Protocol of the Session on September 28, 2005

(Heiterkeit und Zurufe von der CDU)

- Ja, das tut weh. Ich kann verstehen, dass es Ihnen weh tut, wenn wir Ihnen das vorhalten. Das ist auch gut so.

(Beifall von GRÜNEN und SPD - Unruhe - Glocke)

Haben wir nun nur noch 108 Milliarden € Schulden? Nein, wir haben 112 Milliarden € Schulden. Der neue Finanzminister beginnt seine Arbeit mit der höchsten Nettoneuverschuldung in der Geschichte unseres Landes. So sieht es aus.

(Zurufe von der CDU)

Ja, wir haben 1.000 Lehrerstellen mehr, aber weder, wie versprochen, gegen Unterrichtsausfall oder kleinere Klassen, sondern für den ganz nor

malen Unterrichtsbedarf, weil wir schlicht und ergreifend mehr Kinder in den Schulen haben.

(Beifall von GRÜNEN und SPD - Zurufe von der CDU)

Das haben wir auch stets gemacht, aber

(Christian Lindner [FDP]: Die Schüler-Lehrer- Relation!)

Sie verkaufen die zwangsläufige Anpassung als besondere Leistung.

Haben wir weniger Arbeitslose? Nein, leider nicht. Seit dem Wahltag hört man dazu auch nicht mehr sehr viel. Im Gegenteil, Minister Laumann will sogar hinter die Reform der Handwerksordnung zurück. Damit erhöhen Sie die Hürden für die Selbstständigkeit wieder.

Also, meine Damen und Herren: Völliges Versagen bei Ihren zentralen Wahlversprechen. Kommen Sie von Ihrem hohen Ross herunter! Geben Sie zu, dass alles schwieriger ist, als Sie es sich in der Opposition vorgestellt haben!

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das wäre die neue Politik der Ehrlichkeit, für die Sie angetreten sind.

Meine Damen und Herren, hat diese Regierung eine Antwort auf die zentralen Zukunftsfragen in der Energiepolitik mit einer Strategie „Weg vom Öl!“, in der Bildungspolitik mit dem Ziel größerer Bildungsbeteiligung und Bildungsgerechtigkeit? Nein. Hier werden die Weichen falsch gestellt, und zwar einzig und allein aus ideologischen Gründen.

Statt Bildungsbarrieren abzubauen und Durchlässigkeit zu erhöhen, wird durch den „Schwachsinn“ - Zitat CDU-Bürgermeister aus dem bergischen Raum - der Aufhebung der Schulbezirksgrenzen die Selektion schon in der Grundschule eingeführt.

Statt Hürden beim Studium zu senken, werden Studiengebühren eingeführt. Statt den Ausbau der erneuerbaren Energien inklusive der Windenergie voranzutreiben, wird den Kommunen die Verantwortung zugeschoben und ein bürokratisches Genehmigungsmonster geschaffen. Damit gefährden Sie außerdem Zehntausende Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen.

(Zurufe von CDU und FDP - Dr. Gerhard Papke [FDP]: Wieso Arbeitsplätze?)

Wir sind gespannt, Herr Rüttgers, was aus Ihrem Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau bei den Verhandlungen zu einer großen Koalition in Berlin

wird. Hier im Land haben Sie die sechs Monate frühere Schließung des Bergwerks Walsum teuer bezahlt: mit 113 Millionen € aus der klammen Landeskasse.

(Zuruf von Dr. Gerhard Papke [FDP])

- Historisch ist daran gar nichts, Herr Papke.

