Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Schleswig-Holstein hat 2007 zwei neue Schularten eingeführt, die bis zum Schuljahr 2010/2011 an die Stelle der bestehenden Haupt-, Real- und Gesamtschulen treten sollen: die Regionalschule und die Gemeinschaftsschule. Neben diesen beiden Schularten gibt es auch weiterhin das Gymnasium, dessen Bildungsgang wie in Nordrhein-Westfalen auf acht Jahre verkürzt worden ist.
Der Wechsel von der Grundschule zu den weiterführenden Schulen erfolgt weiterhin nach Klasse 4. Sechs der sieben 2007/2008 in Betrieb genommenen Gemeinschaftsschulen sind aus bestehenden Haupt- und Realschulen entstanden. Nur die Gemeinschaftsschule in Fehmarn ist vor dem Hintergrund der besonderen Insellage durch Auflösung eines Gymnasiums entstanden. Mit Ausnahme der Gemeinschaftsschule Fehmarn sehen deshalb auch alle Gemeinschaftsschulen lediglich die Sekundarstufe I vor, haben also keine gymnasiale Oberstufe.
Außer auf Fehmarn, wo das dortige frühere Gymnasium zugunsten einer Gemeinschaftsschule geschlossen wird und die Gemeinschaftsschule als bisher einzige Schule eine Oberstufe besitzen soll, gehen kaum Kinder mit Gymnasialempfehlung zur Gemeinschaftsschule. In vier von den anderen sechs Gemeinschaftsschulen wurde kein Kind mit Gymnasialempfehlung angemeldet, an der Gemeinschaftsschule in Flensburg eins und an der Gemeinschaftsschule Kellinghusen wurden acht von 165 Schülerinnen und Schülern angemeldet.
Diese Zahlen, Frau Abgeordnete, sind einer Antwort der schleswig-holsteinischen Landesregierung vom 23. November 2007 auf eine parlamentarische Anfrage – Drucksache 16/1692 – zu entnehmen.
Die Gemeinschaftsschule entwickelt sich demnach in Schleswig-Holstein bisher mit Ausnahme des Sonderfalls Fehmarn zu einer reinen Sekundarstufe-I-Schule. Schülerinnen und Schüler, die das Abitur erwerben wollen, besuchen weiterhin grundsätzlich das Gymnasium und die 25 Gesamtschulen des Landes.
Im Gegensatz zu den Forderungen der Oppositionsparteien in Nordrhein-Westfalen hat Schleswig-Holstein keine verpflichtende Gemeinschaftsschule, also kein Einheitssystem, eingeführt. Neben den Gemeinschaftsschulen bleiben Regionalschulen und das Gymnasium als eigenständige Schulformen bestehen.
In Nordrhein-Westfalen lehnten 66 % der Bevölkerung eine Einheitsschule laut einer Umfrage im Auftrag der „Rheinischen Post“ vom September 2007 ab.
Das neue Schulgesetz in Nordrhein-Westfalen sieht flexible Möglichkeiten vor, dem erkennbaren Schülerrückgang, nicht zuletzt auch im ländlichen Raum, pragmatisch zu begegnen. Davon machen zum nächsten Schuljahr auch Kommunen in Nordrhein-Westfalen Gebrauch, wie aktuell Horstmar und Schöppingen, Borchen, Ense, Winterberg, Medebach und Hallenberg.
Es kommt angesichts der großen Herausforderungen, vor denen unser Bildungssystem steht, nicht darauf an, die Schulstrukturen in unserem Land grundlegend umzuwerfen. Es kommt darauf an, Schülerinnen und Schüler individuell zu fördern und Jugendlichen berufliche Perspektiven zu geben. Das ist Fortschritt im Schulsystem.
Schönen Dank, Herr Uhlenberg. Von mir an dieser Stelle auch einen Genesungswunsch an die Ministerin, die Sie hier vertreten.
Ich möchte Folgendes nachfragen. Sie haben das skizziert, und wir haben uns in der letzten Woche darüber informiert. Mich wundert, dass Sie so positiv schildern, was die Gemeinschaftsschulen in
Schleswig-Holstein angeht, weil Horstmar und Schöppingen hier in Nordrhein-Westfalen genauso eine Gemeinschaftsschule gründen wollten, wie es in Schleswig-Holstein möglich ist. Sie zwingen hier eine Gemeinde, eine Regionalschule einzurichten, statt sie eine Gemeinschaftsschule gründen zu lassen.
