des Landtages stattfinden. Ich unterbreche nun die Sitzung für kurze Zeit bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses.
Da die Auszählung nicht lange dauern wird, bitte ich Sie, während der Unterbrechung im Plenarsaal zu bleiben bzw. sich jedenfalls nicht weit vom Plenarsaal zu entfernen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich gebe Ihnen das Ergebnis der Wahl zur Präsidentin des Landtags bekannt.
Dem Landtag gehören 237 Abgeordnete an. Zwei Abgeordnete haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt. An der Wahl haben sich 235 Abgeordnete beteiligt. Gültige Stimmen: 235. Ungültige Stimmen: null. Von den gültigen Stimmen entfielen auf Ja: 223.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich stelle fest, dass der Landtag von Nordrhein-Westfalen damit die Abgeordnete Carina Gödecke zur Präsidentin gewählt hat.
Sehr geehrte Frau Kollegin Gödecke, ich gratuliere Ihnen sehr herzlich im Namen des Landtags von Nordrhein-Westfalen. Ich frage Sie …
(Norbert Römer [SPD] steht mit einem Blu- menstrauß wartend vor dem Abgeordneten- platz von Carina Gödecke.)
Ich würde vorschlagen, dass der Herr Kollege Römer erst einmal seinen Blumenstrauß überreicht und dass Sie das dann vom Pult aus machen.
(Heiterkeit und allgemeiner Beifall – Die Ab- geordneten der Fraktionen der SPD und der GRÜNEN applaudieren stehend. – Die Vor- sitzenden der Landtagsfraktionen überrei- chen Blumensträuße. – Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und zahlreiche weitere Ab- geordnete gratulieren ebenfalls der neuge- wählten Landtagspräsidentin.)
(Carina Gödecke [SPD] eilt zum Redner- pult. – Heiterkeit – Geschäftsführender Präsi- dent Eckhard Uhlenberg überreicht unter er- neutem allgemeinen Beifall einen Blumen- strauß.)
Ja, vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich nehme die Wahl an und bedanke mich ganz herzlich für dieses grandiose Stimmergebnis. Der Präsident hat in der Vorbereitung recht gehabt: Die Stimme ist belegt. Wenn man so ein tolles Ergebnis bekommt, dann wackeln auch ein bisschen die Knie.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Ministerpräsidentin, liebe Hannelore, liebe Freundinnen und Freunde! Vor 16 Jahren, im Juni 1996, stand ich zum ersten Mal an diesem Rednerpult und habe in einer Debatte zum Berufskolleg für meine Fraktion reden dürfen. Diese Rede war damals für mich etwas ganz Besonderes. Sie zeigte mir und wahrscheinlich allen anderen, dass ich nun endgültig in meinem neuen Lebensabschnitt als Landtagsabgeordnete angekommen war.
Nur wenige Jahre zuvor, als junge engagierte Kommunalpolitikerin in Bochum, hatte ich den Landtag und ein Landtagsmandat nicht im Blick. Hätte man mir damals erzählt, dass ich zehn Jahre lang Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Landtagsfraktion sein würde, ich hätte wahrscheinlich gelacht und es für absolut unmöglich gehalten. Und an das Amt der Ersten Vizepräsidentin hätte ich nicht einmal im Traum gedacht.
Sie können sich vielleicht nun vorstellen, dass es mir sehr viel bedeutet, hier und jetzt wieder an diesem Redepult zu stehen – und diesmal als Präsidentin des Landtags von Nordrhein-Westfalen. So wie damals bin ich glücklich, ein wenig stolz und ganz schön nervös, denn ich weiß: Wiederum beginnt ein neuer politischer Lebensabschnitt. Ich bin mir bewusst, wie groß die Verantwortung ist, die ich mit diesem Amt übernehme.
Dieser Moment ehrt mich. Er lässt mich vor allem dankbar sein, dankbar dafür, dass ich dem Parlament angehöre und nun dessen erste Repräsentantin bin.
Ich danke Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen des 16. Landtags von Nordrhein-Westfalen, für Ihre Stimme und für Ihr großes Vertrauen. Ich verspreche Ihnen: Als Präsidentin aller Abgeordneten werde ich mein Bestes geben, Ihren Erwartungen an die Präsidentschaft gerecht zu werden.
