Protocol of the Session on May 14, 2008

Einmal sind es die Kopfnoten, gegen die sich die Eltern, Schüler und Lehrer von Anfang an aus unserer Sicht völlig zu Recht massiv gewehrt haben. Nach wie vor haben wir eine offene Baustelle. Auch heute haben Sie ja keine Einsicht gezeigt.

Ein anderes Mal ist es die konzeptionslose Umsetzung des Turbo-Abiturs, bei dem Ihnen, Frau Ministerin, zunächst nichts Besseres eingefallen ist, als wieder den Samstagsunterricht einführen zu wollen, bis der Druck so groß wurde, dass das Land jetzt endlich mit einem aus unserer Sicht halbherzigen Investitionsprogramm den Ganztag für alle Schulformen angehen will.

Ein weiteres Mal gingen in diesen Tagen Schüler, Eltern und Lehrer auf die Barrikaden, als sich gleich mehrfach Pannen beim zweiten Durchlauf des Zentralabiturs abzeichneten.

Nicht weniger Ärger gab es bei der chaotischen Umsetzung der Sprachstandsfeststellungen. Genauso wenig Applaus erntete die Landesregierung mit der Abschaffung der Grundschulbezirke und beim Aushebeln des Elternwillens beim Übergang von der Grundschule in die weiterführenden Schulen.

In diesen Tagen schließlich kämpfen Eltern von Grundschulkindern gemeinsam mit dem VBE und der GEW dafür, dass die Landesregierung ihre vollmundigen Versprechen aus dem Wahlkampf in Taten umsetzt und die notwendigen Ressourcen für kleine Klassen und individuelle Förderung einsetzt.

Was hatten CDU und FDP vor der Wahl nicht alles vollmundig versprochen und angekündigt! Wir erinnern uns: Unterrichtsgarantie, Halbierung der Sitzenbleiberzahlen, vor allem kleinere Klassen, Ressourcen für die individuelle Förderung, größtmögliche Durchlässigkeit und so weiter und so fort.

Außer weitgehender Ankündigungspolitik und Abschieben von Verantwortung auf die Vorgängerregierung hat die Landesregierung kaum etwas zu bieten. Die Stimmung in den Schulen, bei den Lehrern und Schülern, ist so schlecht wie nie. Es gibt kaum ein landespolitisches Feld, auf dem die schwarz-gelbe Landesregierung so sehr versagt wie in der Bildungspolitik.

(Lachen von Ralf Witzel [FDP])

Lachen Sie ruhig! Es gibt kaum einen Bereich, in dem die Landesregierung durch Ihr Handeln für ein derartiges Chaos sorgt wie im Bildungsbereich. Umfragewerte bestätigten dies noch Ende letzten Jahres: Zwei Drittel der Befragten stellten der Landesregierung ein sehr schlechtes Zeugnis für ihre Bildungspolitik aus. Und auch nach all den Pleiten und Pannen der letzten Wochen würde sicher heute kein anderes Ergebnis dabei herauskommen. Dessen bin ich mir ziemlich sicher.

Erst wenn dem Druck von außen nicht mehr standzuhalten ist, reagiert die Landesregierung. So konnte man eben heute der „Neuen Westfälischen“ entnehmen, dass Frau Ministerin Sommer eine Klarstellung vorgenommen hat. Das begrüßen wir im Grundsatz. Aber jetzt ist es klar, jetzt müssen Taten folgen, es müssen die entsprechenden Lehrerstellen kommen.

Über die Aussagen in der Presse oder dem Brief an den VBE hinaus haben wir leider nichts gehört. Das vermissen wir. Deshalb ist der Antrag der Grünen aus unserer Sicht trotz Ihrer Ankündigung in der heutigen Presse nach wie vor aktuell. Denn immerhin – das haben auch die Vorrednerinnen der Grünen vorhin schon gesagt – sind aus dem Grundschulkapitel in den letzten Jahren Stellen gestrichen worden, und zwar trotz Ihrer Ankündigung, dass die Demografiegewinne erhalten bleiben sollen.

