Protocol of the Session on March 12, 2008

Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit sind wir am Ende von Tagesordnungspunkt 9.

Ich rufe auf:

10 Angebote aus einer Hand sicherstellen – Pflegestützpunkte in NRW einführen!

Antrag

der Fraktion der SPD

Drucksache 14/6326

In Verbindung mit:

Beratung für Pflegebedürftige sichern und weiterentwickeln – Modelle zu Quartierstützpunkten initiieren

Antrag

der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 14/6328

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion der SPD dem Kollegen Killewald das Wort.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit den Petersberger Beschlüssen haben CDU und SPD den Weg für die Weiterentwicklung der Pflegeversicherung frei gemacht. Damit wird dem Land NRW ab Mitte dieses Jahres schon die Möglichkeit gegeben, die vielfach zergliederte Beratungsstruktur für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen zusammenzuführen.

Heute stehen den betroffenen Personen unter Umständen zehn unterschiedliche Beratungsstellen auf Grundlage von mindestens acht gesetzlichen Vorgaben an verschiedenen Orten und Stellen gegenüber. Dies ist nicht im Sinne der Hilfesuchenden. Daneben wird durch die Erweiterung des Rechts auf Beratung in § 8 zu erwarten sein, dass wir aufgrund der Beratungsansprüche noch mehr Beratung benötigen.

Der Bundesgesetzgeber gibt uns nun die Gelegenheit, mit den Pflegestützpunkten das Beratungswirrwarr aufzuheben. Er bietet uns als Land die Handlungsoption, hier Vorgaben zu machen. Wer diese einmalige Gelegenheit nicht als Chance ergreift, gehört nicht an verantwortliche Stelle.

(Beifall von Britta Altenkamp [SPD])

Leider haben Sie, Herr Minister, die Idee der Pflegestützpunkte nicht nur auf Schärfste bekämpft, sondern haben direkt nach den Beschlüssen der Koalition verkündet, in NRW werde es keine Pflegestützpunkte geben. Das, Herr Laumann, ist nicht nur kurzsichtig, sondern auch politische Dummheit auf Kosten der Menschen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Sie verspielen damit die einmalige Chance, die uns geboten wird. Ihre Fraktion hat nach Veröffentlichung unseres Antrags auch deutlich gemacht, dass sie Ihnen in Ihrer Haltung folgen will. Dabei muss man feststellen, werte Kolleginnen und Kollegen aufseiten der CDU: Wenn Sie unseren Antrag wirklich gelesen hätten, wären Sie nicht zu dieser Veröffentlichung gekommen.

Wir Sozialdemokraten in NRW wollen mit dem vorgelegten Antrag für unser Land erstens die Bündelung von Kompetenzen in der Pflege, zweitens die Vernetzung der Angebote stärken, drittens die Zusammenführung der Beratungsstrukturen vor Ort an einer Stelle und an einem Ort ermöglichen und viertens die Sicherstellung von wohnortnahen Beratungen.

Herr Laumann, wir fordern Sie auf: Beenden Sie endlich Ihre parteipolitischen Spiele! Erkennen Sie die historische Chance und verlassen Sie Ihre destruktive Haltung!

(Beifall von der SPD)

Ein Gedanke noch zum Abschluss, Herr Laumann. Der Punkt der Pflegeberatung wird direkte Auswirkungen auf Ihr Ansinnen der Teilhabegewährleistung haben – nicht nur inhaltliche, sondern auch verfahrensmäßige. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Killewald. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die ebenfalls Antragstellerin ist, Frau Kollegin Steffens das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister Lau

mann, ich bin gespannt, wie Sie heute hier die Kurve kriegen wollen. Sie haben öffentlich auf mehr als einer Veranstaltung immer wieder gesagt: Das Geld soll bei den Menschen ankommen! Mit mir keine Pflegestützpunkte!

Jetzt haben wir eine andere Ausgangslage, nämlich die, dass für die Länder, die es beantragen, Pflegestützpunkte aus den Solidarmitteln der Pflegeversicherung finanziert werden können.

Das heißt, wenn Sie heute und hier bei der Position bleiben, „Für NRW keine Pflegestützpunkte!“, dann heißt das, dass die Menschen in NordrheinWestfalen die Pflegestützpunkte in Niedersachsen, in Hessen, in Brandenburg und in anderen Bundesländern, die die Pflegestützpunkte beantragen werden, finanzieren können. Und das kann und darf aus unserer Sicht nicht sein. Wir finden, dass Sie heute die Kurve kriegen und klarmachen müssen, dass es für Nordrhein-Westfalen Pflegestützpunkte geben wird – mit Ihnen, mit uns, mit allen im Landtag vertretenen Fraktionen gemeinsam und dass wir auch gemeinsam versuchen, dafür ein Konzept zu entwickeln.

(Beifall von den GRÜNEN)

Was brauchen wir bei Pflegestützpunkten? – Wir brauchen natürlich eine unabhängige Struktur. Wir werden noch darüber streiten müssen, wie man wirklich sicherstellen kann, dass es eine unabhängige Beratung gibt. Wie kann man sicherstellen, dass Struktur und Leistung unabhängig sind? Denn die Menschen, die Beratung – auch im Sinne von Kurzintervention – brauchen, wollen eine unabhängige trägerübergreifende Beratung, damit sie das Gefühl haben, dass sie vertrauensvoll beraten werden.

Wir brauchen aber darüber hinaus mehr. Nur Beratung im Sinne von Sofortintervention wird nicht reichen, sondern wir brauchen im Sinne eines richtigen Casemanagements im Quartier Aufklärung, Unterstützung, Begleitung.

