Protocol of the Session on June 4, 2008

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Schultheis?

Ja, gerne.

Bitte schön.

Herr Minister, Sie und auch Ihr Kollege Witzel haben eben die Bedeutung der Fachhochschulen gerade für die regionale und strukturelle Entwicklung herausgestellt. Wir teilen diese Auffassung, die sich auch daran ablesen lässt, dass Nordrhein-Westfalen die meisten Fachhochschulen mit den meisten Studierendenplätzen in der Republik hat. Ich frage Sie, ob Sie vor dem Hintergrund, dass Sie jetzt neue Standorte ausweisen wollen, endlich bereit sind, eine Standortgarantie für die bestehenden Standorte in Nordrhein-Westfalen auszusprechen.

Bitte, Herr Minister.

Erst einmal freue ich mich, Herr Schultheis, dass Sie zumindest in Ihrer Frage, die Sie jetzt formuliert haben, anerkennen, dass es richtig ist, dass wir die Fachhochschulen in Nordrhein-Westfalen ausbauen. Das ist ein sehr gutes Signal. Und Sie erkennen an, dass das sowohl für die künftigen Studierenden als auch für die Regionen, in denen die Fachhochschulen errichtet werden, von Vorteil sein wird. Das ist sehr zu begrüßen.

Da wir eine wachsende Zahl von Studierenden vor unseren Augen haben – Frau Seidl hat es eben eindrucksvoll angemahnt –, haben wir es längst in unsere Planung aufgenommen. Die

135.000 Studienanfängerplätze im nächsten Jahrzehnt,

(Karl Schultheis [SPD]: Danach habe ich gar nicht gefragt! Beantworten Sie meine Frage!)

die wir nicht durch Neubau bereitstellen können, wollen wir aus dem vorhandenen Hochschulsystem schöpfen, indem wir zusätzliches Geld hineingeben.

Im Übrigen habe ich auch das gesagt, Frau Seidl: Wir geben allein dafür 2,5 Milliarden € aus. Von diesen 135.000 Studienanfängerplätzen werden 50 %, also rund 70.000, auf die vorhandenen Fachhochschulen entfallen. Lieber Herr Schultheis, das heißt doch, dass sich deren Existenzfrage gar nicht stellt. Im Gegenteil: Auch die vorhandenen Fachhochschulen werden im nächsten Jahrzehnt

(Karl Schultheis [SPD]: Das ist nicht meine Frage! Das ist generell!)

einen richtigen Schub erfahren müssen, damit sie diese zusätzlichen Studienanfänger aufnehmen können. Insofern besteht überhaupt keine Notwendigkeit, von Garantien zu reden.

(Lachen von Karl Schultheis [SPD])

Vielmehr sehen wir zu, dass sich die vorhandenen Fachhochschulen kräftig weiterentwickeln und dass neue hinzukommen werden.

Jetzt möchte ich auf die Fachhochschule BonnRhein-Sieg eingehen, weil mir dies sehr wichtig ist, Frau Seidl. Wenn Sie die damalige Planung und Umsetzung verfolgt haben, so wissen Sie, dass es nicht zehn Jahre gedauert hat. Die Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg hat vielmehr sehr schnell ihren Studienbetrieb aufgenommen. Parallel zur Klärung der bau- und planungsrechtlichen Fragen bis hin zur Neuerrichtung des Campus fand Lehrbetrieb statt, für den damals die Stadt Sankt Augustin eine Übergangsliegenschaft bereitstellte.

Deshalb wird Teil des Wettbewerbs sein: Die Regionen, die sich jetzt bewerben, müssen nicht nur deutlich machen, dass sie nicht erst in fünf oder zehn Jahren mit dem Studienbetrieb beginnen wollen, sondern durch entsprechende Liegenschaften belegen, dass dort sofort begonnen werden kann.

(Karl Schultheis [SPD]: Das sind vier Jahre!)

Dann haben wir mit einem Fünf-Jahres-Vorlauf so viel Vorlauf, wie es ihn für eine kraftvolle Hochschulpolitik in Nordrhein-Westfalen selten gab. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Pinkwart. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, sodass ich die Aussprache über die Unterrichtung der Landesregierung, die heute erteilt worden ist, schließe.

Ich rufe auf:

2 Aktuelle Stunde

Warum schweigt Landwirtschaftsminister Uhlenberg zu den Forderungen und zum Lieferstopp der Milchbauern?

Antrag

der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 14/6899

In Verbindung mit:

Versorgungskrise durch Streik der Milchbauern

Antrag

der Fraktion der SPD

Drucksache 14/6901

Ich eröffne die Aussprache und erteile Herrn Remmel für die erste antragstellende Fraktion das Wort. Bitte schön, Herr Remmel.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Alle Kolleginnen und Kollegen, die eben vor der Tür des Landtags waren, haben etwas von der Stimmung auffangen können: Es brennt im Land NordrheinWestfalen. Es brennt in Deutschland. Die Milchbauern sind im Aufstand. Es geht darum, dass sie faire Preise für gute Arbeit fordern. Dieses Thema finden wir zurzeit auf allen Titelseiten der Zeitungen. Daher ist es gut und richtig, dass wir uns heute hier im Landtag damit beschäftigen und unsere Solidarität mit dem Kampf der Bauern für faire Preise ausdrücken.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Aber man fragt sich: Wo ist da unser Landwirtschaftsminister? Die Ginsterbüsche können gar nicht so schnell wachsen, wie der Minister neue Büsche sucht, um sich dahinter zu verstecken.

