Deutschland ist ein Zuwanderungsland. Zu dieser Erkenntnis gehört, dass wir die Geschichte und damit die historische Dimension der Zuwanderung wahrnehmen, aufarbeiten, dokumentieren und zeigen. Denn diese öffentliche Vermittlung ist notwendig, um ein Bewusstsein über unsere Rolle als Zuwanderungsland herzustellen, aber auch, um denen, die zu uns zugewandert sind und der ihnen nachfolgenden Generation, ein Stück Identität zu ermöglichen und zu geben.
Wir haben im Integrationsausschuss diesen Antrag, der heute vorliegt, ohne Votum an den federführenden Ausschuss weitergeleitet, in der Hoffnung – das wurde ausdrücklich so gesagt, lieber Michael Solf –, dass es einen gemeinsamen Antrag aller vier Fraktionen im Landtag geben wird, wie es bei Integrationsfragen gute Tradition ist. Es ist richtig, wenn Herr Karthaus noch einmal die Diskussion von heute Morgen bemüht hat. In Integrationsfragen besteht die Verabredung – das ist gut so –, dass wir gemeinsam agieren. Warum – das frage ich mich an dieser Stelle – ist das bei diesem Thema nicht möglich?
Ich muss mich wundern, Frau Freimuth, dass Sie das noch mal fordern. Wir haben eindeutige Signale aus der CDU-Fraktion und aus der FDPFraktion empfangen, dass ein fraktionsübergreifender Antrag nicht gewünscht ist. Ich finde das sehr bedauerlich, wie ich für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sagen kann.
Frau Kollegin Asch, ist es, wenn bei Ihnen ein solcher Eindruck entstanden sein soll, nicht sinnvoller, tatsächlich mal unmittelbar miteinander zu sprechen? Wir haben immer ganz klar gesagt, dass es uns ein wichtiges Anliegen ist. Deswegen wäre ich auch froh, wenn das früher zur Kenntnis genommen worden wäre. Können Sie dazu einige Ausführungen machen?
Ja gerne. Sprechen, Kommunikation ist die Grundvoraussetzung, um zu gemeinsamen Antragstellungen zu kommen. Das ist in der Tat richtig.
Im Integrationsausschuss, der mitberatend gewesen ist, wurden der Wunsch und die Hoffnung formuliert, dass es zu einer fraktionsübergreifenden Initiative kommt. Das wurde von den Kollegen auch so wahrgenommen. Im federführenden Kulturausschuss ist das – so habe ich gehört – von dem kulturpolitischen Sprecher der CDU-Fraktion Prof. Sternberg abgelehnt worden. So war der Hergang, den mir Herr Keymis als Mitglied des Kulturausschusses berichtet hat.
Frau Asch, darf ich Sie noch einmal unterbrechen? Frau Nell-Paul würde Ihnen auch noch gerne eine Frage stellen. Erlauben Sie das?
Die Frage, ob Ihnen zu Ohren gekommen ist, dass im Kulturausschuss zwischen den Sprechern kein Einvernehmen hergestellt werden konnte, ist vorauseilend schon beantwortet worden.
Frau Asch, ich bitte um Entschuldigung, dass ich Sie noch einmal unterbrechen muss. Zu einem Sachverhalt sind nach der Geschäftsordnung nur zwei Zusatzfragen zulässig. Aber wenn Frau Asch es Ihnen erlaubt, um einen Sachverhalt zu klären, lasse ich das zu.
Frau Kollegin Asch, können Sie zur Kenntnis nehmen, dass wir im Integrationsausschuss das auch selbst nicht so wahrgenommen hatten. Warum? Ich selbst weiß es im Grunde jetzt auch nicht. Ich weiß aber, dass dieser Antrag weitgehend auf einem Antrag basiert, den CDU plus FDP in der vergangenen Legislaturperiode gestellt hatten und der damals von Rot und Grün abgelehnt worden war. Ich halte es für möglich, dass das der Grund dafür ist – ich möchte das und werde das auch in Zukunft tun –, weshalb es nicht zu einem Konsens gekommen ist.
