Protocol of the Session on September 28, 2005

Viel bemerkenswerter finde ich, dass dieser Antrag von Ihrer Seite, von Bündnis 90/Die Grünen, kommt und die Automobilindustrie da als Schlüsselindustrie unserer Wirtschaft gesehen wird. Ich hoffe, dass dies dann endlich einmal nicht nur Auswirkungen auf die Wirtschaftspolitik, sondern auch auf die Verkehrspolitik der grünen Fraktion hat.

Wenn man sich Ihre Blockadehaltung in der Vergangenheit, gerade was den Straßenbau angeht, genauer anschaut, könnte man den Eindruck gewinnen, dass Sie gar keine Autos mehr haben wollen und erst Recht keine, die in NordrheinWestfalen produziert werden. Insofern hoffe ich, dass bei Ihnen ein gewisser Sinneswandel eingetreten ist und wir als Autoland NordrheinWestfalen den Schwerpunkt in der Verkehrspolitik setzen.

(Zuruf von Marc Jan Eumann [SPD])

Denn letzten Endes ist es egal, welches Auto mit welchem Motor im Stau steht: Es ist auf jeden Fall zuviel CO2-Ausstoß und unnötig.

Ich komme zum Antrag selbst und muss zunächst deutlich machen, dass wir in den Grundausrichtungen doch recht weit auseinander liegen. Denn Sie wollen seitens der Grünen der Automobilindustrie vorschreiben, welche Autos sie zu produzieren hat. Dabei wird von Fehlern gesprochen, die in der Vergangenheit gemacht wurden, nämlich dass wir die Hybridtechnologie verschlafen haben.

In diesem Zusammenhang möchte ich einige Informationen kundtun, die ich einem Artikel aus „Spiegel online“ vom 23. August entnehmen konnte, in dem ein Dieselmotor und ein Nobelgeländewagen mit Hybridmotor verglichen wurden. Beide haben eine Tour einmal quer durch Nordamerika gemacht. Dabei ist zum Vorschein gekommen, dass der Mercedes M320 CDI einen deutlich niedrigeren Kraftstoffverbrauch hatte als der Lexus RX 400H mit Hybridmotor. Hier hat sich die Dieseltechnologie „made in Germany“ mit einem Verbrauch von 9,1 l Dieselkraftstoff gegen

über 10,2 l Benzin deutlich durchgesetzt. Jetzt werden Sie sicherlich als Argument bringen: Diese Tour ist ja in der Fläche gewesen, im Stadtverkehr sieht es sicherlich ganz anders aus. - Ja, dort schneidet die Hybridtechnik besser ab. Der Unterschied ist aber längst nicht so deutlich, wie ich es mir vorgestellt hätte, denn hier verbraucht der Hybridmotor 11,5 l gegenüber 11,7 l beim Dieselmotor.

Hierdurch wird deutlich, dass wir seitens der Politik der Industrie nicht vorzuschreiben haben, in welche Bereiche und Technologien sie investieren soll. Denn gerade auch die Dieseltechnologie hat sehr viele Potenziale, die wir auch zukünftig stärker nutzen sollten.

Jetzt zu einem anderen Punkt! In Ihrem Antrag verteufeln Sie sozusagen das Premiumsegment. Dazu möchte ich nur darauf hinweisen, dass allein 63 % des Umsatzes der deutschen Automobilindustrie auf dieses Premiumsegment entfällt, während dies vor zehn Jahren nur 52 % waren. Wir haben hier in den letzten Jahren ein Plus von 22 % erzielt. Dies macht deutlich, dass wir nicht nur nach China und auf Kleinstfahrzeuge schauen sollten, sondern dass gerade auch das Premiumsegment sehr wichtig für die deutschen Automobilbauer ist.