Von Herzen danke ich meinem Mann und meiner Familie, meinen politischen und persönlichen Freundinnen und Freunden, die mich in meiner Arbeit in all den Jahren ermutigt, unterstützt und gestärkt haben. Ganz besonders herzlich danke ich meinem lieben Kollegen Eckhard Uhlenberg für seine Verdienste als Präsident des Landtags von Nordrhein-Westfalen.
Bürgerinnen und Bürger eingesetzt. Wir alle wissen: Es war eine Amtszeit unter ganz außergewöhnlichen Umständen. Sie hat ihrem Präsidenten einiges abverlangt. Ja, die zwei Jahre der Minderheitsregierung haben unsere Arbeit im Landtag von Nordrhein-Westfalen vor einen Berg offener Fragen gestellt. Aber sie haben vor allem das Selbstverständnis und das Selbstbewusstsein des Parlamentes weit über die 15. Wahlperiode hinaus geprägt und verändert.
Mit Geduld, mit Erfahrung und mit großer Ruhe hast du, lieber Eckhard, selbst einige turbulente Situationen im Parlamentsbetrieb gemeistert. Für deine Umsicht und Besonnenheit gelten dir unsere Anerkennung und unser aller Respekt. Als Präsident des Landtags hast du einen großen Beitrag dazu geleistet, dass unser Parlament gerade in dieser Zeit der unklaren Mehrheiten ein Ort des fairen demokratischen Wettbewerbs war. Und dort, wo es einmal wirklich ganz unübersichtlich wurde, hatten wir ja Gott sei Dank das Instrument des Hammelsprungs.
Lieber Eckhard, du hast dich aber auch dafür eingesetzt, dass der Landtag zu den Menschen kommt und wir als Präsidium in den Regionen unseres Landes präsent waren. Das ist eine Entwicklung, die wir fortführen und ausbauen werden.
Gute Landespolitik braucht den intensiven Austausch und den Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern. Daher ist es wichtig, dorthin zu gehen, wo die Menschen zu Hause sind, in die Städte und in die Gemeinden unseres Landes. Ich bin sehr froh, Eckhard, dass ich an dieser Stelle keine Abschiedsworte für dich finden muss. Als Abgeordneter und hoffentlich gleich als Erster Vizepräsident bleibst du uns ja erhalten. Ich freue mich auf unsere weitere kollegiale und persönliche Zusammenarbeit im Landtag von Nordrhein-Westfalen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Monate der Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen haben aber nicht allein dem Präsidenten und dem Präsidium viel abgefordert, sondern auch von allen Abgeordneten viel verlangt. Eingespielte Abläufe und Regeln, eingeübte und vertraute Verhaltensmuster und manche Vorschrift unserer Geschäftsordnung haben schlichtweg nicht mehr funktioniert. Sie konnten die Realität der Minderheitsregierung nicht angemessen abbilden. Deshalb galt es, neue Wege zu gehen und Verständigungen zu suchen gerade über Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg.
Die 15. Wahlperiode wird mit Sicherheit Anlass für viele landespolitische Rückblicke bieten. Viele von uns werden ihre Erfahrungen und Sichtweisen dazu beisteuern. Fest steht: Zwei Jahre lang konnte die Landespolitik auf keine sicheren oder, besser formuliert, auf keine gesicherten Mehrheiten im Parlament vertrauen. Mit der von Anfang an diskutierten, aber dann doch unerwarteten Auflösung des Landtags ist eine weitere neue Situation eingetreten.
Erstmals in der Geschichte unseres Landes musste der verfassungsrechtlich verankerte Ständige Ausschuss die Geschäfte des Landtages weiterführen.
Zweifelsohne hat er das ordentlich getan und die Aufgabe der Regierungskontrolle im Rahmen der beschränkten Möglichkeiten erfüllt. Allerdings spreche ich sicher für alle Abgeordneten, wenn ich sage: Ein Ständiger Ausschuss ist immer nur die zweitbeste Lösung.
Besser wäre es, bei einer Entscheidung zur Neuwahl die Wahlperiode zu verkürzen. Dann würde bis zur ersten Sitzung des neuen Landtags der alte Landtag mit allen Mitgliedern und Fraktionen handlungsfähig bleiben.
