Protocol of the Session on June 4, 2008

Herr Minister Wittke, ich fordere Sie auf, einmal mit denjenigen zu sprechen, die sich schon etwas

länger im Bereich Stadtentwicklung tummeln. Sie werden Ihnen bestätigen, dass wir in NordrheinWestfalen einmal Vorreiter im Bund für diesen Bereich waren. Heute zeigt uns leider die Hansestadt Hamburg, wie es funktionieren kann.

Meine Damen und Herren, jetzt zu den eben genannten Modellversuchen in Dortmund und Köln. Eigentlich hat der Minister – ich habe, glaube ich, genau zugehört – in der letzten Fachausschusssitzung durchblicken lassen, dass er vier weitere Kommunen im Boot hat. Aber mit welchem Ziel? Geht es um Geschäftsimmobilien, um Wohnimmobilien oder um beides?

Herr Minister Wittke, wenn Sie für die von uns im Antrag geforderte Ausweitung auf den Bereich der Wohnimmobilien Sympathie zeigen, dann lassen Sie uns in weiteren Modellkommunen, die dann von Ihnen auch offiziell benannt werden, Erfahrungen sammeln. Willensbezeugungen im Ausschuss reichen nicht. Es ist wichtig, wie es auch die allermeisten Fachleute in der Anhörung deutlich gemacht haben, dieses Instrument auszuweiten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vielleicht ist es wirklich ein mühsamer Weg, so wie es der Minister angedeutet hat, die Beteiligten, die Eigentümer von Wohnungen, an einen Tisch zu holen. Dass es sich lohnt, kann man aber am Beispiel von vielen Wohnungsunternehmen sehen. Initiativen unter dem Begriff „Stadtrendite“ stärken den Stadtteil nicht nur für die Bewohner, sondern steigern den wirtschaftlichen Wert. Ich kann mich erinnern, hier vor anderthalb Jahren gestanden und zu Herrn Minister Wittke gesagt zu haben: Reisen bildet. – Er war damals in den USA, und da kam unser erster Vorstoß zu den Standortgemeinschaften.

Reisen Sie doch einmal durch NordrheinWestfalen! Eröffnen Sie den Städten und Gemeinden im Land, die ganz unterschiedliche Ansätze und Problemlösungen vorzuweisen haben, die Möglichkeit der Praxiserprobung. Die Kommunen warten darauf.

Meine Damen und Herren, wir werden uns bei der Abstimmung über den Gesetzentwurf der Landesregierung enthalten, weil wir ihn nicht für ausreichend erachten. Natürlich stimmen wir dem Entschließungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen und unserer Fraktion zu. – Danke schön.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Ruff-Händelkes. – Für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Rasche das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir heute ein Gesetz beschließen, das große Chancen für die Entwicklung unserer Innenstädte bietet und zudem breite Zustimmung im Landtag und in den Städten unseres Landes findet. Die bisherigen Initiativen zur Aufwertung der Geschäftszonen reichen oft nicht aus. Viele Städte forderten weitere Instrumente für eine bessere Entwicklung ihrer Zentren.

Da uns die positiven Erfahrungen in vielen anderen Ländern, zum Beispiel in den USA, und ebenso gute Erfahrungen in anderen Bundesländern überzeugt haben, kommen wir dieser Forderung gerne nach. Mit dem Einsatz von BusinessImprovement-Districts, kurz gesagt BID, geben wir den Bürgern, Geschäftsbetreibern und Eigentümern in unseren Städten eine neues Stadtmarketing-Werkzeug an die Hand, um dauerhaft die Stadtzentren aufzuwerten.

In der durchgeführten Anhörung erhielt der Gesetzentwurf breite Zustimmung. Kleinere Anregungen wie die Beschränkung der gemeindlichen Kostenpauschale für den Aufwand der Kommunen auf maximal 3 % haben wir mit unseren Änderungen berücksichtigt. Nach unserer Auffassung sollten die Kommunen jedoch in der Regel zugunsten eines erfolgreichen Projektes auf eine eigene Kostenpauschale verzichten.

Erfahrungen zu Housing-Improvement-Districts, kurz HID, also zu einer Erweiterung auf Wohnquartiere, gibt es bislang in Deutschland nur in Hamburg. Diese Erfahrungen reichen nicht aus. Deshalb werden wir zunächst die Ergebnisse der Modellprojekte in Nordrhein-Westfalen bewerten, bevor eine gesetzliche Verankerung von HIDs erfolgen kann.

Der Unterschied zur Opposition wird wieder einmal deutlich: Bei CDU und FDP gilt der Grundsatz „Qualität vor Schnelligkeit“. Das Gesetz ist gut. Es trifft auf breite Zustimmung im Land. Schade, dass sich die Opposition zu keiner Zustimmung durchringen kann. – Herzlichen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Rasche. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Becker.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, was wir heute mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sehen. Das will ich ganz deutlich

am Anfang sagen. Ich habe das auch schon im Ausschuss geäußert. Es ist allerdings aus unserer Sicht ein etwas mutloser Schritt. Denn das, was wir in den letzten zweieinhalb, drei Jahren diskutiert haben und was immerhin zu einer Meinungsänderung bei dieser Regierung geführt hat, hätte aus unserer Sicht eigentlich zu einer weiter gehenden Meinungsänderung führen müssen. Wir hinken wieder ein Stück weit hinter der Entwicklung hinterher.

