Deshalb unsere Kernforderung: Wir wollen keine gläsernen Menschen; wir müssen unsere persönlichen Daten besser schützen. Deshalb gilt es, Datenhandel grundsätzlich zu verbieten. Allerdings wird man aus möglicherweise rechtlichen Gründen erlauben müssen, dass man immer dann, wenn es eine schriftliche, ausdrückliche Einwilligung gibt, diesen Handel vollziehen kann. Aber der Grundsatz muss sein: Es darf nicht ohne persönliche Einwilligung mit Daten gehandelt werden.
Es muss außerdem eine Pflicht der Unternehmen und Banken zur Information der Opfer und der Öffentlichkeit bei Missbrauch geben. Es muss eine angemessene Personalausstattung der Aufsichtsbehörden, insbesondere hier in NordrheinWestfalen der Landesbeauftragten, aber auch des Bereiches Verbraucherschutz geben.
Wir brauchen eine Erhöhung des Straf- und Bußgeldrahmens, und wir müssen in NordrheinWestfalen eine Aufklärungskampagne initiieren, wobei die Verbraucherzentrale – das sei auch gesagt – hier sehr gute Arbeit leistet. Das muss weiterhin massiv und zusätzlich unterstützt werden. – Herzlichen Dank.
Meine Damen und Herren! In den letzten zwei Wochen ist ein Missbrauch von Daten in einem bisher nicht gekannten Umfang ans Licht gezerrt worden. Man muss wirklich sagen „ans Licht gezerrt worden“, weil der wesentliche Auslöser ein einzelner Mitarbeiter eines Callcenters war, der den Datenmissbrauch nicht mehr mit seinem Gewissen vereinbaren konnte. Es sollte ihm auch aus diesem Parlament Dank und Anerkennung für seinen mutigen Schritt an die Öffentlichkeit gezollt werden.
Die Erkenntnis aus den letzten Wochen ist, dass Hunderte von Bürgerinnen und Bürgern geschädigt wurden, teilweise in ganz erheblichem Umfang. In meiner Heimatstadt Münster ist mir folgender Fall bekannt geworden: Unterschiedliche Lottounternehmen haben bei einem einzelnen Münsteraner viele kleine Abbuchungen vorgenommen, in einem Monat mehr als 600 €. Allein in „meiner“ Verbraucherzentrale sind in den letzten zwei Wochen 40 konkrete Fälle betreut worden, landesweit mehrere hundert. Die „Westfälische Rundschau“ spricht sogar von mehreren Tausend Betroffenen. Allen dürfte in den letzten zwei Wochen klar geworden sein, dass Datenschutz auch Verbraucherschutz ist.
Jetzt geht es aber darum, was die Landesregierung zum Datenschutz der Verbraucher beitragen kann und wie man die Menschen für den Schutz ihrer eigenen Daten sensibilisieren kann. Wir müssen uns ansehen, was die Landesregierung in dieser Hinsicht unternimmt.
Sie braucht wieder ewig, bis sie überhaupt etwas unternimmt, und wenn dann etwas kommt, ist es wolkig und in Wirklichkeit überhaupt nicht zu gebrauchen. Ich will Ihnen beides belegen:
Am 15. dieses Monats hat Minister Hauk schon erste Informationen auf seiner Internetseite veröffentlicht, was die Menschen konkret tun können. In Nordrhein-Westfalen muss die Landesregierung vom Parlament gezwungen werden, zu diesem Thema überhaupt Stellung zu nehmen.
Der Datenklau ging am 17. August groß durch die Medien. Die Verbraucherzentralen haben am 18. August ausführlich informiert. Die Oppositions
Bei der Landesregierung war erst einmal Funkstille. Wer sich Informationen von unserem Verbraucherminister erhofft, wie er als Verbraucher mit diesem Datenmissbrauch umgehen kann, sucht bis heute vergeblich nach irgendeiner Information auf der Internetseite. Die aktuelle Meldung am 18. August war ein Spatenstich für ein Untersuchungsamt, aber nichts über den Datenmissbrauch. Erst nachdem die Anträge vorlagen, bequemte sich Herr Uhlenberg – Herr Remmel hat gerade darauf hingewiesen –, im Rahmen einer Feierlichkeit etwas zu sagen.
Die Datenschutzbeauftragte hat schnell interessante Hinweise und Forderungen eingebracht. Konkrete Hinweise und Forderungen des Ministers sucht man bis heute vergeblich.
Zum Zweiten: Blumige Aussagen. Am 21. August beim Festakt „50 Jahre Verbraucherzentrale“ war auch die Landesregierung gezwungen, mal etwas zu dem aktuellen Thema zu sagen. Der Ministerpräsident verkündete ganz forsch: Man muss das Problem nun endlich dringend anpacken. – Aber wenn es konkret wird, sucht man vergeblich nach Aussagen von Ihnen. Das hört sich so an – mit Verlaub – wie bei uns bei den geschätzten Westfalen, die den Kopf schütteln, mit den Schultern zucken und sagen: Jo, is allewat. – Dann geht man zum nächsten Thema über.
