Halbherzigkeit und fehlender Mut seitens der CDU/FDP-Regierung, das System den Gegebenheiten anzupassen, erweisen sich auch beim Ausbau der Ganztagsschulen – oder soll ich sagen: im Nichtausbau der Ganztagsschulen. Denn nach dem jetzigen Ganztagsprogramm der Landesregierung würde es wohl bis 2020 dauern, ehe auch die letzte Realschule und das letzte Gymnasium in eine Ganztagsschulform umgewandelt worden wären, und das auch nur dann, werte Kolleginnen und Kollegen, wenn die Finanzierung durch das Land konsequent durchgezogen würde. Den Ganztag für nur ein Gymnasium plus eine Realschule pro Kommune pro Jahr vorzusehen, reicht beileibe nicht aus. Wo, bitte, bleiben denn die Großstädte? Das Investitionsprogramm ist unzureichend. Es ist realitätsfern und wird sich zu einer schweren Belastung für die Kommunen entwickeln. Wir werden es erleben.
Im Gegensatz zum IZBB-Programm, das einen Eigenanteil der Kommunen von nur 10 % vorsah, müssen die Kommunen nun mindestens 50 % übernehmen. Pro Schule stellt die Landesregierung maximal 100.000 € bereit. Das ist eine völlig realitätsferne Summe, da Fachleute zum Beispiel den Bau einer Mensa ohne eigene Küche mit rund 750.000 € bis zu 1,5 Millionen € beziffern.
Die Begrenzung des Investitionsprogramms auf zwei Jahre wird dem bestehenden und noch erwachsenden Bedarf in keiner Weise gerecht.
Kommen wir zum wichtigen Thema „Schulmittagessen“: In der Praxis sieht es so aus, dass es Kinder erster und zweiter Klasse gibt, nämlich diejenigen, die sich das Essen leisten können, und diejenigen, bei denen das nicht der Fall ist. Nicht wenige Kinder verlassen vor dem Mittagessen die Schule, kommen dann aber zur nachmittäglichen Betreuung wieder. Ich brauche Ihnen, meine Damen und Herren, sicherlich nicht zu schildern, welchen Druck diese Situation auf die Kinder ausübt, zumal in 98 % der Fälle davon ausgegangen werden kann, dass diese Kinder auch zu Hause kein Mittagessen bekommen und mit hungrigem Magen in die Schule zurückkehren. Wenn es der Landesregierung wirklich so ernst ist, dass jedes
Kind ein warmes Mittagessen bekommt, muss sie auch die wirklich notwendigen finanziellen Investitionen tätigen.
Was passiert, wenn der Landesfonds „Kein Kind ohne Mahlzeit“ nach zweijähriger Laufzeit eingestellt wird? Wie sieht die Anschlussregelung aus, meine Damen und Herren? Es ist nicht damit getan, plakativ sozial zu argumentieren, aber in der Umsetzung jegliche soziale Verantwortung vermissen zu lassen.
Abschließend möchte ich betonen, dass meine Fraktion dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen zustimmen wird.
Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Frau Löhrmann, Frau Beer, das ist der ich weiß nicht wie vielte Aufguss, den Sie uns liefern. Aber es ist wirklich kalter Kaffee. In der Sommerpause ist Ihnen wohl nichts anderes eingefallen. Noch dazu sind Sie zu spät zurückgekehrt, denn irgendwie haben Sie nicht mitbekommen, dass Frau Ministerin Sommer erklärt hat, dass es noch im Laufe des Monats September die Evaluation der Kopfnoten geben und anschließend zügig eine Neuregelung nach einer sehr verantwortungsvollen Evaluation noch im laufenden Schuljahr umgesetzt wird. Dies nur zu Ihrer Information.
Interessant ist doch zu lesen, dass Sie irgendwie nicht so recht wissen, was Sie wollen. Das wissen wir zwar; aber dass Sie das hier so klar zu Papier bringen, das ist neu. Auf der einen Seite scheint Ihnen zwar eine Rückmeldung recht zu sein, auf der anderen Seite aber bitte schön kein Zwang. Form und Art der Notenvergabe sollen, bitte schön, freigestellt werden. – Ich kann mich an eine Debatte hier erinnern, in der Sie sehr klar gesagt haben, es dürften überhaupt keine Ungerechtigkeiten auftreten, überall müsse alles vergleichbar sein. – Was wollen Sie denn wirklich? Sortieren Sie sich erst einmal ein bisschen nach Ihrem Urlaub. Dann können wir neu diskutieren.
Zur Gemeinschaftsschule. Auf den ersten Blick scheint es so, dass Sie ganz pragmatisch daherkommen, aber im Grunde genommen verstecken Sie doch wieder Ihre Ideologie unter diesem Punkt. Sie wollen nun einmal die Einheitsschule. Das sagen Sie verdeckt, aber nicht wirklich. Sie wollen Verschiedenes ermöglichen usw.
Dazu nur eines: Auf die Differenzierung und auf die Erfordernisse der Differenzierung der unterschiedlichen Begabungen sowie Leistungsstände der Kinder wollen Sie wohl kaum Rücksicht nehmen. Sie können doch wirklich nicht behaupten wollen, dass es in einer großen Einheits- oder Gemeinschaftsschule möglich ist, den individuellen Erfordernissen jedes einzelnen Kindes gerecht zu werden!
Frau Beer, Sie bezeichnen die FDP gerne als Bildungstaliban. Das ist geschmacklos, aber offensichtlich Ihr Jargon und Ihr Stil.
Um auch einmal in dieser Form zu sprechen, Frau Beer: In Wahrheit sind Sie die Heckenschützin, die aus ideologischen Gründen die Zukunft unserer Kinder aufs Korn nimmt. Die aber ist nicht zur Disposition zu stellen.