Ich erkenne aber ausdrücklich an, Herr Minister, dass Sie lernfähig sind vor dem Hintergrund, dass Sie Ende 2005 noch gesagt haben, ein solcher „bürokratischer Unsinn“ käme mit Ihnen nicht nach Nordrhein-Westfalen.

(Minister Oliver Wittke: In der Tradition mei- nes Vorgängers!)

Nein, eben nicht.

(Minister Oliver Wittke: Doch!)

Ich sage Ihnen direkt etwas dazu, was Intention Ihres Vorgängers war. Er hat den ersten bundesweiten BID-Kongress in Nordrhein-Westfalen stattfinden lassen. Vorher hat er einen sehr erfolgreichen Modellversuch durchgeführt, der in Nordrhein-Westfalen die Grundlagen gelegt hat. Sie hätten an dem Punkt direkt anknüpfen können, als Sie Minister geworden sind. Da sind nämlich in Nordrhein-Westfalen 21 Immobilien- und Standortgemeinschaften auf freiwilliger Basis entstanden.

Insofern muss man sagen: Ehre, wem Ehre gebührt. – Nordrhein-Westfalen war damals vorneweg in der Bundesrepublik. Nordrhein-Westfalen ist jetzt eben nicht mehr vorneweg. NordrheinWestfalen liegt nun hinter Hamburg, das den Weg der Standortgemeinschaften für Wohnimmobilien geht.

Innerhalb der Koalition mag man unterschiedliche Meinungen haben – ich glaube, da liegt in Wahrheit auch der Hase im Pfeffer –, aber hinsichtlich der Probleme in Nordrhein-Westfalen – die Kollegin Ruff-Händelkes hat an der Stelle völlig zu Recht auf das Pestel-Gutachten hingewiesen – muss man feststellen, dass wir eigentlich schon einen Schritt weiter hätten gehen müssen.

Um auch das zu sagen: Ein Modellversuch in Dortmund und ein Modellversuch in Köln nützen Ihnen für Standortgemeinschaften für Wohnimmobilien nur begrenzt. Denn wenn Sie das in wenigen Jahren auswerten, dann haben Sie nichts zu den Mittel- und Kleinstädten. Wir haben aber lernen müssen, dass es aufgrund des demografischen Wandels ganz erhebliche Probleme gibt

und dass man eigentlich das Instrument der Standortgemeinschaften haben müsste, um da etwas zu bewegen.

(Beifall von Monika Ruff-Händelkes [SPD])

Ich will also ganz deutlich sagen: Wir sind heute an einem Punkt, an dem wir Sie zu Ihrer Einsichtsfähigkeit beglückwünschen müssen. Wir sind heute an einem Punkt, an dem ich sage: Reisen hat in diesem Fall offensichtlich gebildet, auch wenn die Reise nach Amerika ging, von der Sie geläutert zurückgekommen sind. Ich würde Sie im Gegensatz zur Kollegin Ruff-Händelkes nicht dazu auffordern, mehr durch NRW zu reisen. Mit Blick auf Ihre Politik glaube ich, dass Sie hier bis jetzt nicht genug haben lernen können.

(Gerhard Lorth [CDU]: Unverschämtheit!)

Ich würde Sie vielmehr gerne dazu auffordern, nach Hamburg zu reisen und dann unserem Entschließungsantrag zuzustimmen. Diese beiden Dinge zusammen könnten einen ähnlichen AhaEffekt auslösen wie seinerzeit Ihre Reise in die USA. Ich glaube, das wäre eine gute Sache für Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Wittke das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Zwei Vorbemerkungen:

Erstens. Herr Kollege Becker, das ist kein mutloser Schritt, sondern es ist ein weitreichender Schritt, den wir heute gehen, und es ist vor allem ein Schritt, den wir gemeinsam mit der kommunalen Familie und den Akteuren gehen. In der Tat: Wir haben uns mit dem Gesetz viel Mühe gegeben. Das ist nicht mal eben so zwischen Kaffee und Abendbrot entstanden. Vielmehr bringen wir hier heute eine Entwicklung zum Abschluss, die viele Diskussionen und Modelle vor Ort und viele unterschiedliche Versuche beinhaltet hat. Darum ist es ein richtiger und ein großer Schritt.

Zweitens. Jawohl, reisen bildet. Man sollte auch nach Hamburg reisen. Insbesondere sollte man dort das Verwaltungsgericht aufsuchen. Denn vor dem Verwaltungsgericht Hamburg werden zurzeit von unterschiedlichen Business Improvement Districts und auch Housing Improvement Districts Klagen geführt. Wir wollen diese Klagen abwarten, weil wir Sicherheit für die Akteure haben und nicht mal eben schnell etwas hinrotzen wollen.