Wenn Sie in Ihrem Antrag darauf abzielen, dass es dem Verbraucher wegen der steigenden Benzinpreise kaum noch möglich ist, Auto zu fahren, und wir deshalb unbedingt darauf achten müssten, verbrauchsärmere Motoren zu produzieren, möchte ich an dieser Stelle deutlich machen, dass über 70 % unseres Benzinpreises aus Steuern besteht. Hier sind also seitens des Staates enorme Einsparpotenziale vorhanden. Hier haben wir - gerade auch mit der Ökosteuer - dafür gesorgt, dass bei uns die Kraftstoffpreise so hoch liegen wie - außer in Großbritannien - in sonst keinem anderen europäischen Land.

Zum letzten Punkt! Meines Erachtens dürfte die Politik nicht nur auf die Industrie schauen, sondern müsste hinsichtlich des eigenen Fahrzeugs mit gutem Beispiel vorangehen.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Welches Auto fahren Sie denn, Herr Brockes?)

Aber genau dort ist das Gegenteil zu erkennen. Es gibt eine Anfrage an die Bundesregierung, und siehe da: Seit 1998 ist die PS-Zahl der Flotte der Ministerien und Behörden von 120 PS auf 170 PS hoch gegangen, und trotz besserer Verbrennungstechniken wurden im Schnitt nicht 10,99 l, sondern 11,84 l verbraucht. Also sind der Kraftstoffverbrauch und die PS-Zahl während Ihrer

Regierungszeit im Bund deutlich hoch gegangen. Auch im Land sieht das nicht anders aus. Hier haben wir in einer Anfrage erfahren, dass der durchschnittliche Verbrauch bei 11,5 l liegt.

Bemerkenswert ist auch - Sie fordern immer das Dreiliterauto, das ja angeblich nicht angenommen wird -, dass der Bund bei 25.300 Fahrzeugen gerade einmal drei Dreiliterautos hat, die im Dienst sind. Hier in Nordrhein-Westfalen gab es unter Ihrer Regierung bisher kein einziges.

Meine Damen und Herren, ich denke, wir werden noch eine sehr ausführliche Debatte im Ausschuss führen, und …

Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Abgeordneter.

Ja, Herr Präsident.

… ich denke, dass wir uns selbstverständlich damit beschäftigen sollten, wie wir letzten Endes dafür sorgen können, dass die deutsche Wirtschaft und die deutsche Automobilindustrie auch langfristig wettbewerbsfähig bleiben. - Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Für die Landesregierung spricht nun die Ministerin für Wirtschaft, Mittelstand und Energie, Frau Thoben.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben von der alten Landesregierung eine ziemlich flotte Flotte übernommen. Die Dienstwagen, die, von RotGrün zu verantworten, in den einzelnen Ministerien gefahren werden - ich gebe zu, dass wir diese weitgehend weiter benutzen -, passen recht schlecht zu dem, was Sie hier vortragen. Sie hätten in Ihrem Antrag besser andere Beispiele nennen sollen, worauf Sie jedoch verzichtet haben.

Frau Wiegand, Sie sagen, dass zu viele Autos mit einem größeren Hubraum in der Tiefgarage stehen, als Sie unter ökologischen Gesichtspunkten für verantwortbar halten. Es wäre doch schön, wenn Ihren Worten Taten folgen würden, sodass sich die Flotten zwischen den einzelnen Fraktionen unterscheiden. Das kann ich jedoch nicht erkennen. Deshalb müssen wir bei dem Antrag, den ich insgesamt für sinnvoll halte, einiges unterscheiden.

Appelle kann man laufend irgendwo abgeben. Aber, Herr Priggen, es ist wichtig, sich dabei auch die Marktzusammenhänge anzusehen und sich

deutlich zu machen, dass ein Autokauf sich einerseits selbstverständlich am Spritverbrauch, also maßgeblich am Geldbeutel, orientiert, aber andererseits auch unter Gesichtspunkten der aktiven und passiven Sicherheit getätigt wird. Diese verschiedenen Elemente nebeneinander zu halten, wird in der weiteren Debatte dringend vonnöten sein.

