Protocol of the Session on January 24, 2008

Vielen Dank, Frau Dr. Seidl. – Damit sind wir am Ende der Beratungen zu diesem Punkt.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/6001 an den Ausschuss für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie – federführend –, den Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie, den Ausschuss für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sowie den Ausschuss für Bauen und Verkehr. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer ist für diese Überweisungsempfehlung? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Wir kommen zum letzten Punkt für heute, nämlich Tagesordnungspunkt

11 Treibhausgasemissionen bei Dienstreisen ausgleichen – Vorbildfunktion der öffentlichen Hand erfüllen

Antrag

der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 14/6000

Für die antragstellende Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Becker das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer wirksam Klimaschutz betreiben möchte, kommt nach unserer Auffassung – und ich denke, so weit müsste der Konsens hier noch gehen – am Thema Verkehr nicht vorbei. Die CO2-Emissionen aus dem Luftverkehr und auch aus dem Straßenverkehr sind zu rund einem Viertel für den in NRW verursachten Treibhauseffekt verantwortlich.

Vor allen Dingen ist der Verkehrssektor eine der Quellen, die am schnellsten wachsen. Im Gegensatz zu anderen Quellen sind bis jetzt auch keine wirklichen Planungen da, um den Verkehr in der nächsten Zeit drastisch zu reduzieren. Deswegen haben wir ja auch im letzten Jahr allein mit zwei Anträgen speziell in Bezug auf den Verkehr Initiativen ergriffen, mit denen in diesem Prozess umgesteuert werden sollte.

Heute nun geht es um den Ausgleich von Dienstreisen mit PKW und Flugzeug. Zum einen sind wir sehr froh, dass Ministerpräsident Rüttgers eine unserer Forderungen aufgegriffen hat und in der Zukunft einen Ausgleich vornehmen will. Zum an

deren muss man aber ganz deutlich sagen: Nach all dem, was wir bis jetzt wissen, geht das nicht besonders weit und ist so, wie es konzipiert ist, auch nicht unbedingt optimal und zielführend.

(Beifall von den GRÜNEN)

Im Namen unserer Fraktion möchte ich den Ministerpräsidenten, die Regierung und die Landtagsfraktionen, die die Regierung tragen, darum bitten und bei ihnen dafür werben, dass wir hier bestimmte Mindestanforderungen bei der Umsetzung eines derartigen CO2-Kompensationsmodells vereinbaren. Dazu würde aus unserer Sicht insbesondere auch gehören, die besondere Klimaschädlichkeit des Flugverkehrs durch einen Multiplikator bei den CO2-Emissionen zu berücksichtigen; denn die Flugzeugemissionen haben in höheren Lagen der Atmosphäre eben einen zwei- bis vierfachen Effekt auf das Klima wie die Emissionen in Bodennähe.

Die gemeinnützige Gesellschaft Atmosfair, die im Jahr 2004 übrigens unter der Schirmherrschaft nicht nur des damaligen Bundesumweltministers Jürgen Trittin, sondern auch des ehemaligen Bundesumweltministers Klaus Töpfer gegründet worden ist, berücksichtigt das bei ihren Berechnungen mit dem Faktor 3 für die Klimaschädlichkeit des Luftverkehrs.

Meine Damen und Herren, laut Presseberichten wollen Sie also eine Klimaabgabe einführen und diese allein auf Umweltschutzprojekte in Nordrhein-Westfalen beziehen. Das hört sich zunächst einmal gut an, geht aber in der Sache aus unserer Sicht fehl. Sie müssen nämlich wissen, dass Sie mit jedem Euro und jedem Cent, den Sie einsetzen können, insbesondere in Dritte-Welt-Ländern einen ganz anderen Multiplikatoreneffekt erreichen. Damit schaffen Sie auch einen Ausgleich in wirtschaftlicher Hinsicht, weil dort investiertes Geld wieder der Bevölkerung zugute kommt.

Wir gehen in unserem Antrag deutlich weiter als die Landesregierung. Meine Damen und Herren, wir möchten, dass Sie sich in unsere Richtung bewegen. Deswegen appellieren wir heute an Sie, dass Sie eine CO2-Kompensation in der Art und Weise durchführen, wie das anerkannte Institute machen, anstatt das Ganze ein Stück weit lässig und als Ablasshandel zu behandeln. Wir sind ganz deutlich dafür, dass Nordrhein-Westfalen an dieser Stelle das macht, was andere Institutionen tun.

