Die Fehlbeträge pro Einwohner in NordrheinWestfalen sind von 1990, wo sie bei nahezu 0 € lagen, bis 1997 auf 100 €, bis 2002 auf 200 € und bis 2005 auf fast 400 € angestiegen. In Ihrer Regierungszeit hat sich das alles „prächtig“ – in Häkchen – entwickelt. Die ganzen Anlagen zur Finanzproblematik in den Städten haben sich also in diesen Jahren aufgebaut.
Das Gleiche gilt bei den Kassenkrediten: 1990 nahezu 0 € pro Einwohner, 1996 100 € pro Einwohner, 2001 200 € pro Einwohner, 2003 400 € pro Einwohner und 2005 600 € pro Einwohner. Dass so etwas auf Dauer natürlich Belastungen schafft, ist doch klar.
Jetzt stellen Sie sich zwei Jahre später hierhin und beklagen die Not in den Kommunen. Meine Damen und Herren, Sie sind doch letztendlich die Brandstifter gewesen – und jetzt rufen Sie andere nach der Feuerwehr.
Es ist doch völlig klar, dass in den damaligen Zeiten auch verpasst worden ist, eine Anpassung an die entsprechenden Einnahmen/Ausgaben-Scheren zu betreiben. Sie wissen ganz genau, welche externen Ursachen da waren, dass sich – das ist ja wichtig – die Kommunen im Land aber auch unterschiedlich entwickelt haben und dass es natürlich auch – da will ich gar nicht auf Einzelvergleiche ein gehen, Herr Hovenjürgen – Unterschiede gibt, wie man mit Defiziten im Haushalt umgeht.
Noch heute ist es so, dass eine kreisfreie Stadt in Nordrhein-Westfalen doppelt so hohe Ausgaben für die Verwaltung hat wie eine vergleichbare Nachbarkommune. Allein die Personal- und Verwaltungsausgaben sind doppelt so hoch wie in einer vergleichbaren anderen Stadt. Daran sieht man, dass das Ganze natürlich auch nicht monokausal ist.
Wir wissen um die Schwierigkeiten. Wir wissen, dass an dieser Stelle in der Tat Konsolidierungsnotwendigkeiten bestehen. Sie liegen aber eben nicht nur im Ruhrgebiet. Von den insgesamt 105 Nothaushaltskommunen befinden sich 22 im Ruhrgebiet. Daraus lässt sich unschwer errechnen, dass 83 nicht im Ruhrgebiet liegen. Das macht deutlich, dass es in der Tat an verschiedenen Stellen des Landes Probleme gibt. Diese Probleme sind natürlich ernst zu nehmen. Sie sind im Städtedreieck des Bergischen Landes, in kreisfreien Städten, im Oberbergischen zu finden. Aber auch meine Kreisstadt Euskirchen ist im Nothaushaltsrecht. Ich könnte Ihnen einige Gründe nennen, woran das liegt.
Es ist in einigen Fällen also recht schwierig. Wir müssen versuchen, mit dieser Sache besser umzugehen als in der Vergangenheit. Deswegen hat die Kommunalaufsicht auch versucht, die entsprechenden Konsolidierungsnotwendigkeiten gemeinsam mit den Kommunen anzugehen. Wir werden das auch in der Zukunft tun.
Meine Damen und Herren, wichtig ist – das ist eben auch in zwei Beiträgen gesagt worden –, dass die Einnahmeentwicklung deutlich günstiger ist, natürlich immer bezogen auf die Finanzlage
der Kommunen im Verhältnis zum Land, so wie es die Verfassung gebietet. Wir werden uns natürlich nicht damit begnügen, sondern die Frage der Gerechtigkeit auf den Prüfstand stellen. Mithilfe des Ifo-Gutachtens, das wir zeitnah erwarten, wollen wir genau das klären, was Sie angesprochen haben, Herr Hovenjürgen: Ist die fiktive Bedarfsermittlung richtig? Sind die Gestaltung und die Gewichtung des Soziallastenansatzes richtig?