Sie müssen nicht mehr darüber beraten, ob Maßnahmen notwendig sind. Es kann nicht um das Ob gehen, es muss endlich um das Wie und das Konkrete gehen. Da sind Sie heute hier gefordert, auch mal etwas Vernünftiges zu sagen. Nach dem Motto „Ob, und wir gucken mal“ kann es nicht weitergehen.
Die Fachkompetenz ist hier im Lande durchaus vorhanden. Die Datenschutzbeauftragte hat auf ihren Seiten interessante Hinweise: Adresshandel nur mit Einwilligung, Kennzeichnung zur Herkunft von Adressen, Informationspflicht für Unternehmen, Gewinnabschöpfung bei Datenstraftaten, Datenmissbrauch als Offizialdelikt, stärkere staatliche Datenschutzaufsicht, schriftliche Bestätigung bei Telefonaufträgen ohne Anforderung.
Zu all diesen vielen Einzelinstrumenten hat die Bundesjustizministerin auch schon Stellung genommen. Mein Kollege Gerd Stüttgen wird darauf gleich noch einmal eingehen. Auf die Stellung
Wir müssen endlich von Landesseite etwas gegen den Datenklau unternehmen. Meine Fraktion sagt ganz deutlich: Es ist ein konsistenter Maßnahmenkatalog notwendig. Die Politik muss helfen, Bewusstsein zu schaffen. Man muss jetzt konkret etwas gegen Datenmissbrauch tun.
Herr Uhlenberg, Sie sagen, vor Sorglosigkeit können auch schärfere Gesetze nicht schützen. – Es reicht aber bei Weitem nicht aus, nur so etwas zu sagen. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie ganz konkret aufklären. Sie müssen der Verbraucherzentrale und der Datenschutzbeauftragten mehr Möglichkeiten einräumen, aktiv zu werden und zu helfen.
Es ist eben schon vorgetragen worden, aber ich wiederhole es noch einmal: Das heißt schlicht, diese Institutionen brauchen mehr Leute, um wirklich informieren zu können. Es hapert daran, dass sie nicht genug Leute haben. Die Kompetenz ist da. Die Datenschutzbeauftragte und die Verbraucherzentrale brauchen mehr Möglichkeiten zu beraten und konsistent zu informieren.
Deshalb fordern wir in unserem Antrag, dass Sie mehr für die Verbraucherzentrale tun. Die Verbraucherzentrale hat zum Beispiel einen „Führerschein Medien- und Informationskompetenz an den Schulen“, die sie anbieten kann. Im Rahmen dieses Programms wird ein kritischer Umgang mit den eigenen Daten trainiert. Das geht aber derzeit nur, wenn sich vor Ort Sponsoren finden. Von Landesseite ist nicht genug Geld dafür da.
Die meisten Menschen wissen auch gar nicht, in wie vielen Datenbanken sie schon gespeichert sind. Johannes Remmel hat eben darauf hingewiesen.
Die Banken muss man stärker mit ins Boot nehmen. Auch das war eben schon Thema. Es gibt schon positive Beispiele. Manche Banken informieren von sich aus andere betroffene Kunden, wenn ihnen auffällt, dass bei einigen Kunden kleine Beträge abgebucht werden und sich Kunden das Geld zurückholen. Das ist die richtige Richtung; in diese Richtung muss es weitergehen.
Deshalb appellieren wir an die Landesregierung und den Verbraucherminister, endlich aktiv zu werden. Informieren Sie über die Gefahren des Datenklaus! Stärken Sie die Verbraucherzentrale, und stärken Sie die Datenschutzbeauftragte, da
mit die in der Fläche helfen können! Das ist ein wichtiger Schritt für mehr Verbraucherschutz. Abtauchen und wieder mal nur auf die Bundesregierung schielen, Herr Minister, werden wir nicht zulassen. – Ganz herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Schulze. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU Kollege Kruse das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Missbrauch sensibler Verbraucherdaten und das Bemühen mutmaßlicher Betrüger, sich immer neue Bankkontonummern zu besorgen, gehen nach Einschätzung vieler unvermindert weiter. Die Kriminalität im Datennetz ist auf dem Vormarsch. Der Bürger ist durchsichtiger geworden. So bewerten diese Entwicklung viele.
Wir erleben in der Tat eine rasante Entwicklung, denn noch nie gab es so viele leistungsstarke Computer, nie so viele Internetnutzer. Heute klicken sich ca. 45 Millionen Deutsche regelmäßig durchs Netz, zwei Drittel über Hochgeschwindigkeitsanschlüsse. Vier von fünf Unternehmen haben eine eigene Website. Dort werden jedes Jahr Milliarden Euro umgesetzt.
