Protocol of the Session on April 16, 2008

Herr Kollege, wie erklären Sie sich den Umstand, dass im Moment kein Mitglied der Landesregierung Ihrer kommunalpolitisch so wichtigen Rede zuhört, dass Sie sie alle in die Flucht geredet haben?

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich kann mir das nur so erklären, Frau Kollegin Löhrmann, dass der Innenminister nicht nur wegsieht, wenn es solche riskanten Geldgeschäfte gibt, sondern dass der Innenminister auch gerne weghört, wenn ihm im Parlament berechtigte Kritik entgegengehalten wird. Möglicherweise hat sich der Innenminister auch davor gescheut, dass man ihm die Zitate der Kollegen Lux und Biesenbach entgegenhält, die

immerhin einen Hinweis in die Richtung geben, dass auch andere außer uns kritisieren, wie in einzelnen Kommunen damit umgegangen wird, und die damit auch der Auffassung sind, dass ein Grund besteht, es entweder zu verbieten oder genauer hinzugucken.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich glaube, der Innenminister möchte nicht, dass auffällt, dass er mit dieser Position jedenfalls in der Sache relativ isoliert ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Ich erlaube mir allerdings an dieser Stelle den Hinweis, dass sich sowohl Minister Laschet als auch die Minister Linssen und Sommer

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Jetzt, nach der Frage!)

im hinteren Teil des Plenarsaals aufgehalten haben und dass sich der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen ordnungsgemäß wegen der Innenministerkonferenz entschuldigt hat.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Das ist nicht Ihre Aufgabe! Sie haben das Parlament und nicht die Regierung zu schützen! – Zurufe von den GRÜNEN)

Als nächster Redner hat der Kollege Lux für die Fraktion der CDU das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Becker, ich muss Ihnen leider zu Beginn mitteilen, dass Sie falsch zitieren. Den Begriff „Zockerei“ haben Sie von mir in der ganzen Diskussion nicht einmal vernehmen können. Deswegen möchte ich mich ganz deutlich davon distanzieren und Ihnen sagen, dass ich diesen Begriff nie gebraucht habe. Von daher sollten Sie diesen Begriff auch nicht zitieren.

Es ist richtig, dass wir es hier mit einer Problematik zu tun haben, über die es sich lohnt, sich Gedanken zu machen. Aber so einfach, wie Sie es sich mit Ihrer Schlussfolgerung machen, der Innenminister sei an allem schuld, geht das nicht. Das ist völliger Quatsch.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Das ist nicht ein- fach! Das ist schwer zu ertragen!)

Wir müssen zunächst einmal feststellen, dass diese Instrumente sowohl vom Bundesfinanzminister als auch von Ländern und Kommunen seit

Jahren genutzt werden. Natürlich ist es in den letzten beiden Jahren auch zu Fehlinterpretationen gekommen.

Darüber hinaus müssen wir feststellen, dass es eine Entwicklung gegeben hat, mit der – das sage ich ganz deutlich – auch wir nicht einverstanden sind. Hierbei geht es um die Fälle, in denen eine Verwaltung glaubt, dass es sich bei solchen Geschäften um einfache Geschäfte der laufenden Verwaltung handelt.

Herr Kollege Lux, entschuldigen Sie die Unterbrechung. Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Löhrmann?

Bitte schön, Frau Kollegin.

Herr Lux, ich bin auch zuständig für die Stadt Remscheid. Das erklärt vielleicht mein besonderes Interesse an dieser Fragestellung. Ich möchte Sie an Ihren O-Ton, Rainer Lux, CDU-kommunalpolitischer Sprecher, erinnern:

„Wenn Geschäfte ausschließlich spekulativen Charakter haben und gar keinen kommunalpolitischen Bezug haben, kein Grundgeschäft haben, das kommunalpolitischen Ursprungs ist, dann halte ich in der Tat diese Geschäfte für verbotsgeeignet.“

Würden Sie dieses Zitat bestätigen?

Selbstverständlich,

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Dann verstehe ich Ihre Ausflüchte nicht!)

aber ich habe dabei nie von „unverantwortlicher Zockerei“, sondern von Spekulationsgeschäften ohne kommunales Grundgeschäft gesprochen. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Ich finde es wichtig, dass wir das klarstellen.

Herr Becker hat ja – ich denke, das geht von Ihnen aus – in dem heutigen Antrag deutlich gemacht, dass es sehr wohl gesetzliche Grenzen für diese Art von Schuldenmanagement gibt. In § 90 Abs. 2 der Gemeindeordnung wird festgelegt, welche Verantwortung die Kommunen haben. Da geht es darum, dass die Kommunen diese Verantwortung auch wahrnehmen.

Lassen Sie mich deswegen auf das zurückkommen, was ich eben gesagt habe: Ich halte es für

außerordentlich notwendig, dass in diesem Fall die Räte und zuständigen Ausschüsse im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung in diese Geschäfte eingebunden werden. Es kann nicht sein, dass dies von der Verwaltung als einfaches Geschäft der laufenden Verwaltung betrachtet wird. Ich bin der Meinung, der Rat muss, wie schließlich auch über jeden Grundstücksverkauf, entscheiden. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht.

