Ich weise darauf hin, dass wir entgegen der ausgedruckten Tagesordnung jetzt einen Antrag aller Fraktionen debattieren. Dieser ist als zweiter Neudruck verteilt worden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 26. Juli ist durch eine gewaltige Unwetterkatastrophe im Dortmunder Westen eine Notsituation entstanden. In nur zwei Stunden wurden an der Messstation Dortmund-Marten 102 mm Niederschlag gemessen. Dies ist der höchste je in Dortmund gemessene Wert seit Beginn der Aufzeichnungen Anfang des 20. Jahrhunderts.
Weite Teile Dortmunds, insbesondere die Stadtteile Marten, Dorstfeld, Oespel, Schönau und Barop, waren innerhalb kürzester Zeit überschwemmt. Nur durch die schnelle Reaktion der Feuerwehr und der beteiligten Hilfsdienste konnten Personenschäden verhindert werden.
Privathaushalte wurden von dieser Katastrophe ebenso hart getroffen wie Freizeit- und Kleingartenanlagen, kirchliche und öffentliche Einrichtungen.
Mehrere Kindergärten sind bis heute nicht wieder nutzbar. Kinder sind notdürftig in viel zu kleinen Ersatzräumen untergebracht, ohne altersgerechte Einrichtung oder Spielzeug.
Allein der Schaden in Fachräumen, am Mobiliar und der Medienausstattung von 15 betroffenen Schulen wird auf ca. 2,5 Millionen € geschätzt.
Forschungseinrichtungen im Technologiepark, Gründungsunternehmen, Lebensmittelgeschäfte, Handwerks- und kleine Familienbetriebe stehen vor riesigen Schäden und oftmals auch vor dem Ende ihrer Existenz. Über 1.700 t Abfall, fast 12 t Elektroschrott wurden aus dem betroffenen Gebiet bisher geräumt. Bei Sondereinsätzen haben bis zu 60 Mitarbeiter der „Entsorgung Dortmund GmbH“ in 4.900 Arbeitsstunden einen beispielhaften Einsatz geleistet.
356 Familien, das heißt 839 Betroffene, haben bereits in der ersten Woche Unterstützungsanträge in den Bürgerbüros für die Flutopfer gestellt. Das ganze Ausmaß des Unwetters wird man frühestens in drei Wochen ermittelt haben, wenn sich alle Hochwasseropfer bei den gemeinsam von der Stadt und der Diakonie eingerichteten Bürgerbüros gemeldet haben. Dann erst sieht man schwarz auf weiß, dass die angenommene Schadenssumme in Höhe eines zweistelligen Millionenbetrages wahrscheinlich noch übertroffen wird.
Das sind Millionenbeträge, die keine Versicherung bezahlt, Millionenbeträge, die kein Spendentopf ausgleichen kann. Die bisher als Hochwasserhilfe bereitgestellten 500.000 € von der Stadt Dortmund, 100.000 € von der Emschergenossenschaft und 100.000 € von Bürgerinnen und Bürgern, Banken und Kirchen sind ein Tropfen auf den heißen Stein. Fest steht: Die Mittel reichen nicht, um den vielen Bedürftigen zu helfen.
Über die immateriellen Schäden durch den Verlust persönlicher Dinge wie Erinnerungsstücke, Fotos und Dokumente will ich hier gar nicht reden, denn diese kann niemand ersetzen; ganz zu schweigen von den Ängsten, die die Hochwasseropfer bei jedem stärkeren Regenschauer mittlerweile haben. Die Menschen haben bei starkem Regen Angst, dass Ähnliches noch einmal passiert. Die Menschen wurden völlig unvorbereitet getroffen und hatten überhaupt keine Möglichkeiten, ihr Hab und Gut in Sicherheit zu bringen.
Jetzt geht es darum, den Menschen, die Möbel, Hausrat oder im schlimmsten Fall ihr Dach über dem Kopf verloren haben, wieder ein annähernd normales Leben zu ermöglichen. 2001 gab es eine ähnliche Situation für Bürgerinnen und Bürger in Ahlen und im Oberbergischen Kreis. Die Landesregierung stellte damals kurzfristig 5,3 Millionen Mark als Soforthilfe für die betroffenen Gemeinden zur Verfügung. Der Landtag begrüßte mit den Stimmen aller Fraktionen die unbürokratische Soforthilfe. Ich verweise ausdrücklich auf die
Die Unwetterkatastrophe in Dortmund mit 150 bis 200 Liter Regen pro Quadratmeter binnen kurzer Zeit hat die dort lebenden Menschen mit einer derartigen Wucht und in einer Größenordnung getroffen, die niemand erwarten konnte. Wenn Sie mit ansehen müssen, dass Menschen ihr Lebenswerk verlieren, wofür sie Jahrzehnte gearbeitet haben, und vor dem Nichts stehen, wenn Sie erleben, wie diese Menschen in Tränen vor ihrem völlig zerstörten Heim oder ihrem Hab und Gut stehen, das irgendwo wieder angeschwemmt wurde, berührt dies persönlich. Mir selbst sind die Gespräche und Begegnungen vor Ort sehr nahegegangen.
