Wenn das so ist – ja, Frau Düker – und weil das so ist, müssen die Bedingungen der Datennutzung und Datenverarbeitung immer wieder neu bestimmt werden.
Dieser Diskussion stellen wir uns, und wir freuen uns natürlich auf die Beratung schon in der kommenden Woche im Ausschuss. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Kruse. – Als nächster Redner hat Kollege Engel für die Fraktion der FDP das Wort. Bitte schön, Herr Kollege Engel.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Daten sind im medialen 21. Jahrhundert ein hohes und wertvolles Gut, dessen Schutz sich lohnt und gebietet. Das scheinen viele Bürger und Politiker anderer Parteien bzw. Fraktionen leider jetzt erst zu bemerken.
Wir als FDP haben das Thema Datenschutz seit jeher engagiert mit Weitblick, Sensibilität und Ausgewogenheit angegangen.
(Zurufe von der SPD: Oh! – Monika Düker [GRÜNE]: Aber nur in der Opposition! In der Regierung nicht!)
Die hören wenigstens zu da oben. – Leider sind unsere früheren Mahnungen und Forderungen – viele davon zu Zeiten von rot-grünen Bundesgesetzen – bislang noch zu oft ungehört verhallt. Es verwundert, wie überrascht immer wieder getan wird, wenn einmal wieder – das passiert mittlerweile in regelmäßigen Abständen – ein Daten
missbrauchsskandal durch die Presse geht. Viele scheinen immer noch nicht begriffen zu haben, wohin die Reise rasant führt: hin zum gläsernen Bürger zwischen möglichst allwissendem Staat und sie durchleuchtenden, in Scoring-Verfahren nach Wohnumfeld, Lebenssituation und Bonität für eigene Geschäftszwecke einordnende Wirtschaftsunternehmen.
Das Imperium Google speichert jeden Zugriff, jeden Seitenaufruf zur passenden IP-Adresse. Neuerdings kann man auf Google Maps in seiner Nachbarschaft Häuser markieren und über die dortigen Bewohner Informationen und auch zum Beispiel Beleidigungen einstellen. Bei Internetportalen wie StudiVZ, Facebook oder Xing geben insbesondere jüngere Menschen persönlichste Daten und Bilder preis. Das Netz vergisst nie, müssen sie später oft schmerzlich erfahren, wenn später etwa ein potenzieller Arbeitgeber die freizügigen Informationen gefunden hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir als FDP wollen nicht, dass der Staat oder Unternehmen mehr über den einzelnen Bürger wissen als die eigene Mutter. Wenn in den USA bei Grenzkontrollen mittlerweile die Ansicht vertreten wird, Einreisende in die USA würden ihr Recht auf Persönlichkeit abgeben, und bei einreisenden Geschäftskunden von Laptops, Handys oder Blackberries ohne besonderen Verdacht Festplattenkopien gezogen werden inklusive persönlicher Daten, muss die Gesellschaft aufschreien und klar sagen: Stopp! Bis hier hin und nicht weiter!
Wir als FDP haben gemahnt und gewarnt. Die Bürger- und Grundrechte werden schily- und schäubleweise – das habe ich hier vom Pult aus schon einmal so formuliert – geopfert, ohne dass ein Aufschrei des Protestes und Widerstands durch die Gesellschaft geht.
Wir haben etwa die neuen Kompetenzen des BKA kritisiert, und immer noch glauben viele, dass diese Maßnahmen ja nur einige böse Buben treffen. Nach allen Abhörskandalen um Journalisten, Rechtsanwälte, Geistliche oder Parlamentarier müsste aber mittlerweile jedem klar sein, dass es ganz schnell jeden von uns treffen kann. Jeder von uns benutzt elektronische Geräte. Jeder von uns hier im Raum hinterlässt massiv elektronische Spuren, die reproduzierbar sind. Sie schalten morgens Ihr Handy ein. Sogleich kann Ihr Standort geortet werden. Sie bezahlen mit Kreditkarte oder benutzen eine Payback-Karte, sodass schnell ein monatelang rückverfolgbares Bewegungsprofil erstellt werden kann.
