Protocol of the Session on May 14, 2008

Wir würden uns wünschen, es gäbe eine sinnvolle Einsatzperspektive für Windindustrieanlagen in Nordrhein-Westfalen. Die gibt es auch mit Blick auf die aktuellsten und technisch neuesten Anlagen nicht. Nein. Das, was Sie jetzt wieder durchsetzen wollen, würde bedeuten, dass in Nordrhein-Westfalen noch höhere Anlagen installiert werden. Das Verwaltungsgericht Arnsberg hat vor zwei Jahren verhindert, dass dort 180 m hohe Anlagen installiert werden. Die höchsten Anlagen, die es derzeit bundesweit gibt, stehen in Brandenburg und sind 205 m hoch.

Ich sage für die FDP in aller Klarheit: Wir werden keiner Politik die Hand reichen, die dafür sorgt, dass solche Windmonster in Nordrhein-Westfalen gegen den Widerstand der heimischen Bevölkerung installiert werden. Das werden wir nicht tun.

(Beifall von der FDP)

Wir maßen uns solche Entscheidungen im Übrigen auch gar nicht an. Denn – darauf hat Kollege Lienenkämper zu Recht hingewiesen – wir haben die Entscheidung an die Kommunen delegiert. Was wollen Sie eigentlich? Wir haben dafür gesorgt, dass die Kommunen vor dem Hintergrund bestimmter fachlicher Gegebenheiten über Mindestabstände und Höhenbegrenzungen entscheiden können. Wollen Sie den Kommunen, meine Kolleginnen und Kollegen auch von der SPD, diese Möglichkeit jetzt nehmen? Wollen Sie den Kommunen wirklich sagen: „Wir greifen in eure Planungshoheit ein und werden euch daran hindern, in der Bauleitplanung vor Ort Höhenbegrenzungen vorzunehmen und Mindestabstände einzurichten“? Das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein.

Ich will zum Schluss noch auf eine Besonderheit des Erneuerbare-Energien-Gesetzes hinweisen, das jetzt deshalb besonders relevant wird, weil der Bundesumweltminister plant – was ich mit großer Sorge verfolge –, die Einspeisevergütung für Windkraftstrom im Binnenland um 15 % zu erhöhen. Damit ist er letzte Woche an die Öffentlichkeit gegangen, eine Reaktion auf seine gescheiterten Biospritpläne. Er hat gesagt: Bei der anstehenden Novellierung des EEG muss die Einspeisevergütung um weitere 15 % in die Höhe

gefahren werden. – Das wäre ein ganz fataler Fehlanreiz für Nordrhein-Westfalen. Denn dann werden zusätzliche Anlagen gebaut – nicht, weil sie sich rechnen, sondern weil es mehr Geld gibt.

(Beifall von der FDP)

Dafür bezahlen die Stromverbraucher. Die bringen derzeit für Windindustrieanlagen in ganz Deutschland schon 3,6 Milliarden € auf. Wenn die Pläne von Herrn Gabriel Realität werden, wird diese Summe deutlich jenseits der 4 Milliarden € liegen. Dafür zahlen dann die Familien mit den schmalen Portemonnaies, bei denen die Waschmaschine wegen der drei Kinder häufiger laufen muss. Die zahlen dann für eine verfehlte Ideologie, die leider mit den Fakten im Binnenland nicht in Überstimmung zu bringen ist. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Kollege Papke. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Herr Priggen.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Das muss schon ein besonderes Thema sein, wenn der Fraktionsvorsitzende der FDP hier in den Ring steigt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es macht auch immer wieder Spaß, ihm zuzuhören.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Das ist heiße Luft gewesen!)

Ich will nur erläutern, warum wir so erheitert gewesen sind. Sie haben gesagt – Sie haben das wahrscheinlich nicht gemeint –: Ich war bei den Leuten und habe mir nachts den Schattenwurf angeguckt. – Da haben wir gedacht, welchen Schatten Sie auch immer gesehen haben …

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Dr. Gerhard Papke [FDP])

Ich sage extra: Sie werden es so nicht gemeint haben. Aber was mir dabei in den Kopf kam, ist: Wenn Sie sich beim Nachtflug in Köln/Bonn so für die dort betroffenen Leute engagieren würden, wie Sie hier gegen Windräder wettern,

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

wären Ihnen in Ihrer eigenen Region viele Leute dankbar. Aber da schmeißen Sie sich immer heldenhaft hinter den Zug. Nachdem in der Regierung alles passiert ist, sind Sie der Retter der Betroffenen. So viel zu Ihrem Bürgerengagement!

