Leider muss ich sagen, dass die FDP, die immer wieder gerne die Bürgerrechte im Munde führt, sich gerne wegduckt, wenn es ernst wird. Für den nächsten Parteitag am 19. April in Münster gibt es vom Kreisverband Düsseldorf doch glatt einen Antrag zum Datenschutz. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, was finden wir da, gerade vor dem Beispiel von Lidl und Tönnies? Folgender Satz steht in diesem Antrag, den der Kreisverband Düsseldorf auf dem Parteitag stellt – ich zitiere –:
„Statt die Kontrolle nur staatlichen Stellen zu überantworten, soll die Selbstkontrolle gefördert und der Wettbewerb gestärkt werden. Auch hier muss gelten: Privat vor Staat. Deregulierung und Entbürokratisierung können auch vor dem Datenschutz nicht haltmachen.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, hier haben wir Grüne eine ganz andere Auffassung. Bei diesen Schutzfunktionen des Staates geht es nicht um weniger Staat, sondern da geht es um mehr Staat.
Wir brauchen dieses Gesetz, wir brauchen mehr Staat an dieser Stelle, weil es um den Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern geht.
Wenn Unternehmen die Grundrechte ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Füßen treten, dann brauchen wir nicht Selbstkontrolle, sondern dann muss der Staat eingreifen. Da besteht auch der Unterschied zu Ihnen von der FDP.
Ich bitte darum, dass NRW mit diesem Betrieb Tönnies als größtes Bundesland endlich einmal die Initiative ergreift, damit es in Berlin vorangeht. – Schönen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, es ist richtig: Der Lebensmittelkonzern Lidl und andere haben gegen bestehende Rechte verstoßen, indem sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben beobachten lassen, Daten aufgezeichnet haben und Ähnliches. Das berichten die Medien; das ist deutlich geworden.
Einige deutsche Unternehmen scheinen es für ein Kavaliersdelikt zu halten, dass sie ihre Mitarbeiter überwachen. Dafür werden Gründe genannt, die sogar manchmal beim ersten Augenschein einleuchtend sind. Das BKA meldet für 2006 laut „WISO“ Schäden von 4,3 Milliarden € aufgrund von Unterschlagungen, Betrug, Diebstahl, Betriebsspionage und Ähnlichem. Das scheint genug zu sein, um eine solche Überwachung berechtigt erscheinen zu lassen. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist es natürlich nicht.
Die einschlägige Gesetzgebung schließt diese dauernde Überwachung auch aus. Diese dauernde Überwachung bleibt ein Verstoß gegen die Menschenwürde. Eine Videoüberwachung ist mitbestimmungspflichtig. Sie muss gezielt sein, ohne wahllos Mitarbeiter einzuschließen. Es muss ein konkreter Anlass gegeben sein, und der muss auch vorher mitgeteilt werden.
Aber durch andere Medien wäre ebenso eine Überwachung möglich. Die angeblich zu hohe, durch privates Telefonieren verursachte Telefon- oder Internetrechnung könnte den Arbeitgeber zu Überwachungsmaßnahmen veranlassen, falls das Telefonieren nicht ausdrücklich genehmigt wurde.
Fehlverhalten kann geahndet werden, aber auch hier ist meines Erachtens der Blick aufs Detail wichtiger. Oft werden nämlich nicht die Telefonate, sondern die Inhalte von Mails und Telefonaten
kontrolliert. Das wiederum verstößt gegen die rechtlichen Bestimmungen. Das ist rechtlich unzulässig – da gibt es auch nichts zu deuteln – und muss verhindert werden. Es gibt gar keine Diskussion, dass das gegen bestehende Gesetze verstößt.