Lassen Sie mich noch einen abschließenden Satz zu denen sagen, die diese Dinge für Ablasshandel halten. Sicherlich sind wir der Auffassung – das haben wir hier im Hause auch mehrfach vertreten –,

dass insbesondere der Luftverkehr steuerlich endlich so belastet werden muss wie andere Bewegungsformen, zum Beispiel der Bahn- und der Straßenverkehr, der ja in ganz besonderem Ausmaß belastend ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Aber solange das nicht geschieht und solange Fliegen derartig vom Staat begünstigt wird, wie das immer noch erfolgt, muss man wenigstens ein Stück weit das tun, was andere uns vormachen, nämlich einen Ausgleich über diesen Handel und diese Abgaben schaffen.

Die Grünen-Fraktion hat das bereits beschlossen und handelt entsprechend seit Anfang des Jahres, wenn sich die Fraktionsmitglieder entsprechend fortbewegen und es nicht zu vermeiden ist. Wir bitten Sie, das nicht nur für die Ministerien ebenso zu regeln, sondern für alle Landesbehörden und auch für den Landtag. Deswegen: Stimmen Sie bitte unserem Antrag zu.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Für die CDU spricht Frau Kollegin Brüning.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Becker, Sie kennen sicherlich das alte Sprichwort: Ein bisschen zu spät ist viel zu spät. – Ganz ehrlich: Mir fällt in letzter Zeit immer mehr auf, dass Sie bei all Ihren Anträgen als Trittbrettfahrer auf schon längst in Fahrt gesetzte Züge aufspringen.

(Horst Becker [GRÜNE]: Schauen Sie einmal auf das Datum!)

Wenn es dafür heute Abend noch eines Beweises bedurft hätte: Ihr Antrag, den wir heute auch an den Ausschuss für Bauen und Verkehr überweisen, liefert uns diesen.

In der Ankündigung der Einführung einer freiwilligen Klimaschutzabgabe auf Dienstreisen der Landesregierung durch den Ministerpräsidenten am 8. Januar sahen Sie natürlich eine Steilvorlage, die Sie nicht ungenutzt verstreichen lassen wollten und wohl auch nicht konnten. So entstand Ihr Antrag von drei Seiten Länge, um nach draußen hin das Signal zu geben: Hallo, wir sind auch noch da bei dem Thema!

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich möchte diese fünf Minuten nutzen.

Gut. Bitte schön.

Schauen wir uns einmal Ihren Antrag an, Herr Becker! Da rechnen Sie erst einmal – natürlich sehr aufwendig – vor, wie viel Kohlendioxidausstoß dem einzelnen Menschen pro Jahr auf dieser Erde zusteht und wie viel CO2 ein Flug von Düsseldorf nach Washington pro Passagier freisetzt. Dann erklären Sie, dass bis zu einer einheitlichen EU-weiten Regelung der freiwillige Emissionsausgleich einen wirksamen Klimaschutzbeitrag liefern kann.

Herr Becker, das stimmt sogar, und gerade deswegen hat der Ministerpräsident dieses Projekt auch angestoßen. Nur: Er hat es getan, bevor Sie ihn dazu überhaupt aufgefordert haben.

(Horst Becker [GRÜNE]: Das stimmt doch nicht!)

Übrigens hat er die freiwillige Klimaschutzabgabe nicht nur für die Flugreisen der Landesregierung ins Spiel gebracht, sondern ab 2009 auch für Dienstreisen mit dem Pkw – gerade so, wie Sie es in Ihrem Antrag einfordern.

Sie sprechen davon, dass effiziente Kommunikation auch ohne Reisen möglich ist. Zweifellos ist dieses vielfach der Fall, aber eben nicht immer; denn politische Kommunikation lebt stets auch vom persönlichen Gespräch und von persönlichen Begegnungen und vom offen ausgetragenen Diskurs in hierzu vorgesehenen Foren, die wir alle kennen und schätzen. Dass wir heute leider nicht mehr unter den Augen der großen Öffentlichkeit, aber einer breiten Öffentlichkeit Ihren Antrag und anderes mehr hier im Landtag diskutieren, beweist auch dieses.

Nichtsdestotrotz wird jede Dienstreise, ob mit dem Flugzeug, mit der Bahn oder mit dem Auto, geprüft, bevor sie bewilligt wird. Ihre diesbezügliche Forderung wirkt vor dem Hintergrund der gängigen Praxis geradezu weltfremd. Und schon im Nachsatz geben Sie dieses auch selber zu, dass nämlich nach der geltenden Rechtslage in Nordrhein-Westfalen nur Reisekosten beglichen werden, die auch unbedingt notwendig sind.

Sie fordern die Landesregierung dazu auf sicherzustellen, dass die Erlöse der freiwilligen Klimaschutzabgabe sozialen Projekten in der Dritten Welt zugute kommen. – Die Landesregierung unterstützt bereits in den Entwicklungsländern eine ganze Reihe von Maßnahmen zum Schutz der

Natur und der Umwelt und zur Förderung umweltverträglicher Lebens- und Verhaltensweisen. Darunter fallen in besonderer Weise auch Projekte des Energiesektors. Daher ist der Vorschlag des Ministerpräsidenten, heimische Energieeffizienzprojekte zu unterstützen, genau der richtige.

