Protocol of the Session on September 28, 2005

(Zurufe von der SPD)

Wir haben den Haushaltsentwurf 2006 doch erst noch vor uns. Noch viereinhalb Jahre werden wir hier regieren und das Land gestalten. Wenn Sie jetzt schon Ihr Pulver verschießen, wie wollen Sie im Laufe der Zeit eigentlich nachlegen?

(Weitere Zurufe von der SPD - Glocke - Marc Jan Eumann [SPD]: Sie haben völlig Recht!)

Wenn Sie Ihren Schuldenrekord mit 2,2 Milliarden obendrauf jetzt zu dem anderer machen wollen, ist das ein dreister Versuch der Täuschung.

(Beifall von CDU und FDP)

Das ist unanständig. Eine Regierung, die ein Vierteljahr im Amt ist, mit etwas zu belasten, was Sie in 39 Jahren Jahr um Jahr aufbauend,

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Definitiv nicht!)

kumulierend, versaubeutelt haben, ist unanständig.

(Beifall von der CDU)

Wenn ich mir Ihre Papiere, Ihre Tabellen anschaue, Frau Kraft, mit denen Sie kritisieren, ist das Erbsenzählerei. Mein Eindruck ist: Sie sind überfordert.

(Beifall von CDU und FDP - Heiterkeit von der SPD)

Weder der Schweineerlass noch § 107 der Gemeindeordnung beschreiben die Kernprobleme unseres Landes. Ein Kernproblem unseres Landes ist die Dichte der Regulierung und der Bürokratie, der Dschungel an Bürokratie, den Sie über die Zeit hinweg aufgebaut haben.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Das zweite Kernproblem ist, dass Sie versucht haben, alle Probleme mit einem Gang zur Bank, mit neuen Schulden, mit Nettokreditaufnahme zu lösen.

(Edgar Moron [SPD]: Woher holt sich denn Herr Linssen das Geld?)

Damit haben Sie sich an der Zukunft unserer Kinder und dieses Landes versündigt. Das ist im Kern Politik sozialer Kälte. Gegen Schulden demonstriert heute keiner; aber sie werden unseren Kindern und Kindeskindern dann auf die Füße fal

len, wenn sie das Geld zur Gestaltung ihrer Zukunftschancen brauchen.

(Zuruf von der SPD: Keinen Cent sparen Sie!)

Das werden wir Ihnen nicht nachsehen. Aus dieser Verantwortung kommen Sie nicht heraus.

(Beifall von CDU und FDP - Marc Jan Eu- mann [SPD]: Begeisterung bei der CDU, Herr Stahl! - Heiterkeit von der SPD)

- Sie sind mir doch zu sehr kleinkariert. Sie haben bisher versucht, Probleme dadurch zu lösen, dass Sie entweder ein kleines Programm auflegten, das Geld kostete, oder irgendeine Regulierung schafften, eine Verordnung oder ein Gesetz erlassen haben. Das hat dazu geführt, dass die Saat verbraucht ist, die wir zur Gestaltung der Zukunft brauchen, und dass wir einen Bürokratiedschungel haben.

Wenn man diese beiden Instrumente alter Politik, die Ihre Politik war, nicht mehr einsetzen kann, bleibt nur eins übrig: wieder auf die Menschen, auf das Vertrauen der Menschen zu setzen, den Unternehmerinnen und Unternehmern, den Forscherinnen und Forschern etwas zuzutrauen, ihnen die Handlungsmöglichkeit, die Freiheit zu geben, ihre und unsere Zukunft gemeinsam zu gestalten. Es geht darum, durch Bildung die Grundlagen dafür zu legen, dass unser Land wieder Anschluss an die Europaliga, an die Bundesliga findet. Es geht wieder darum, Ordnungsrahmen zu setzen,

(Edgar Moron [SPD]: Das sind doch alles Allgemeinplätze!)

soziale und wirtschaftliche Ordnungspolitik zu betreiben, und nicht zu versuchen, alles zu regeln, immer kleinteiliger zu regeln und den Bürokratieaufwuchs noch weiter nach vorne zu treiben.

(Beifall von CDU und FDP - Rainer Schmelt- zer [SPD]: Wo ist denn jetzt die angekündig- te Zwischenbilanz?)

Ein Letztes, vielleicht noch etwas Nachdenkliches für Sie:

(Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Wann kommen Sie zur Sache, Herr Kollege?)

Wenn Sie einmal die Zeitung lesen - Sie sind ja mit hoher Wahrscheinlichkeit Zeitungsleser -,

(Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Aha, aus der Zeitung sollen wir lesen! Wir wollen hören!)

sehen Sie, wie viele große Unternehmen, mittelständische Unternehmen dabei sind, sich neu zu

justieren, sich zukunftsfest zu machen, sich in den globalen Wettbewerb auszurichten. Von Siemens über Mercedes und VW bis zur Allianz erfinden sich alle neu, müssen sich neu erfinden. Sie tun gerade so, als ob alles so weitergehen könnte, wie Sie es hier 39 Jahre angelegt haben. Das ist der Fehler.

(Beifall von CDU und FDP)

Sie haben noch einen ganz langen Weg vor sich,

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Wo ist denn jetzt die Zwischenbilanz, die Sie angekündigt ha- ben?)

bis Sie da angekommen sind, uns inhaltlich, sachlich Paroli bieten zu können.

(Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Wann kommen Sie zur Sache, Herr Kollege Stahl?)

Wir sind sicher, ich bin sicher: NRW kommt wieder mit der Koalition der Erneuerung.

(Zuruf von der SPD: Wo ist die Bilanz?)

Die ersten drei Monate, die ersten 100 Tage waren eine gute Zeit für unser Land, für uns und eine gute Plattform für unsere Zukunft.

(Beifall von CDU und FDP - Dr. Gerd Boller- mann [SPD]: Wo ist die Bilanz?)

Danke schön, Herr Stahl. - Als Nächste hat Frau Kollegin Kraft von der SPD das Wort.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Wo war das Thema der Aktuellen Stunde?)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, die Debattenbeiträge der beiden Redner der Regierungsfraktionen, die diese Aktuelle Stunde beantragt haben, müssen doch peinlich für Sie sein.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Offensichtlich gibt Ihre Bilanz nichts her, was hier zu verkünden wäre. Das ist doch der Rückschluss, den man aus Ihren Beiträgen ziehen muss.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Stattdessen arbeiten sich sowohl Herr Dr. Papke als auch Herr Kollege Stahl an mir und an der Opposition ab. - Danke schön! Das ist eine Bestätigung, dass wir in den letzten Wochen und Monaten gut gearbeitet haben.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Dass Sie, Herr Stahl, über die „Holpersteine“ sprechen, finde ich schon beeindruckend. Zumindest da haben Sie ein bisschen Ehrlichkeit an den Tag gelegt.

Aber Sie reden auch über die Koalition der Erneuerung. Ich sage Ihnen: Ich sehe eine Koalition der Enttäuschung! Das sehen nicht nur wir so. Wir brauchen nur die Zeitungen aufzuschlagen. Dort wird Ihnen genau dieses attestiert: Enttäuschung.

(Beifall von der SPD)