Frau Wiegand, Sie haben vom Recyclingpapier und davon gesprochen, dass im Antrag der Grünen sehr viele Recyclinggesichtspunkte aufgeführt sind. Ich empfehle Ihnen, alle Ihre Anträge seit dem Regierungswechsel unter diesem Gesichtspunkt noch einmal zu überdenken.

Meine Damen und Herren, Nordrhein-Westfalen ist einerseits unbestritten ein Automobilland. Andererseits hat hier nur ein Ansprechpartner, nämlich Ford, die eigene Zuständigkeit für Entwicklungs- und Forschungsfragen, sodass sich vieles von dem, was im Antrag der Grünen steht, zuallererst an die Bundesregierung richtet. Gerade der Ansprechpartner hier im Land, nämlich Ford, mit dem wir im engen Kontakt auch zu diesen Fragen stehen

(Marc Jan Eumann [SPD]: Die bauen sehr gute Autos!)

- halten Sie es nicht aus, wenn man Sachverhalte vorträgt, Herr Eumann? -, hat in Bezug auf das, was in Ihrem Antrag steht, alles andere als Nachholbedarf aufgrund einer verschlafenen technischen Entwicklung. Wir haben - das hat Herr Brockes bereits gesagt - insgesamt in Deutschland einen eindeutigen Schwerpunkt bei Premiumfahrzeugen. Wir sollten sehr wohl überlegen und werden das sicherlich im Ausschuss auch tun, ob das der einzige Marktvorteil ist, der sich an diesem Standort mit Aussicht auf Erfolg organisieren lässt. Oder haben wir eine echte Chance, die wir vielleicht publik machen müssten, damit auch diese Autos, von denen Sie schwärmen, hier ihren Markt und Produktionsstandort finden? Wenn wir darüber nachdenken, werden wir sicherlich zu sehr interessanten Ergebnissen kommen.

Ich möchte nun aus einem Schreiben der FordWerke zitieren:

Ford ist mit einem Hybridantrieb im Ford Escape auf dem US-amerikanischen Markt sehr erfolgreich. In diesem Markt, der von großen und hubraumstarken Fahrzeugen geprägt ist, macht der sogenannte Full-Hybrid, einer Kombination aus Otto- und Elektromotor, durchaus Sinn. Bei einem Mix aus Stadt-, Landstraßen- und Autobahnfahrten, wie es in den meisten europäischen Ländern der Fall ist, ist der moderne und

saubere Dieselmotor jedoch mehr als konkurrenzfähig.

Zum anderen wird auch in Europa der Einsatz der Hybridtechnik forciert. Hier gehen wir jedoch davon aus, dass sich eine Kombination aus Otto- beziehungsweise Dieselmotor mit den sogenannten milden Hybriden am ehesten für die hiesigen Verkehrsverhältnisse anbietet. So können die Vorteile moderner effizienter Verbrennungsmotoren mit hybriden Elementen wie Start-Stopp-Funktion und Bremskraftrückgewinnung kombiniert werden. Kraftstoffverbrauchsreduzierungen bis zu 20 % sind dadurch erreichbar.

Ich möchte noch etwas zitieren:

Die deutsche Automobilindustrie hat eine kontinuierliche Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs und somit des CO2-Ausstoßes erreicht und wird mit geeigneten technologischen Verbesserungen auch weiterhin daran arbeiten. Die deutsche Zusage zur Erreichung einer 25prozentigen Reduktion bis Ende 2005 wird erreicht werden. Die europäischen Hersteller haben bisher im Durchschnitt einen geringeren Verbrauch erreicht als die japanischen und koreanischen Hersteller. Sie befinden sich damit im Zielkorridor der ACEA-Zusage von 140 g je Kilometer bis 2008.

Die Verhandlungen für weiter gehende Ziele müssen auf europäischer Ebene zwischen ACEA und EU-Kommission geführt werden. Hierbei ist es von entscheidender Bedeutung, im Zuge des integrierten Ansatzes konkurrierende Zielsetzungen wie die aus dem Bereich der aktiven und passiven Fahrzeugsicherheit, aber auch das geänderte Konsumverhalten der Verbraucher zu berücksichtigen.