Wir wollen, dass diejenigen, die mit im Boot sein sollen, nämlich die Akteure der Immobilienwirtschaft und die Akteure seitens der Haus- und Grundeigentümer, Rechtssicherheit haben hinsichtlich dessen, was hier geschieht.

Was passiert jetzt mit diesem Gesetz über Immobilien- und Standortgemeinschaften? Ja, es ist wahr: Wir binden hier zusammen, was zusammengehört. Wir machen aus Profiteuren Akteure. Denn wir wollen nicht nur, dass diejenigen, die es angeht, mitfinanzieren, sondern wir wollen insbesondere, dass diejenigen, die es angeht, konzeptionell mitarbeiten. Das ist etwas Neues. Denn damit gibt die Kommunalpolitik ein Stück weit Kompetenz und, wenn Sie so wollen, auch ein Stück weit Macht ab. Wir wollen, dass Masterpläne, dass Entwicklungspläne gemeinsam und nicht mehr nur von der öffentlichen Hand erarbeitet werden. Wir wollen, dass diejenigen, die es angeht, auf kommunaler Ebene mitbestimmen. Und wir wollen auch, dass sie sich finanziell beteiligen.

Jetzt können Sie sagen, das sei alles schon in den 21 Modellversuchen geschehen und eigentlich nichts Neues. Ja, richtig. Es ist gut, dass es diese Modellversuche gab, es ist gut, dass wir auf dem aufbauen konnten, was an ersten Schritten – zugegebenermaßen: von meinem Vorgänger – eingeleitet wurde. Aber das reicht nicht aus. Denn wir haben festgestellt, dass in keinem einzigen Fall einer Immobilienstandortgemeinschaft der Anteil derer, die sich auf freiwilliger Basis beteiligt haben, bei über 20 % lag. Oder wenn Sie es umgekehrt haben wollen: In jedem Fall gab es einen Anteil von Trittbrettfahrern, der bei über 80 % lag.

Wir wollen mehr Verbindlichkeit in diese Angelegenheit bringen. Darum haben wir diesen Gesetzentwurf eingebracht, den – Herr Becker, hören Sie jetzt gut zu! – mein Vorgänger sich nicht auf den Weg zu bringen traute.

(Gerhard Lorth [CDU]: So ist es! – Horst Be- cker [GRÜNE]: Ah!)

Michael Vesper wollte keine gesetzliche Regelung, er wollte auf der freiwilligen Stufe verweilen. Wir haben uns entschlossen, mehr Verbindlichkeit hineinzubringen. Falls Sie es richtig provokativ haben wollen – vielleicht gelingt es mir ja noch, Sie zum Zuhören zu bewegen, Herr Kollege Becker –:

(Horst Becker [GRÜNE]: Niemals!)

Es ist eine bürgerliche Koalition, die hier Mut zur Planung hat, während die vorhergehende rotgrüne Landesregierung in dieser Frage mutlos war.

(Beifall von CDU und FDP)

Genau so, wie wir es mit den Immobilienstandortgemeinschaften machen, werden wir es mit den Wohnimmobilien machen. Wir werden zuerst in einer Phase des Modells und des Versuchs ausprobieren, worauf wir Rücksicht nehmen müssen. Wir wollen vor allem von Anfang an die Akteure mit einbinden. Wir wollen nicht von oben etwas überstülpen, sondern wir wollen von unten etwas wachsen lassen.

Es gibt nicht nur die drei Modellversuche in Dortmund, in Köln und in Wuppertal, von denen Sie gesprochen haben. Vielmehr wollen wir darüber hinaus eine Vielzahl von Modellverfahren in diesem integrierten Erfahrungsaustausch von Parallelbeispielen begleiten, beispielsweise in Königswinter, in Castrop-Rauxel, in Unna, in Herne, in Viersen und in Hamm.

Ich glaube, dass das genau der richtige Weg ist. Wenn man Menschen davon überzeugen will, mitzugestalten, wenn man die Immobilienwirtschaft mit ins Boot holen will, dann kann man ihnen das nicht per Gesetz vorschreiben, sondern dann man muss sich zuerst einmal der Mühe unterziehen, Überzeugungsarbeit zu leisten. Genau das wollen wir in den kommenden Monaten und Jahren machen. Danach können wir uns gerne über einen zweiten Schritt unterhalten, ob nämlich aus diesem Gesetz über Immobilien- und Standortgemeinschaften für Business-Bezirke künftig eine entsprechende gesetzliche Regelung für Housing-Bezirke resultiert. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Wittke. – Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen.

Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse erstens über die Beschlussempfehlung Drucksache 14/6455 abstimmen. Der Ausschuss für Bauen und Verkehr empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung, den Gesetzentwurf in der Fassung seiner Beschlüsse anzunehmen. Wer ist für diese Empfehlung? – CDU und FDP. Wer ist dagegen? – Niemand. Wer enthält sich? – Es enthalten sich die SPD und die Grünen. Damit ist die Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen.