Protocol of the Session on April 16, 2008

Nach meiner Rechtsauffassung ist durch die öffentliche Äußerung von Frau Haverbeck-Wetzel der Verweis auf das Steuergeheimnis hinfällig, und ich erwarte von Ihnen, Herr Minister Linssen, hierzu heute eine entsprechende Auskunft. Ich gehe davon aus, wenn sie heute nicht in dieser Intention erfolgt, dass Sie bisher nicht tätig geworden sind. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Trampe-Brinkmann. – Jetzt hat für die FDP-Fraktion noch Frau Abgeordnete Freimuth das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Durch den Antrag der Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen wird ein Gegenstand zur politischen Debatte gebracht, bei dem wir uns wohl im Ziel, in der Beschreibung und in der Besorgnis völlig einig sind. Ich will in aller Deutlichkeit klarstellen, die Vorstellung, dass eine Vereinigung, deren führende Repräsentanten und Mitglieder sich die Leugnung des Holocausts auf die Fahne geschrieben haben, die die Menschenwürde verachten und mit Füßen treten und die Intoleranz gegenüber Andersdenkenden und Andersseienden an jeder Stelle unter Beweis stellen, mit Steuergeldern gefördert und unterstützt wird, ist für uns alle erschreckend, zutiefst empörend und nur sehr schwer erträglich. Wir sind nicht bereit, zulasten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in einer Region ein Zentrum des Rechtsextremismus zu unterstützen. Das ist eine Ohrfeige für all diejenigen, die für Demokratie eintreten und geschichtsbewusst denken.

(Beifall von der FDP)

Allerdings – das ist die Kehrseite der Medaille – haben wir auf der anderen Seite in einem Rechtsstaat einige Grundsätze zu beachten: das Steuergeheimnis und ein rechtsstaatliches Verfahren zur

Aberkennung der Gemeinnützigkeit, das einer gerichtlichen Prüfung standhalten kann.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle wollen nicht, dass ein Verein, der mit seinen Repräsentanten undemokratisch und menschenverachtend in Erscheinung tritt, möglicherweise in einem Gerichtsverfahren obsiegen und hinterher der Demokratie, dem Rechtsstaat und seinen Repräsentanten mit Häme gegenübertreten könnte, wenn die nordrheinwestfälischen Finanzbehörden in einem gerichtlichen Verfahren zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit unterliegen würden. Deswegen ist es notwendig, die Beweise für ein solches Aberkennungsverfahren genau so wie für ein Verbotsverfahren zum Beispiel gegen die rechtsextremistische Partei der NPD nicht mit heißer Nadel zu stricken, sondern sie sorgsam und gerichtsfest zusammenzutragen.

Meine Damen und Herren, ich habe volles Vertrauen in unsere Finanzbehörden, in diesem Fall ganz konkret in das Finanzamt Herford, dass sie genau darauf achten, dass die Voraussetzungen für die Aberkennung der Gemeinnützigkeit vorliegen. Ich bin auch sicher, dass in einem Rechtsstaat bei einem solchen Verfahren – auch ich weiß nicht, wie weit dieses Verfahren ist – bei der Erfüllung von Straftatbeständen, sollten sie vorliegen und gerichtsfest festgestellt worden sein, und wenn ein Verein verfassungsfeindlich agiert, dann auch die notwendigen Konsequenzen zu tragen hat. Das ist das, womit sich unsere Demokratie gegen solche Vereinigungen wehren kann und wird.

Lassen wir die Behörden ihre Arbeit machen, lassen Sie uns dabei auch die Prinzipien Steuergeheimnis und rechtsstaatliches Verfahren wahren und lassen Sie uns unabhängig davon mit den Mitteln von Demokratie und Rechtsstaat alle Feinde unserer Demokratie bekämpfen. Das ist eine Aufgabe aller demokratischen Kräfte hier im Landtag und darüber hinaus. Meine Damen und Herren, ich glaube, dass wir damit unseren Beitrag leisten. Und lassen wir die Finanzbehörde ihre hoffentlich erfolgreiche Arbeit in einem Aberkennungsverfahren der Gemeinnützigkeit von Collegium Humanum auch leisten. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Freimuth. – Nun hat Finanzminister Dr. Linssen das Wort.