Es gibt Datenschutzbestimmungen. Wenn dagegen verstoßen wird, muss dies unserer Meinung nach entsprechend geahndet werden. Dafür gibt es Rechte. Es ist nicht in Ordnung, solche Überwachungen als „Schutz vor Ladendiebstählen“ zu verharmlosen. Auch sollte es, wie bei den Tönnies’schen Videoüberwachungen, die für meine Begriffe weit über das zulässige Maß hinausgegangen sind, keine Möglichkeiten geben, solche Maßnahmen als Hygienekontrollen zu verharmlosen oder zu deklarieren.
Dies macht klar, dass Gesetzesübertretungen beim Datenschutz für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorkommen und geahndet werden müssen. Dafür haben wir einen Rechtsstaat, der dem nachgeht. Es sind und bleiben die genannten Rechtsbrüche, gerade wenn die Daten missbraucht werden. Gesetzliche Regelungen müssen eben strikter, nachhaltiger angewandt werden, um die Arbeitnehmer zu schützen.
Nun wird erwartet, dass die Bundesregierung – so auch Horst Seehofer – ein Mitarbeiterdatenschutzgesetz erstellt. Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Klaus Brandner, allerdings sieht die Sache zurzeit etwas anders. Er ist der Auffassung, dass die Mitarbeiter von Lebensmitteldiscountern wie andere Arbeitnehmer bereits jetzt vor einer unzulässigen Überwachung durch den Arbeitgeber geschützt seien, auch wenn es in Deutschland noch kein einheitliches, zusammenfassendes Datenschutzgesetz gebe. Durch die Grundsätze des allgemeinen Datenschutzes und des Arbeitnehmerdatenschutzes sei dies gewährleistet. Das Bundesdatenschutzgesetz, das Betriebsverfassungsgesetz, die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte gäben dies her. Die Rechtsprechung zum Schutz des Persönlichkeitsrechtes des Arbeitnehmers habe Regelungen des allgemeinen arbeitsrechtlichen Informations- und Datenschutzes entwickelt. Dies gelte auch für die eben angesprochenen Missbräuche. Die Arbeitnehmer seien in Deutschland vor unrechtmäßiger Überwachung gesetzlich geschützt.
Der DGB, die Gewerkschaften sagen natürlich: Es muss eine Vereinheitlichung her, es muss zusammengefasst werden, es muss ein seit Jahren überfälliges Datenschutzgesetz für Arbeitnehmer
So sieht es auch das Bundesinnenministerium, das ebenfalls eine Verschärfung des Datenschutzes an der Stelle fordert.
Bündnis 90/Die Grünen fordern unsere Landesregierung nun auch noch auf, eine Bundesratsinitiative zu ergreifen, um den Bundesgesetzgeber und die Bundesregierung zur zügigen Vorlage eines solchen Gesetzes zu veranlassen.
Also wirklich! Als ob der Bundesgesetzgeber darauf gewartet hätte, dass Sie jetzt kommen und ihn darauf hinweisen! Der Bundesgesetzgeber weiß sehr wohl, was er zu tun hat und dass er dieses Fehlverhalten überprüfen muss.
Bei der Diskussion über unseren Staat fordert jeder dauernd weniger Vorschriften, die Zusammenfassung von Vorschriften, die Konzentration von Vorschriften. Gleichzeitig werden bei jeder Gesetzesübertretung neue Gesetze gefordert. Noch ein Gesetz! Meine Damen und Herren, mit mehr Gesetzen ist es nicht getan. Vielmehr müssen wir die bestehenden Gesetze verstärkt und strikt anwenden.
