Protocol of the Session on September 28, 2005

Leistungssport kann nicht isoliert betrachtet werden. Breitensportler profitieren von den Forschungsergebnissen und den trainingswissenschaftlichen Methoden, die auf der Ebene des Spitzensports gewonnen werden. Der Leistungssport benötigt aber die breite Basis als Ausgangspunkt für neue Talente. Durch internationale Spitzenleistungen, die wir uns alle erhoffen, können wiederum Kinder und Jugendliche für den Sport begeistert werden.

Unser Ziel muss es sein, Leistungssport in seiner Breite und Vielfalt zu sichern. Voraussetzung ist

zum einen ein durchgängiges, abgestimmtes System - Herr Dr. Vesper, da sind wir uns einig -, das von der Talentfindung bis zur Förderung der Spitzensportleistungen reicht. Notwendigerweise erstreckt sich dieses System in weiten Teilen über die Schul-, Ausbildungs- und Studienzeit. Viel versprechende Sporttalente müssen sich heute allzu oft zwischen sportlicher oder beruflicher Karriere entscheiden. Flexiblere Regelungen an Schulen und Universitäten und Hilfeleistungen bei der Koordination von Sport und Ausbildung sind notwendig.

Deshalb ist es erforderlich, dass wir insbesondere den Bereich Schule und Leistungssport ausbauen, gesellschaftliche Entwicklungen anpassen und durch neue Impulse und Ideen voranbringen. FDP und CDU tun das.

Vor welcher Situation stehen wir heute? In Nordrhein-Westfalen besteht das Verbundsystem Schule und Leistungssport aus 41 Kooperationsprojekten: fünf Eliteschulen, acht sportbetonten Schulen und 28 Partnerschulen des Leistungssports.

In der Studie „Nachwuchsleistungssportkonzept 2012“ des Deutschen Sportbundes heißt es unter anderem - ich möchte jetzt einmal zitieren -:

„Es wurde eine Vielzahl internationaler Erfolge im Jugend- und Juniorenalter erreicht und Deutschland zählt mittlerweile zu den erfolgreichsten Nationen im Nachwuchsbereich. Die Erwartungen im Hinblick auf Erfolge im Spitzensport und insbesondere bei den Olympischen Spielen konnten aber nur teilweise erfüllt werden. … Noch immer ist im Nachwuchstraining häufig eine mangelnde Ausrichtung auf den vielseitigen Aufbau breit angelegter, langfristig bedeutsamer Leistungsvoraussetzungen festzustellen. Im Übergang“

- das ist vielleicht mitentscheidend -

„vom Nachwuchs- zum Spitzenbereich gibt es bei zahlreichen erfolgreichen Junioren ein Abflachen der Leistungsentwicklung oder sogar vorzeitige Karriereabbrüche. … Die Kooperationsprogramme zur Talentsuche erreichen zum Teil nur unzureichende Effizienz hinsichtlich des dauerhaften Engagements der Talente in Leistungsgruppen der Vereine. Auch in den Eliteschulen des Sports sind weitere Schritte zur Qualitätsentwicklung notwendig.“

Dieses Gutachten des Deutschen Sportbundes hat also festgestellt: Es ist bei Weitem noch nicht alles in Ordnung. Es muss mehr getan werden.

Genau das wollen wir tun, insbesondere beim Übergang vom Nachwuchs- zum Spitzenbereich.

Meine Damen und Herren, wir haben also eine sehr gute Voraussetzung. Wir haben auch hervorragende Bedingungen im Nachwuchsbereich, die im Spitzenbereich jedoch nicht immer umgesetzt werden können. Genau diese Lücke müssen und wollen wir schließen, wollen wir versuchen mit neuen Ideen auszufüllen.

Neue Ideen müssen willkommen sein, um sportinteressierte Schüler zu begeistern und gezielt zu fördern. Deshalb haben FDP und CDU vereinbart, in den nächsten Jahren fünf neue Sportschulen in Nordrhein-Westfalen aufzubauen und dafür einen Wettbewerb auszuschreiben. Da müssen neue Ideen hinein. Die Schulen, die sich wirklich engagieren, die sollen auch genommen werden. Sportbegabte Schüler sollen in Zukunft auch mit Blick auf eine Karriere im Leistungssport absolut verstärkt gefördert werden. Wir wollen das weiterentwickeln. Ich glaube, das ist gut so.