Wäre es nicht sinnvoller, auch den Gemeinden Horstmar und Schöppingen die Gemeinschaftsschule zu erlauben?
Frau Abgeordnete, Ihnen ist bekannt, dass gerade mit den beteiligten Gemeinden und mit den Schulen dort eine Regelung getroffen worden ist, um die demografische Entwicklung, die es auch in dieser Region gibt, im Hinblick auf die Schulstruktur einer vernünftigen und zukunftsorientierten Regelung zuzuführen.
Sehr geehrter Herr Minister Uhlenberg, ich fand Ihre Darstellung sehr umfassend. Wir hatten in der Tat in der letzten Woche die Gelegenheit, uns das im Original anzuschauen. Ich darf Sie zur Ergänzung Ihrer Informationslage kurz informieren, dass Ihre Daten vom 23. November 2007 nicht mehr ganz den Tatsachen entsprechen, sondern dass auch die anderen Gemeinschaftsschulen, die an den Start gegangen sind, jetzt Gymnasialschüler und -schülerinnen anziehen – auch an den anderen Standorten, nicht nur in Fehmarn. Viele haben die Option einer Oberstufe.
Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass viele Gemeinden in Schleswig-Holstein die Regionalschule, das Verbundmodell, wie es auch die hiesige Landesregierung vorsieht, gar nicht haben möchten, sondern mehr oder weniger aufgrund der Vorschriften zu Anmeldezahlen zur Regionalschule gezwungen werden? Sie hätten viel lieber eine Gemeinschaftsschule mit einem Konzept des mehr verbundenen, längeren gemeinsamen Lernens.
Frau Abgeordnete, meine Aufgabe besteht heute nicht darin, zur Schulstruktur in SchleswigHolstein Stellung zu nehmen. Ich bin auch nicht der Sprecher der schleswig-holsteinischen Landesregierung oder des Ministerpräsidenten. Ich möchte nur, da Sie in Ihrer Frage die gymnasiale Oberstufe angesprochen haben, noch einmal die Zahlen im Hinblick auf die bestehenden Gemeinschaftsschulen in Schleswig-Holstein nennen.
Der Anteil der gymnasialen Oberstufe liegt nur in Fehmarn bei 34,4 %, während es bei allen anderen Schulen – das ging auch aus der Beantwortung der Anfrage hervor – nur ein sehr geringer Prozentsatz ist. Er liegt zum Beispiel in Kellinghusen bei 4,9 %, in Flensburg bei 1,3 %, und bei den Schulen in Halstenbek, Handewitt, Idstedt und Schafflund sind es null Prozent. Das heißt, die Kinder, die dort eine weiterführende Schule besuchen, besuchen nicht die Gemeinschaftsschule, sondern das Gymnasium. Fehmarn hat aufgrund der Insellage und der Tatsache, dass das dortige Gymnasium wegen zu weniger Kinder offensichtlich geschlossen worden ist, eine andere Situation.
Herr Minister Uhlenberg, Sie haben nicht nur zu Schleswig-Holstein Stellung genommen, sondern auch zu einer Umfrage der „Rheinischen Post“, was die sogenannte Einheitsschule in Nordrhein-Westfalen angeht, und haben gesagt: Zwei Drittel der Menschen lehnen diese Schule ab. – Sie müssen aber auch zur Kenntnis nehmen: Wenn man die Frage anders formuliert, wie zum Beispiel die „Westfälische Nachrichten“ oder die „Westfälische Rundschau“, und die Menschen fragt, ob junge Menschen länger gemeinsam lernen sollen, finden zwei Drittel der Menschen das richtig.
Daran schließt sich meine Frage an: Wie beurteilen Sie im Hinblick auf längere gemeinsame Lernzeiten die Tatsache, die sich aus den internationalen Schulleistungsstudien ergeben hat, dass das Kind eines Facharztes eine dreimal höhere Chance hat, eine Empfehlung für das Gymnasium zu bekommen als das Kind eines Facharbeiters – bei gleicher Kompetenz der Kinder?
Hauptschule und einer entsprechenden Durchlässigkeit unseres gegliederten Schulsystems gerade diese Schüler auch die gleichen Chancen haben. Im Übrigen bin ich der Auffassung, dass sehr oft, wenn solche Fragen gestellt werden, Ganztagsbetreuung und Gesamtschule miteinander verwechselt werden. Nach meinen Erfahrungen legen insbesondere die Eltern in vielen Fällen Wert auf eine Ganztagsbetreuung. Wenn das durch das gegliederte Schulwesen gewährleistet ist, hat sich die Frage der Gesamtschule meist erledigt.