Solche Not darf uns als verantwortlich handelnde Landespolitiker nicht kalt und untätig lassen. Ich freue mich, dass es heute Morgen gelungen ist, einen gemeinsamen Antrag aller Fraktionen zu erarbeiten, der jetzt zur Abstimmung steht. Damit setzt das Parlament ein Zeichen für die Betroffenen, die nun auch auf die Unterstützung des Landes bauen können. Herzlichen Dank noch einmal für die Bereitschaft aller Fraktionen, diesen Antrag mit zu gestalten. Das ist ein wirkliches Zeichen für die Menschen in Dortmund.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Bollermann. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU der Kollege Burkert das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 26. Juli 2008 standen ganze Stadtteile in Dortmund vor einer Notsituation. Ohne Vorwarnung rollte ein Unwetter über Nordrhein-Westfalen hinweg, das große Schäden, besonders in Dortmund, verursachte. Die Folge waren überschwemmte Häuser, vollgelaufene Keller, vollgelaufene Straßen, und viele Menschen haben ihr Hab und Gut verloren. Was das für die Betroffenen bedeutet, können die meisten von uns nachempfinden – oder auch nicht. Hinzu kommt, dass viele Haushalte nicht gegen Schäden durch Naturereignisse versichert sind.
Die Stadt Dortmund hat schnell reagiert. Die Feuerwehr und Helfer von anderen Organisationen waren stundenlang im Einsatz und haben ihr Bestes gegeben, um weitere Schäden zu vermeiden. Wie aus der Dortmunder Presse zu erfahren war, hat die Stadt zusammen mit dem Emscherverband und anderen einen Spendenfonds eingerich
Drei Wochen später haben Landtagsabgeordnete aus Dortmund die Landesregierung um Hilfe gebeten. Das entsprechende Schreiben ist am 20. August 2008 in der Staatskanzlei eingegangen. Mit der Prüfung der Situation hat die Landesregierung sofort begonnen. Der Finanzminister hatte die Finanzämter mit Blick auf die Dortmunder Starkregenschäden bereits angewiesen, bei nachvollziehbaren Anträgen die Ermessens- und Entscheidungsspielräume zugunsten der Steuerpflichtigen auszunutzen. Ebenso hat der Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes Nordrhein-Westfalen erklärt, alle Starkregenschäden an Hochschuleinrichtungen zu beseitigen.
Vor wenigen Minuten habe ich erfahren, dass es ein Fax des Stadtkämmerers gegeben hat, der der Landesregierung berichtet, welche Schäden aufgetreten sind. Gestern – einen Monat nach der Katastrophe – erreichte ein Brief die CDULandtagsfraktion, in dem Oberbürgermeister Langemeyer die Landesregierung um eine Spende für die Opfer des Unwetters bittet. Wieso ist das erst so spät geschehen? Keine Kommune in einem Land muss einen solchen Schaden alleine stemmen. Aber sie muss ihn schon melden.
Wieso muss die Landesregierung die Stadt Dortmund um einen Schadensbericht bitten? Die Bitte ist am 25. August 2008 bei der Stadt Dortmund eingegangen.
Andere Städte, wie zum Beispiel Ahlen im Jahre 2001, haben da schneller reagiert. Die Stadt Ahlen hat nach einem Hochwasserereignis an einem Donnerstagnachmittag dem Land am darauffolgenden Montag umgehend eine komplette Schadensmeldung überreicht. Daraufhin fand sofort ein Gespräch mit Vertretern der Stadt Ahlen und des Kreises Warendorf unter Beteiligung von Ministeriumsvertretern in der Staatskanzlei statt. Die damals beantragten Mittel sind zeitnah überwiesen worden.
Die Menschen in Dortmund brauchen schnelle Hilfe. Deshalb freue ich mich sehr, dass wir einen gemeinsamen Antrag zustande bekommen haben. Die Menschen hätten kein Verständnis dafür, wenn wir im Landtag aufgrund ihrer Situation eine politische Diskussion führen würden. Daher fordern wir die Landesregierung gemeinsam auf, einen entsprechenden prüfbaren Antrag der Stadt
Ich will nicht versäumen, an diejenigen zu appellieren, die noch etwas tun können. Weiterhin sind Spendenaufrufe und andere Maßnahmen denkbar. Ich appelliere auch an die Banken, in Not geratene Unternehmen durch Kredite zu günstigen Konditionen zu unterstützten.
Schließlich ist ein solches Ereignis auch ein Anlass für die Stadt Dortmund, zu prüfen, ob Maßnahmen ergriffen werden können, die in Zukunft solche Notlagen abmildern oder Schäden sogar vermeiden können. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Burkert. – Als nächster Redner hat Kollege Engel für die FDP-Fraktion das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vorab herzlichen Dank an die Sprecher der Fraktionen: Gestern und heute haben wir im Wesentlichen über das diskutiert, was uns trennt. Jetzt sprechen wir über das, was uns eint. In der Not ist das auch richtig so.
