Protocol of the Session on February 21, 2008

Wenn es ein Drama wäre, würde ich Ihnen sagen: Die haben Sie auf offener Bühne gemeuchelt.

(Heiterkeit von der SPD)

Ich weiß nicht, wie sich das anfühlt. Aber es tut den Menschen im Ruhrgebiet nicht gut, und es ist wirklich schade. Das muss man hier mal so sagen.

(Minister Eckhard Uhlenberg: Ich sitze ja noch hier!)

Jürgen Polzin hat das in der „WAZ“ sehr treffend formuliert. Das, worauf sich diese Landesregierung, worauf sich die CDU – ich weiß noch nicht, was die FDP will – geeinigt hat, bedeutet für das

Ruhrgebiet einen „Schilderwald mit Zonenrandgebieten“.

Stellen wir uns das einmal praktisch vor! Jemand wohnt im Bochumer Süden – das gehört nicht zur Umweltzone –, möchte in Herne arbeiten – das gehört auch nicht zur Umweltzone – und mit dem Auto dorthin fahren. Sie haben den öffentlichen Nahverkehr ja so zusammengestrichen, dass man mit dem Bus oder mit der Bahn überhaupt nicht vernünftig dorthin kommt.

(Lebhafter Beifall von der SPD)

Also nimmt man sich das alte Auto, das man sich als Auszubildender nur leisten kann, und fährt einmal durchs Ruhrgebiet: von Bochum nach Herne. Natürlich braucht man dafür eine Plakette, denn man fährt ja durch die Umweltzone.

(Zuruf von Hannelore Kraft [SPD])

Was ist also der Vorteil dieser Insellösung im Vergleich zu einer Gesamtlösung? Für die Menschen im Ruhrgebiet ändert sich überhaupt nichts. Das Einzige, was Sie schaffen, ist, dass noch nicht mal ein Navigationssystem in der Lage ist, einen vernünftig durch das Ruhrgebiet zu steuern.

(Beifall von der SPD- Zuruf von der FDP)

Was Sie machen, ist Chaos pur. Ich sage Ihnen das hier noch mal ganz deutlich. Sie verschieben die Lösung des Problems.

Sie wissen ganz genau, dass uns die EU bis 2010 Zeit gegeben hat, den Zielwert für die sogenannten Feinstäube PM10 zu erreichen. Das sind relativ große Feinstäube. Wir müssen dann aber relativ schnell die kleineren Feinstäube aussortieren. Dafür gibt es auch Vorgaben.

Ich kann verstehen, dass Sie davon ausgehen, im Jahr 2010 nicht mehr lange zu regieren. Ich weiß, das wird Mitte 2010 vorbei sein.

(Beifall von der SPD)

Aber dass Sie so dreist sind, die Probleme dann auf die SPD abschieben zu wollen! Das können Sie mit uns wirklich nicht machen.

An dieser Stelle ist meine erste klare Aufforderung an Sie: Handeln Sie verantwortungsvoll, kümmern Sie sich um die Gesundheit der Menschen im Ruhrgebiet, und sorgen Sie dafür, dass die Feinstaubkonzentrationen wirklich reduziert werden!

Meine zweite Aufforderung: Schaffen Sie endlich Klarheit statt Chaos! Wir brauchen keinen Schilderwald, wir brauchen klare Lösungen.

Und meine dritte Aufforderung an Sie: Hören Sie endlich auf mit diesen internen Streits! Es ist schwer mit der FDP. Fangen Sie die ein. So kann man hier nämlich nicht regieren. – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Frau Schulze. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Herr Remmel.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Regierung hat endgültig einen neuen Markentitel verdient: Das ist die „Koalition der Chaoszonen und Flickschusterei“.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Zurufe von der CDU: Ah!)

Und der Ritter von der traurigen Gestalt ist in diesem Fall Umwelt- und Verbraucherminister Uhlenberg. Ihre Antwort auf die Gesundheitsgefährdung von Millionen von Menschen heißt Chaos und Flickschusterei.

Feinstaub verursacht Gesundheitsschäden und ein Ansteigen der Sterblichkeitsrate infolge von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Lungenkrebs.

Es geht um saubere Luft. Es geht um Luft zum Atmen. Das ist der eigentliche Kern der Debatte um das Instrument Umweltzone. Es geht um Gesundheitsschutz. Es geht um den Schutz der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land vor Luftschadstoffen. Das scheint bei den Bedenkenträgern von ADAC und Teilen der IHK Arm in Arm mit der FDP ein Fremdwort zu sein und in keiner Weise zu interessieren.

Aber wofür, meine Damen und Herren, sind wir gewählt worden? Wofür haben die Bürgerinnen und Bürger uns Verantwortung übertragen?

