Protocol of the Session on January 24, 2008

in Nordrhein-Westfalen im Fünfjahresrhythmus – 1990, 1995 und 2000 – erhoben. Die schwarzgelbe Landesregierung hat diese wichtige Datenerfassung seit 2005 nicht fortgesetzt. Auch 2008 liegen zur Entwicklung aller Treibhausgasemissionen die letzten Daten aus dem Jahre 2000 vor. Die schwarz-gelbe Landesregierung kennt die CO2-Emissionen Nordrhein-Westfalens nicht. Die Landesregierung befindet sich damit im klimapolitischen Blindflug.

Zweitens. Die Antwort belegt auch die Orientierungslosigkeit der schwarz-gelben Landesregierung. Die Antwort auf die Anfrage nennt keine Ziele: keine Ziele für CO2-Minderung, keine Ziele für die Kraft-Wärme-Kopplung und keine Ziele für die Biomassenutzung. Damit bleibt die schwarz-gelbe Landesregierung weit hinter den engagierten Zielen des Bundesumweltministers zurück. Und damit fällt die Regierung Rüttgers auch der Bundeskanzlerin in den Rücken.

Ergebnis: Die Landesregierung wird der klimapolitischen Verantwortung – der Kollege Priggen hat völlig recht – für das Energieland NordrheinWestfalen nicht gerecht. Das kann zwei Gründe haben: Die Differenzen zwischen Herrn Pinkwart, Frau Thoben und Herr Uhlenberg sind offensichtlich so unüberbrückbar, dass der Ministerpräsident die Landesregierung nicht auf einen gemeinsamen klimapolitischen Kurs bringen kann. Oder: Für die Landesregierung des Energielandes Nummer eins sind der Klimaschutz und die damit verbundenen Chancen für Nordrhein-Westfalen einfach kein Thema.

Die typische Rüttgers-Vorgehensweise konnten wir ja nach der Neujahrspressekonferenz sehen. Versäumnisse bei der Lösung der Zukunftsaufgaben sollen durch Symbolpolitik kaschiert werden. Mit der Einführung einer Ökoabgabe auf Dienstfahrten soll von der destruktiven Politik beim öffentlichen Personennahverkehr, bei den erneuerbaren Energien, bei der Kraftwerkserneuerung und im gesamten Klimaschutz abgelenkt werden. Das werden die Menschen Ihnen nicht durchgehen lassen, Frau Thoben, das lassen wir Ihnen nicht durchgehen. Die Regierung ist in der Verantwortung, auf die Frage des Klimaschutzes konkrete Antworten zu liefern. Die Landesregierung muss sagen, wohin sie will.

(Beifall von Svenja Schulze [SPD])

Will sie die Menschen in die Zukunft mitnehmen, oder will sie den Menschen die Konzepte der Vergangenheit verkaufen, wie das gerade bei dem Kollegen Weisbrich durchgeklungen ist?

Der anstehende Regierungswechsel, Frau Thoben, meine Damen und Herren, in Hessen ist auch eine energiepolitische Richtungsentscheidung. Diese Richtungsentscheidung macht offensichtlich auch einige außerhalb Hessens nervös. Sie scheinen zu fürchten, dass sich die Menschen für die energiepolitische Zukunft und gegen die energiepolitische Vergangenheit entscheiden. Dabei – das will ich ausdrücklich herausstellen – hat sich die Position der sozialdemokratischen Partei überhaupt nicht verändert. Diese Position haben alle SPD-Ministerpräsidenten seit Johannes Rau aus guten Gründen vertreten. Sie baut auf zwei Pfeilern auf: Erstens. Wir sind aus guten Gründen aus der Atomenergie ausgestiegen. Und das gilt.

(Holger Ellerbrock [FDP]: Fehler!)

Zweitens. Wir wollen unsere heimischen Energien stärken und so effizient wie möglich nutzen. Deshalb setzen wir uns ehrgeizige Ziele bei den erneuerbaren Energien. Deshalb setzen wir weiter auf unsere Braunkohle und, Frau Thoben, auch auf unsere Steinkohle. Deshalb sind wir für neue Kraftwerke im Bereich Kraft-Wärme-Kopplung und gegen den Betrieb alter Kraftwerke, die nur den Profit auf Kosten des Klimaschutzes maximieren. Deshalb haben wir das Kraftwerkserneuerungsprogramm als Bedingung für die Ausbeutung des Tagebaus Garzweiler II fixiert. Und deshalb – ich wiederhole das auch hier – müssen die alten Blöcke in Frimmersdorf jetzt endgültig abgeschaltet werden. Sie sollten sich dafür einsetzen!