Bei alledem bitte ich aber nicht zu vergessen, dass wir schon jetzt einen bundesweit einmaligen Ausgleichssatz von 90 % haben. In unserem GFG ist also eine sehr starke Verteilungswirkung angelegt. Interessanterweise hat Rot-Grün bis 2005 niemals Anlass gesehen, an der Richtigkeit dieses Ausgleichssatzes zu zweifeln. Das ist schon erstaunlich.
Also: Es gibt naturgemäß keine systematische Benachteiligung einzelner Räume und Kommunen vonseiten der Landesregierung. Es gibt Probleme, die in dem ein oder anderen Fall stärker zu Buche schlagen. Wir wollen gemeinsam mit den Kommunen versuchen, Konsolidierung zu erreichen. Wir werden in einem neuen Gemeindefinanzierungsgesetz, das mit den kommunalen Spitzenverbänden und dem Parlament diskutiert werden wird, die Maßstäbe diskutieren, die es anzulegen gilt, um eine möglichst große Verteilungsgerechtigkeit zu schaffen. Der Kuchen wird dadurch nicht größer, aber die Frage der Gerechtigkeit der Verteilung muss in der Tat immer wieder neu diskutiert werden, und zwar mit Hilfe externen Sachverstands, damit klar ist, das es objektiv angegangen wird. – Vielen Dank.
(Horst Becker [GRÜNE]: Wir wollen eine namentliche Abstimmung, ob der Abgeord- nete Witzel geklatscht hat oder nicht!)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Minister hat gerade von kundigen Thebanern gesprochen. Bei dem Innenminister und beim Staatssekretär Palmen bekommt man eher das Gefühl, das ist eine Selbsthilfegruppe für Ikebana und nicht für Thebaner.
Ich will Ihnen, Herr Minister, etwas sagen. Der Arbeitskreis der Nothaushaltsgemeinden, die den kommunalpolitischen Ausschuss besucht und ihre Problematik an diesem Tag sehr deutlich gemacht haben … Im Übrigen waren Sie gar nicht da. Der Staatssekretär hat sich gleich ganz zurückgehalten. Wahrscheinlich weiß er dazu auch nicht allzu viel zu sagen.
Ansonsten sind Sie ja immer sehr laut, aber an der Stelle sind Sie sehr still. – Der Minister war also nicht da, als diese Gemeinden ganz deutlich gesagt haben: Die Landesregierung hat einer verfassungsrechtlichen Verpflichtung nachzukommen, die Kommunen mit einer auskömmlichen Finanzausstattung zu versehen.
Das tut diese Landesregierung nicht, Herr Hovenjürgen. Wenn Sie, Herr Hovenjürgen, sich hier hinstellen und sagen: „Das ist alles besser geworden – Mehreinnahmen – das sieht alles besser aus!“, dann muss ich sagen, Sie leben in einem Paralleluniversum. Das haben Sie, glaube ich, noch nicht begriffen. Da hat ein Raubzug durch die Kassen der Gemeinden stattgefunden.
Herr Töns, haben Sie zur Kenntnis genommen, dass ich eingangs meiner Rede gesagt habe, dass die Nothaushaltssituation der Kommunen aufgrund der Steuerreform von Rot-Grün entstanden ist, die es ermöglicht hat, definitiv Verluste der Töchter im Ausland im Inland abzuschreiben, dass somit die Gewerbesteuereinnahmen eingebrochen sind? Damals hatte Ihre Regierung die Verantwortung. Insofern machen Sie es sich bitte nicht so leicht, wie Sie es hier gerade darstellen. Ich bitte Sie, das in die Beantwortung dieses Sachverhalts, den ich Ihnen gerade dargestellt habe, einfließen zu lassen.
Herr Hovenjürgen, wie Sie an dieser Stelle vielleicht feststellen werden, greift auch Ihre Analyse zu kurz. Sicherlich ist es richtig,
dass die Einnahmen der Kommunen auch in diesem Zeitraum gesunken sind, auch aufgrund wegbrechender Gewerbesteuereinnahmen. Das ist alles richtig. Ich glaube aber auch, dass wir hier mal sagen müssen, was diese Landesregierung in etwas mehr als zweieinhalb Jahren eigentlich getan hat.