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Ihnen nicht! – Gegenruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Auch die Opposition wurde gewählt, Herr Kollege!)

Doch wohl zuallererst zum Schutz ihrer Gesundheit, zum Schutz von Leib und Leben! Meine Damen und Herren, nicht umsonst hat dies Verfassungsrang; und wir haben in dieser Frage einen Verfassungsauftrag.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Es gibt gute Gründe – sie alle sind schon Legende und aufgezählt –, warum wir für eine einheitliche große Umweltzone im Ruhrgebiet sein soll

ten: um eben einheitlich vorzugehen, um keine Flickenteppiche und keinen Schilderwald zu schaffen und um in großem Maßstab für den Schutz der Gesundheit der Menschen zu sorgen.

Es gibt viele gute Gründe von vielen konstruktiven Akteuren. Es gibt viel Fachwissen, das produziert worden ist. Aber bei der Landesregierung finden wir nur Ignoranz, Chaos und Flickschusterei vor. Leider – das muss ich sagen – ist das eine Dauerübung bei dieser Regierung.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Herr Umweltminister, können Sie sich eigentlich noch daran erinnern, mit welchem Anspruch Sie in dieser Frage gestartet sind? Mit Entsetzen müssen wir jetzt sehen, muss die Öffentlichkeit seit Monaten und Wochen zusehen, wie Sie nahezu hilflos von Ihren eigenen Ministerkollegen, von der FDP und von einem Arnsberger Regierungspräsidenten in Sachen Umweltzone Stück für Stück inhaltlich und politisch abgesägt werden.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Im Stich gelas- sen!)

Es ist für die Sache Gesundheitsschutz im Ruhrgebiet ein beschämender Vorgang, dass sich ein Umweltminister in diesem Land so demontieren lässt –

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

und alles zum Schaden der Menschen an der Ruhr.

Glauben Sie denn nicht auch, dass die FDP – jedenfalls so, wie sie auftritt – gemeinsam mit den Gegnern von Umweltzonen diese schlecht flickgeschusterten Lösungen gerade deshalb anstrebt, um sie letztlich ganz plattzumachen? Diese Strategie muss man doch enttarnen, und man muss ihr entgegentreten. Kein Mensch hat Lust auf einen unüberschaubaren Schilderwald oder Bürokratiewahn, die absehbare Folgen dieses Flickenteppichs wären. Und kein Mensch hat Lust darauf, vom Ausweichverkehr belästigt und auch noch belastet zu werden.

Deshalb steht im Raum, dass diese Regierung beim Gesundheitsschutz nicht handlungsfähig ist. Sie sind handlungsunfähig.

(Beifall von den GRÜNEN)

Von elf Messstationen, an denen im Jahr 2007 mehr als 35 Überschreitungstage erfasst wurden, liegen acht im Ruhrgebiet. Trauriger Spitzenreiter ist Dortmund, gefolgt von Bottrop, Gelsenkirchen und Essen. Eine gemeinsame große Zone wäre also ein wichtiger zentraler Beitrag, um diese Zah

len deutlich zu senken. Flickschusterei allerdings macht die Luft nicht sauberer und entfernt keinen einzigen Feinstaubpartikel. Zur nachhaltigen Entlastung der Gesundheit brauchen wir deshalb eine große Umweltzone, und zwar so schnell wie möglich. Und wir brauchen einen massiven Ausbau im Bereich von Bus und Bahn, damit deren der Anteil am Verkehr insgesamt verdoppelt wird.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie wissen, Herr Minister, bei allem Streit, den wir auf sonstigen Feldern im Umweltschutz teilweise auch sehr heftig führen: Wenn Sie in dieser Frage den Rücken durchdrücken, dann haben Sie die Unterstützung meiner Fraktion. Sie haben die Unterstützung der SPD-Fraktion, und ich bin mir sicher, dass Sie die Mehrheit des Hauses in Ihrem Rücken haben.

(Beifall von den GRÜNEN – Sylvia Löhr- mann [GRÜNE]: Eine Riesenmehrheit!)

Warum also auf offener Bühne die Kapitulation vor der FDP?

Es gibt parteiübergreifend einen eindringlichen Appell der Umweltdezernenten aus dem Ruhrgebiet. Es gibt viele kommunale Beschlüsse im Ruhrgebiet. Es gibt die klare Haltung des Regionalverbandes.

Und eines ist auch klar: In dieser Frage sind Sie inhaltlich, politisch, administrativ alleine zuständig. Sie brauchten die Abstimmung in diesem Landeskabinett überhaupt nicht. Sie brauchten die Abstimmung in dieser Koalition überhaupt nicht. Warum also setzen Sie den Gesundheitsschutz, bei dem die Menschen einen starken Partner brauchen, an dieser Stelle so herab?