Protocol of the Session on June 19, 2008

Der Pakt mit der Jugend erkennt darüber hinaus die herausragende Bedeutung der Jugendarbeit ausdrücklich an. Jugendarbeit ist ein eigenständiger Bereich der Bildungsarbeit. Schule kann Jugendarbeit nicht ersetzen.

Mit der Bündelung der jugendpolitischen Aktivitäten in Nordrhein-Westfalen soll auch zum Ausdruck gebracht werden, welchen Stellenwert die Jugendarbeit für uns hat. Jugendarbeit eröffnet jungen Menschen jenen freien Raum, in welchem sie außerhalb ihrer Familie lernen können, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen.

Mit dem Pakt mit der Jugend werden die jugendpolitischen Aktivitäten in Nordrhein-Westfalen erstmals gebündelt. Auf dieser Grundlage wird sich die Jugendarbeit positiv weiterentwickeln können. Das ist ein gutes Zeichen für die Verbände und für die Jugendlichen unseres Landes. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Tenhumberg. – Für die FDP-Fraktion spricht Abgeordneter Lindner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ein gutes, ein richtiges und kein zufällig gesendetes Signal,

(Andrea Asch [GRÜNE]: Kein zufälliges? – Wohl inszeniert!)

dass wir über dieses Papier parallel zum Kinder- und Jugendhilfetag beraten. Denn wir wollen als Koalition auch im Zusammenhang mit diesem Anlass deutlich machen, welchen Stellenwert Kinder- und Jugendpolitik in Nordrhein-Westfalen für die schwarz-gelbe Koalition hat.

Für uns ist Kinder- und Jugendpolitik ein eigenständiges Sozialisationsfeld für junge Menschen neben der Bildung in Familie, Schule und Beruf. Das ist deshalb wichtig zu betonen, weil die Vorgängerregierung Kinder- und Jugendarbeit nur als Zulieferbetrieb für die Schule verstanden hat. Sie haben den Jugendbereich in das damalige Schulministerium integriert – es ist dort zwischen anderen Schulabteilungen plattgedrückt worden –, und Sie haben im damaligen, in Ihrem Kinder- und Jugendhilfeplan die Mittel für die offene Kinder- und Jugendarbeit reduzieren wollen, um dafür dann die Kooperationsmittel für die Zusammenarbeit Jugendhilfe und Schule zu verstärken. Da waren die Motive klar erkennbar.

Eine eigenständige Jugendarbeit, die sich auf Persönlichkeitsbildung konzentriert, die nicht nur

einen Beitrag für das schulische Lernen leistet, sondern die auch einen Freizeitcharakter hat, hatten Sie nicht im Sinn. Eine solche Schwerpunktsetzung, ein solches selbstbewusstes Feld Jugendpolitik war nicht Ihre Sache.

Wir hingegen bekennen uns zu der Kinder- und Jugendpolitik in dem Sinne, wie ich sie beschrieben habe: ganzheitliche Persönlichkeitsbildung – das Prinzip der Freiwilligkeit, der Verzicht auf Leistungsfeststellung und die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen an der Gestaltung der Angebote.

Der Pakt mit der Jugend, den die Landesregierung geschlossen hat, ist geeignet, hier einen neuen Impuls zu geben, zum einen in fachlicher Hinsicht, weil hier unterstrichen worden ist, von welcher Wichtigkeit die Partizipation für Kinder und Jugendliche ist, nicht nur im Bereich der Jugendverbandsarbeit, der offenen Jugendarbeit, der kulturellen Jugendarbeit im engeren Sinne, sondern auch in einem weiteren Sinne mit Blick auf die Kommunalpolitik. Hier können Kinder und Jugendliche ihr Lebensumfeld ganz unmittelbar mit gestalten. Beteiligung auf der kommunalen Ebene kann überdies einen unverzichtbaren Beitrag zur politischen Bildung junger Menschen leisten. Hier können sie erfahren, was politisch möglich ist, aber auch mit welchen Dilemmata politisches Handeln verbunden ist, wenn man sich etwa entscheiden muss zwischen zwei eigentlich notwendigen und wünschenswerten Projekten, aber nur Geld für eines zur Verfügung steht.

(Andrea Asch [GRÜNE]: Was hat das mit ei- nem Pakt zu tun?)

Insofern setzt der Pakt mit der Jugend einen Schwerpunkt bei der Partizipation von Kindern und Jugendlichen – innerhalb der Jugendarbeit, auch darüber hinaus. Wir haben als Koalitionsfraktionen diesen Aspekt in unserem Forderungsteil ein weiteres Mal hervorgehoben.