Statt sich um die Kommunen und um die Finanzsituation der Kommunen zu kümmern, gab es den dreisten Griff in die Kassen der Kommunen.
Es gab erstens den Wegfall des Elternbeitragsdefizitausgleichs. Ganz einfach weg! In dem neuen Gesetz ist davon schon gar nichts mehr. Dann behauptet man auch noch, den Kommunen geht es besser. Dann setzt man den Innenminister oder – besser gesagt – die Bezirksregierung an, die Kommunen den Elternbeitrag festlegen zu lassen. Ohne Sinn und Verstand, ohne Sachkompetenz!
Zweitens. Die Herausnahme der Grunderwerbsteuer aus dem Steuerverbund macht allein im Jahr 2008 188 Millionen € aus.
Drittens. Auch die Verdopplung der kommunalen Anteile bei den Krankenhausinvestitionen von 20 auf 40 % ist ein dreister Griff in die Kassen der Kommunen.
Dass die Haushaltskonsolidierung des Finanzministers – da gebe ich Ihnen recht, Herr Becker, denn so richtig ist der Haushalt ja nicht konsolidiert worden – aber auf dem Rücken der Kommunen oder – anders gesagt – mit den Kassenkrediten der Städte und Gemeinden stattgefunden hat, das ist der Skandal.
Dann werden den besonders armen Kommunen Berater an die Hand gegeben, die teuer bezahlt werden. Was stellen die fest? Das Ergebnis ist: Die Defizite sind struktureller Art. Der Berater kann da gar nicht helfen. – Das Innenministerium leugnet das. Der Minister hat eben noch geleugnet, dass es diese Probleme gibt und dass sie struktureller Art sind. Das Innenministerium erklärt in der Ausschusssitzung mit dem Arbeitskreis der Nothaushaltsgemeinden, dass die Kommunen mit Defizit mit den Kommunen ohne Defizit zu vergleichen sind. Es stellt eine Reihe von Verglei
chen von Kommunen mit gleichen Steuereinnahmen und gleicher Einwohnerzahl an. Es ist schon ziemlich dreist, das zu tun, aber nicht den Mut zu haben, Herr Minister, dann auch anwesend zu sein und dies zu vertreten.
Darüber hinaus ist das Innenministerium nicht in der Lage, die überzahlten Beträge aus dem Solidarbeitragsgesetz zeitnah zurückzuzahlen. Im Übrigen, Herr Minister, müssen diese auch auflagenfrei erstattet werden. Das ist eine der wichtigsten Forderungen, die wir hier stellen müssen.
Aber auch da ignorieren Sie die Kassenlagen der Kommunen. Stattdessen gibt es eine kleinkarierte Diskussion im Kommunalpolitischen Ausschuss und im Haushalts- und Finanzausschuss.
Es geht jetzt um die Frage, wie wir die Kommunen finanziell ordentlich ausstatten und wie wir diese Situation retten können. Dazu kann ich nur sagen: Herr Hovenjürgen, ich teile Ihre Analyse – ich kann Sie dafür nur loben –, aber ich muss Ihnen einige Fragen dazu stellen.
Die erste Frage ist: Haben Sie eigentlich mit Ihrem Koalitionspartner gesprochen? Herr Witzel hatte ja nur wieder seine Ideologie von Privatisierung und Vertikalisierung der Sparkassen im Gepäck.
Etwas anderes war nicht zu hören als: Wir verkaufen halt das Tafelsilber; dann geht es den Kommunen besser. – Das ist die Unkenntnis einer Partei, die kommunalpolitisch überhaupt keine Verantwortung trägt, Herr Witzel.
Es hat den Raubzug des Finanzministers gegeben, der 2 Milliarden € gekostet hat. Hätte es den nicht gegeben, ginge es den Kommunen heute besser.