Wir sehen, es ist offenbar schwierig. Sie hätten als CDU/FDP-Koalition die Möglichkeit gehabt, den Antrag heute zurückzuziehen – das können Sie immer noch machen – , um dann zu einer fraktionsübergreifenden Initiative zu kommen. Diese Möglichkeit steht Ihnen immer noch offen, bis wir über diesen Antrag durch das Präsidium endgültig abstimmen werden.
Ich hätte mir gewünscht, bei diesem sensiblen Thema einen fraktionsübergreifenden Konsens zu erreichen. Das wäre noch herstellbar. Das Angebot besteht weiterhin.
Wir finden an dem Antrag vieles gut, aber einiges ist uns nicht konkret genug. Herr Keymis hat im Kulturausschuss schon darauf hingewiesen. Er hat die Frage gestellt, warum zum Beispiel das Oberschlesische Landesmuseum, das sich intensiv mit Migrations- und Integrationsfragen befasst und mit der Geschichte der Vertriebenen überhaupt, in diesem Antrag unerwähnt bleibt. Da bleibt vieles in dem Antrag sehr vage und unkonkret.
Die Geschichte der Migration in NordrheinWestfalen ist die Geschichte der Migration der Polen, der Schlesier, der Pommern. Diese muss man genauso sehen wie die Italiener, Griechen, Spanier und Türken. Sie soll aufgearbeitet und präsentiert werde. Hier sind wir mit Ihnen einer Meinung.
Wir – und ich als Kölnerin ganz besonders – haben natürlich auch die Stellungnahme der kulturpolitischen Sprecherinnen der Kölner Ratsfraktionen zur Kenntnis genommen, die den Antrag insgesamt durchaus positiv bewerten und insbesondere die Zusage begrüßen, dass die weitere Entwicklung von DOMiD sichergestellt werden soll. Das, also die Arbeit von DOMiD weiterzuführen
und zu sichern, ist ein wichtiges Anliegen, das wir als Grüne – das teile ich insbesondere als Kölner Abgeordnete – begrüßen.
Aber auch in diesem Punkt bleibt der Antrag unkonkret. Er bleibt beispielsweise in Bezug auf Aussagen zu Standorten und einer zukunftssicheren Vernetzung eines Gesamtkonzepts vage. Und er trennt Zuwanderergeschichte da wieder auf, wo sie – wie zum Beispiel bei der Arbeit des Oberschlesischen Landesmuseums in Ratingen-Hösel – gerade deutlich zusammengewachsen ist.
Aus diesen Gründen – und weil es bedauerlich ist, dass wir hier keinen gemeinsamen Antrag zustande bringen – werden wir uns enthalten. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Jahren ist in der Integrationspolitik ein neuer Begriff geprägt worden. Der Begriff Migrationshintergrund, der recht technisch und distanziert klingt, wird immer seltener verwandt. Stattdessen sprechen wir von Zuwanderungsgeschichte.
Ich glaube, dass das mehr als eine Geschmacksfrage ist. Wer nämlich von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte spricht, der spricht nicht allein von einer persönlichen Migrationserfahrung Einzelner, sondern er berücksichtigt die Tatsache, dass Zuwanderung für viele Menschen ein Teil ihrer Familiengeschichte ist, die sie bei uns in Nordrhein-Westfalen erlebt haben. Das betrifft vor allem die vielen Kinder und Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen, die zwar bei uns geboren sind und teilweise auch über die deutsche Staatsbürgerschaft verfügen, deren Familientradition aber stark vom Herkunftsland der Eltern oder Großeltern geprägt ist.
In Nordrhein-Westfalen leben mehr als 4,1 Millionen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte. Das sind 25 % der Bevölkerung, und bei den Kindern im Alter von null bis sechs Jahren sind es sogar 38 %. In etlichen Großstädten, in Köln und im Ruhrgebiet liegt der Anteil bei 48, 49 und teilweise sogar 50 %.
Deshalb freue ich mich über den – jedenfalls über den Antrag und die Antragstechnik hinausgehenden – Konsens im Landtag, dass Integration eine
vorrangig politische Aufgabe ist und dass auch ein solches Museum, eine solche Sammlung oder eine solche Erinnerung den Konsens im Hause findet.