Herr Priggen, Sie mögen Wünsche haben, die darüber hinausgehen. An die Adresse der Fahrzeughersteller in Nordrhein-Westfalen ist eine solche Forderung für meine Begriffe nicht gerechtfertigt. Wir als Landesregierung werden versuchen, weitere freiwillige Verabredungen für stärkere Reduzierungen, wenn die Bundesregierung sie anstrebt, tatkräftig zu unterstützen.

Sie fordern zum Beispiel in Ihrem Antrag - so habe ich zumindest Ihren Antrag verstanden -, insbesondere die Zuliefererszene mit Fördermitteln zu versorgen. Es gibt funktionierende regionale Netzwerke in den verschiedenen Landesteilen, die nicht als erstes Subventionsanträge stellen, sondern sich zusammentun, weil sie gemeinsam technische Lösungen voranbringen wollen, und sie schaffen das, ohne - dafür sollten wir sie lo

ben - als erstes nach Subventionen zu rufen. Es ist selbstverständlich, dass unsere Förderinstrumente, zum Beispiel das TIP-Programm, das am 1. Juli 2005 auf die NRW-Bank übergegangen ist, den Automobilzulieferern für geeignete Vorhaben zur Verfügung stehen.

Ich möchte aber noch einmal Folgendes unterstreichen: Wir verfügen hier im Land über exzellente Forschungseinrichtungen, die sich mit Antriebstechniken und mit allen möglichen - auch für die Zuliefererindustrie interessanten - weiteren technischen Entwicklungen befassen. Auch sie sind nicht zuallererst auf Subventionen angewiesen. Vielleicht müssen wir sie ein Stück bekannter machen. Das will ich gerne tun. Ich will jetzt nur einmal wenige nennen, und zwar die Forschungsgemeinschaft Verbrennungsmaschine sowie die Motoren- und Energietechnik.

(Zuruf von der SPD: Deshalb ist es in NRW ja auch so schrecklich, wie Sie behaupten! Da sehen Sie einmal, welche Substanz die- ses Land hat!)

- Wir haben nie behauptet, dass es in NRW schrecklich sei. Wir haben nur behauptet, dass Sie eine schreckliche Regierung gestellt haben.

(Beifall von CDU und FDP)

Diese beiden großen Forschungseinrichtungen sind große private Ingenieurdienstleister. Sie befassen sich mit alternativen Antriebskonzepten. Wo nötig, werden wir sie bei weiteren Entwicklungen unterstützen. Das ist aber nicht in erster Linie eine Frage nach Subventionen.

Ferner haben Sie die Ingenieurausbildung angesprochen. Das geht vielleicht sehr ins Detail. Aber wir halten Ihre Überlegungen für richtig, Herr Priggen. Der Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie wird diesem Anliegen bei der Weiterentwicklung der Förderinstrumente insofern Rechnung tragen.

Sie haben noch einen anderen Punkt angesprochen: die wunderbare Sache mit der PKW-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung. Herr Priggen, dieses Monstrum ist vom MUNLV der alten Landesregierung den anderen Ressorts noch im April 2005 wie sauer Bier angeboten worden, und keiner wusste, wer zuständig war. Ich könnte Ihnen jetzt den entsprechenden Vermerk vorlesen. Er ist Loriot-reif.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Jetzt kommen Sie ein paar Wochen später und sagen: Nun ordnen Sie das einmal. - Und das bei dem vielen Durcheinander, das wir vorfinden! Ich

verspreche Ihnen, dass ich das ordne. Aber Sie sind es, die das Chaos konstruiert und uns hinterlassen haben.

(Beifall von CDU und FDP)

Letzte Anmerkung: Ich halte es für richtig, bei neuen Antriebstechniken auch gemeinsam mit Ihnen noch einmal zu überlegen, ob wir uns dort, wo die Markteinführung noch nicht gelingt, besondere Fördermaßnahmen einfallen lassen müssen. Auch das geht nur im Zusammenwirken zwischen Land und Bund.