Ich habe es schon mal gesagt, ich will es wiederholen: Es gibt gewisse Eigenschaften von Gruppen. Wenn sie sich ideologisch absolut verrennen, beginnen sie ähnlich wie Sekten mit einem Vokabular zu argumentieren, das normale Leute nicht benutzen. Alle anderen Fraktionen in der Republik, die ich kenne, sprechen von Windkraftanlagen. Es gibt nur eine einzige Truppe, die immer von Windindustriemonstern oder Windindustrienanlagen redet: die FDP-Landtagsfraktion.

(Zuruf von Dr. Gerhard Papke [FDP])

Ich will nur deutlich machen: Wir können zum Beispiel über Anlagen, wie viel erreicht werden soll, streiten. Aber allein in Ihrem Vokabular verrennen Sie sich derartig, dass Sie zu einer nüchternen Abwägung der positiven Perspektiven und der Risiken überhaupt nicht in der Lage sind.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das ist an der Stelle nicht unwichtig. Man muss das doch mal ganz nüchtern betrachten. Wir können die Perspektiven unterschiedlich einschätzen.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Ich reagiere auf meinen verehrten Vorredner. Herr Witzel, wenn Sie etwas wollen – ich habe das heute Morgen schon gesagt –,

(Ewald Groth [GRÜNE]: Herr Witzel witzelt wieder!)

melden Sie sich, ich lasse jede Frage von Ihnen zu. Aber bölken Sie nicht immer dazwischen.

Ich beobachte auch bei der CDU-Fraktion insgesamt eine gewisse Veränderung in der Positionierung.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ich glaube auch, dass es in der Sache nicht anders geht. Die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin gibt uns im Verbund mit Herrn Gabriel und der Großen Koalition in Berlin folgende klimapolitischen Szenarien und Ausbauziele der Erneuerbaren vor: 27 bis 30 % Erneuerbare in Deutschland in zwölf Jahren. – Wir wissen, wo wir in NRW jetzt stehen. Wenn wir das nicht nur über Umlagen für alle anderen Bundesländer finanzieren wollen, müssen wir auch hier unseren Teil tun. Das hört ja nicht 2020 auf. Frau Merkel hat als EU-Ratspräsidentin gesagt: Wir müssen den CO2Ausstoß bis Mitte des Jahrhunderts um 60 bis 80 % reduzieren. Wir werden also bei den Erneuerbaren nicht 2020 aufhören, sondern jede Dekade weitermachen müssen.

Unter den erneuerbaren Energieträgern ist die Wasserkraft am günstigsten; das ist unstrittig. Die älteste Anlage, die wir aus Frankreich reimportiert haben, läuft wohl seit 1860. Da haben wir ein ausgereiztes technisches Potenzial und können noch ein bisschen besser werden. Aber von allen Erneuerbaren – bei der Fotovoltaik brauchen wir die technischen Durchbrüche – ist die Windkraft diejenige, die am ehesten kostenmäßig mit Braun- und Steinkohlenstrom vergleichbar ist, wenn dieser das, was er in der Umwelt an Schäden verursacht – bisher kostenlos –, zukünftig über den Emissionshandel bezahlen müsste.

(Beifall von den GRÜNEN)

Herr Priggen, es gibt eine Wortmeldung von Herrn Dr. Papke. Wollen Sie die zulassen?

Ja, bitte.

Herr Dr. Papke, bitte schön.