Wir haben gesetzliche Grundlagen, um die Arbeitnehmer jetzt schon entsprechend zu schützen. Auch das Bundesministerium sieht die Notwendigkeit für ein solches Gesetz zunächst nicht. Allerdings muss man genau hinschauen. Dann wird das Bundeskabinett – da bin ich mir ganz sicher – Rückschlüsse ziehen und den Gesetzgebungsbedarf decken. Wir sehen ebenso wie Sie mit Besorgnis den Missbrauch. Wir wissen aber, dass eine große Zahl an gesetzlichen Regelungen besteht, die vor Missbrauch schützen kann. Wir sind sicher, dass die Bundesregierung nach genauer Analyse handeln wird. Dazu benötigen allerdings weder das Bundeskabinett noch das Bundesarbeitsministerium noch der Bundesinnenminister Ihren Antrag. Sollte es jedoch weitere Probleme und Entwicklungen geben wie die, von denen wir eben gehört haben, aus denen der Bund keine Schlussfolgerungen zieht, wird unsere Landesre
gierung – da bin ich mir sicher – auch im Bundesrat vorstellig. Das Thema ist bei unserer Landesregierung und bei der Bundesregierung in guten Händen. – Danke schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Discounter wie Lidl, Aldi, Schlecker und Co. haben im Hinblick auf die Behandlung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen leider denkbar schlechten Ruf. Die Gewerkschaften kritisieren immer wieder die Behandlung von Betriebsräten, von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Für viele von uns neu waren indes jüngst Presseberichte über eine systematische Überwachung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch Kameras und Detektive bei der Firma Lidl. Diese sollen unter dem Vorwand der Bekämpfung des Ladendiebstahls auch die persönlichen Gewohnheiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Teil akribisch ausgeforscht haben. Dabei sollen auch Fakten festgehalten worden sein, die mit dem angeblichen Ziel der Diebstahlsbekämpfung in keiner Weise in Verbindung stehen können. So gab es zu Recht in Politik und Öffentlichkeit einen Sturm der Entrüstung. Inzwischen versucht Lidl, die Angelegenheit herunterzuspielen, und kündigt in einer breiten Charmekampagne sogar eine Datenschutzoffensive durch einen ausgewiesenen Fachmann an.
Es hat sich gezeigt, dass Lidl kein Einzelfall war. Ähnliches wurde jüngst auch von anderen Einzelhandelsketten bekannt. Dem „stern“ liegen nach eigenen Angaben etwa 150 Protokolle aus unterschiedlichen Filialen deutscher Einzelhandelsunternehmen vor.
Auch dem Fleischfabrikanten Tönnies wurde in diesem Monat eine flächendeckende Überwachung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bis in die Toilettenräume hinein vorgeworfen. Entsprechendes wurde von diesem Unternehmen teilweise mit Hinweis auf die angebliche Überwachung von Hygienevorschriften eingeräumt. Und da sich der Hauptsitz des Unternehmens Tönnies bekanntlich in Rheda-Wiedenbrück befindet, ist klar, dass die Überwachung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch ein Problem in NordrheinWestfalen ist.
Nach einem Bericht von „SPIEGEL ONLINE“ vom heutigen Tage sind auch führende deutsche Industrieunternehmen – so die Daimler-Benz AG – durch die Ausspähung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgefallen.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Überwachung von Beschäftigten mithilfe von Kameras ist, so denke ich, nur die Spitze des Eisbergs. Die NRW-Datenschutzbeauftragte, Frau Sokol, hat berichtet, dass diese Vorwürfe für sie nicht überraschend seien. Vergleichbare Hinweise habe sie schon mehrfach bekommen. Und eine in dieser Hinsicht besonders auffällige Branche seien die sogenannten Callcenter.
In verschiedenen Bereichen der Wirtschaft sind Dienstfahrzeuge und Diensthandys gern genutzte Instrumente zur Überwachung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Dasselbe gilt natürlich potenziell auch für die beruflich bedingte Nutzung von Computern. So wurde eine speziell entwickelte “Big-Brother-Software“ nach Angaben des Herstellers zwischenzeitlich mehr als 100.000 Mal verkauft.
Der Einsatz von Detektiven oder anderen Maßnahmen mag zur Aufklärung von Diebstählen durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in bestimmten Einzelfällen legitim sein. Aber wenn persönliche Gewohnheiten oder zwischenmenschliche Beziehungen en détail protokolliert werden, so geht das, denke ich, liebe Kolleginnen und Kollegen, eindeutig zu weit.