Dass wir keinen Umweltminister haben, haben wir schon länger festgestellt. Wir haben aber immer geglaubt, für die Interessen der Bauern gäbe es einen Minister in diesem Land, und dafür würde er sich auch intensiv einsetzen. Nach meinem Ein

druck steht der Minister in dieser Frage aber eher auf der Seite der Einzelhandelskonzerne und nicht auf der Seite der Bauern. Wenn die Bauern im Lande Milch wegschütten – das machen sie nun wirklich nicht gerne –, wenn Zufahrten von Molkereien blockiert werden, wenn ihnen das Wasser bis zum Hals steht, dann fragt man sich: Welche Meinung hat eigentlich die Landesregierung in dieser Frage? Die letzte Pressemitteilung des Umweltministeriums stammt vom 29. April.

Wenigstens der Bundeslandwirtschaftsminister hat seine Solidarität erklärt. Wenn man das Interview des Ministers in WDR 5 von vor zwei Tagen nachvollzieht, ist das beileibe keine Solidaritätserklärung. Darin wird von einzelbetrieblicher Förderung gesprochen. Dann wird an die Beteiligten appelliert, sich zu einigen. Es ist doch eine Bankrotterklärung, wenn es keine politische Forderung der Landesregierung, dieses Ministers gibt, wie die Milchpreise in Zukunft zu gestalten sind.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Es ist doch eine Lachnummer, wenn als Lösungsvorschlag an erster Stelle die Förderung der Schulmilch genannt wird.

Es geht darum, dass wir uns die Gesamtsituation auf dem Markt anschauen. Weltweit können wir feststellen, dass die Nahrungsmittelpreise steigen, insbesondere auch die für Milch und Milchprodukte. Auch in Deutschland sind die Preise in den letzten Jahren gestiegen. Begründet werden die Preissteigerungen mit einer erhöhten Nachfrage. Kurzfristig stieg auch der Preis, den die Bauern für ihre Milch erhielten. Allerdings war diese Steigerung weit geringer als die Zunahme der Preise für Nahrungsmittel im Einzelhandel.

Im März hat dann die EU-Kommission die europäische Milchquote um 2 % angehoben. Schon zuvor hat sie die Superabgabe um die Hälfte gesenkt. Beides hat offensichtlich dazu geführt, dass ein Überangebot am Markt herrscht. So ist jedenfalls an der Anzahl der Kühe in 2007 zu erkennen, die in Nordrhein-Westfalen das erste Mal seit 20 Jahren gestiegen ist, dass es hier eine falsche Anreizförderung durch die EU gegeben hat. Diese neue Marktsituation nutzen die Molkereien, nutzt der Einzelhandel kategorisch aus. Die Preise sind auf einem historischen Tiefstand angelangt. Ausgelöst wurde die Preiskrise durch die Molkerei Müller, die Dumpingpreise gegen die Bauern durchgesetzt hat.

Man kann also feststellen, dass der Milchmarkt in einem höchsten Maße gestört ist. Wie ist das bei gleichzeitig hoher Nachfrage möglich? Auch in Deutschland zahlt der Endverbraucher mehr für

die Milch, aber das kommt bei den Bauern nicht an. Offensichtlich liegt die Macht hier eindeutig bei den Einzelhandelskonzernen, und zwar bei wenigen, die den Bauern dauerhaft die Preise diktieren können. Es geht eben nicht darum, zwei Vertragspartnern zu sagen: Einigt euch! Es geht darum, Marktbedingungen, politische Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die Bauern tatsächlich ein faires und gutes Auskommen haben.

Warum ist der Minister eigentlich – dann kommt man vielleicht zum Kern der Sache – so schweigsam, während seine früheren Berufskollegen auf der Straße kämpfen? Es gibt nur eine plausible Antwort: Die Landesregierung will über niedrige Milchpreise eine Marktbereinigung. Die kleinen, oft im Mittelgebirge ansässigen Milchbauern sollen verschwinden, damit für Großbetriebe Platz gemacht wird. Weltmarktfähigkeit ist das Stichwort.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das Motto „Wachse oder weiche!“ ist offensichtlich die Handlungslinie der Landesregierung.

(Zuruf von der CDU: Unverschämtheit!)

Dazu passt dann auch, dass Herr Minister Uhlenberg die Abschaffung der Milchquote fordert. Man muss sich das einmal vorstellen. Ein solcher Aufstand bei einer Steigerung der Milchquote um 2 % in Europa, in Deutschland, in Nordrhein-Westfalen. Was wird denn passieren, wenn die Milchquote abgeschafft wird? Die Preise werden dann bei 20, vielleicht bei 15 Cent liegen. Das sind Preise, die nur noch Großbetriebe halten können. Das wird dann tatsächlich zu einem massenhaften Sterben gerade der bäuerlichen Landwirtschaft führen.

Es geht nicht darum, bestimmte Förderungen von Produktionen in den Mittelpunkt zu stellen, sondern darum, dass die Bauern am Markt auf gleicher Augenhöhe mit den Abnehmern handeln können. Der Minister muss endlich darlegen, wie das für Nordrhein-Westfalen geregelt werden soll, gerade für die benachteiligten Mittelgebirgsregionen. Da ist in der Vergangenheit eher das Gegenteil passiert. Das Festmistprogramm wurde abgeschafft, die Grünlandförderung deutlich reduziert. Wie soll die Zukunft für die mittelständische bäuerliche Landwirtschaft gerade in NordrheinWestfalen aussehen? Ist die Perspektive tatsächlich die Aufforstung dieser gewachsenen Kulturlandschaft, wenn die Betriebe dann letztlich verschwinden? Darauf gibt der Minister keine Antwort.