Protocol of the Session on March 12, 2008

dass es für die Umstellung auf den achtjährigen Abiturjahrgang und die damit einhergehend erhöhte Anzahl an Abiturienten im Jahre 2013 der inhaltlich-organisatorischen Vorbereitung bedarf.

Selbstverständlich erfordert es hierzu sowohl auf dem Ausbildungsmarkt als auch bei den Universitäten vielfältiger Maßnahmen, um auf diese Situation angemessen zu reagieren. Niemand sollte allerdings unterstellen, dass sich im Jahre 2013 die Studenten auf den Treppen der RuhrUniversität im wahrsten Sinne des Wortes einen Verdrängungswettbewerb liefern müssen.

Zunächst einige Fakten: In Niedersachsen etwa treten die Doppeljahrgänge im Jahre 2011 in den Markt ein, in Baden-Württemberg und Berlin sowie eine kleine Gruppe in Nordrhein-Westfalen im Jahre 2012. Das Gros der Abiturienten in Nordrhein-Westfalen folgt dann im Jahre 2013. Das heißt, dass dieser Eintritt in jeweils unterschiedlichen Jahren erfolgt und daher der Austausch zwischen den Ländern möglich ist.

Auch sollte hierbei niemals die stille Reserve – so möchte ich das einmal nennen – in den neuen Bundesländern vergessen werden. Dort werden aufgrund des demografischen Wandels in nicht unbeträchtlicher Anzahl Studienplätze als Angebot zur Verfügung stehen. Diese Chancen sollte man sich bewusst machen und sie nutzen.

Auch dürfen wir nicht die durch Reformen an unseren Universitäten erzielten Qualitätsgewinne vergessen. Durch die kürzeren Studienzeiten werden auch dort Kontingente frei werden, die als Qualitätsreserven genutzt werden können.

Meine Damen und Herren, die Koalition hat darüber hinaus bereits eine Vielzahl von Maßnahmen eingeleitet, die eine Bereitstellung einer ausreichenden Anzahl von Plätzen für Studienanfänger sicherstellen werden.

Im Rahmen des Hochschulpaktes I zwischen Bund und Ländern entstehen alleine in NordrheinWestfalen bereits gegenwärtig 26.000 neue Studienplätze. Schon kurz nach der Regierungsübernahme hat die Koalition die zusätzliche Investition von 125 Millionen € für die Hochschulen beschlossen, die durch einen weiteren vielfachen Millionenbetrag vonseiten des Bundes noch weitergehend unterstützt werden.

Auch möchte ich hierbei auf eines der zentralen wissenschaftspolitischen Projekte der Koalition verweisen: die Neugründung von Fachhochschulen, an der, wie Sie wissen, bereits umfassend gearbeitet wird. Hierdurch wird es uns nicht nur gelingen, mittelfristig die dringend benötigte Stärkung gerade technischer Fächer zu erreichen und die Universitäten zu entlasten. Nein, es wird uns auch ermöglichen, den Studienanfängern im Jahre 2013 eine vielfältig differenzierte und sinnvoll optimierte Studienlandschaft zu unterbreiten. Ebenso ist die Landesregierung bereits initiativ im Rahmen einer an das bereits Erreichte anschließenden Regelung zwischen dem Bund und den Ländern tätig geworden, was wir ausdrücklich begrüßen.

Die Erfahrung zeigt, dass die Anzahl der zusätzlich hinzukommenden Bewerber um einen Ausbildungsplatz beherrschbar sein wird, da sie im Verhältnis zu den Studienanfängern eine deutlich geringere Zahl umfassen wird. Durch zum Beispiel die bereits im Koalitionsvertrag beschlossene gezielte Stärkung der Berufskollegs wird es uns auch hier gelingen,

(Sören Link [SPD]: Und was kommt davon in der Praxis an?)

auf die gesteigerte Anzahl ausbildungswilliger junger Abiturienten mit einer ausreichenden Anzahl an Angeboten adäquat zu reagieren. Ja, Herr Link, so ist das nun einmal.

(Sören Link [SPD]: Nur weil es im Koalitions- vertrag steht, passiert noch lange nichts!)

Sie sehen, dass längst eine Vielzahl an eingeleiteten und geplanten Maßnahmen auf dem Weg sind, die es uns ermöglichen werden, die Kraftanstrengung des doppelten Abiturjahrgangs 2013 erfolgreich und auch qualitätsorientiert zu meistern. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und empfehle Ihnen weniger Aufgeregtheit.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Frau Pieper-von Heiden. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Dr. Seidl das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit einer Konzeptionslosigkeit sondergleichen hat diese Landesregierung die Umstellung der gymnasialen Schulzeit regelrecht in den Sand gesetzt. Das muss man heute an dieser Stelle – finde ich – noch einmal ganz deutlich sagen.