Immer mehr hören wir Klagen aus den Grundschulen, dass die Landesregierung ständig die individuelle Förderung einfordert, aber die Ressourcen dafür bislang überhaupt noch nicht eingestellt hat oder für andere Bereiche gleich doppelt einsetzt. Um das jetzt von der Landesregierung erneut bekräftigte Ziel erreichen zu können, keine Grundschulklassen mit mehr als 30 Kindern zu bilden, sind in jedem Fall weitere Lehrerstellen erforderlich. Deshalb erwarten wir neben der jetzt erfolgten Klarstellung von der Regierung, dass diese zusätzlichen Lehrer eingestellt werden, um die Obergrenzenregelung tatsächlich sicherstellen zu können.

Ich sagte es bereits: Alles in allem begrüßen wir die Klarstellung. Klar ist für uns aber auch, dass wir diese Frage weiterhin kritisch begleiten werden. Auch deshalb werden wir diesen Antrag heute befürworten. – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Frau Stotz. – Herr Witzel spricht nun für die FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist immer bemerkenswert mitzubekommen, wie die Opposition in diesem Landtag ganz bewusst Falschbehauptungen äußert, sie in die Fläche trägt und nachher mit Krokodilstränen hier steht und von einer Verunsicherung im Land redet. Das, was Sie, Frau Stotz, bei aller Wertschätzung gerade zum Thema Samstagsunterricht wieder einmal vorgetragen haben, passt genau in diese Kategorie hinein.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Recht hat sie!)

Niemand – weder vonseiten der Koalitionsfraktionen noch vonseiten der Landesregierung – hat gesagt, er halte es für wünschenswert, hierauf Einfluss zu nehmen, sondern wir haben denen, die es wollen, Möglichkeiten eingeräumt. Es gibt nämlich Schulen, die unter sehr engen und sehr bürokratischen Vorgaben aus Ihrer rot-grünen Zeit gelitten haben, als im Detail geregelt wurde, in welcher Kombination welcher Samstage was an welcher Stelle möglich ist, obwohl sie mehr Freiheit vor Ort wollten, etwas, worüber wir unter dem Tagesordnungspunkt eben diskutiert haben.

Es gibt keinerlei Empfehlung und keinerlei Wertentscheidung, was besser ist. Wir erhöhen aber die Freiheitsrechte der Schulen vor Ort. Sie können in ihrer Unterrichtsorganisation flexibler werden als im Rahmen des Dirigismus, den Sie hinterlassen haben.

(Beifall von Ingrid Pieper-von Heiden [FDP])

Zur Diskussion über Stundenvolumen in Schulen gehört auch, dass Rot-Grün in diesem Land nicht ohne Vergangenheit ist. Sie haben zum Politikwechsel Mitte 2005 eine Situation hinterlassen, die gekennzeichnet war durch über 5 Millionen Stunden Unterrichtsausfall pro Jahr und eine Schüler-Lehrer-Relation, die im bundesweiten Vergleich die schlechtesten Werte aller 16 Bundesländer in ganz Deutschland einnimmt.

Dann kam die Koalition der Erneuerung, die durch konsequente Investitionspolitik im Haushalt alleine bis jetzt, bis zum Landeshaushalt 2008, schon über 5.000 zusätzliche Stellen netto geschaffen hat. In dieser gesamten Legislaturperiode werden es 6.400 für Grundstellen, individuelle Förderung und Ganztagsaufgaben sein – ein Trend, den Sie mit diesem Volumen in keinem anderen Bundesland in vergleichbarer Weise finden.

(Beifall von Ingrid Pieper-von Heiden [FDP])

Gleichzeitig sichern wir zu – ebenfalls anders als in anderen Bundesländern –, die Demografiegewinne im System zu lassen. Eine überzeugendere

Prioritätensetzung zugunsten von Bildung als bei diesem Paket kann man sich gar nicht vorstellen.