Nach einer im letzten Jahr vom Umweltministerium vorgestellten Studie über die Auswirkungen des Klimawandels wird die Jahresmitteltemperatur bis zum Jahr 2050 um ca. zwei bis 4°C ansteigen. Diese Erwärmung wird zu einer Anhäufung der Starkregenereignisse führen, denn die Atmosphäre kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen und sie auch wieder schnell in Form von Starkniederschlägen – oft lokal begrenzt – abgeben. Wir müssen uns darauf einstellen, dass insbesondere in wärmeren Jahreszeiten künftig vermehrt Naturkatastrophen durch Starkniederschläge auftreten können.
Die Landesregierung hat im Hinblick auf den Klimawandel ein Hochwasserschutzkonzept für die Zeit bis 2015 aufgestellt und trägt damit häufigeren kleineren und mittleren Hochwässern, die durch Starkniederschläge auftreten können, Rechnung. Damit erhalten die für den Hochwasserschutz zuständigen Kommunen vom Land Unterstützung.
Zur Abmilderung der mit Starkregenereignissen häufig verbundenen Schäden wie Hochwässer und Überschwemmungen infolge von überlasteten Kanalisationen oder durch erhöhten Oberflächen
abfluss muss aus meiner Sicht die Flächenversiegelung vordergründig in Hochwassereinzugsgebieten verringert werden. Bis der Hochwasserschutz sichergestellt oder aktualisiert ist, kann das vorübergehend auch zu einem Baustopp führen.
Heftige Regenunwetter wie am 26. Juli in Dortmund haben in diesem Jahr auch andere Städte und Gemeinden erlebt. So richtete Ende Mai in Krefeld ein Hagelschauer schwere Schäden an. Tennisballgroße Hagelkörner zerbeulten zahllose Autos. Im gleichen Zeitraum kam es im Kreis Düren durch ein heftiges Gewitter zu zahlreichen Überschwemmungen. Unter anderem musste die Autobahn 44 zwischen Titz und Jülich gesperrt werden. Die Feuerwehrleitstelle meldete 700 Einsätze mit 1.500 Kräften. Auch Wesseling und Bornheim hatten mit dem Dickopsbach im gleichen Zeitraum eine erhebliche Überschwemmungskatastrophe zu bewältigen. Im Dortmunder Fall musste die Feuerwehr 868 wetterbedingte Einsätze mit bis zu 620 Helfern abarbeiten.
Nun zur Sache: Eine über lange Zeit ortsfeste Gewitterzelle sorgte am 26. Juli in Dortmund insbesondere in den Stadtteilen Marten, Barop, Hombruch, Kirchhörde und Wellinghofen für massive Überflutungen. Die privat vom Wetterdienst Meteomedia betriebene Wetterstation DortmundUniversität verzeichnete für den gesamten Tag eine Niederschlagsmenge von 204,3 l/m2. Das entspricht fast einem Drittel des in Dortmund zu erwartenden Jahresniederschlags. Es war sozusagen ein tausendjähriges Regenereignis. Gegen eine Sintflut ist kein Kraut gewachsen, sondern es gibt nur eine Lösung: die Arche.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Hochwasserschutz ist teuer, aber unverzichtbar. Für Fließgewässer je nach Größe und Gefährdungspotenzial wird er stets für das zehn- bis zweihundertjährige Hochwasserereignis ausgelegt. Für das Abwasserkanalnetz gilt eine europäische Norm, die auch in nationales Recht umgesetzt ist, nämlich die DIN-EN-752. Ein nach dieser Norm ausgelegtes Kanalnetz lässt zum Beispiel in Wohngebieten statistisch nur etwa alle 30 Jahre ein Schadenshochwasser erwarten. Unabhängig davon sind Aktualisierungen mittels erprobter Messverfahren – zum Beispiel dem sogenannten Niederschlag-Abfluss-Modell, abgekürzt: NA-Modell –unverzichtbar.
Die Schäden in Dortmund sind immens. In diesem Zusammenhang ist es zu begrüßen, wenn die Versicherungen die Schadensfälle zügig regulieren. Gestatten Sie mir vor dem Hintergrund der Zunahme künftiger Starkregenereignisse mit den entsprechenden negativen Folgen den Hinweis,
dass sich jeder Bürger zunächst selbst die Frage stellen sollte, ob eine Versicherung gegen Elementarschäden sinnvoll ist.
Die Stadt Dortmund ist tätig geworden und hat die Emschergenossenschaft und die Wohlfahrtsverbände einbezogen. Wenn ein prüfbarer Antrag vorliegt – seit einer Stunde gibt es einen ersten Antrag in diese Richtung –, wird das Land helfen. Das ist auch richtig, wenn die Voraussetzungen vorliegen.