An Bankautomaten, in Bahnhöfen und Bahnen werden die Menschen heute bereits täglich mehrfach per Video aufgezeichnet. Nach dem Willen einiger Politiker sollten eine umfassende Video- und Mautbrückenüberwachung sowie breite KfzScannings folgen. Sogenannte RFID-Chips sollen künftig in Bahnen und andernorts berührungslos und für die Betroffenen unbemerkt ihre Anwesenheit an einem Ort registrieren.
Die völlig ausgeuferte Videoüberwachung von London, mit der man sogar in Fenster hineinzoomen könnte, ist für uns ein mahnendes Beispiel, das wir als FDP in Deutschland und NRW bislang erfolgreich verhindert haben.
Genauso wie wir nicht wollen, dass der Bürger über Handyortung zum blinkenden Punkt auf einer digitalen Karte wird und an eine Art elektronische Hundeleine gelegt wird, wollen wir nicht, dass sich dubiose Dienstleister sämtliche sensiblen Daten über Bürger bei einer Art Datenschlussverkauf auf dem Internetbasar schnell und billig besorgen können.
Das nennen wir, die FDP, „gläserner Bürger“. Das nennen wir, die FDP, die Gefahr des Verlustes der Kontrolle über die eigene Identität.
Mir ist gerade eben noch eine dpa-Meldung von 17:04 Uhr hereingereicht worden. Sie alle werden sie auch haben. Da schreibt dpa von einem erneuten illegalen Handel mit Millionen Melderegisterdaten in Deutschland. Auch NRW ist betroffen. Ich kann hier nachlesen, dass der Innenminister reagiert hat und unseren Meldeämtern per Erlass verboten hat, interessierten Firmen die Daten herauszugeben. Aber möglicherweise hören wir da noch etwas. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Engel. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Dr. Wolf das Wort. Bitte schön, Herr Minister.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Größere Transparenz und Überprüfbarkeit beim Umgang mit Daten sind nötig, um Missbrauch zu verhindern. Das heißt: Es gibt Handlungsbedarf, allerdings auch keinen Grund zur Hektik. Wir sollten besonnen und gelassen auf dieses Thema reagieren und uns mit den notwendigen Konsequenzen beschäftigen.
Da ist zum einen natürlich – wie schon mehrfach angedeutet – der Grundsatz der Datensparsamkeit, den jeder für sich persönlich beachten sollte. Jeder sollte entsprechend vorsichtig bei der Weitergabe von persönlichen Daten, insbesondere von Kontodaten, sein. Die Bürgerinnen und Bürger sollten in ihrem eigenen Interesse sorgsam prüfen, wem und zu welchem Zweck sie ihre Daten zur Verfügung stellen.
Zum Thema Aufklärung und Sensibilisierung wird mein Kollege Uhlenberg gleich noch weitere Ausführungen machen.
Zentrale Vorschrift für den Datenschutz im nichtöffentlichen Bereich, meine Damen und Herren, ist das Bundesdatenschutzgesetz. Das – das wissen Sie – ist gerade im Bundesratsverfahren. Der Gesetzentwurf befasst sich allerdings zurzeit nur mit Änderungsvorschlägen zu den Themenbereichen Auskunfteien und sogenannte Scoring-Verfahren. Das reicht sicherlich nach den jetzigen Erfahrungen nicht, um einen effektiven Schutz für alle Bürgerinnen und Bürger zu schaffen, wenn es nur bei dem bisherigen Widerspruchsrecht bleibt.
Mittlerweile ist ja ein bunter Strauß von Vorschlägen durch die Gazetten gegangen. Ich möchte meine Forderungen in drei Punkten zusammenfassen:
Erstens. Gerade dort, wo Daten zur Werbung und Marktforschung weitergegeben werden, muss eine ausdrückliche Einwilligung des Betroffenen rechtlich verankert werden – anders als bisher, wo es lediglich das Widerspruchsrecht gibt.