Herr Uhlenberg, meine Umweltleute raunen mir gerade zu, ich sollte Ihnen zunächst vermitteln, dass Sie als Schulminister eine ganz gute Figur machen. Das will ich Ihnen nicht vorenthalten.
Wie beurteilen Sie folgende Umfrage? In den Gemeinden Horstmar und Schöppingen, die jetzt als Ersatz für das, was sie eigentlich wollten, nämlich eine Gemeinschaftsschule, eine sogenannte Regionalschule bzw. ein Verbundmodell machen, wollten die Eltern zu 80 % die Gemeinschaftsschule. Die Eltern wollten ein weiter gehendes Modell, nämlich inklusive Gymnasium. Wie beurteilen Sie diese Zustimmung von 80 %?
Frau Abgeordnete, meine Kompetenz in Bildungsfragen hängt sicherlich auch damit zusammen, dass ich Vater von drei Kindern bin, die alle Schulen in Nordrhein-Westfalen besucht haben, die man sich nur vorstellen kann.
Bei mir war das früher so ähnlich. Von daher habe ich mich immer im gegliederten Schulwesen ganz gut ausgekannt, weil ich auch alle Schulformen kennengelernt habe. Gerade in den ländlichen Räumen ist dieses breite Angebot des gegliederten Schulwesens von besonderer Wichtigkeit.
Zu Ihrer Frage: Ich führe es in erster Linie darauf zurück, dass die Menschen in diesen Kommunen – in meinem Wahlkreis habe ich vergleichbare Kommunen; auch die Gemeinde Ense hat gerade eine Perspektive für eine Hauptschule bekommen – für ihre Kinder, auch für die, die in Zukunft weiterführende Schulen besuchen, eine
Perspektive haben wollen, vor Ort eine weiterführende Schule in Form einer Hauptschule, einer Realschule oder einer entsprechenden Kombination zu besuchen, wie das jetzt in diesen Gemeinden auf den Weg gebracht worden ist. Das wird vor Ort gewünscht. Die Eltern wollen, dass ihre Kinder keine weiteren Wege als bisher zurücklegen müssen. Deswegen spricht auch so viel für das Schulkonzept der Landesregierung, ein schulisches Angebot vor Ort zu erhalten, damit die Kinder keine weiteren Wege in Kauf nehmen müssen.
Herr Minister Uhlenberg, da Sie sich im Schulsystem so gut auskennen und einen Überblick haben – gerade haben Sie auf die Hauptschuloption für die Kommune Ense hingewiesen –: Wie beurteilen Sie die Zahlen, die ich heute Morgen schon genannt habe, dass das Ganztagshauptschulangebot aktuell ein Minus in den Anmeldungen von 42,4 % in Dortmund, von 13 % in Duisburg, von 9 % in Aachen zu verzeichnen hat?
Frau Abgeordnete, das hängt offensichtlich auch damit zusammen, dass wir bedauerlicherweise immer weniger Kinder haben. Es wird in den nächsten Jahren ein drängendes Problem werden, dass wir leider immer weniger Kinder haben, die unsere Schulen, ob gegliedert oder nicht gegliedert, besuchen. Es ist eine gesellschaftliche Herausforderung, das in Nordrhein-Westfalen wieder zu ändern.
Herr Uhlenberg, ich habe noch eine ganz andere Frage. Kollege Wittke läuft mit dem zutreffenden Spruch „Einmal gesehen ist besser, als fünfmal gelesen“ durch die Lande. Würden Sie Ministerin Sommer raten, sich die Gemeinschaftsschulen in Schleswig-Holstein mal anzusehen?
Sommer, keine Tipps zu geben. Sie ist dermaßen kompetent und eine der angesehensten Schulpolitikerinnen in Deutschland. Von daher können wir froh sein, Sie in Nordrhein-Westfalen zu haben.
Herr Uhlenberg, fühlen Sie sich als Landwirtschaftsminister wohl – denn Sie machen das ja souverän –, oder würde Ihnen die Rolle des Schulministers auch liegen?
Diese Frage ist nicht zulässig. Sie steht in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Frage nach der Schulstruktur in Schleswig-Holstein.