Sie hat den Leistungsdruck auf Schülerinnen und Schüler maßlos erhöht. Sie hat die Planbarkeit der Schulen durcheinandergebracht, und sie hat vor allen Dingen bei den Eltern eine ungeheure Verunsicherung ausgelöst. Ich finde, das muss man ernst nehmen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Inzwischen ist allen klar geworden, dass es noch ein weiteres Problem geben wird, nämlich dann, wenn im Jahre 2013 zwei Abiturjahrgänge gleichzeitig die nordrhein-westfälischen Schulen verlassen.

Ich finde es wirklich zynisch, Frau Pieper-von Heiden, dass Sie die berechtigten Sorgen der Landeselternschaft, die uns zurzeit regelrecht auf den Füßen steht, an dieser Stelle nicht wirklich ernst nehmen.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Das heißt, es wird eine enorme zusätzliche Nachfrage nach Studien- und natürlich nach Ausbildungsplätzen geben. Hinzu kommt, dass die ständig steigende Übergangsquote in Bildungsgänge, die zum Hochschulabschluss führen, bislang nicht beachtet worden ist. Im Ergebnis wird Nordrhein-Westfalen, wo heute schon 51,8 % eines Jahrgangs eine Hochschulzugangsberechtigung erwerben, diese bundesweite Spitzenposition bis zu einem Anteil von voraussichtlich 60 % weiter ausbauen.

Gerade vor diesem Hintergrund zeichnet sich doch mehr als deutlich ab, dass wir ab sofort eine Offensive für mehr Studienplätze in NordrheinWestfalen brauchen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Um es ganz konkret zu machen: Das Land muss jetzt anfangen, um in den kommenden Jahren bis spätestens 2013/2014 mindestens 50.000 neue Studienplätze zu schaffen.

Mehr Studienplätze erfordern aber auch mehr Kapazitäten, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wenn wir die Qualität der Lehre stärken wollen – und das wollen Sie ja auch –, dann zieht das einen zusätzlichen Kapazitätsbedarf nach sich, insbesondere mit Blick auf die neuen Bachelor- und

Master-Studiengänge, die einen erhöhten Betreuungsbedarf aufweisen.

Bei der Ermittlung der zusätzlichen Kapazitäten, die der Wissenschaftsrat kürzlich in seinen Empfehlungen vorgelegt hat, ergibt sich für NordrheinWestfalen ein langfristiger Mehrbedarf von 15 bis 25 % mit einem Peak von bis zu 50 % Lehrkapazität, etwa im Jahr 2014. Gerade vor diesem kompakten Szenario ist deutlich abzusehen, dass die bislang ergriffenen Maßnahmen der Landesregierung viel zu kurz greifen.

Diese Landesregierung zeigt sich aber schon seit geraumer Zeit unfähig, das Problem des drohenden Studienplatzmangels tatkräftig anzupacken. Seit 2006 haben wir dieses Thema immer wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Obwohl die warnenden Stimmen inzwischen immer lauter werden, haben sowohl der Bund als auch die Länder bisher keine hinreichenden Antworten parat; denn statt der bis 2020 in Nordrhein-Westfalen benötigten zusätzlichen Mittel von insgesamt etwa 6 Milliarden € haben Bundes- und Landesregierung bislang nur 250 Millionen € für die Jahre bis 2010 bereitgestellt.

Deshalb erwarten wir nicht nur, dass uns die Landesregierung heute unverzüglich einen Bericht über die Ergebnisse der interministeriellen Arbeitsgruppe vorlegt, sondern auch, dass vorzeigbare Fakten geschaffen werden, Herr Minister Pinkwart. Das ist ja auch das Thema unseres Entschließungsantrages. Stellen Sie endlich die notwendigen Mittel bereit, um zu verhindern, dass im Verlauf des doppelten Abiturjahrgangs ganze Kohorten studierwilliger junger Menschen vor verschlossenen Türen stehen. Treffen Sie so schnell wie möglich konkrete Vereinbarungen mit dem Bund und den anderen Ländern über eine angemessen ausgestattete Fortführung des Hochschulpaktes auch über das Jahr 2010 hinaus.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Anteil der Hochschulabsolventen ist im internationalen Vergleich mitentscheidend dafür, wie innovationsfähig und wirtschaftlich erfolgreich eine Gesellschaft ist. Um hier wettbewerbsfähig zu sein, sind zusätzliche staatliche Mittel nötig, die sicherlich nicht alleine aus dem Landeshaushalt zu erbringen sind.