Das Ergebnis der Landtagswahl vom 13. Mai hat nun die Voraussetzungen für eine verlässliche politische Stabilität im Land geschaffen. Unser Landtag, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird jedoch auf keinen Fall zu den alten Gewohnheiten und eingefahrenen Strukturen zurückkehren können und dürfen.
Um es mit Herbert Grönemeyer, dem großen Sohn meiner Heimatstadt Bochum und die auch einiger anderer Kollegen, zu sagen: Es „bleibt alles anders.“
Mit nunmehr 237 Abgeordneten erleben wir den zweitgrößten Landtag in der Geschichte NordrheinWestfalens. Um gleich 56 Kolleginnen und Kollegen ist das Parlament angewachsen. Für uns Abgeordnete, für die fünf Fraktionen und die Verwaltung bedeutet dies: Wir müssen wortwörtlich enger zusammenrücken, wie man schon beim Blick in den sehr vollen Plenarsaal sehen kann.
Lassen Sie mich betonen: Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass wir alle heute buchstäblich unsere Plätze im Plenarsaal einnehmen konnten und dass der Parlamentsbetrieb jetzt fast reibungslos starten kann. Das sind die Verdienste der engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landtagsverwaltung. Für ihren großen Einsatz – oft über Dienstpflichten und reguläre Arbeitszeiten hinaus – danke ich ihnen sehr. Ich freue mich darauf, sie bald in Gesprächen und Begegnungen persönlich noch besser kennenzulernen.
Landtagspräsidentin zu sein, bedeutet für mich: das Parlament und die Landtagsverwaltung und manchmal auch die Verwaltung vor dem Parlament zu sehen. Dessen bin ich mir in meinem neuen Amt sehr bewusst.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, schon bevor wir unsere Arbeit im Parlament überhaupt aufnehmen konnten, wurde Kritik an den Mehrkosten durch die hohe Zahl der Abgeordneten laut. Vom „teuersten Landtag aller Zeiten“ ist in den Zeitungskommentaren zu lesen. Und im Raum steht die Frage: Was darf uns das Parlament, was darf uns die Demokratie eigentlich kosten?
Willy Brandt hat einmal gesagt: „Die Demokratie ist keine Frage der Zweckmäßigkeit, sondern der Sittlichkeit.“ Auch wenn wir die Worte heute anders wählen würden: Seine Aussage bleibt richtig. Ich bin davon überzeugt: Als Abgeordnete müssen wir uns der Kritik an der Größe des Parlaments selbstbewusst stellen. Denn es geht nicht allein um Kosten. Es geht vor allem um die Wertschätzung unserer parlamentarischen Demokratie.
Bei den Landtagswahlen hat die SPD über die Wahlkreise 23 Überhangmandate erzielt. Gut ist, dass mit Hilfe von Ausgleichsmandaten das parlamentarische Stärkeverhältnis gewahrt wird. Unserem Landtag gehören daher 33 Kolleginnen und Kollegen an, die genau über diesen Mechanismus ins Parlament einziehen konnten.
Selbstverständlich werden wir uns nun mit der Frage zu befassen haben, wie groß ein Landtagswahlkreis sein kann. Zwei Landtagswahlkreise in Nordrhein-Westfalen entsprechen in etwa einem Bundestagswahlkreis. Damit liegt Nordrhein-Westfalen genau auf der Linie der großen Flächenländer in Westdeutschland.
Bei der Frage nach Wahlkreisen dürfen wir aber nicht nur Mathematik im Auge haben. Wir müssen in erster Linie die Bürgernähe und die verantwortungsvolle Vertretung des Volkes im Blick behalten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, was ich mir wünsche, ist eine Debatte über die Stärken und die Perspektiven unseres Parlaments am Puls der Zeit. Sie alle lade ich ein: Lassen Sie uns gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern Nordrhein-Westfalens diskutieren, wie wir den Landtag als zentralen Ort politischer Debatten und Entscheidungen besser aufstellen können!
Dazu müssen wir uns einerseits im Klaren sein, wie wir selbst unsere Arbeit im Landtag gestalten wollen. Und wir müssen anderseits stärker darauf eingehen, wie die Menschen in Nordrhein-Westfalen ihr Parlament sehen und verstehen.