Protocol of the Session on September 17, 2008

(Zuruf von der CDU: Das haben Sie ge- macht!)

Damit erweist sich der Ministerpräsident aber weder als wirtschaftskompetenter Bankenexperte noch als sozial handelnder Arbeiterführer. Die Politik erweist sich einmal mehr als wirtschaftsfeindlich, sozialfeindlich und kommunalfeindlich.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Für den, der die Sparkassen wirklich schützen will, gibt es in den nächsten Wochen und Monaten einen Lackmustest: Der erste Schritt muss der unverzügliche Stopp des Sparkassengesetzes sein,

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

und der Ministerpräsident muss im Schulterschluss mit Bundeskanzlerin Merkel und Finanzminister Steinbrück die EU-Kommissarin zum Einlenken bringen. Ich habe aber noch von keiner Initiative gehört. Sonst wird doch immer alles vermeintlich Positive berichtet.

(Zuruf von Hannelore Kraft [SPD])

Wenn der Ministerpräsident so weitermacht wie bisher, wird er zum Totengräber der WestLB und der Sparkassen. Dann wird der schleichende Tod der Sparkassen das politische Erbe der Episode Rüttgers in Nordrhein-Westfalen sein.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Jürgen Rüttgers hätte wieder einmal – mit Hilfe der FDP – den Arbeitnehmerflügel und die Kommunalos der CDU gnadenlos über den Tisch gezogen.

Immer das gleiche Muster: Im Land setzt er eine marktradikale Ideologie durch, gleichzeitig beschwichtigt er die Christsozialen in den eigenen Reihen mit völlig folgenlosen, aber wortreichen Beschwörungen der sozialen Marktwirtschaft.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Immer das gleiche Muster: bei der Mitbestimmung, bei der Gemeindeordnung und jetzt also bei der WestLB und den Sparkassen.

Herr Ministerpräsident, Herr Linssen stellvertretend: Dreister geht es nicht. Der Versuch, der EU den Schwarzen Peter für den schleichenden Tod der Sparkassen zuzuschieben, wird scheitern. Und kommen Sie mir nicht mit den Automatismen im Gesetz, Stichwort: Sparkassenzentralbankfunktion.

Herr Finanzminister Linssen, bei der Gelegenheit vielen Dank für Ihren Brief, aber das, was Sie da geschrieben haben und sagen, ist nicht der Fall. Die

Verwaltungsjuristen haben es doch in der Anhörung bestätigt: Wenn ein privater Investor mehr als 50 % der WestLB übernimmt, dann braucht man ein neues Gesetz, um den Verbund zwischen WestLB und Sparkassen aufzulösen. Das hat nichts, aber auch gar nichts mit Automatismus zu tun.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Die Landesregierung verrennt sich in einer Sackgasse und sucht verzweifelt einen Ausweg. Den gibt es nicht mehr. Es gibt nur eine einzige Möglichkeit: innezuhalten, die Beratungen zu stoppen, die Zukunft der WestLB erst zu regeln und dann diese Beratungen wieder aufzunehmen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Wer den Ministerpräsidenten kennt, der kann kaum glauben, dass er so dilettantisch in diese Krise geschlittert sein soll; der muss Strategie und Vorsatz hinter allem vermuten.

(Zuruf von der FDP: Oh!)

Ich möchte es heute wissen. Warum wurden die Sparkassen so eng mit der WestLB verknüpft, sodass nun beide in Gefahr sind? Wollten Sie den Sparkassen von vornherein den Garaus machen, oder sind Sie ungewollt in diese Situation gerutscht durch das Zaudern im letzten Jahr, als es um die Fusion mit der LBBW ging? Nicht nur mich interessieren die Antworten auf diese Fragen.

