Protocol of the Session on March 13, 2008

Bevormundung durch den Staat, wie sie von den Grünen vorgeschlagen wird, Frau Löhrmann, brauchen die Eltern nicht. – Schönen Dank fürs Zuhören.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Grunendahl. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Kollege Jörg.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schön, dass Sie fünf Minuten Zeit für mich haben. Leider sind nicht ganz so viele im Saal. Aber es ist ein wichtiges Thema, und ich möchte einige Punkte nennen, für die die SPD steht.

Die SPD steht für einen qualitativen und quantitativen Ausbau der Kinderbetreuung vor allen Dingen für die unter Dreijährigen, weil wir wissen, dass damit vielen Familien, aber insbesondere auch Alleinerziehenden geholfen werden kann, einer selbstbestimmten Arbeit nachzugehen, die sie vor Armut schützt. Denn Kinder sind nach wie vor das häufigste Armutsrisiko in unserem Land; das müssen wir wissen. Deshalb: Gute Kinderbetreuung staatlich zu organisieren, mit unseren Verbänden zu organisieren, bedeutet auch immer die Chance für Familien und für Alleinerziehende, sich selber zu versorgen, sich selber zu ernähren. Ein ganz wichtiger Punkt!

Aber die SPD-Fraktion will das nicht nur aus diesem Grund, nicht nur, weil wir den Eltern, weil wir den Alleinerziehenden dadurch helfen, sich sozial zu stabilisieren, sondern vor allen Dingen auch deshalb, weil wir glauben, dass wir mit unseren Einrichtungen Chancengleichheit erzielen können, die wir sonst in den Familien so nicht erreichen können.

Wir wollen, dass die Defizite, die die Kinder aus den Familien leider zum Teil mitbringen, in den Einrichtungen behoben werden – ob durch Sprachförderung oder durch Förderung des sozialen Verhaltens. Wir wollen durch unsere Einrichtungen Zugangsgerechtigkeit beim Übergang zur Schule – auch zur weiterführenden Schule – schaffen. Das ist ganz wichtig. Chancengleichheit, Chancengerechtigkeit fängt mit einer guten Betreuung in der Kita an. Das ist für uns ein zentraler Punkt.

Deshalb gehört das wenige Geld, das wir in diesem Bereich überhaupt zur Verfügung haben, vor allen Dingen in unsere Einrichtungen. Herr Minister Laschet, Sie haben meiner Aussage bei den Haushaltsplanberatungen im Dezember zugestimmt, dass es nichts nutzen würde, die Transferleistungen zu erhöhen. Wir brauchen keine Erhöhung um 200 oder 300 oder 400 oder 500 €, denn das würde für das zentrale Problem, das wir haben, keine Rolle spielen. Wir würden den Kindern damit in Wirklichkeit nicht helfen. Vielmehr brauchen wir aus den gerade genannten Gründen vernünftige Einrichtungen. Das kommt den Kindern zugute.

Wir wissen alle, dass viele Familien, ob aus sozialen Gründen oder wegen fehlender intellektueller Einsicht in erzieherische und pädagogische Maßnahmen, dieses zusätzliche Geld eben nicht dafür nutzen, ihren Kindern zu helfen, sondern es in anderer Weise investieren, sodass es häufig nicht bei den Kindern ankommt. Deshalb ist das von Ihnen vorgesehene Betreuungsgeld ein falscher Weg, ein ideologischer Weg der Rechtskonservativen in der CSU und, wie wir gerade gehört haben, auch in der CDU. Das war ja wirklich eine Vorstellung aus den 50er-Jahren, die Sie hier abgeliefert haben, Herr Kollege Grunendahl.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Man kann daran ermessen, dass meine liebe Kollegin Andrea Asch völlig Recht hat: Sie sind in der Union in dieser Frage krusendull aufgestellt.

(Minister Armin Laschet: Die SPD stimmt doch zu in Berlin!)

Sie müssen sich wirklich einmal an die Lebensrealitäten der Menschen in unserem Land gewöhnen und sehen, in welcher Lebenssituation viele Familien und vor allen Dingen Alleinerziehende sind.

(Karl Schultheis [SPD]: Zurück in die Zu- kunft!)

Wenn Sie das täten, würden Sie, glaube ich, Ihre Meinung überdenken. Ich hoffe, dass die Liberalen – Christian Lindner wird ja gleich dazu sprechen – das etwas anders sehen.

Ihnen, der CDU, schwebt als Leitmotiv also immer noch die Familie aus den 50er-Jahren vor. Diese Vorstellung wird wirklich nur noch von den Linken getoppt.

(Heiterkeit und Beifall von SPD und GRÜ- NEN)

Dieses Krusendulle wird nur noch von den Linken getoppt. Die sind derart unterwegs – das spottet jeder Beschreibung. Der Kollege Sagel ist jetzt leider nicht da.