Schon gar nicht geht es an, wenn durch die Bank sämtliche Beschäftigten eines Unternehmens unter Generalverdacht gestellt werden. Inwieweit die Kontrolle von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Wirtschaft gängige Praxis ist, muss logischerweise in Teilen im Unklaren bleiben, da die Unternehmen ein solches Vorgehen bekanntlich nicht am Schwarzen Brett oder im Intranet mitteilen. Aber nach Ansicht der namhaften Unternehmensberatung Mummert Consulting wird mittlerweile mehr als jeder dritte Firmen-PC durch die jeweiligen Unternehmen überwacht.
Werte Kolleginnen und Kollegen, es ist mehr als deutlich geworden, dass wir im Bereich des innerbetrieblichen Datenschutzes ein Problem haben. Für meine Fraktion jedenfalls ist klar, dass die informationelle Selbstbestimmung nicht hinter den Werkstoren oder Ladentheken aufhört. Wie die Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen sind wir der Meinung, dass das Bundesdatenschutzgesetz im Hinblick auf die betriebsinternen Datensammlungen nicht ausreicht.
Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz hat jüngst beklagt, dass sich wegen der fehlenden gesetzlichen Regelungen zum Arbeitnehmerdatenschutz Arbeitnehmer wie Arbeitgeber zurzeit nur an der einschlägigen Rechtsprechung orientieren können. Diese ist zwangsläufig lückenhaft und im Einzelfall für die Betroffenen sicherlich auch nur schwierig zu erschließen.
Gesetzlich geregelt sind bislang nur Teilbereiche wie durch das Arbeitssicherungsgesetz die Verwendung von medizinischen Daten. Auch im Betriebsverfassungsgesetz sowie in den Personalvertretungsgesetzen gibt es entsprechende Teilregelungen. Diese gilt es in einem Arbeitnehmerdatenschutzgesetz zusammenzufassen und um weitere Aspekte zu ergänzen.
Lücken bestehen etwa darin, dass zwar bislang schon Personal- und Betriebsräte nach dem Betriebsverfassungsgesetz und den Personalvertretungsgesetzen der Länder Datenerhebungen zustimmen müssen, wenn sie zur Leistungs- oder Verhaltenskontrolle eingesetzt werden können. Was ist aber mit Betrieben wie Lidl und Co. und anderen bedeutenden Unternehmen, die eben nicht oder nur kaum über Betriebsräte verfügen? Im Bereich des öffentlichen Dienstes sind wir da ein ganzes Stück weiter.
Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und zahlreicher Länder, darunter auch NordrheinWestfalen, haben bereits im Jahr 2002 darauf hingewiesen, dass es für Beschäftigte in der Privatwirtschaft keinen Datenschutz zweiter Klasse geben dürfe.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen daher ein bundeseinheitliches Arbeitnehmerdatenschutzgesetz. Es muss eindeutig darlegen, in welchen eng und klar definierten Fällen Datenerhebungen zulässig sind. Entsprechende Maßnahmen müssen von konkreten Verdachtsmomenten abhängig gemacht werden. Es muss auch feststehen, welche Daten die Arbeitgeber überhaupt erheben dürfen, wie sie mit diesen verfahren müssen und wozu sie diese nutzen dürfen.
Wie die von mir genannten Beispiele zeigen, ist die Kameraüberwachung nur ein und möglicherweise noch nicht einmal das gravierendste Problem. E-Mail, Internet, Intranet, die Speicherung von Mitarbeiterdaten und alle modernen Kommunikationsmethoden können bekanntlich vielfach missbräuchlich zur Überwachung eingesetzt werden. Dem muss ein modernes Arbeitnehmerdatenschutzgesetz Rechnung tragen. Im Sinne einer