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, an einer zentralen Stelle unterscheiden wir uns von der neoliberalen Koalition: Die SPD hat früh verstanden, dass es falsch und sinnlos ist, Umwelt und Arbeit gegeneinander ausspielen zu wollen. Umwelt und Arbeit gehören zusammen. Und: Wir schaffen unsere Klimaschutzziele – auch die ehrgeizigen – ohne Deindustrialisierung. Das ist im integrierten Klima- und Energieprogramm der Bundesregierung für Deutschland vorgerechnet. Das gilt für Hessen und für NordrheinWestfalen gleichermaßen. Wir schaffen den Atomausstieg, wir schaffen einen kontinuierlichen Ausbau der erneuerbaren Energien, wir schaffen unsere ehrgeizigen Klimaschutzziele auch mit einer effizienteren Kohleverstromung. Wir müssen allerdings weiter daran arbeiten, meine Damen und Herren, die richtigen Konzepte zu wählen. Das gilt übrigens auch für den Emissionshandel. Hierzu hat die EU-Kommission jetzt ihren Entwurf für die dritte Handelsperiode vorgelegt.

Es ist und bleibt richtig, dass unsere Industrie im internationalen Wettbewerb keine Sonderlasten tragen kann. Das muss auch langfristig so bleiben. Hier braucht die energieintensive Industrie heute Planungssicherheit und nicht erst im Jahre 2010.

Es ist richtig, dass in der Energiewirtschaft voll versteigert werden soll. Dabei kommt es allerdings auf die konkrete Ausgestaltung an. Ich will nur zwei Punkte nennen, um die sich die Landesregierung kümmern muss:

Erstens. Wir müssen beachten, dass die Preise für neue Kraftwerke in den letzten Jahren dramatisch angestiegen sind. Wir müssen also sicherstellen, dass neue Kraftwerke trotzdem wirtschaftlicher sind als der klimaschädliche Weiterbetrieb von Uraltblöcken. Wir müssen erreichen, dass neue hocheffiziente Kraftwerke durch den Emissionshandel einen weiteren Schub bekommen. Dabei ist es egal, wie wir echte Wettbewerbsvorteile für moderne Kraftwerke erreichen: ob durch direkte Zuschüsse, durch kostenlose Zertifikate für einige Anfangsjahre oder durch eine umfangreiche KWK-Förderung.

Zweitens. Die Zertifikaterlöse müssen unmittelbar in Klimaschutzprojekte zurückfließen, zum Beispiel für mehr Energieeffizienz, für Kraft-WärmeKopplung oder für produktionsintegrierten Umweltschutz. Dabei müssen Zertifikate, die in Nordrhein-Westfalen bezahlt werden, auch Klimaschutzinvestitionen in Nordrhein-Westfalen auslösen und nicht in Rumänien oder anderswo.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, ich fasse zusammen: Die Landesregierung wird ihrer Verantwortung beim wichtigen Klimaschutz nicht gerecht.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Sie verspielt damit enorme Zukunftschancen. Wir dagegen wollen den Klimaschutz als Motor für Fortschritt bei Innovation und bei Effizienz in Forschung, in Entwicklung, in Produktion und in Dienstleistung haben. – Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Römer. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Kollege Brockes das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Klimaschutz in NordrheinWestfalen! Wenn wir eine derart isolierte Betrachtung, wie es die Grünen gerne hätten, vornehmen würden, drohte uns ein gewaltiger Realitätsverlust durch eine Verweigerungshaltung, die all das nicht wahrnehmen möchte, was um uns herum passiert.

Deshalb bin ich der EU-Kommission sehr dankbar, dass sie gestern in Brüssel sozusagen die „Hosen heruntergelassen“ und endlich die Kosten für den Klimaschutz offengelegt hat. Wir hatten schon lange darauf gewartet, dass die Bundesregierung uns das mitteilt.

Meine Damen und Herren, im Durchschnitt muss jeder EU-Bürger für den Klimaschutz pro Woche 3 € – das sind im Jahr mehr als 150 € – aufbringen. Dabei wird dann leider auch die deutsche Vorreiterrolle wieder zum Problemfall. Die deutsche Vorreiterrolle beim Klimaschutz wird sich überproportional im Geldbeutel der Bundesbürger bemerkbar machen, da wir ja einen größeren Anteil erbringen wollen.