Ihr oberstes Ziel war angeblich die Rettung des Finanzplatzes NRW und der Erhalt der Arbeitsplätze. Die Zwischenbilanz heute: Der Finanzplatz ist gefährdeter denn je, Arbeitsplatzverluste in Tausenden sind garantiert, und nun sollen die Sparkassen auch noch mit in den Abgrund gerissen werden.

(Zuruf von der CDU: Oh!)

Meine Damen und Herren, der Ministerpräsident sollte einmal in seine sprachliche Vorratskammer gehen. Vielleicht findet er in der hintersten dunkelsten Ecke ein Wort namens Demut. Das würde ihm im Zusammenhang mit der WestLB und den Sparkassen gut zu Gesicht stehen. – Danke schön.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Danke schön, Frau Löhrmann. – Für die Fraktion der FDP spricht nun Frau Freimuth.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie die Vorreden gezeigt haben, muss man ja nicht zwingend zum Thema der Aktuellen Stunde reden. Ich will es trotzdem tun.

Zum einen will ich vorab eine Frage aufgreifen, auch wenn ich nicht Mitglied der Landesregierung

bin. Frau Löhrmann, die Verknüpfung der Sparkassen mit der WestLB hat etwas mit der Eigentümerstruktur der WestLB zu tun.

(Beifall von FDP und CDU – Zurufe von FDP und CDU: Wow! Hört, hört!)

Wenn ich gerade hörte, es sei sinnvoll und notwendig, mit der Landesbank Baden-Württemberg zusammenzugehen, dann muss ich dazu feststellen, dass Sie selbst, als das Thema auf der Agenda stand, zum damaligen Zeitpunkt eine Einschränkung gebracht haben. Und was mich angeht, habe ich damals nicht nachvollziehen können, dass dafür eine Zweck- und Notwendigkeit existiert hätte, und ich sehe diese Notwendigkeit auch aus der heutigen Sicht immer noch nicht – anders als Sie, die Sie diesen Schritt als den einzig richtigen preisen.

Ich vermisse von Ihrer Seite – ich habe das bei keinem Ihrer bisherigen Redebeiträge gehört, aber es stehen ja noch einige Runden an – Aussagen zur Perspektive für die WestLB.

(Hannelore Kraft [SPD]: Wo ist denn Ihre?)

Einen konstruktiven Vorschlag habe ich von Ihrer Seite nicht gehört.

Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, will ich auf das, was in der Begründung zur Beantragung der Aktuellen Stunde steht und die Äußerungen der Kommissarin Neelie Kroes angeht, mit einigen wenigen Bemerkungen eingehen:

Es ist mit Sicherheit ungewöhnlich und in der bisherigen Geschichte der EU-Kommission ein einzigartiger Vorgang, wenn sich die Wettbewerbskommissarin der EU-Kommission in einem Zeitungsinterview zu einem laufenden Verfahren so äußert, wie das in der vergangenen Woche geschehen ist. Da dieser Vorgang in der Tat den sonstigen Gepflogenheiten sehr widerspricht, ist eine vernünftige Kritik an dem Verhalten gerechtfertigt. Von einer „Eskalation des Streites“ zu sprechen, wie es mit dem Titel der Aktuellen Stunde angedeutet wird, halte ich dennoch für etwas übertrieben. In jedem Fall wäre eine Eskalation in keinem Falle sachdienlich.

Niemand hier im Hause wünscht sich, dass sich die Sichtweise von Frau Kroes unverändert durchsetzt und die Genehmigung des Risikoschirms verweigert wird. Die Folgen, die das für den Finanzplatz Deutschland, die WestLB, aber auch die Sparkassen als Mehrheitseigentümer an der WestLB hätte, wären dramatisch. Das ist unabhängig von der Frage, wie hoch man individuell den Stellenwert der WestLB für die Finanzbeziehungen in der deutschen Wirtschaft bewertet.

