Protocol of the Session on September 17, 2008

Meine Damen und Herren! Ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen, 99. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich 14 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Zwei Mitglieder des Hohen Hauses feiern heute Geburtstag. Ihren Geburtstag feiert heute Frau Anke Brunn von der Fraktion der SPD.

(Allgemeiner Beifall)

Wir gratulieren ihr recht herzlich.

Von der Fraktion der CDU feiert heute Herr Dr. Gerd Hachen seinen Geburtstag. Auch ihm recht herzliche Glückwünsche!

(Allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich Ihnen folgenden Hinweis zur aktuellen Tagesordnung geben: Die Fraktionen haben sich inzwischen darauf verständigt, die Debatte zu der Aktuellen Stunde mit dem Thema „Der Streit eskaliert – Welche Perspektiven hat die WestLB?“ mit der Beratung des ursprünglichen Tagesordnungspunktes 3 „Die Landesregierung muss die Konsolidierung des Landesbankensektors in Deutschland aktiv vorantreiben“ – Drucksache 14/7444 – gemeinsam durchzuführen. Entsprechend der Vereinbarung habe ich einen zweiten Neudruck der Tagesordnung für die heutige Plenarsitzung veranlasst, nach der wir nun verfahren wollen. Gibt es dazu Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall.

Dann können wir in die heutige Tagesordnung eintreten.

Ich rufe auf:

1 Aktuelle Stunde

Der Streit eskaliert – Welche Perspektiven hat die WestLB?

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/7499

In Verbindung mit:

Die Landesregierung muss die Konsolidierung des Landesbankensektors in Deutschland aktiv vorantreiben

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/7444

Die Fraktion der SPD und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen haben mit Schreiben vom 15. September 2008 gemäß § 90 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu der genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Beratung und gebe für die SPDFraktion Frau Walsken das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wie ein roter Faden zieht sich mittlerweile über drei Jahre lang der Dilettantismus im Umgang mit der größten Landesbeteiligung Westdeutsche Landesbank durch die Regierungszeit von Schwarz und Gelb. Da versuchen sich der Hobbybanker Dr. Rüttgers – zur Erinnerung: Er hat zum Ende des letzten Jahres das Thema WestLB zur Chefsache erklärt –

(Hannelore Kraft [SPD]: Deshalb ist er heute auch nicht da!)

und sein zur Bedeutungslosigkeit degradierter Gehilfe Dr. Linssen – er ist immerhin der Beteiligungs- und Finanzminister dieses Landes –

(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD])

an der Bank, als sei sie Gegenstand eines Plan- oder Hütchenspieles.

Meine Damen und Herren, der Imageschaden für die Bank und ihre Mitarbeiter wächst täglich. Deshalb haben wir durchaus Verständnis für die Postkartenaktion der Beschäftigten. Das ist ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der Landesbank. Offensichtlich haben die 6.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erkannt, dass sie von dieser Landesregierung und diesem Ministerpräsidenten – er ist nicht einmal da, wenn es um die Chefsache geht –

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

keine Hilfe zu erwarten haben. Ich kann das auch verstehen. Denn es ist genau so: Alles, was die Landesregierung im Zusammenhang mit der Westdeutschen Landesbank in den drei Jahren Regierungszeit je angefasst hat, ist schiefgegangen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Für diese Panne, meine Damen und Herren, zahlen die Steuerbürger in unserem Land und die Mitarbeiter der Bank.

Deshalb will ich einige Stationen der Geschichte in die Erinnerung zurückholen.

Es begann 2006 mit dem „unterirdischen Vorhaben“ – so will ich es einmal in Anführungszeichen nennen –, die Sächsische Landesbank zu übernehmen. Kurz darauf, wenige Wochen später, machte diese Bank Schlagzeilen durch milliardenschwere Verluste und wurde zerschlagen. Das war der erste Schritt der Operation Rüttgers-Linssen-WestLB.

Der zweite Schritt folgte kurz darauf, nämlich Anfang 2007: Wertpapierhändler der Bank hatten sich verspekuliert. Der Vorstandsvorsitzende der Bank musste gehen. Es entstand ein Schaden in Höhe von über 600 Millionen €. Verantwortungsbewusst haben zu dem Zeitpunkt die Mehrheitseigentümer der Bank, die Sparkassenverbände, die brenzlige Situation erkannt und festgestellt, dass die Bank ein neues Geschäftsmodell braucht, und deshalb, meine Damen und Herren, auch umgehend den Vorschlag unterbreitet, mit einer entsprechenden Mehrheit der Sparkassenverbände eine Fusion mit der Landesbank Baden-Württemberg einzuleiten.