Die Federführung zur Umsetzung der Initiative zur Klimaschutzabgabe liegt beim Wirtschaftsministerium. Ich bin davon überzeugt, dass die Fachleute dort einen praktikablen Weg erarbeiten und unnötige Bürokratie vermeiden werden. Die Ausführungen in Ihrem Antrag zu diesem Punkt wirken da nicht sehr kreativ. Außer der Beschreibung notwendiger Änderungen im Haushalt und beim Landesreisekostengesetz fällt Ihnen dazu weiter eigentlich gar nichts ein. Mit Ihrer Forderung, unnötige Bürokratie zu vermeiden, deckt sich das natürlich nicht.

Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren, sehe ich unseren weiteren Diskussionen im Ausschuss entspannt entgegen, weil ich weiß, dass die Landesregierung den Zug steuert, dem Sie heute – das muss ich Ihnen sagen, Herr Becker – eigentlich ein bisschen vergebens hinterherrennen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Frau Brüning. – Für die SPD-Fraktion spricht der Kollege Wißen.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir erinnern uns an den 8. Januar 2008. Da hat Ankündigungs-Ministerpräsident Rüttgers das Imagepotenzial des Klimaschutzes entdeckt. Und da ein Eisbärenbaby gerade nicht zur Hand war, hat Ministerpräsident Rüttgers die freiwillige Klimaschutzabgabe auf dienstliche Flugreisen ins Gespräch gebracht; ab 2009 soll die ja auf Pkw ausgeweitet werden.

Nur das Imageproblem durch eine verfehlte Verkehrs- und Klimapolitik und möglicherweise das zeitgleiche Desaster um Herrn Laschet kann diesen Sinneswandel erklären; denn kurz vorher meldete der Fernsehsender n-tv: Die CDU/FDPRegierung verfolgt ehrgeizige, aber realistische Klimaschutzziele. Aktuelle Pläne für eine Klimaschutzabgabe gebe es aber nicht. – Das ist ein deutlicher Sinneswandel, der sicherlich bei dem Stress, den der Ministerpräsident hatte, zu erklären ist.

Was heißt aber „ehrgeizige, aber realistische Klimaschutzziele“? Worauf bezieht sich die Freiwilligkeit bei der Abgabe? – Auf den Steuerzahler, der die klimapolitische Imagekampagne des Ministerpräsidenten zahlen muss, auf die Beschäftigten und die Mitglieder der Landesregierung oder auf den Fonds, in den man einzahlt?

Rüttgers befindet sich mal wieder im klimapolitischen Ungefähr. Aufwachen, Herr Rüttgers! Konkrete Programme zur Klimaschutzabgabe gibt es nämlich schon lange, zum Beispiel: Anfang 2007 hat die norwegische Regierung erlassen, dass die Belastungen durch dienstliche Flugreisen durch den Kauf von CO2-Emissionszertifikaten abgegolten werden müssen. Auch die Bundesregierung in Berlin hat am 8. Februar 2007 entschieden, dass sie die Klimaneutralität von Beschäftigten und von Regierungsmitgliedern vorantreiben will und dazu Investitionen in Klimaschutzprojekte voranbringt.

Zur Ehrlichkeit gehört allerdings auch, dass das ganze Geld kostet. Nach den Berechnungen der Bundesregierung werden es drei bis 4 Millionen € sein. Aber wenn der heute schon mehrfach zitierte Nicholas Stern recht hat, ist das sicherlich gut angelegtes Geld.

Auch bei den sonstigen Klimaschutzzielen der Bundesregierung – immerhin einer Koalition aus CDU und SPD – gibt es Lichtblicke: die Kerosinsteuer für Flugzeuge oder die Einbeziehung des Luftverkehrs in die Klimaabgabe, an der sich die Amerikaner zumindest momentan leider nicht beteiligen. Auch die Ablehnung der Gigaliner, die wir hier diskutiert haben, gehört sicherlich zu einer dieser klaren Aussagen aus Berlin.

Die Landesregierung redet von einer Klimaabgabe, die Bundesregierung von Klimaneutralität. Das ist natürlich viel weitergehender und sicherlich eher im Sinne der Grünen als eine Klimaabgabe. Ich fordere die Landesregierung auf: Übernehmen Sie einfach das Modell aus Berlin, übernehmen Sie das Modell der Bundesregierung, an der die CDU ja immerhin beteiligt ist. Man muss auch im Klimaschutz das Rad nicht immer neu erfinden.

Wittke ist der personifizierte Klimakiller Nummer eins.