Nein, meine Damen und Herren, die Bundestagswahl war keine Landtagswahl. Trotzdem, Herr Ministerpräsident, haben Sie es mit Ihren ersten 100 Tagen nicht geschafft, Vertrauen bei den Menschen aufzubauen - im Gegenteil.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Es ist wahr, was Norbert Blüm gestern in der „Süddeutschen Zeitung“ unter dem Titel „Die CDU im neoliberalen Fieber“ beklagt, nämlich, dass die Union den marktradikalen Ideologen auf den Leim gegangen ist und die Werte der katholischen Soziallehre über Bord geworfen habe. Ich zitiere:

„Von den Christlich-Sozialen sind nur noch nostalgische Relikte übrig geblieben. Die christlichsoziale Bewegung ist heimatlos geworden.“

Das gilt auch für Ihre Regierung in NRW, Herr Ministerpräsident. Das merken die Menschen auch: bei den Studiengebühren, beim Mieterschutz, in den Krankenhäusern, beim sozialen Wohnungsbau, bei der Chancengleichheit. Nein, Herr Ministerpräsident, auch mit Ihren schönen Sonntagsreden kommen Sie da nicht weit. Da ist die Einheit von Stil, Wort und Tat gefordert. Da werden wir Sie Tag für Tag stellen, gerne auch in weiteren Aktuellen Stunden. - Herzlichen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Danke schön, Frau Löhrmann. - Für die CDU-Fraktion hat Herr Stahl das Wort.

Frau Löhrmann, Sie sind ja schon ganz atemlos, wenn man Sie so reden hörte. Das ist ja noch ein langer Weg.

(Zurufe von den GRÜNEN: Oh!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Worüber wir heute sprechen, ist die erste und sehr kurze Etappe eines langen Weges. Dieser lange Weg wird uns dahin führen, dass wir als Land NordrheinWestfalen sozusagen wieder an der Tabellenspitze der Fußballbundesliga mitspielen werden und in der Europaliga wieder ganz vorne sein werden. Das ist unser Ziel; das werden wir erreichen.

(Beifall von CDU und FDP)

Dass es da den einen oder anderen Holperstein im Einstieg gegeben hat,

(Zurufe von SPD und GRÜNEN: Och!)

ist doch nur normal. Wenn ich mir aber Sie als Opposition anschaue und lese, was Sie gestern verbreitet haben, sage ich Ihnen: Auch als Oppositionspartei haben Sie noch einen langen Weg vor sich. Trösten Sie sich mit Edward Heath, der einmal gesagt hat: Die ersten zehn Jahre Opposition sind die schwierigsten, dann wird es langsam besser.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wenn Sie jetzt die Bundestagswahl als einen Misstrauensausdruck gegenüber der neuen Koalition in Nordrhein-Westfalen anführen, erinnere ich daran, dass wir als CDU leider Gottes 0,7 Prozentpunkte verloren haben - das war nicht schön -; aber die Zahlen sagen auch, dass die Grünen 1,3 Prozentpunkte und die SPD 3 Prozentpunkte gegenüber der letzten Bundestagswahl verloren haben.

Wenn man daraus einen Sieg machen will, hat man zwei Möglichkeiten: Die eine Variante ist, die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land als dumm verkaufen zu wollen.

(Edgar Moron [SPD]: Da haben Sie ja Erfah- rung!)

Die andere Variante ist, dass man davon ablenken will - und scheinbar muss -, dass man als SPD und Grüne NRW kräftig verloren hat. Sie sind ja abgewählt worden. Sie stehen schlechter da als Ihre Parteien im Bund.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben verloren, nicht wir. Sie haben die Regierungsverantwortung in Düsseldorf hier in Nordrhein-Westfalen verloren. Sie haben das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler verloren.

(Zurufe von der SPD)

Wenn ich mir anschaue, mit welchen Inhalten Sie die ersten 100 Tage kritisieren, dann beweinen Sie von den Grünen die Aufhebung des Schweineerlasses.

(Weitere Zurufe von der SPD - Glocke)

Ich habe ein großes Herz für Tiere, aber dass Sie dem ein solches Gewicht beimessen, zeigt Ihre inhaltliche Armut. Frau Kollegin Kraft, Sie sprechen von einer Bilanz der Täuschung und Enttäuschung.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Dann hat sie Recht!)

Mein Gott, Sie müssen sich doch im Laufe der kommenden Zeit noch steigern können.

(Zurufe von der SPD)