Interessant ist auch, dass die Franzosen durchgesetzt haben, dass die klimafreundliche Kernenergie stärker als zunächst geplant ökologisch angerechnet wird. Da zeigt sich mal wieder, wie weit wir es mit unserer Vorreiterrolle gebracht haben.

Von daher kann es niemanden wundern, dass die SPD mit immer neuen gesellschaftspolitischen Debatten von ihrem eigenen Versagen ablenken möchte. Die tektonischen Verschiebungen im sozialdemokratischen Rollenspiel von Staat und Privatwirtschaft sind bezeichnend für die Konfusion in Ihren Reihen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Während der Staat zukünftig die Löhne festlegen wird – so wie beim Postmindestlohn –, wird die Sozialpolitik privatisiert. Wie anders ist es zu verstehen, wenn Herr Gabriel von den Energieversorgern einen Sozialtarif einfordert und dies mit den seit dem Jahr 2000 gestiegenen jährlichen Energiekosten eines Dreipersonenhaushalts von 1.300 auf 2.200 € begründet? Ich frage mich wirklich: Wer hat die explodierenden Steuer- und Abgabebelastungen seit dem Jahr 2000 eigentlich zu verantworten? 40 % des Strompreises sind Steuern und Abgaben. Beim Benzin sind es 60 %. Ist es nicht widersprüchlich, wenn Gabriel darauf verweist, dass für Geringverdiener eine maßgeblich von seiner eigenen Partei zu verantwortende Steigerung der monatlichen Energiekosten um 75 € – Zitat – „weiß Gott nicht egal ist“, und er

später die Kosten für die Bürger beim Klimaschutz als verträgliche Zusatzbelastung bezeichnet?

Aber zurück zum Jahr 2000 und zu dem Beschluss zum Ausstieg aus der klimafreundlichen Kernenergie! Der politische Wille der damaligen rot-grünen Bundesregierung erlaubt unserer Volkswirtschaft nur noch eine zeitlich befristete Nutzung dieser Technologie zur CO2-freien Stromerzeugung. Wie falsch diese Entscheidung war, zeigt sich daran, dass sich sowohl Werner Müller, der seinerzeit als Bundeswirtschaftsminister den Ausstieg managen musste, als auch sein Nachfolger Wolfgang Clement mittlerweile von diesem Beschluss distanzieren und die SPD zu einer Umkehr aus der ideologischen Sackgasse auffordern. Diese Debatte, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden Sie so schnell nicht los, auch wenn Sie Wolfgang Clement jetzt als Energielobbyisten bezeichnen.

Um der Heuchelei den Boden zu entziehen, muss man gar nicht auf Gerhard Schröder und seine Beziehungen zu Gazprom verweisen. Nein, es reicht völlig aus, einen Blick auf die großen Versorger unseres Landes zu werfen.

Herr Römer, wenn Sie alle Energielobbyisten aus Ihren Kreisen bzw. den Gewerkschaften so verunglimpfen würden wie Wolfgang Clement, würden Sie auf diesem Politikfeld kaum noch stattfinden.

Aber auch die Grünen haben ihre Unschuld längst verloren. Ich will gar nicht auf Frau Röstel und Herrn Schlauch eingehen. Nein! Schauen wir nur einmal, wie leidenschaftlich der ehemalige Sprecher der grünen Landtagsfraktion in Niedersachsen Herr Hogrefe in seiner Funktion als Generalbevollmächtigter des Energiekonzerns EnBW mittlerweile für die Zukunft der klimafreundlichen Kernenergie in Deutschland streitet.

All diesen Personen ist gemein, dass sie mit ein wenig Distanz zur Politik entweder das aussprechen, was sie immer schon für richtig hielten, oder die Realitäten mittlerweile anerkennen und sich umso mehr für notwendige Weichenstellungen einsetzen. Diese Meinungen schlicht zu ignorieren und ihre einstigen Mitstreiter zu verbannen, ist lediglich ein Ausdruck Ihrer verkümmerten innerparteilichen Debattenkultur.

Meine Damen und Herren, wenn Sie so weitermachen, werden Sie auch in Zukunft Ihrem ideologischen Mikrokosmos kaum noch entweichen können. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Brockes. – Als nächste Rednerin hat für die Landesregierung Frau Ministerin Thoben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe viel Verständnis dafür, dass, wenn man nicht regiert, man durch die Fülle der Anfragen den Eindruck erweckt, als würde die Regierung pennen.