Viele Kunden gehen allerdings mit persönlichen Daten auch zu leichtfertig um. So, als gäbe es nur Chancen und keine Risiken, legen sie für ein paar Bonuspunkte ihre Adresse oder Nummern von Geldkarten offen. Sie hinterlassen sozusagen mit jedem Mausklick elektronische Spuren zu ihrem Computer, zu ihren Daten und somit auch zu ihrer Identität.
Massenhafter Datenklau und milliardenschwerer Schwarzmarkthandel, Online-Razzien und Computerspionage – nichts scheint mehr sicher, weder Konto- noch Kreditkartennummern, weder Personal- noch Krankenakten. Firmen bangen um Betriebsgeheimnisse und Bürger um die Privatsphäre.
Daten werden gesammelt, analysiert und neu konzipiert. So können Persönlichkeitsprofile erstellt und Charakterbilder entworfen, Einkommensklassen ermittelt und Interessen gezielt bedient werden. Nichts ist mehr unmöglich! Das macht Privatsphären rasch obsolet.
Personenbezogene Informationen sind zu einer Handelsware geworden, die außerordentlich viel Geld bringt. Das Geschäft floriert. Der Bund Deut
scher Kriminalbeamter beziffert dieses Geschäft inzwischen auf mehrere Milliarden € und nennt die Strukturen mafiös. Nach Bewertung so mancher Experten ist unser Rechtsstaat allerdings nicht korrupt; er arbeitet auch nach meiner Einschätzung zuverlässig und trotz aller Belastungen auf einem außerordentlich hohen Niveau.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Vergangenheit ist es in unserer Gesellschaft häufig zu Diskussionen über den Überwachungsstaat gekommen.
Inzwischen ist aber festzustellen, dass die Privatwirtschaft ein massives Problem in sich birgt. Richtig ist: Gefahr droht nicht vom Staat, Gefahr droht von Privaten. Unstrittig ist: Diejenigen, die illegal mit Daten handeln, müssen natürlich bestraft werden. Wir stehen allerdings vor einem erheblichen Vollzugsproblem. Denn diese Daten und diese Entwicklungen sind nur sehr schwer aufzuklären. Nach meiner Einschätzung stehen die Dimensionen des unerlaubten Datenhandels derzeit noch gar nicht fest.
Die Politik kann und muss – auch wir hier in Nordrhein-Westfalen werden unseren Beitrag dazu leisten – erreichen, dass auch der legale Adresshandel erschwert wird. Herr Kollege Remmel, wir sind gegen ein generelles Verbot des Datenhandelns, allerdings muss die Politik dafür sorgen, dass Daten nur dann weiterverkauft werden, wenn die Kunden diesem Schritt beim Abschluss des Vertrages ausdrücklich zugestimmt haben. Nötig ist also eine aktive und bewusste Zustimmung. Diese Änderungen lassen sich nach meiner Einschätzung in den nächsten Wochen zügig umsetzen.
Eine aufwendige Grundgesetzänderung, wie das einige fordern, ist dafür nicht notwendig. Wer eine Grundgesetzänderung in diesem Zusammenhang fordert, missachtet aus meiner Sicht zwei wesentliche Punkte. Zum einen regelt die Verfassung das Verhältnis zwischen Staat und Bürgern, nicht jenes zwischen Bürgern und Unternehmen, zum anderen hat das Verfassungsgericht aus dem Grundgesetz bereits ein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung abgeleitet. Den Datenschutz explizit zu nennen, wäre daher nur ein symbolischer Schritt, der die Verfassung nur unnötig aufblähen würde.
Die Absage an eine Grundgesetzänderung bedeutet aber nicht, dass der Staat zusehen darf, wie einzelne Firmen im Graubereich schwunghaften Handel mit sensiblen Kundendaten betreiben. In den bekannten Fällen ist klar geworden, dass es der eine oder andere in der Branche mit dem
Gesetz in der Tat nicht so genau nimmt. Umso wichtiger wird es sein, dass die Ermittler im Kampf gegen den Datenmissbrauch gestärkt werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Bundesverfassungsgericht hat die Bedeutung des Datenschutzes einmal so erklärt – mit Erlaubnis der Präsidentin darf ich zitieren –:
Die Kenntnis dessen, was mit den eigenen Daten geschieht, sei die Grundlage der Möglichkeit, sich an der Entwicklung der Gesellschaft zu beteiligen. Der Datenschutz ist also Persönlichkeitsschutz, er ist Schutz der informationellen Selbstbestimmung, er ist Schutz der Menschen in der digitalen Welt – er ist das Grundrecht der Informationsgesellschaft.