Wir sind uns auch darin einig, dass die Zuwanderung eine historische Tatsache ist. Sie ist Teil unserer Landesgeschichte, und damit ist sie zugleich ein Teil der Identität unseres Landes. Denn Einwanderung hat die Entwicklung in den letzten 50 Jahren wesentlich geprägt. Sie ist ein wichtiges Merkmal unserer Gegenwart, und sie hat sie nicht nur in den letzten 50 Jahren geprägt, sondern das ganze Ruhrgebiet wäre ohne Zuwanderung im 19. Jahrhundert überhaupt nicht vorstellbar.
Deshalb würde eine solche Sammlung eine Lücke in der Landesgeschichte schließen. Die entsprechende Sammlung soll die unterschiedlichen Aspekte von Migration und Zuwanderung in ihrer ganzen Vielfalt berücksichtigen, und sie soll uns vor Augen führen, wie die Zugewanderten ihre kulturellen Reichtümer in das Alltagsleben in Nordrhein-Westfalen integrieren.
Ich sehe darüber hinaus in einer solchen Sammlung eine Wertschätzung der Lebensleistung von Menschen, die seit 1955 als sogenannte Gastarbeiter eingewandert sind. Durch ihr Lebenswerk haben sie entscheidend zum wirtschaftlichen Aufstieg des Landes beigetragen, und wenn man diese Lebensleistung noch zu Lebzeiten würdigt, hat dies positive Wirkungen auf die jungen Menschen und deren Gefühl, dass die Generation der Eltern und Großeltern etwas geleistet hat. Des Weiteren wird durch eine Sammlung mehr Anerkennungskultur möglich. Das gilt vor allem dann, wenn die Sammlung solche Exponate bereithält, die in den Schulen eingesetzt werden können, und sie eignet sich auch für die außerschulische Jugendbildungsarbeit.
Ausgangspunkt der Sammlung soll der Bestand des Kölner Vereins Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland – kurz: DOMiD – werden. DOMiD sammelt bereits seit 1990 Dokumente, Materialien und Exponate zur Geschichte der Migration insbesondere nach Nordrhein-Westfalen.
Allein die Bibliothek des Zentrums umfasst derzeit schätzungsweise 12.000 Titel, und DOMiD ist bereits durch vielfältige Ausstellungen und wissenschaftliche Publikationen an die Öffentlichkeit getreten. In guter Erinnerung ist mir in diesem Zusammenhang noch das bundesweit und international beachtete „Projekt Migration“, das von DO
Diese Sammlung wird noch in diesem Jahr durch das Integrationsministerium und die Kulturabteilung der Staatskanzlei gefördert, um die Archivierung der Bestände vorantreiben zu können, und wir bemühen uns um eine längerfristige Sicherung und einen Ausbau der Sammlung.
Zugleich arbeitet die Stadt Köln mit Nachdruck daran, eine passende neue Immobilie für DOMiD zu finden, und bereits in diesem Jahr unternehmen wir einen ersten wichtigen Schritt zum Aufbau einer Sammlung der Zuwanderung nach Nordrhein-Westfalen.
Ich danke den Fraktionen von CDU und FDP für den Antrag. Das Grundbemühen, dies gemeinsam zu machen, ist hier noch einmal deutlich geworden. Das Thema ist mit dem heutigen Tag auch nicht abgeschlossen. Ich denke, dass wir in der Entwicklung der Sammlung wieder zusammenkommen können, da es in der Sache – so habe ich Michael Solf jedenfalls verstanden – überhaupt keinen Widerspruch gibt.
Wenn das Prinzip gilt, dass man nur gemeinsam über diese Dinge entscheidet, dann scheint es, sofern ich der Wortmeldung glauben darf, in der letzten Wahlperiode in diesem Punkt nicht so gewesen zu sein. Vielleicht finden wir nach der heutigen Entscheidung des Landtags zurück, damit diese Sammlung eine Sammlung aller Fraktionen und aller politischen Richtungen ist und damit Teil unserer Landesgeschichte werden kann. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor, sodass wir am Schluss der Beratung sind.
Der Kulturausschuss empfiehlt in der Beschlussempfehlung Drucksache 14/6275, den Antrag Drucksache 14/5351 anzunehmen. Ich lasse nun darüber abstimmen. Wer dieser Beschlussempfehlung folgen möchte, möge bitte die Hand aufzeigen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann ist diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP bei Enthaltung der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie des Kollegen Sagel angenommen.