Dass Sie das hier kritisieren, anstatt rot zu werden, weil Sie ganz neidisch auf die Entwicklung schauen müssen, die das Land Nordrhein-Westfalen bei den Ressourcen genommen hat, wundert mich schon sehr. Zum Glück haben wir aber amtliche Schuldaten und Statistiken. Diesen können Sie die Schüler-Lehrer-Relation – das ist ja das Relevante – entnehmen. Sie sieht nun einmal anders aus, als es der Antrag der Grünen suggeriert.

Selbstverständlich ist es so, dass die Größenrelationen schwanken, wenn sich zwischen den Schulformen oder auch zwischen einzelnen Schulstandorten Veränderungen ergeben. Das bestreitet niemand. Irgendwann hat das auch einmal Anpassungseffekte zur Folge. Das muss es logischerweise auch haben, damit vorhandene Mittel sinnvoll eingesetzt sind.

Schauen Sie sich aber einmal den Rückgang der Schülerzahlen an den Grundschulen an und vergleichen damit, in wie viel geringerem Umfang Grundstellen abgesetzt werden, damit wir sie zwischen den Stellenkapiteln verschieben und wiederum für neue Aufgaben wie zum Beispiel den Ganztagsausbau im Grundschulbereich verwenden können! Vor diesem Hintergrund ist das, was Sie hier vortragen, schon außerordentlich populistisch.

Sie müssen sich auch entscheiden, wie Sie mit PISA umgehen; denn PISA darf nicht länger beispielsweise für die Opposition hier im Haus ein Steinbruch sein, aus dem man die Dinge entnimmt, von denen man meint, dass sie in die eigene Argumentation passen, wenn man sie zurechtbiegt, während man die anderen Sachen, die einem nicht schmecken, am Wegesrand liegen lässt.

(Beifall von Ingrid Pieper-von Heiden [FDP])

Wie oft haben Sie uns hier in diesem Hohen Hause zu Zeiten Ihrer Verantwortung nach PISA vorgetragen, dass eine der unwichtigsten Fragen für Lernerfolg die Klassengröße sei.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Quatsch!)

Das sehe man ja international; es gebe doch außerordentlich erfolgreiche Staaten, die auch 40er- und 45er-Lerngruppen hätten; und was hier sonst noch alles dazu wiedergegeben worden ist.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Wie viel Unfug erzäh- len Sie den ganzen Tag eigentlich?)

In der Tat sagen die internationalen Bildungsforscher, dass eine der am wenigsten relevanten Variablen die Klassengröße ist, weil es für den Lernerfolg letzten Endes viel wichtigere Fragen gibt. Wir halten es für ausdrücklich wünschenswert, dass wir kleinere Lerngruppen bekommen, weil wir der Auffassung sind, dass man damit einen viel besseren persönlichen Bezug herstellt und auch das soziale Lernen sowie die Interaktion zwischen den Schülern fördert. Es ist aber falsch, wenn Sie den Auftrag dazu aus PISA entnehmen. Wir tun dies aus Überzeugung. Deshalb ist die relevante Frage die Veränderung der SchülerLehrer-Relation.

Unsere Zusage lautet – ich hoffe, dass sich alle vier Fraktionen hier im Hause auch unverändert darüber einig sind –: Demografiegewinne müssen im System bleiben. Weil für die nächste Legislaturperiode ein Rückgang der Schülerzahlen von etwa 10 % prognostiziert ist, werden wir wahrscheinlich alle keine riesigen Sprünge mehr machen können, was zusätzliche Lehrerneueinstellungen angeht, die mit dem zu vergleichen wären, was wir in dieser Legislaturperiode hier – mustergültig in ganz Deutschland – auf den Weg gebracht haben. Wir sollten aber Konsens haben, dass wir die Demografiegewinne durch zurückgehende Schülerzahlen nutzen – ob nun für mehr Qualitätsentwicklung, für neue Aufgaben oder für zusätzliche Ganztagsangebote. In jedem Fall müssen wir sie aber im System belassen. Dann kommen wir weiter nach vorne.

Die von Ihnen hier vorgetragene Kritik ist unberechtigt. Weniger als 1 % der Klassen sind so groß wie von Ihnen beschrieben.