Meine Damen und Herren, ausschließlich aus parteipolitischem Kalkül hat Ministerpräsident Dr. Rüttgers damals gesagt: Nein, diesen Weg gehen wir nicht. – Das war der fatalste Fehler in der Geschichte der WestLB.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das ist auch nicht nur die böse Einschätzung der Opposition. Mittlerweile haben viele Experten und die Mehrheit der Journalistinnen und Journalisten in diesem Land erkannt, dass das ein Fehler war. So verweise ich auf diverse Formulierungen, unter anderem auch in der „Berliner Zeitung“ in der letzten Woche, wo es heißt: Rüttgers beging seinen größten Fehler.

Die härteste Kritik musste diese Regierung in der letzten Woche bei der Anhörung hier im Landtag zum Sparkassengesetz einstecken. Ein dilettantischer Auftritt! Die regierungsnahen Institute, zum Beispiel das RWI, oder auch der Bund der Steuerzahler haben deutlich gemacht, dass die Verantwortung gegenüber der Westdeutschen Landesbank von dieser Regierung nicht, aber auch gar nicht wahrgenommen wird.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Die Bank treibt seit 2007 quasi führungslos in der Immobilienkrise. Alle Versuche, eine Alternative für diese Bank zu finden, sind seitdem gescheitert. Herr Dr. Linssen ist nach Bayern gereist und hat sich dort eine Abfuhr abgeholt. Herr Dr. Rüttgers hat nach seiner Erklärung, mit der er das Thema WestLB zur Chefsache erhoben hat, die Landesbank HessenThüringen zum Partner erkoren. Auch das war kurz darauf erledigt. Herr Dr. Linssen hat uns immer wieder, auch im Fachausschuss, gesagt, man sei in guten Gesprächen mit privaten Investoren; sie ständen sozusagen Schlange, um diese Bank zu kaufen. Nichts, aber auch gar nichts ist bis zum heutigen Zeitpunkt daraus geworden.

Meine Damen und Herren, den Gipfel des Dilettantismus sehen wir jetzt im Entwurf des Sparkassengesetzes: den Versuch, über einen Raubzug bei den kommunalen Sparkassen die Kunden der Sparkassen zwangsweise per Gesetz der Westdeutschen Landesbank zuzuführen. Dort unternimmt man den durchsichtigen Versuch, sich von

der EU-Kommission zwingen zu lassen, gesetzlich einen Verbund mit den Sparkassen vorzuschreiben. Dieser Deal ist nicht geglückt. Er war durchsichtig und kurzsichtig.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Die Übernahme von Sparkassen zu erlauben, um damit das Ende des öffentlich-rechtlichen Banken- und Sparkassensystems in diesem Lande oder in der Bundesrepublik Deutschland einzuleiten, das werden wir nicht mittragen.

Meine Damen und Herren, entlarvend war das Interview der EU-Kommissarin Kroes zu diesem Thema, bei dem sie ihre eindeutige Position vorgetragen hat. Genauso entlarvend war das schwache Dementi aus Regierungskreisen. Es hat mehrere Tage gedauert, bis das Finanzministerium überhaupt bereit war, dieses einzigartige Interview, das einen unerlaubten Eingriff in die Diskussion um die ordnungspolitische Bankenlandschaft in dieser Republik darstellt, zu kommentieren. Tagelang hat es gedauert, bis die Regierung reagiert hat. Es war dann auch ein schwaches Dementi.

Deshalb gehen wir heute davon aus, dass geplant ist, das öffentlich-rechtliche Bankensystem mit den Sparkassen in diesem Bundesland abzuschaffen. Dem werden wir einiges entgegensetzen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Es muss eine Lösung für die Westdeutsche Landesbank gefunden werden. Diese Lösung kann nicht zulasten der Sparkassen erfolgen. Im Übrigen macht die Westdeutsche Landesbank mit ihrer readybank und der Weberbank auch heute schon Privatkundengeschäfte.

Deshalb halten wir es für erforderlich, dass die Westdeutsche Landesbank auf Initiative dieser Regierung jetzt rasch nach einem Partner unter den Landesbanken sucht und wir zu einer schnellen Fusion auf Ebene der Landesbanken kommen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Frau Walsken. – Für die CDU-Fraktion spricht nun der Kollege Weisbrich.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Walsken, nach Ihrem Rundumschlag möchte ich Ihnen am liebsten mit dem römischen Konsul Marcus Tullius Cicero antworten, der einmal gesagt hat: O tempora, o mores! – Oh Zeiten, oh Sitten! Wie weit wirst du es am Ende noch treiben mit dem Missbrauch unserer Geduld?

Genau das machen Sie in der Debatte um die WestLB immer wieder: Sie missbrauchen die Geduld der Öffentlichkeit.

(Lachen von der SPD – Marc Jan Eumann [SPD]: Sie verschwenden Geld!)