Wir müssen individuell fördern. Die Mehrheit der Wissenschaftler, die sagt, es sei eine Differenzierung nötig, und die damit völlig auf unserer Seite steht, nehmen Sie überhaupt nicht zur Kenntnis. Sie bemühen ständig nur Ihre Ideologie.
Ganztagsaufbau pauschalieren! – Nein, wir wollen den Ganztag überall dort hinbringen, wo er erforderlich ist, wo er auch nachgefragt wird. Dorthin gehört er.
Und es gehören auch nicht alle Ganztagsschulen als gebundene Ganztagsschulen eingeführt, sondern das Ganztagsprogramm muss so, wie es die Landesregierung und die Regierungsfraktionen entschieden haben, offen in den weiterführenden Schulen angeboten werden.
Genau das machen wir. Das machen wir nach Bedarfslage. Das stülpen wir nicht über. Das haben Sie früher mit der Gießkanne gemacht. So etwas machen wir nicht. Aber da haben Sie sich wahrscheinlich noch nicht umgewöhnen können.
Ich nehme an, Frau Beer wird sich hier gleich noch umfassend auslassen. Sie hat ja noch ein bisschen Zeit von Frau Löhrmann.
Das Allerschärfste ist die Behauptung – das möge man sich doch einmal auf der Zunge zergehen lassen –, den Gesamtschulen werde der Ganztagsausbau aus ideologischen Gründen verwehrt. Ich möchte nur daran erinnern, dass früher unter Ihrer Verantwortung fast 100 % der Gesamtschulen als Ganztagsschulen errichtet worden sind, dass Sie allen anderen weiterführenden Schulen über viele Jahre die Genehmigung der Ganztagsführung verweigert haben. Wenn das keine Ideologie ist, dann frage ich mich: Was ist Ideologie?
Das tragen Sie vor sich her. Unter Chancengerechtigkeit verstehen Sie ausschließlich Ihr Lieblingskind, die Gesamtschule. Es ist nicht in Ordnung, nur Lieblingskinder zu fördern. Wir müssen alle fördern. Wir haben einen weiten Weg der Aufholung bei den anderen Schulformen. Das nehmen wir in Angriff, das machen wir jetzt. Das haben wir auch deutlich gesagt. Ich denke, das hat sehr viel mehr mit Gerechtigkeit und Chancengleichheit zu tun als das, was Sie hier einfordern.
Eigentlich lohnt es sich gar nicht, sich an den einzelnen Punkten abzuarbeiten. Ich will aber noch einmal auf das Recht auf warme Schulessen für alle, das Sie hier reklamieren, eingehen.
Es gibt in diesem Land noch Familien, Frau Beer, die tatsächlich gerne ein gemeinsames Mittagessen mit ihren Kindern einnehmen. Es gibt Mütter oder Väter oder beide zusammen oder meinetwegen auch die Oma, die das gerne machen. Es gibt auch Kinder, die das Bedürfnis haben, einfach mittags nach Hause zu gehen. Wir möchten keine Ideologie breittreten und Familien und Kinder in etwas hineinzwingen, was sie nicht haben wollen.
Letzter Punkt, und zwar Ihr Punkt Lehrmittel. – Es ist allgemein bekannt, dass es in diesem Bereich unterschiedliche Zuständigkeiten gibt. Das Verblüffende an Ihrer Argumentation ist wirklich, dass Sie zusammen mit der SPD es gewesen sind, die den Eigenanteil für Lehrmittel spürbar belastet haben. Sie haben vor einigen Jahren die Kosten für Eltern en passant um ein Drittel erhöht. FDP und CDU sind es gewesen, die diese Belastung zurückgenommen haben. Wir entlasten die Familien und ziehen ihnen nicht das Geld aus der Tasche. Wir müssen wirklich dazu beitragen, dass es für die Familien nicht so schwer wird, für Schulbücher für ihre Kinder zu sorgen.
Dieser Antrag gehört in die Mottenkiste. Sie machen das Gleiche in unterschiedlicher Reihenfolge immer wieder. Aber egal, in welche Reihenfolge Sie es stellen: Ihre Absicht ist transparent und immer erkennbar, egal, wo Sie sie verstecken. – Danke.
Danke schön, Frau Pieper-von Heiden. – Frau Ministerin Sommer spricht nun für die Landesregierung. Bitte schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein Fünf-Punkte-Programm – damit wollen die Grünen das anpacken, was den Schulen unter den Nägeln brennt. Das hört sich spannend an, Frau Löhrmann.
Umso größer ist allerdings die Enttäuschung, wenn man Ihren Antrag genauer liest. Darin findet sich nichts Neues. Das hat sich, glaube ich, auch schon in der Presse widergespiegelt. Aber wo, frage ich Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, sind Ihre Perspektiven, Ihre Visionen geblieben, auf die wir immer gern geantwortet haben? Vorbei, dahin!
Das, was der Ministerpräsident heute gesagt hat, trifft wirklich zu. Er hat gesagt: Wenigstens gelegentlich waren Sie gut in diesen Dingen.
In Ihrem Antrag schreiben Sie von Weichenstellung. Das lässt die Assoziation zu dem Bild eines Zuges zu. Wohin der Zug unter Ihrer Regierung gefahren ist, wissen wir alle. In Ihren Waggons hatten Sie eine Menge Unterrichtsausfall, 5 Millionen Stunden. Meine Damen und Herren, das wird
Sie verfolgen wie ein Schatten. Unter Ihrer Regierung war die Abhängigkeit der Bildungschancen von der sozialen Herkunft größer als je.