Zweitens. Das Gleiche fordere ich für geschäftsmäßig erhobene Daten, also zum Beispiel dort, wo der Versandhandel die Daten seiner Kunden nicht nur für die eigene Werbung nutzt, sondern sie geschäftsmäßig, also regelmäßig gegen Entgelt, für andere Unternehmen aufbereitet. Auch hier, also für die geschäftsmäßige Werbung und Marktforschung, aber auch für den Adresshandel dürfen die Daten nur dann weitergegeben werden, wenn eine ausdrückliche Einwilligung vorliegt.
Drittens. Das Gleiche muss für Menschen gelten, die in der Vergangenheit nicht ausdrücklich der Weitergabe ihrer Daten widersprochen haben, zum Beispiel auch bei allgemein zugänglichen Quellen. Diese Menschen wollen wir genauso schützen. Auch sie müssen von einer neuen gesetzlichen Regelung profitieren. Auch bevor ihre Daten weitergegeben werden dürfen, müssen sie noch ausdrücklich einwilligen.
rechtigten Datenschutzinteressen der Bürgerinnen und Bürger im Bundesratsverfahren entsprechende Anträge einbringen.
Festzuhalten bleibt aber bei aller berechtigten Empörung, dass in weiten Teilen der Wirtschaft mit den Daten verantwortlich umgegangen wird und dass es ein Bedürfnis nach begrenzter Datenweitergabe gibt. Hierfür liefert das BDSG klare Regeln. Bewusstseinsschärfung und Sensibilisierung sind wichtig und werden durch das Einwilligungserfordernis geschaffen.
Der Schutz der persönlichen Daten wird dadurch gefährdet, dass Einzelne mit teilweise krimineller Energie die einmal berechtigterweise erhobenen Daten bewusst missbräuchlich verwenden. Geklaut wird trotz rechtlichen Verbots immer noch.
Natürlich ist es unbestritten, dass Datenmissbrauch im nichtöffentlichen Bereich nicht nur zum Handeln auf dem Gebiet der Vorsorge, der Datenvermeidung und der Gesetzgebung, sondern auch des Gesetzesvollzugs zwingt. Auch bei Lösungsvorschlägen, die eine Erhöhung von Strafen und Bußgelder zum Ziel haben, ist kritisch zu prüfen, ob der bereits jetzt vorhandene Rahmen des BDSG überhaupt ausgenutzt wird und nicht sogar ausreichend ist. Soweit mir bekannt wurde, wird der Bußgeldrahmen bei Weitem nicht ausgeschöpft. Außerdem gibt es sogar die Möglichkeiten der Verhängung von Haftstrafen.
Ich halte nichts davon, vorschnell zu reagieren. Im Rahmen des Bundesdatenschutzgesetzes müssen wir die entsprechenden Änderungen einbringen. Im Verwaltungsvollzug ist NordrheinWestfalen beim Datenschutz aktiv. Dies gilt insbesondere dort, wo es Berührungspunkte zwischen öffentlichem und nichtöffentlichem Bereich gibt. Hier kann ich hervorheben, dass wir neben Schleswig-Holstein als einziges Land die Meldebehörden zur Sensibilität im Umgang mit Auskünften besonders an Adresshändler angewiesen haben.
Ich fasse zusammen: Eine gesetzlich erlaubte Datenweitergabe muss heute und in der Zukunft möglich sein. Die Rechte der Bürger müssen aber über ein Institut der Einwilligung stärker abgesichert werden. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD Herr Kollege Stüttgen das Wort.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wieder einmal sind auch Firmen aus Nordrhein-Westfalen in einen Datenschutzskandal verwickelt. Diesmal geht es um die unerlaubte Weitergabe von personenbezogenen Daten, teilweise sogar inklusive Kontodaten. Bei mehreren hundert Betroffenen wurde sogar nichtautorisiert Geld von deren Konten abgebucht.