Deswegen bitte ich für meine Fraktion den Innenminister, durch einen Erlass klarzustellen, dass es sich bei solchen Geschäften nicht um einfache Geschäfte der laufenden Verwaltung handelt, sondern dass hier die Räte zu beteiligen sind.

Im Übrigen hat es mich sehr verwundert, Herr Becker, wie Sie auf einmal Ihre kommunalfreundliche Grundhaltung, die Sie immer so betonen, umkehren, indem Sie sich dafür aussprechen, die Kommunen an die Kandare zu legen.

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

Abgesehen davon: Glauben Sie im Ernst, dass in der Kommunalaufsicht, was solche Geldgeschäfte angeht, erheblich mehr Kompetenz vorherrscht als in einigen Kämmereien der Großstadtgemeinden? Ich denke, in der Beziehung werden Sie keinen Gewinn erzielen.

Wichtig ist uns – das sage ich hier noch einmal sehr deutlich –, dass die Kommunen nach § 90 Abs. 2 der Gemeindeordnung und anderen Vorschriften verpflichtet sind, mit dem Vermögen ihrer Gemeinde sehr gewissenhaft umzugehen und notfalls Sicherungen einzubauen.

(Horst Becker [GRÜNE]: Sind sie doch!)

Darüber hinaus ist uns wichtig, dass diese Geschäfte transparent ablaufen und dass von den Räten die nötige Verantwortung wahrgenommen werden kann. Das funktioniert nur, indem sie beteiligt werden.

Bezüglich Ihres heutigen Antrags sage ich Ihnen ganz deutlich, dass wir diesen Antrag in beiden Punkten ablehnen, weil er zu nichts Positivem führt, sondern nur eine unnötige Bürokratie neu aufbaut und den Kommunen weitere Fesseln anlegt, die nicht nötig sind, wenn sich jeder an die bestehenden Vorschriften hält.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Lux. – Als nächster Redner hat für

die Fraktion der SPD der Kollege Körfges das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich meine – hier bin ich anderer Ansicht als der Kollege Lux –, dass es der Mühe wert ist, uns mit diesen Geschäften sowohl im Landtag als auch im Fachausschuss und im Bereich der Kommunalaufsicht intensiv auseinanderzusetzen. Die Schlussfolgerungen, die daraus gezogen werden, müssen allerdings kritisch überprüft werden.

Richtig ist, dass sich in vielen Kommunen in den letzten Jahren eine ganze Reihe von riskanten Finanzgeschäften abgespielt hat. Es gibt die Beispiele, die zitiert worden sind. Das ist aber keine neue Erfindung. Das gibt es nicht erst, seitdem es Derivatehandel und Swaps gibt. Schon zu Zeiten der Vorgängerregierung war ich – daran kann ich mich gut erinnern – gegenüber diesen CrossBorder-Leasing-Geschäften äußerst skeptisch. Auch in diesem Zusammenhang hat sich im Nachhinein herausgestellt, dass alle Skepsis berechtigt war.

Herr Kollege Lux, ich habe Ihren O-Ton im Internet des WDR gelesen und weiß auch, was andere Fraktionen zu diesem Thema denken. Ich war mir deshalb vor Beginn der Debatte relativ sicher, dass wir uns zumindest in der Analyse, dass es sich um ein wichtiges Thema handelt, einig sind. Das sehe ich jetzt bestätigt.

Ich bin sehr daran interessiert, dass erkannt wird, dass es sich um Vorgänge handelt, die vor Ort transparent gehandhabt werden. Nur, liebe Kolleginnen und Kollegen: Das alleine reicht, glaube ich, nicht aus, um Kommunen vor riskanten Geschäften zu bewahren.

Um die Ebene der sachlichen Auseinandersetzung wirklich zu wahren, will ich einen Hinweis auf die Ursachen geben: Die zunehmende Neigung von Räten und Verwaltungsvorständen, sich mit solchen Dingen auseinanderzusetzen, so etwas zu machen, hat natürlich alles auch etwas mit der Haushaltssituation der Kommunen in NordrheinWestfalen zu tun. Wenn es eines Indizes bedarf, so ist das sicherlich der Hinweis auf die Kassenkredite und ihre Höhe. Meine Damen und Herren, insoweit ist es natürlich doppelt wichtig, dass wir weitere Eingriffe in die Kommunalfinanzen, wie sie die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen leider permanent durchführen, in Zukunft verhindern. Das ist ein wichtiger Baustein in dem Gesamtkonzept.

(Beifall von den GRÜNEN)

Darüber hinaus höhlt die Finanzlage die kommunale Selbstverwaltung natürlich aus. Ich habe von daher ein gewisses Verständnis für Aspekte, die unter dem Motto „Not macht erfinderisch“ zum Teil überlegt werden. Da versuchen Kommunen, sich ihre engen finanziellen Spielräume ein wenig weiter zu machen, indem solche Schritte geprüft und dann zum Teil auch gemacht werden.

Auf der anderen Seite, liebe Genossinnen und Genossen …

(Zurufe von CDU und FDP: Oh!)

Entschuldigung. Wovon das Herz voll ist – das kennen Sie ja.