(Andrea Asch [GRÜNE]: Der ist schon zu Hause! – Allgemeine Heiterkeit)

Der ist schon zu Hause! Ja, gut. Wenn ich sehe, wie sich die Linken zu diesem Thema äußern, wäre ich an seiner Stelle auch nach Hause gefahren.

(Zuruf)

Zu den Koalitionen sage ich gleich noch etwas, Herr Laschet. Freuen Sie sich schon mal!

Christa Müller, familienpolitische Sprecherin der Linken im Saarland und hauptberuflich, glaube ich, Ehefrau von Oskar Lafontaine, fordert genau das, was die CDU auch fordert: ein Betreuungsgeld für Eltern. Sie will im ersten Lebensjahr des Kindes 1.600 € brutto, im zweiten Lebensjahr 1.000 € brutto und dann – man halte sich fest! – 500 € bis zum 20. Lebensjahr. Es ist ein Gesamtvolumen von 40 Milliarden €, das sie da mal eben verpulvert und fordert. Das ist wirklich ein Nirvana.

(Christian Lindner [FDP]: Mit denen wollt ihr koalieren!)

Wir wollen mit denen nicht koalieren, lieber Christian, wir wollen die heraushalten. Wir suchen die inhaltliche Auseinandersetzung. Und an dem Punkt stellen wir sie!

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ihr seid auf der falschen Fährte – mit denen zusammen. Die CSU ist in der Frage doch näher bei den Linken als wir.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Die inhaltliche Auseinandersetzung müssen wir suchen. Dazu kannst du hier gleich gerne etwas sagen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Jörg. – Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Lindner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDP-Fraktion wird den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen ablehnen.

(Zurufe von SPD und GRÜNEN: Ach!)

Das hat nichts zu tun mit der inhaltlichen Dimension – ich werde das gleich noch ausführen –, sondern damit, dass das hier doch ein ganz offensichtlicher Versuch ist, Sozialdemokraten und Christdemokraten gleichermaßen in eine schwierige Situation zu bringen.

(Heiterkeit von SPD und GRÜNEN)

Denn beide Parteien haben auf Bundesebene schließlich einen entsprechenden Gesetzentwurf verabschiedet.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das ist wieder diese liberale Männlichkeit!)

Beide Parteien haben durchaus einen schwierigen internen Meinungsbildungsprozess abgeschlossen.

Ich erinnere etwa daran, dass unser nordrhein-westfälischer Familienminister sich auf dem Bundesparteitag der CDU gegen das Betreuungsgeld verwendet hat, gegen das Betreuungsgeld argumentiert hat – wie auch Ministerpräsident Rüttgers. Sie kämpfen hier in Nordrhein-Westfalen gegen einen familienpolitischen Popanz, denn die nordrhein-westfälische CDU ist durchaus progressiv aufgestellt, wie wir als Freie Demokraten das auch sind.

(Lachen von SPD und GRÜNEN)

Also: Sie kämpfen hier gegen einen Popanz.

In der Sache hat sich an unserer Bewertung als Freie Demokraten indes nichts verändert; wir haben schon verschiedentlich über ein Betreuungsgeld gesprochen. Ich will das an einigen wenigen Punkten deutlich machen.

Wir sind der Auffassung, dass alle Familienmodelle gleichermaßen Wertschätzung verdienen. Da unterscheiden wir uns durchaus von Sozialdemokraten, von Grünen und vielleicht sogar von Christdemokraten. Während die politische linke Seite, die hier vorne sitzt, zwar die Wahlfreiheit betont, gibt es doch viele bei Ihnen, die mit einem gewissen Argwohn auf junge Frauen und Männer schauen, die zu Hause bleiben.

(Zurufe von der SPD)

Es besteht der Argwohn, dass diese vielleicht nicht so richtig emanzipiert sind.

(Zurufe von der SPD)

Auf der anderen Seite gibt es immer noch viele Konservative,

(Zurufe von der SPD)

die doch fragen, ob das im Sinne der Kinder sein könnte und nicht vielleicht doch Benachteiligungen zu befürchten seien, wenn junge Frauen und Männer Familie und Erwerbsleben vereinbaren wollen.

(Zurufe von der SPD)

Jetzt regt sich die SPD so auf. Entschuldigung, was hat denn Kollege Jörg eben gesagt? Herr Kollege Jörg hat eben gesagt, er möchte die Kinder in die institutionelle Kinderbetreuung bringen, um allen Kindern Chancen zu eröffnen. Das ist doch das Misstrauen gegenüber Elternhäusern; diese könnten nicht in der Lage sein, ihren Kindern entsprechende Chancen zu eröffnen.