Das Thema „Collegium Humanum e. V.“ steht zum wiederhol

ten Male auf der Tagesordnung, Frau Düker. Wenn ich mir im Moment einmal nicht alle Vorschriften unseres Gesetzbuches vor Augen führe, dann habe ich sogar ein gewisses Verständnis dafür, dass Sie es machen, weil mich sicherlich gewisse Dinge genauso ärgern wie Sie.

Aber Sie wissen auch, dass wir in der Antwort auf Ihre Kleinen Anfragen und zuletzt auch auf die Anfrage des Kollegen Groth bei der Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses am 6. März konkrete Auskünfte zum steuerlichen Status, sprich: zu der Frage, ob der Verein als gemeinnützig anerkannt ist, stets mit Hinweis auf das bestehende Steuergeheimnis nach § 30 Abgabenordnung abgelehnt haben. So haben es auch frühere Regierungen hier gehalten. Ich bin dankbar dafür. Ich erinnere mich, dass wir zum Beispiel im Steuerverfahren Flick – sicherlich auf einer ganz anderen Ebene – ähnlichen Problemen ausgesetzt waren und auch zum Beispiel der Kollege Diekmann für die frühere Regierung genau dieselben Antworten gegeben hat, wie ich sie geben muss.

An der Regelung zum Steuergeheimnis hat sich zwischenzeitlich nichts geändert. Deshalb kann ich Ihnen heute, auch wenn Herr TrampeBrinkmann das noch so deutlich verlangt hat, nichts Konkretes zum steuerlichen Status des Vereines mitteilen.

Wenn der „Tagesschau“ Belege für die Steuerbegünstigung eines Vereins durch einen im Jahr 2004 ausgestellten Freistellungsbescheid vorgelegen haben, dann bedeutet das natürlich nicht zwangsläufig, dass die Steuerbegünstigung auch im Moment noch besteht. Aber das Offenbarungsverbot verlangt von mir, dass ich dazu nichts sage.

Ich will deshalb auch nicht auf die allgemeinen Hinweise auf das Steuergeheimnis und zum Umgang unserer Finanzverwaltung mit extremistischen Vereinen – in den Antworten der Landesregierung oft genug abgedruckt – zurückkommen. Nur eines nehmen Sie mir bitte ab: Die Landesregierung nimmt die Frage der Steuerbegünstigung von rechtsextremistischen Vereinigungen keineswegs auf die leichte Schulter.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Düker?

Ja. – Da unterscheiden wir uns überhaupt nicht, Frau Düker.

Bitte, Frau Düker.

Herr Minister, sind Sie – erstens – der Rechtsauffassung wie zum Beispiel die Niedersachsen oder vielleicht auch andere Bundesländer, dass die nachträgliche Aberkennung – ich rede nur von der Aberkennung – der Gemeinnützigkeit und dies öffentlich zu sagen nicht unter das Steuergeheimnis fällt, denn Niedersachsen berichtet ja über die Aberkennung von Gemeinnützigkeit? Fällt das für Sie unter das Steuergeheimnis, sodass man so etwas nicht sagen darf?

Zweitens. Ist Ihnen die öffentliche Verlautbarung von Ursula Haverbeck bekannt, in der sie öffentlich sagt – ich zitiere aus einem Schreiben von ihr vom 14. März 2008, das auch der Presse gegeben und vor Ort zitiert worden ist –: Uns ist der Geldhahn abgedreht worden, indem uns die Gemeinnützigkeit aberkannt wurde. – Sind Sie in der Lage, das heute zu bestätigen, oder fällt das für Sie unter das Steuergeheimnis?

Herr Minister.

Frau Düker, Sie werden keine Steuerbehörde in Deutschland finden, die Ihnen das bestätigt oder dementiert. Sie hat sich an das Recht zu halten. Wenn Sie vorhin jemanden vom Verfassungsschutz aus Niedersachsen oder die Dame zitiert haben, die ich nicht kenne, dann ist das deren Bier. Beides sind keine Steuerbehörden. Wir haben uns an das Recht zu halten. Das mag Sie ärgern, aber das ist so.