Zur Erarbeitung einer Konzeption wird der Minister gleich bestimmt noch etwas sagen.

Wir wollen somit neue Impulse setzen und das Angebot qualitativ und quantitativ verbessern. Der SPD-Antrag - tut mir Leid - verharrt hier aber nach dem Motto: Das kennen wir noch nicht, das wollen wir nicht, das machen wir nicht mit.

Es gab eine Kleine Anfrage von Herrn Dr. Vesper. Der Sportminister hat darauf geantwortet und ausdrücklich auf das Verbundsystem Schule und Leistungssport als zentrales Förderinstrument für sportliche Talente auf dem Weg zur nationalen und internationalen Spitze hingewiesen. Das ist die Grundlage.

Meine Damen und Herren, darüber hinaus sollen fünf neue Sportschulen eingerichtet werden, die ein breit ausgerichtetes, qualitativ und quantitativ besseres Sportangebot bereithalten. Der Nachwuchsleistungssport wird um ein weiteres Instrument ergänzt, um ihn insgesamt zu stärken, natürlich im Einklang mit den bisherigen Instrumenten. Das ist auch gut so.

In der vergangenen Legislaturperiode hieß es in einem gemeinsamen Antrag aller Fraktionen zum Nachwuchsleistungssport - Zitat -:

„Die gesellschaftlichen Bedingungen für die Vorbereitung von Kindern und Jugendlichen auf den Spitzensport haben sich verändert. Verändertes gesellschaftliches Bewusstsein, das Aufkommen neuer - vorerst nicht olympischer - Sportarten, zunehmend mehr kommerzielle Angebote, die Individualisierung des persönli

chen Lebensstils und andere Einflussfaktoren erfordern auch qualitativ neue Wege in der Talentsichtung und Talentförderung.“

Alle Fraktionen haben beschlossen - es ist noch gar nicht so lange her -, neue Wege zu suchen und zu beschreiten. Genau diesen Weg gehen die CDU, die FDP und die Regierung. - Herzlichen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Rasche. - Als Nächster spricht Herr Minister Dr. Wolf für die Landesregierung. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Opposition misst die Bedeutung von Politikfeldern offensichtlich in Zeilen. Wir haben damals eine knackige Koalitionsvereinbarung geschlossen. Das ist schon ein paar Tage her, aber ich glaube, wir alle erinnern uns noch daran, dass das Motto war: Schlank, aber inhaltsreich.

Wenn ich dagegen - Herr Peschkes, Sie waren 2000 noch nicht dabei, aber Herr Vesper - Ihre damalige Koalitionsvereinbarung anschaue, stelle ich fest: Da ist eine Seite Prosa. Und zu dem entscheidenden Teil, den wir heute besprechen, steht der bahnbrechende Satz:

„Dabei setzen wir auf den weiteren Ausbau der Zusammenarbeit von Schule und Sport (Part- nerschule des Leistungssports, Sportbetonte Schule).“

An Unverbindlichkeit sicherlich durch nichts zu überbieten! So haben wir es eben nicht gemacht. Wir sind das schon etwas präziser angegangen. Auch die Regierungserklärung von Herrn Steinbrück hat sich nur in einigen wenigen Zeilen mit Sport beschäftigt. Wir haben klar und deutlich gesagt, was wir wollen. Wir wollen fünf neue Sportschulen, und zwar zur Unterstützung des Leistungssports und zur speziellen Förderung des Nachwuchsleistungssports. Das ist ein zentrales Anliegen; das hat Herr Kollege Rasche gerade schon gesagt. Das wird unser Handeln in der nächsten Zeit leiten.

Für mich ist deswegen eine konsequente und zielgerichtete Arbeit zur Förderung des Nachwuchses im Leistungssport von zentraler Bedeutung. Es ist klar, dass sportbegabte Schülerinnen und Schüler im Mittelpunkt unserer Bemühungen stehen. Dabei werden wir die Förderung des Breitensports aber keinesfalls aus den Augen verlieren. Denn - das ist schon richtig gesagt worden;

Herr Müller hat es betont -: Nur aus einer starken Breite kommt auch eine breite Spitze.