Vielen Dank, Herr Kollege Priggen. Abgesehen davon, dass ich hoffe, dass Sie im Verlaufe Ihres weiteren Vortrags noch zu den Fakten kommen, die ich präsentiert habe, und darauf argumentativ eingehen, was ich bisher vermisse, möchte ich Ihnen folgende Frage stellen: Ist Ihnen bekannt, dass das ErneuerbareEnergien-Gesetz Windindustrieanlagen an besonders windschwachen Standorten besonders hoch subventioniert? Ist Ihnen dieser Mechanismus bekannt, der im Klartext bedeutet, je ungünstiger ein Standort für die Errichtung einer Windindustrieanlage ist, desto mehr Subventionen werden den Stromverbrauchern aufgebürdet? Ist Ihnen diese Regelung bekannt?

(Beifall von der FDP)

Mir ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz bekannt. Mir ist auch die differenzierte Vergütung für Anlagen an der Küste und für Anlagen im Binnenland bekannt. Diese Regelung ist mir bekannt. Sie macht aus meiner Sicht auch absolut Sinn.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir haben einen Leistungsunterschied von etwa 4 % zwischen den Anlagen im Binnenland und denen an der Küste. Der entscheidende Punkt ist: Wenn Sie mit Ihrer technologisch völlig unsinnigen Deckelung von 100 m Schluss machen würden, könnten wir 30 bis 50 m höhere Anlagen

bauen und hätten dort die gleichen Windverhältnisse wie an der Küste.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich habe es neulich schon gesagt: Bei uns in der Region Euskirchen sind an der Autobahn ganz neu 750 kW-Anlagen von ENERCON in Betrieb genommen worden. Nach den Sommerferien werden wir mit dem Wirtschaftsausschuss die ENERCON-Anlage mit 6 MW an der Ems besichtigen.

Wir bauen hier eine zehn Jahre alte Technik hin. Das Windrad unseres Umweltministers mit 600 kW ist auch etwa zehn oder elf Jahre alt. Das baut heute selbstverständlich keiner mehr. Es wird gar nicht mehr angeboten. Man bekommt nur noch die Ersatzteile. Die neuen Anlagen haben andere Leistungsgrößen. Wer die 100-m-Grenze vorschreibt – das hat Fritz Fahrenholt auf dem Energiekongress am Montag in Essen gesagt –, kann keine 3-MW-Anlagen bauen, da sie durch die Ackerfurche gehen würden. – Das ist Ihre ideologische Bremse an der Stelle.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich will noch auf Folgendes hinweisen: Wenn wir die erneuerbaren Energien aus Klimaschutzgründen ausbauen müssen – nicht, um irgendwen zu quälen, sondern weil es keine Alternative gibt – und wenn die Windkraft unter allen erneuerbaren Energien in den nächsten Jahrzehnten der kostengünstigste Energieträger ist – ich bin davon überzeugt, dass die Fotovoltaik auf lange Sicht so ertragreich ist, dass wir damit sehr viel weiterkommen –, dann ist es richtig, sich zu überlegen, welche Potenziale wir hier in Nordrhein-Westfalen haben und was wir machen können.

Insofern ist der SPD-Antrag, der die Grundlage für diese Debatte ist, aus meiner Sicht richtig. Ich will aber auch klar sagen: Er geht mir nicht weit genug, denn in der Begründung und der Erläuterung stehen drei Relativierungen. Wenn ich bis 2020 bzw. 2030 die Leistung steigern muss, ist doch nicht einzusehen, warum ich nicht die 0,8 % Planungsfläche, die jetzt ausgewiesen wird, noch vergrößern kann.

Bei den Abstandsregelungen – da bin ich selbstkritisch – würde ich, ehrlich gesagt, nicht nur mehr nach der TA Lärm gehen. Wenn ich die ganz großen Anlagen baue, muss ich auch die optische Nähe zu denen berücksichtigen, die dort wohnen. Es ist nicht nur eine Frage der TA Lärm. Darüber kann man reden; das wäre ein Disput, den wir führen könnten.

Ich bin aber davon überzeugt, dass wir entlang der Autobahnen und entlang der Eisenbahnstrecken genügend Standorte haben, die Tausende von Metern von der Wohnbebauung weg sind, was bedeutet, dass wir niemandem schaden, wenn wir sie nutzen. Im Gegenzug können wir dadurch gerade in landwirtschaftlichen Gebieten Einnahmequellen generieren.

(Beifall von den GRÜNEN)