In den letzten Tagen haben sich die vermeintlichen Einzelfälle als Spitze eines immer größer werdenden Eisbergs erwiesen. Immer wieder tauchen neue Fälle auf. Verbraucherschützer und die Datenschutzbeauftragte von NRW, Frau Sokol, werden mit Beschwerden aus der Bevölkerung überschwemmt.
Legal oder illegal sind inzwischen personenbezogene Daten von allen Bundesbürgerinnen und Bundesbürgern im Umlauf. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar schätzt, dass illegal etwa zehn bis 20 Millionen Kontodaten von dubiosen Datenhändlern angeboten werden. Der Missbrauch ist damit geradezu vorprogrammiert.
Meine Damen und Herren, es ist offenbar ein ungeschriebenes Gesetz im politischen Leben, dass das Kind erst in den Brunnen fallen muss, bevor sich etwas bewegt. Seit Jahren drängen Datenschützer und Fachpolitiker auf eine sinnvolle Verschärfung des Datenschutzes, ohne damit allerdings auf eine nennenswerte Resonanz zu stoßen. Das hat sich in den letzten Wochen geändert.
Zwar ist auch heute schon die Weitergabe von Kontodaten eine Straftat mit bis zu zwei Jahren Strafandrohung, aber die Vorgänge der letzten Wochen haben gezeigt, dass dies offenbar nicht genügend abschreckt. Solange sich unlautere oder illegale Praktiken lohnen und die Gefahr, dafür bestraft zu werden, letztendlich gering ist, wird es diese Praktiken weiterhin geben. An dieser Stelle muss wirklich ernsthaft über härtere Strafen nachgedacht werden.
Verstöße gegen den Datenschutz sind keine Kavaliersdelikte. Ich gehe sogar noch weiter, meine Damen und Herren: Wir müssen den Handel mit Daten restriktiv reglementieren, gegebenenfalls sogar bis hin zu einem Verbot. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung muss geschützt werden.
Über die klar illegalen Aspekte hinaus haben die Vorkommnisse eine allgemeine Debatte über die ins Unendliche gewachsene Datensammelwut
von Wirtschaftsunternehmen ausgelöst. Auch diese Diskussion war längst überfällig. Das im Kern nunmehr seit etwa 30 Jahren bestehende Datenschutzrecht muss dahingehend überprüft werden, ob es den heutigen Anforderungen wirklich noch gerecht wird. Genau an dieser Stelle besteht aus Sicht meiner Fraktion Handlungsbedarf.
Es ist schon erstaunlich, dass Name, Anschrift, Geburtsjahr und Beruf für Werbezwecke gesammelt und ungefragt weitergegeben werden dürfen. Nur wenn man ausdrücklich widerspricht, ist dies illegal. Diese Hürde wird gerade im Internet mit mehr oder weniger verstecken Hinweisen zum Widerspruchsrecht gerne umschifft. Hier muss durchgängig eine aktive Zustimmung zur Datenweitergabe im Internet – etwa durch das Anklicken einer entsprechenden Schaltfläche – her. Für Nutzer oder Kunden darf die Verweigerung der Datenweitergabe nicht zu Einschränkungen bei der Nutzung eines Internetangebots führen.
Deutlich besser als zurzeit müssen Unternehmen auch unter Strafandrohung dazu gezwungen werden können, anzugeben, zu welchem Zweck sie Daten sammeln und an welche Empfänger sie diese aus welchem Grund weitergegeben haben.
Die Verbesserung des Datenschutzes im Hinblick auf das Verhältnis von Unternehmen auf der einen Seite und Bürgerinnen und Bürgern auf der anderen Seite ist aus Sicht der SPDLandtagsfraktion immens wichtig. Es gilt aber auch zu prüfen, ob aus den Vorkommnissen der Vergangenheit nicht noch weitere Folgerungen gezogen werden müssen.