Sie haben eine gewaltige Aufgabe vor sich, Herr Minister Pinkwart, um die wir Sie in der Tat nicht beneiden. Wir werden Sie aber nicht aus Ihrer Verantwortung für diesen Ausbau und eine Reform der Hochschulen in Nordrhein-Westfalen entlassen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Dr. Seidl. – Jetzt hat für die Landesregierung Herr Minister Prof. Pinkwart das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Seidl, ich war etwas überrascht, als Sie davon sprachen, dass wir jetzt eine Offensive einleiten müssten.

(Zurufe von Dr. Ruth Seidl [GRÜNE] und Barbara Steffens [GRÜNE])

Da ich weiß, dass Sie es wissen, darf ich es so sagen. Die Offensive läuft schon längst.

(Beifall von CDU und FDP)

Sie ist vertraglich eingebunden und durch die Behandlung in den 16 Landtagen Deutschlands und im Deutschen Bundestag hinreichend öffentlich. Sie ist von den Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin im Dezember des vergangenen Jahres unterschrieben worden.

Ich bin stolz darauf, sagen zu dürfen, dass diese Offensive, genannt Hochschulpakt 2020, auf eine Initiative Nordrhein-Westfalens zurückgeht.

(Beifall von CDU und FDP)

Im Kontext der Föderalismusreform I haben wir schon – sehr vorausschauend – deutlich gemacht, dass wir in den nächsten Jahren Gott sei Dank mit steigenden Studienanfängerzahlen rechnen dürfen. Weil wir aus unserem Selbstverständnis heraus steigende Studierendenzahlen nicht als Belastung sehen, sondern als Chance für unser Land, haben wir sehr frühzeitig gesagt: Hier sind zusätzliche Anstrengungen notwendig, damit wir den jungen Leuten in der Zukunft noch qualitätvolle zusätzliche Angebote machen können.

Das Ganze ist ein großer Erfolg. Wir sind dem Bund sehr dankbar dafür, dass es gelungen ist, im ersten Teil des Hochschulpaktes 2020 Planungssicherheit zur Schaffung zusätzlicher Studienanfängerplätze bis 2010 zu geben – was sich im Übrigen nicht nur auf den für sich genommen schon gewaltigen Betrag von 250 Millionen € allein für Nordrhein-Westfalen, hälftig von Bund und Land, bezieht. Auch die Ausfinanzierung ist vom Finanzminister bereits in der mittelfristigen Finanzplanung sichergestellt und vom Bund in Aussicht gestellt, sodass wir bis 2013 für 26.000 zusätzliche Studienanfängerplätze für NordrheinWestfalen insgesamt den stolzen Betrag von 450 Millionen € zusätzlich bereitstellen können.

(Beifall von CDU und FDP)

Das belegt viel mehr als manche Sonntagsrede und wohlfeile Ankündigung, dass wir nicht nur den Mund spitzen, sondern dass hier auch kräftig gepfiffen wird, dass hier kräftige Taten folgen.

(Beifall von Ingrid Pieper-von Heiden [FDP])

Mit dem gleichen Mut und der gleichen Verantwortlichkeit arbeiten wir jetzt mit Hochdruck daran, den zweiten Teil mit dem Bund und den anderen Ländern zu verabreden und parallel hier die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass die Hochschulen darauf vorbereitet sind, diesen sicherlich großen Kraftakt im nächsten Jahrzehnt qualitätvoll gestalten zu können.

Dabei geht es nicht nur um den doppelten Abiturjahrgang, sondern auch, wenn Sie so wollen, um Demografiegewinne. Wir freuen uns ja auch, wenn die Demografie uns einmal vor wachsende Herausforderungen stellt. Wir sind froh, dass die Angehörigen der geburtenstarken Jahrgänge in den nächsten Jahren ihre Kinder an die Hochschulen schicken. Das hat zusätzlich steigende Anfängerzahlen zur Folge. Die höhere Studierneigung kommt noch hinzu.

Auf diese Veränderungen stellen wir uns ein. Wir werden mit den Hochschulen – auch mit einem Schwerpunkt im Bereich der mathematischen, ingenieurwissenschaftlichen und naturwissenschaftlichen Fächer – einen weiteren Aufwuchs von Studienanfängerplätzen organisieren.

Hierzu gehört aber auch, dass wir mittel- und langfristig die Struktur der Studienplätze verändern und den Anteil der Fachhochschulstudienplätze in Nordrhein-Westfalen erhöhen wollen. Bei uns machen sie heute nur ein Viertel aus, während Bundesländer wie Bayern und BadenWürttemberg, die bekanntermaßen besonders für Innovation in Deutschland stehen, einen Anteil von 40 % Fachhochschulstudienplätzen haben.

(Zuruf von Karl Schultheis [SPD])