Ich will dabei an bewährten Instrumenten festhalten, also ausdrücklich auch am Verbundsystem Schule und Leistungssport. Zugleich ist es aber erforderlich, dass wir über neue und zusätzliche Wege nachdenken. Ohne Erneuerung - das gilt nicht nur im Sport, aber auch im Sport - gibt es keinen Fortschritt im Spitzensport.

Lassen Sie mich zunächst die Grundlagen zu diesem Thema darlegen. Wir haben in Deutschland über viele Jahre ein herausragendes Verbundsystem von Schule und Leistungssport geschaffen. Es regelt die Zusammenarbeit der Schulen und Schulbehörden mit den Sportvereinen und Sportfachverbänden auf dem Sektor gemeinsamer Betreuung von jugendlichen Leistungssportlerinnen und Leistungssportler.

Der Begriff „Verbundsystem“ macht deutlich, dass das gesamte Ausbildungs-, Unterstützungs- und Betreuungspotenzial aller beteiligten Partner für die gemeinsame Zielsetzung, die Hinführung zu sportlicher Höchstleistung, unter der Prämisse eines humanen Leistungssports genutzt wird. Gleichzeitig soll sichergestellt werden, dass die Sporttalente den angestrebten schulischen Abschluss auch erreichen - also sportlicher Erfolg und guter schulischer Abschluss.

Die Kultusministerkonferenz der Länder hat seinerzeit beschlossen, dass das Verbundsystem Schule und Leistungssport durch die Kooperationsprojekte „Partnerschule des Leistungssports“, „Sportbetonte Schule“ und „Eliteschule des Sports“ charakterisiert wird. An den Partnerschulen des Leistungssports, der sogenannten Eingangsstufe des Verbundsystems, sind noch keine Sportklassen eingerichtet. An den sportbetonten Schulen müssen Sportklassen gebildet werden, um die jungen Kadersportlerinnen und -sportler effektiv bei der Bewältigung der im Spannungsfeld von Schule und Training beziehungsweise Wettkampf entstehenden Probleme unterstützen zu können. Die Eliteschulen des Sports sind sportbetonte Schulen, die vom Deutschen Sportbund bei Erfüllung der von Ihnen vorgegebenen Kriterien eine besonders hohe Anerkennung erhalten haben.

An dieser Stelle können Sie erkennen, dass der Antrag der SPD-Fraktion schon von einer falschen Grundannahme ausgeht: Nicht die Landesregierung, sondern nur der Deutsche Sportbund kann das Prädikat „Eliteschule des Sports“ verleihen.

Eine zweite falsche Annahme besteht darin, dass behauptet wird, die neue Landesregierung wolle

das bisherige System in Frage stellen oder verwässern. Das ist nicht der Fall, sondern wir wollen es nur durch die neuen NRW-Sportschulen ergänzen. Wir wollen neue Möglichkeiten zur Förderung sportlich begabter Kinder und Jugendlicher schaffen.

Damit bin ich bei einem zentralen Element des vorliegenden Antrags der SPD-Fraktion. Sie haben ganz offensichtlich ein Problem mit genau dieser Erneuerung. Sie setzen ausschließlich auf die Fortsetzung schon bekannter Maßnahmen. Der Antrag der SPD-Fraktion tritt anstelle der Einrichtung neuer Sportschulen ausschließlich für das vorhandene Verbundsystem Schule und Leistungssport und die Erweiterung um fünf Eliteschulen des Sports ein.

Wenn man nun so tut, als könne man alles nur fortsetzen und verstärken, nimmt man die Realität nur eingeschränkt zur Kenntnis. Sie übersehen in der Absicht, ausschließlich das bisherige System zu erhalten, dass die Leistungssportentwicklung in Deutschland der Erneuerung bedarf, um im Vergleich zu anderen Sportnationen erfolgreicher zu sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Ergebnisse der deutschen Athletinnen und Athleten bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen und zum Teil auch bei nachfolgenden Weltmeisterschaften haben deutlich gemacht, dass die vorhandenen Förderstrukturen nicht ausreichen, um dauerhaft einen Spitzenplatz im internationalen Konkurrenzkampf zu belegen. Das hat Herr Müller eindrucksvoll beleuchtet. Das trifft insbesondere für die olympischen Kernsportarten Leichtathletik, Schwimmen und Turnen zu, bei denen die meisten Einzelmedaillen vergeben werden.