Wir brauchen hier langfristige Angebote, damit das, was wir in der Enquetekommission einmal fraktionsübergreifend beschlossen haben, wirklich umgesetzt werden kann. Umgesetzt bekommen wollen wir, dass für die Menschen der selbstbestimmte Verbleib in der eigenen Häuslichkeit wirklich sichergestellt wird und dass dafür die ambulanten Pflegebedarfe sowie die pflegeergänzenden Bedarfe abgedeckt werden.

Umgesetzt sehen wollen wir aber auch, dass die Menschen dann, wenn Sie sich anders entscheiden, andere Wohn- und Lebensformen für sich finden können und dass sie zu jeder Zeit wissen,

wer Ihnen was finanziert, welche Leistungen sie selbst erbringen müssen und worauf sie einen Rechtsanspruch haben. Was ist sozusagen die gesetzliche Kür, und was ist die gesetzliche Pflicht? Was bekommen sie wo von welchen Trägern? Was passt genau zu ihren individuellen Bedürfnissen? Dafür brauchen wir die Pflegestützpunkte.

Wenn wir uns anschauen, welche Möglichkeit es gibt, wird klar, dass wir mit dem, was jetzt als Koalitionskompromiss auf den Tisch gekommen ist, nicht mehr das aufrechterhalten werden können, was ursprünglich geplant war – ein Pflegestützpunkt auf 20.000 Einwohner –, sondern dass wir eher auf die doppelte Zahl kommen: Pi mal Daumen gerechnet ein Pflegestützpunkt auf 40.000 Einwohnerinnen und Einwohner.

Damit kann man keine flächendeckende Beratungs- und Angebotsstruktur schaffen, aber es ist eine Säule, auf der man im Grunde genommen aufbauen und aus der heraus man das entwickeln kann. Deswegen glaube ich, dass man dieses Angebot des Bundes nutzen und ein eigenes nordrhein-westfälisches Konzept dazu entwickeln muss.

Wir haben in unserem Antrag vorgeschlagen – das ist ein Diskussionsvorschlag, über den wir im Ausschuss gemeinsam beraten und diskutieren werden –, dass man dazu eine Arbeitsgruppe einrichtet und ein eigenes NRW-Konzept entwickelt; denn es wäre natürlich falsch, wenn man an denjenigen, der schon heute Pflegeberatung macht, und an diejenigen, die das System als Träger mit stützen, vorbei eine solche Konzeption entwerfen würde. Nein, wir müssen einen solchen Prozess mit allen gemeinsam in die Wege leiten.

Der erste Schritt wird heute Ihre Rolle rückwärts sein, nämlich dass Sie hier erklären müssen, dass Sie für die Pflegestützpunkte sind und dass Sie den Forderungen, die beide, Rot und Grün, bisher an verschiedenen Stellen des Landtags gestellt haben, einen Schritt entgegenkommen und mit uns gemeinsam ein Konzept entwickeln werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Steffens. – Als nächster Redner hat Herr Kollege Post für die Fraktion der CDU das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir brauchen Beratung. Die Menschen brauchen Beratung. Die zu Pflegenden

brauchen Beratung. Aber sie brauchen keine uniformierte Beratung.

Das Gute an den Meldungen aus Berlin war, dass sich die Koalitionsfraktionen beim Pflegeweiterentwicklungsgesetz auf vernünftige Änderungen eingelassen haben. Dabei konnten sehr viele Verbesserungen durchgesetzt werden, die insbesondere den Pflegebedürftigen zugute kommen.

All das steht für uns unter dem Motto, dass die zusätzlichen Einnahmen aus der Beitragserhöhung vorrangig den Versicherten und den Pflegebedürftigen bei der Pflege zugute kommen müssen und nicht in Schreibtische oder Büros investiert werden dürfen.

(Beifall von der CDU)

In NRW leben 460.000 Pflegebedürftige. Am Ende des nächsten Jahrzehnts werden es 650.000 sein. Ziel der Pflegepolitik muss es deshalb sein, ein qualitativ und quantitativ gutes, ausgewogenes Angebot an Dienstleistungen und Einrichtungen zu erhalten und weiter zu schaffen. Dabei müssen die Notwendigkeiten der Pflege demenziell Erkrankter und die Hilfestellung für die oft mit pflegenden Angehörigen stärker – weiter gehend als bisher – berücksichtigt werden.

Das kommt der Beratung natürlich entgegen. Das heißt aber nicht, dass man flächendeckend eine uniformierte Beratung und Pflegestützpunkte einrichten muss. Vielmehr gibt es in diesem Land eine ganz hervorragende Beratung und ganz hervorragende Stützpunkte. Wir haben uns gefälligst an dem zu orientieren, was in diesem Land existent ist, und es weiterzuentwickeln.

(Beifall von der CDU)

Auch die Qualitätssicherung kann damit verbessert werden, nämlich wenn wir bei der demnächst erfolgenden jährlichen Überprüfung der Pflegeheime Rückmeldungen bekommen, die den Menschen mitgeteilt werden. All das muss als Ergebnis und für Transparenz sorgend in die Beratung und in die Arbeit der Stützpunkte eingehen.

Nach Ihrer Meinung sollen also flächendeckend stadtteil- und quartiernah entwickelte Stützpunkte eingerichtet werden. Wenn wir das so allgemein formulieren, könnten wir noch lange darüber debattieren und unsere Meinungen gut und gemächlich einander angleichen.