(Monika Düker [GRÜNE]: In Niedersachsen sehen die das anders!)

Ich muss nicht zum wiederholten Male darauf hinweisen, dass wir …

(Zuruf von Frank Sichau [SPD])

Bitte? Sagen Sie es doch laut. Ich antworte gerne auf Ihre Frage.

(Frank Sichau [SPD]: Gemeinnützigkeit ist öffentliches Gut!)

Ich muss nicht zum wiederholten Male darauf hinweisen, dass wir allen Hinweisen auf extremistische Tendenzen nicht nur sorgfältig nachgegangen sind, sondern auch noch sorgfältig nachgehen und selbstverständlich alle rechtlichen Register gezogen haben, ziehen und ziehen werden, um Steuerbegünstigungen von derartigen Vereinen zu verhindern. Aber auch für extremistische Vereine gilt der allgemeine Rechtsgrundsatz: Wo es keinen Beweis gibt, gibt es auch keine Verurteilung, und umgekehrt.

Inwiefern sich an dieser Sach- und Rechtslage durch die von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vorgeschlagene Bundesratsinitiative etwas ändern sollte, Frau Düker, ist für mich schwer nachvollziehbar.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Gebhard von der SPD?

Gerne.

Herr Minister, ich würde gerne auf die Veröffentlichung zurückkommen. Wir haben ja die Situation, dass gemeinnützige Vereine damit werben, dass sie gemeinnützig sind, um Spenden zu bekommen. Darauf wird auch immer hingewiesen, damit die entsprechenden Quittungen ausgestellt werden. Was tun Sie in dem Fall, in dem ein Verein die Gemeinnützigkeit hatte, ihm diese aberkannt wurde, er diese aber weiterhin für Werbezwecke und zum Spendensammeln nutzt? Veröffentlichen Sie es dann, oder verfolgen Sie es dann strafrechtlich?

Nein, wir veröffentlichen überhaupt nichts zu diesem Thema, um es klar und deutlich zu sagen.

(Thomas Eiskirch [SPD]: Das soll doch keine Antwort gewesen sein?)

Ich habe schon in der Vorlage für die Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses ausgeführt, dass wir bei der Finanzministerkonferenz am 31. Januar dieses Jahres klargestellt haben, dass eine Steuervergünstigung für verfassungsfeindliche Organisationen bereits nach dem bestehenden Gemeinnützigkeitsrecht nicht in Betracht kommt.

Zur weiteren Klarstellung beabsichtigt die Bundesregierung zusätzlich eine Ergänzung des § 51 der Abgabenordnung um den folgenden Satz – ich zitiere –:

„Die Steuervergünstigung setzt voraus, dass die Körperschaft nach ihrer Satzung und bei ihrer tatsächlichen Geschäftsführung kein extremistisches Gedankengut fördert und sich im Rahmen der verfassungsgemäßen Ordnung hält.“

Ich begrüße diese Gesetzesinitiative ausdrücklich. Das Land Nordrhein-Westfalen wird diese im Gesetzgebungsverfahren selbstverständlich unterstützen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Es gab noch eine weitere Zusatzfrage, aber unsere Geschäftsordnung sieht vor, dass zu einem Sachverhalt nur zwei Fragen gestellt werden dürfen. Ab und zu erinnere ich an die Geschäftsordnung, weil sie manchmal ein bisschen aus dem Blickwinkel gerät.

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor; die Redezeiten sind auch erschöpft. Wir sind damit am Schluss der Beratung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/6523 an den Haushalts- und Finanzausschuss – federführend – sowie an den Innenausschuss. Die abschließende Beratung wird im federführenden Haushalts- und Finanzausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Ist jemand dagegen? – Stimmenthaltungen? – Dann hat das Parlament dies einstimmig so beschlossen.

Ich rufe auf:

15 Lust am Lesen – auch für Jungs! Geschlechtersensible Leseförderung unterstützen!

Antrag

der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 14/6524

Ich eröffne die Beratung und erteile Frau Beer das Wort. Bitte schön.