Ein zweiter fachlicher Impuls, der aus meiner Sicht notwendig ist, ist die Frage der Integration. Hier hat insbesondere die offene Jugendarbeit in vielen Kommunen einen Ankercharakter. Die Einrichtungen der offenen Jugendarbeit stellen häufig genug das einzige nicht kommerzielle, sinnvolle Freizeitangebot in einem Stadtteil oder in einer Kommune dar, insbesondere auch im ländlichen Raum. Diese offene Kinder- und Jugendarbeit muss gestärkt werden; das ist zweifelsohne richtig. Im Hinblick auf die Integrationsbemühungen ist die offene Jugendarbeit allerdings stark: Über 40 % der Besucher von Jugendhäusern und Jugendtreffs haben Migrationshintergrund. Deshalb

wird dort Begegnung gelebt, deshalb ist es dort möglich, auch außerhalb der Schule interkulturellen und interreligiösen Dialog zu ermöglichen.

Wo wir noch einen gewissen Nachholbedarf sehen – gar nicht, weil die Bereitschaft nicht da wäre, aber weil noch die Gelegenheiten fehlen –, ist im Bereich der Jugendverbandsarbeit. Hier stellen wir fest, dass der Anteil von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund in den Jugendverbänden noch unterproportional ist; zumindest entspricht er nicht ihrem Bevölkerungsanteil. Hier wollen wir mit dem Pakt und dem hier vorgelegten Antrag durchaus ein Signal der Ermunterung an die Jugendverbände senden, sich in diesem Sinne zu öffnen. Öffnung heißt hier: offen zu sein für neue Bedürfnisse, Wünsche und Potenziale, die Migranten einbringen, aber auch offen zu sein, sich selbst aus diesem Dialog heraus als Jugendverband weiterzuentwickeln. – Das waren die fachlichen Impulse, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Mit diesem Pakt mit der Jugend verbindet die Landesregierung allerdings auch den Wunsch, den Kinder- und Jugendförderplan in Zukunft finanziell besser auszustatten. Ich darf für meine Faktion sagen – Herr Kollege Tenhumberg hat das ebenfalls gesagt –: Diesen Wunsch der Landesregierung, den Kinder- und Jugendhilfeplan des Landes mit 80 Millionen € auszustatten, werden wir gerne unterstützen. Wir werden ihn als Haushaltsgesetzgeber erfüllen. Wir halten das auch für erforderlich.

(Karl Schultheis [SPD]: Warum ist das vorher gekürzt worden?)

Das ist nicht gekürzt worden, verehrter Herr Schultheis. Ich darf Sie gerne korrigieren. Ich finde es gut, dass Sie, Herr Schultheis, als Nichtfachpolitiker an dieser Debatte teilnehmen und sich auch einbringen wollen.

(Heiterkeit und Beifall von der CDU – Karl Schultheis [SPD]: Ich kenne mich aus!)

Und wenn Sie die Gelegenheit nutzen, eine Nachfrage zu stellen, dann will ich sie gerne beantworten.

Wir haben einen Kinder- und Jugendförderplan von 75 Millionen € eingerichtet. 72 Millionen € war die Summe, die Rot-Grün für die Kinder- und Jugendarbeit zuletzt im Doppelhaushalt 2004/2005 aufgewendet hat. Sie haben zwar für nach der Landtagswahl angekündigt, Sie wollten zukünftig 96 Millionen € bereitstellen, aber geflossen ist diese Summe nie. Insofern kann man redlicherweise nicht von einer Kürzung sprechen. Schon

im ersten schwarz-gelben Haushalt haben wir 3 Millionen € mehr bereitgestellt, als Sie zuletzt verausgabt haben.

(Beifall von FDP und CDU)

Zum anderen will ich darauf hinweisen, dass wir im Kinder- und Jugendförderplan 75 Millionen € haben, daneben aber zwei Zusatzprogramme für Jugend in sozialen Brennpunkten und für die Partizipation – insbesondere von Kindern in der Kommunalpolitik – eingerichtet haben. Beide zusammen habe ein Volumen von etwa 5 Millionen Euro. Das heißt, dass wir jetzt bereits de facto etwa 80 Millionen € für Kinder- und Jugendarbeit bereitgestellt haben. Wir führen diese beiden Sonderprogramme in den Kinder- und Förderplan über, verbinden Sie bis zur nächsten Landtagswahl mit einer politischen Garantie und stellen sicher, dass in einem Haushaltsjahr nicht abgerufene Gelder im nächsten Haushaltsjahr zusätzlich von den Zuwendungsempfängern beantragt werden können.

Herr Kollege Lindner, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Schultheis?

Sofort, Herr Präsident. Noch ein Satz.