Deshalb hat der Deutsche Sportbund in den vergangenen Monaten umfassend Bilanz gezogen und seine Konzeptionen weiterentwickelt. Dies gilt insbesondere für die Förderung des Nachwuchses im Leistungssport. Dazu gehört eine frühzeitige Sichtung und Förderung der Talente. Das ist der Hintergrund, den Sie in Ihrem Antrag völlig ignorieren.

Wir beabsichtigen, die Nachwuchsförderinstrumente weiter zu entwickeln und neue Wege zu beschreiten. Wir wollen insgesamt eine stärkere Leistungssportkultur entwickeln und uns damit noch deutlicher zum Leistungssport zu bekennen. Bereits an den Schulen ist ein sportfreundliches Klima zu schaffen und bezogen auf die Nachwuchs- und Eliteförderung ist für begabte Schülerinnen und Schüler die Grundlage für eine erfolg

reiche Leistungssportkarriere mit dem Schulleben zu legen.

Mit anderen Worten: Wir wollen dauerhaft und zielgerichtet mehr begabte Kinder an den Leistungssport heranführen. Das ist das Ziel der fünf neuen NRW-Sportschulen, die in besonderer Qualität ein sportfachliches Profil entwickeln sollen.

Herr Vesper, die Frage, ob ehemalige Minister in ihrem Fachgebiet bleiben sollen, ist ja eben schon beschrieben worden. Wenn Sie sich allerdings auch noch dazu auslassen und uns im Zusammenhang mit dem Terminus „Sportschulen“ in irgendeiner Weise unterschwellig Diffamierungen zukommen lassen, so kann ich das nur aufs schärfste zurückweisen.

(Zuruf von Carina Gödecke [SPD])

Wenn ich höre, dass Sie offensichtlich Ihre Koalitionsvereinbarungen in feuchtfröhlicher Form geführt haben und uns indirekt Alkoholgenuss unterstellen, finde ich das äußerst unpassend. Wir haben bei den Koalitionsvereinbarungen gearbeitet, und deswegen haben wir auch Gutes zustande gebracht, was man bei Ihrem früheren Regierungshandeln nicht immer so feststellen konnte.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Blah, blah, blah!)

Zu dem Ziel der fünf neuen NRW-Sportschulen, die in besonderer Qualität dieses Profil entwickeln sollen, gehören insbesondere eine breite und vielseitige sportliche Grundlagenausbildung, Elemente aus dem bewährten Verbundsystem Schule und Leistungssport sowie umfangreiche außerunterrichtliche Sportgemeinschaften im Sinne der Talentsichtung und Talentförderung. Außerdem sollen sich diese Sportschulen unter Einbeziehung des gesamten Schullebens in besonderer Weise als bewegungsfreudig erweisen.

Sobald unser Konzept zu den Schulen umsetzungsreif ist, werden wir die daran interessierten Schulen durch einen Wettbewerb auswählen. Alleine das macht Sie wahrscheinlich schon nervös. Wir planen nicht einfach mal durch und sagen nicht, wie es gemacht wird, sondern wir wollen erst Grundkonzeption und dann einen Wettbewerb. Dass Sie und natürlich auch Herr Peschkes in besonderer Weise dagegen sind, hat etwas mit Systemdenken zu tun. Sie verhaften einfach im System. Warten Sie es doch einmal ab - Ihre Neugier ist ja verständlich - bis wir in enger Abstimmung mit meiner Kollegin Sommer und ihrem Schulministerium ein entsprechendes Konzept vorlegen werden.

Wir sind fest davon überzeugt, dass wir mit diesem Schritt dauerhaft wichtige Impulse zur Stärkung eines erfolgreichen Nachwuchsleistungssports in Nordrhein-Westfalen auslösen können. Damit tragen wir dazu bei, dass unsere talentierten Kinder zukünftig noch bessere Chancen haben, im Spitzensport international erfolgreich zu sein und Medaillen für unser Land zu erringen.

Wir alle müssen akzeptieren, dass veränderte Lebenssituationen neue Wege und Instrumente erfordern. Ich hoffe, wir werden im weiteren Beratungsverfahren im Sportausschuss auf der Grundlage der von uns vorzulegenden Konzeption der neuen Sportschulen das Thema konstruktiv erörtern können und zu einer für den Nachwuchsleistungssport in Nordrhein-Westfalen guten Lösung kommen. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.