Herr Priggen, ich habe sehr gut zugehört, was Sie vorgetragen haben. Sie haben zum Beispiel gesagt – ich hoffe, ich habe es richtig mitgeschrieben –: Die riesige Aufgabe, die im Klimaschutz besteht … Und: Da lassen sich die Antworten offensichtlich nicht aus dem Ärmel schütteln.

Ist Ihnen bewusst, dass es allein bis zum Ende des letzten Jahres 14 neue Gesetzgebungsvorhaben auf Bundesebene gab? Ist Ihnen bewusst, dass wir in einem Umfang Detailberatungen mit allen Beteiligten führen – Herr Römer weiß das bestimmt auch –, wobei wir versuchen, obwohl wir eine spezifische Energieversorgungsstruktur haben, mit ganz ehrgeizigen Klimaschutzzielen zurechtzukommen?

Wenn ich Ihre Landesvorsitzende richtig verstanden habe, Herr Priggen, dann hat sie gesagt: Sie als Grüne würden etwas ganz Ehrgeiziges vorlegen, und zwar ein Konzept, bei dem man auf Kernenergie und fossile Brennstoffe einschließlich Gas verzichten möchte. Mir ist das Szenario, vor allen Dingen der Zeitraum, in dem Sie das erreichen wollen, schleierhaft. Vielleicht können Sie das aufklären.

Wir bleiben bei ehrgeizigen, aber realistischen Zielen. Und das ist unsere Aufgabe.

(Beifall von Christian Weisbrich [CDU])

In der Einleitung Ihrer Großen Anfrage fordern Sie zum wiederholten Male, dass wir endlich überkommen müssen. – Wir stellen uns dieser Verantwortung. In der Antwort auf die zahlreichen Fragen zu insgesamt 18 Themenfeldern zum Beispiel aus dem Bereich Energieerzeugung, Bergbau, Industrie, Verkehr, private Haushalte, Emissionshandel haben wir deutlich gemacht, dass die Landesregierung zukunftsfähigen Klimaschutz unterstützt.

Wir sind aber überzeugt – wahrscheinlich im Gegensatz zu Ihnen –, dass es auch hier um Augenmaß bei den zu ergreifenden Maßnahmen geht. Sie müssen nachhaltig wirken, und sie müssen in einem Zeitraum verabredet werden, den

man für realistisch hält, weil gerade fundamentale Anpassungen Zeit brauchen.

Übrigens verlangt eine solche Verabredung nach unserer Einschätzung – ich hoffe, da sind wir wieder einig –, dass sich das Ganze in einem internationalen, europäischen und nationalen Rahmen wiederfindet.

Und wir müssen schließlich in unsere Antworten einbeziehen – und das ist der schwierigste Teil, das gebe ich zu –, dass es auch strukturelle Besonderheiten des Landes gibt.

Der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs hat im März 2007 anspruchsvolle Ziele für den Ausbau erneuerbarer Energien und zur Steigerung der Energieeffizienz gesetzt. Eine Reduktion um mindestens 20 % bis 2020 wurde beschlossen. Unter der Voraussetzung, dass andere Industrieländer vergleichbare Anstrengungen unternehmen und auch Schwellenländer einen angemessenen Beitrag leisten, will die Europäische Union die Emission der Treibhausgase um 30 % senken.

Weiterhin soll die Energieeffizienz um 20 % steigen, der Anteil der erneuerbaren Energien ebenfalls auf 20 % angehoben werden und für Biokraftstoffe soll bis 2020 ein verbindliches Ziel von 10 % gelten.

Mit dem gestern vorgelegten zweiten Energiepaket will die Kommission die Umsetzung dieser anspruchsvollen Ziele sicherstellen. Ab 2013 soll die Energiewirtschaft die benötigten CO2-Zertifikate zu 100 % ersteigern. Die bis 2012 kostenlose Zuteilung für die Industrie soll jährlich in Stufen reduziert und zuletzt ganz abgeschafft werden. Damit zeichnen sich weitere erhebliche Belastungen für Wirtschaft und Verbraucher ab.

Diese Regelung werden wir daher im Einzelnen kritisch prüfen und uns gegenüber der Europäischen Kommission und der Bundesregierung positionieren.