Damit steht unter dem Strich für Kinder- und Jugendarbeit in diesem Land wesentlich mehr als zu Ihrer Verantwortungszeit zur Verfügung, obwohl es weniger Kinder und Jugendliche gibt. Das heißt: Pro Kopf ist die Förderung wesentlich verbessert im Vergleich zu dem, was Sie uns hinterlassen haben. Dieser Tatsache müssen Sie sich stellen, Herr Schultheis.

(Beifall von FDP und CDU)

Bitte, Herr Schultheis.

Herr Kollege Lindner, Sie haben die fachpolitische Kompetenz der Kolleginnen und Kollegen angezweifelt. Ich möchte Sie bitten, zur Kenntnis zu nehmen und zu bestätigen, dass ich langjähriger Vorsitzender des Kinder- und Jugendhilfeausschusses in der Stadt Aachen gewesen bin.

(Zurufe von der CDU: Oh! – Wolfgang Jörg [SPD]: Das waren Sie nicht!)

Sehr erfolgreich sogar, würde ich sagen. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis!

Herr Kollege, das war aber keine Frage.

Doch, ich habe ihn gefragt, ob er das zur Kenntnis nehmen möchte.

Nein, nein, Sie haben ihn darum gebeten, das zur Kenntnis zu nehmen. Sie haben ihn nicht gefragt, ob er das zur Kenntnis nimmt.

(Lachen und Beifall von der CDU)

Es steht mir nicht zu, den Präsidenten zu korrigieren, aber ich habe den Schlenker schon verstanden, dass Herr Schultheis gefragt hat, ob ich bereit bin, das zur Kenntnis zu nehmen. Das indessen kann man nicht mit einem kurzen Satz beantworten, Herr Moron. Deshalb bitte ich Sie, mir noch einen Moment zu gestatten, das zu beantworten:

Lieber Herr Schultheis, ich habe großen Respekt davor, dass Sie sich als Kommunalpolitiker in der Kinder- und Jugendhilfepolitik engagiert haben. Das ist völlig klar. Aber man muss sehen, dass Sie hier auf Landesebene als Sozialdemokratie auch Mitverantwortung hatten. Ich stelle fest, dass Sie den Kinder- und Jugendförderplan von einstmals deutlich über 100 Millionen € in seiner Höhe immer weiter reduziert haben.

(Beifall von FDP und CDU)

Aber noch schwerer wiegt: Sie haben nicht nur die Mittel reduziert, sondern Sie haben Bürokratie geschaffen, sodass die hauptamtlich Beschäftigten nicht für die Kinder- und Jugendarbeit zur Verfügung gestanden haben, sondern Formulare ausfüllen mussten. Sie haben darüber hinaus innerhalb des Kinder- und Jugendförderplans einen Schwerpunkt bei der schulbezogenen Jugendarbeit gesetzt. Das war das, was ich eingangs kritisiert habe: Bei Ihnen war Jugendarbeit Zulieferbetrieb für Schule. Es war bei Ihnen nicht überall Jugend drin, wo Jugend drauf stand. Das hat sich bei uns vom Charakter und von der politischen Zielsetzung her verändert.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Deshalb: Dieser Pakt mit der Jugend ist ein Neustart und ein weiterer Impuls im Bereich der Jugendhilfe. Wir senden ein kraftvolles Signal. Die Koalitionsfraktionen werden die Landesregierung weiter darin bestärken, Jugendliche dazu ermutigen, sich zu engagieren, und Infrastruktur vorzuhalten, die ihnen eine Betätigung erlaubt. – Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Lindner. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Haseloh.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Jugend braucht sichere Perspektiven – Pakt mit der Jugend …“ – Sie haben gesagt, es seien gute Zeiten angebrochen. Das sehe ich nicht so. Es sind für Kinder und Jugendliche nämlich keine guten Zeiten angebrochen, auch in Nordrhein-Westfalen nicht. Kinder- und Jugendpolitik hat es – das ist wahr – immer schwer, wenn die Finanzen knapp sind. Das ist in den Kommunen und letztlich auch auf Landesebene so.

(Minister Armin Laschet: Es gibt doch mehr Geld!)

Mehr Geld? – Vielleicht in anderen Bereichen. Wir haben in der Landespolitik ein Stück weit eine Krise zur Kenntnis zu nehmen.

Zur Erinnerung: Im Jahr 2004 haben 175.000 Unterschriften gereicht, damit Rot-Grün das neue Jugendfördergesetz vorlegt und substantiell etwas erreicht hat. Dieses Jugendfördergesetz umfasste 96 Millionen €. Diese 96 Millionen € wurden von allen Fraktionen im Landtag – auch von CDU und FDP – begrüßt und gefordert. Herr Lindner war einer der größten Forderer und hat gesagt, das müsse jetzt kommen.