Aber – auch das muss man in der Deutlichkeit feststellen – die Kommissarin hat in einem Punkt nicht ganz Unrecht: Es muss sichergestellt werden, dass die WestLB in Zukunft auf eigenen Füßen stehen und wieder aus eigener Kraft profitabel arbeiten

kann. Die Kommissarin hat völlig Recht, wenn sie feststellt, dass die WestLB die Steuerzahler schon sehr viel Geld gekostet hat. Mitursächlich dafür sind sicherlich politische Versäumnisse in der Zeit vor 2005.

Meine Damen und Herren, es ist nach unserer festen Überzeugung nicht zu rechtfertigen, dass die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler die Verluste einer Großbank tragen müssen, von der sie im Ergebnis nichts haben. Deswegen kann ich nachvollziehen, dass die Kommissarin diesmal tatsächlich eine Veränderung hin zu einem wirklich tragfähigen Geschäftsmodell für die WestLB haben will.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Es hilft nichts, sich mit Geschrei in die Schützengräben zu begeben und über sämtliche Kanäle auf die EU-Kommissarin zu feuern, wenn wir nicht gleichzeitig die Bereitschaft aufbringen, die Bank mit einem tauglichen Geschäftsmodell zu unterstützen.

Meine Damen und Herren, nach allem, was ich bisher über Frau Kroes gehört habe, glaube ich nicht, dass sie sich von irgendeinem politischen Druck oder einem Telefonanruf – sei er auch von der geschätzten Bundeskanzlerin Frau Dr. Merkel – beeindrucken lässt. Wir halten es für wesentlich klüger und sinnvoller, die begonnenen Gespräche in sachlicher Atmosphäre fortzusetzen und nach Lösungen zu suchen, die auf der einen Seite für die EUKommission akzeptabel sind, weil wir sie brauchen, um den Risikoschirm wirksam ausbringen zu können, und die auf der anderen Seite sowohl für das Land als auch die Sparkassen, für die wir, um das in aller Deutlichkeit zu sagen, eintreten, tragbar sind.

Meine Damen und Herren, die Brüsseler Forderungen nach Aufgabe der Beherrschungsverhältnisse durch die bisherigen Eigentümer sind schlüssig. Die Sparkassen wollen eine Lösung, bei der die WestLB im öffentlich-rechtlichen Lager bleibt. Das akzeptieren wir so und wir werden deshalb diskutieren, wie bei den Eigentümern der WestLB eine Lösung innerhalb der Strukturen zu finden ist.

Meine Damen und Herren, das hat nichts damit zu tun, dass sich das Land aus seiner Verantwortung für die WestLB zurückzieht. Das Gegenteil ist der Fall: Das Land Nordrhein-Westfalen hat bisher als einziges Land aktiv auf eine Konsolidierung der Landesbanken hingearbeitet.

Eine Fusion mit der Helaba, um nur ein Beispiel zu nennen, ist aber am Widerstand aus dem Sparkassenlager gescheitert. Selbst wenn wir wollten, können wir den Sparkassen die Suche nach einem geeigneten Partner nicht abnehmen. Denn die Sparkassen entscheiden in besonderer Weise aus ihrer Stellung, auch als Mehrheitseigentümer der WestLB, heraus darüber mit, welche Perspektiven für die WestLB weiter bestehen und sich erarbeiten lassen.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, an dieser Stelle möchte ich darum bitten, zu einer Versachlichung der Diskussion zu kommen. Das, was hier gerade in der Verknüpfung mit den Beratungen um das Sparkassengesetz passiert und von Ihnen auch sehr aktiv betrieben wird, ist eine irrationale Panikmache, die in keiner Weise geeignet ist, den Sparkassen, den Kunden und Beschäftigten der Sparkassen, der WestLB und ihren Beschäftigten sowie erst recht nicht den Bürgerinnen und Bürgern in irgendeiner Form weiter zu helfen. Gegenüber der EUKommission tut sie dies schon überhaupt nicht. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Freimuth. – Für die Landesregierung hat Finanzminister Dr. Linssen das Wort.