Unser Ziel ist es, weiterhin kleine, leistungsfähige Lerngruppen zu haben. Deshalb wird die Koalition mit ihren Haushaltsbeschlüssen die Landesregierung so ausstatten, dass sie auch zukünftig die notwendigen Lehrerneueinstellungen für dieses Land vornehmen kann. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Witzel. – Für die Landesregierung spricht nun Frau Ministerin Sommer.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich erinnere mich genau an eine Situation, als ich Schulleiterin einer großen Grundschule in Bielefeld war. Wir hatten in einem zweiten Jahrgang drei große Klassen, die alle um die 29, 30 Kinder herum lagen – damals natürlich ohne Integrationszuschlag; auch der Sozialindex war

längst noch nicht bekannt. Aufgrund von Zugängen, die im nächsten Schuljahr kommen sollten, wäre es aber möglich gewesen, aus diesen drei großen Klassen vier Klassen zu machen.

Nun wollte ich den Eltern diese frohe Botschaft verkünden. Ich hatte gehofft, dass sie alle Hurra schreien und ganz glücklich sind. Da hatte ich mich sehr getäuscht. Die Hurrarufe blieben nämlich aus. Stattdessen kamen viele Fragen: Was wird mit meinem Kind? Verliert es die beste Freundin? Werden wir auseinandergerupft? Welche Klassenlehrerin kommt? Wie wird das aussehen? Welche Klasse profitiert? Welche Klasse wird verlieren?

Damit will ich Folgendes sagen – auch an Sie gerichtet, sehr geehrte Frau Beer –: Nicht immer bedeutet eine Teilung in den Augen der Eltern und Schüler auch einen Gewinn. So glasklar ist das nicht.

Meine Damen und Herren, unter Eigenverantwortung von Schule verstehe ich auch, dass sie nicht zwanghaft das durchsetzt, was Verordnungen zu Klassenfrequenzen aussagen, sondern vor Ort Lösungen findet.

Dennoch und gerade deswegen sind die Bezirksregierungen mit Blick auf das neue Schuljahr per Erlass noch einmal auf Folgendes hingewiesen worden: Bei der Bildung von Eingangsklassen ist der Klassenfrequenzhöchstwert von 30 Schülerinnen und Schülern einzuhalten. An dieser Stelle ist es mir sehr wichtig zu sagen, dass diese Werte ebenso für die Klassen zwei bis vier gelten. Das ergibt sich schon aus der Verordnung zu § 93 Abs. 2 Schulgesetz.

Meine Damen und Herren von der Opposition, im Jahr der Mathematik möchte ich ein kleines Rechenexempel statuieren. Sie zählen für das Schuljahr 2006/2007 872 Klassen mit mehr als 30 Kindern. Nachweislich, laut Statistik, sind es aber nur 278 Klassen. Könnte es sein, dass Ihnen ein kleiner Zahlendreher unterlaufen ist? Könnte es sein, dass Sie die Zahl 872, also die acht, die sieben und die zwei etwas falsch zusammengesetzt haben? Denn in der Tat: Es sind nur 278.

Möglicherweise ist es aber auch kein Zahlendreher, sondern Sie haben auch die Klassen mit 30 Kindern zu den Klassen mit mehr als 30 Kindern hinzugezählt. Aber auch dann wären wir nicht auf über 872 gekommen. Schade also!

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Bleiben wir bei den Klassen, die im Schuljahr 2006/2007 wirklich mehr als 30 Kinder hatten, eben diesen 278. Frau Doppmeier hat darauf hin

gewiesen, dass es im laufenden Schuljahr schon leicht besser aussieht: Hier sind es nämlich 271. Sie werden sagen: Machen Sie sich nicht lächerlich. Es sind nur sieben Klassen weniger. – Lächerlich machen sich allerdings diejenigen, die ihre eigenen Zahlen vergessen. Im letzten Jahr Ihrer Regierungsverantwortung waren es noch 335, also immerhin 64 Klassen mehr.