Protocol of the Session on January 23, 2008

„Thomas Fischer, der neue Vorstandsvorsitzende, kehrt alle Risiken aus und saniert den Boden.“

Da ist in den zurückliegenden Jahren unter Ihrer Regierungsverantwortung wohl irgendetwas schiefgelaufen, Frau Kollegin Kraft.

(Beifall von der FDP – Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Sie haben Herrn Fischer doch auch bejubelt!)

Da ist erkennbar einiges schiefgelaufen, um nicht zu sagen: Da ist erkennbar alles schiefgelaufen.

Wir müssen bei der WestLB jetzt auch die Probleme lösen, die Sie über viele Jahre in Ihrer Regierungsverantwortung nicht haben lösen können. Das ist die Realität. Wir werden das anders machen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Sie betreiben Rosinenpickerei!)

Wir werden nicht nur die Probleme beschreiben, Herr Finanzminister, sondern im Rahmen dessen, was Politik überhaupt machen kann, versuchen, die Möglichkeit eröffnen, damit ein neues Geschäftsmodell entsteht.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Da seid ihr doch schon ein halbes Jahr dran!)

Ich bin allerdings der festen Überzeugung: Es obliegt nicht in erster Linie der Politik, über Geschäftsmodelle zu entscheiden. Und es kann auch nicht die Aufgabe der Politik sein, die Restrukturierung der Bank voranzutreiben. Da müssen Profis von außen ran, also erfahrene Sanierer, die in der Lage sind, die WestLB auf Kurs zu bringen.

Wir müssen allerdings die Voraussetzungen dafür schaffen,

(Gisela Walsken [SPD]: Was war bei der Ci- tigroup? Was ist dabei herausgekommen?)

und das bedeutet – das will ich zum Schluss noch sagen –, dass es keine Diskussionsverbote geben darf. So wie wir nicht länger akzeptieren werden, dass einige sagen, die Beteiligung privaten Kapitals komme nicht infrage, so werden wir auch nicht akzeptieren, dass andere meinen, wir dürften nicht über einen engeren Verbund zwischen Sparkassen und WestLB debattieren. Wenn wir ein tragfähiges Zukunftsmodell für die WestLB schaffen wollen, müssen alle aus ihren Schützengrüben herauskommen, meine Damen und Herren.

Jetzt muss Tacheles geredet werden, was die Zukunft der WestLB angeht. Wir brauchen schließlich eine Lösung. Wir brauchen ein tragfähiges Geschäftsmodell für die WestLB, damit die Bank wieder Boden unter die Füße bekommt und damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht befürchten müssen, in absehbarer Zeit ihren Arbeitsplatz zu verlieren. – Ich danke Ihnen sehr für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Papke. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Frau Löhrmann das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass diese Regierung mit den Regierungsgeschäften von Nordrhein-Westfalen überfordert und ihnen nicht gewachsen ist,

(Lachen von Minister Armin Laschet)

dann wäre er mit dem bisherigen Verlauf dieser Debatte erbracht; das sage ich in allem Ernst.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Lachen von der CDU)

Sie haben nicht nur keine ganzheitlichen Konzepte, weil Sie in Schubkästchen denken, sondern Sie sind offensichtlich auch nicht in der Lage, flexibel mit neueren Entwicklungen umzugehen. Dafür hat insbesondere die Wirtschaftsministerin heute Morgen ein Beispiel gegeben. Die Debatte und ihre Einbringung waren doch gespenstisch.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Gisela Walsken [SPD]: Eklatant!)

Wer sie letzte Woche am Montagabend beim Empfang für die Wirtschaft und heute hier erlebt hat,

(Helmut Stahl [CDU]: Gute Sache!)

der weiß, dass sie es im Grunde auch selber weiß. Insofern, Frau Thoben, hätten Sie es hier und heute am besten erst gar nicht versucht. Das Schauspiel ist aus.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Hendrik Wüst [CDU]: 250.000 sozialversicherungs- pflichtige Arbeitsplätze bezeichnen Sie als Schauspiel?)

Herr Stahl, ich fand Ihren Beitrag im Gegensatz zu manchen anderen nicht lustig.

(Helmut Stahl [CDU]: Das habe ich auch nicht beabsichtigt!)

Ich fand ihn nicht lustig, weil Sie in einer Art und Weise so getan haben, als gäbe es bestimmte Probleme nicht.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Peinlich war das!)

Dies macht deutlich, dass Sie nicht bereit sind, Dinge zu erkennen, die Sie besser früher hätten erkennen sollen, damit das Jahr 2008 und die Folgejahr nicht schlechte Jahre für NordrheinWestfalen und seine Menschen werden.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Und das alles, wie gesagt, nach zweieinhalb Jahren!

Es stimmt auch nicht Herr Dr. Papke, dass wir – dies taten Sie früher – das Land schlechtreden. Meine Fraktion freut sich über die guten Wirtschaftsdaten, sofern sie stimmen und ein Beweis für vergangene Politik sind – zum Teil Ihrer Politik, zum Teil unserer Politik.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Zurufe von der CDU)

Wir wären doch blöd, wenn wir das nicht auch als Ergebnis unserer Politik betrachten würden. Sie hingegen reden die Probleme klein, und das ist schlimm für das Land.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Meine Damen und Herren, wer gestern in Bochum die Aktion gegen die geplante Nokia-Schließung erlebt oder gesehen hat, hat gespürt, was das Ruhrgebiet und das Land Nordrhein-Westfalen insgesamt stark macht: In der Not stehen die Menschen zusammen, und zwar nicht nur die persönlich Betroffenen. Viele haben sich beteiligt – ein eindrucksvolles Zeichen des Protests, der Wehrhaftigkeit und der Solidarität über Unternehmensgrenzen, über Stadtgrenzen und sogar über Landesgrenzen hinweg. Ich möchte ausdrücklich auch die Solidaritätsadresse der finnischen Kolleginnen und Kollegen erwähnen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Im zusammenwachsenden Europa rücken offensichtlich auch die Belegschaften im europäischen Land enger zusammen, um sich zu wehren und nicht gegeneinander auszuspielen. Sie wollen sich gegen rücksichtslose Profitgier und gegen deren Folgen für ihre Arbeitsplätze wehren. Die Menschen nehmen einen Weg in die unsoziale Marktwirtschaft nicht hin. Deswegen war der Protest in Bochum gestern auch ein Zeichen des

Aufbruchs, dem wir Grüne uns sehr verbunden fühlen und den wir nach Kräften unterstützen.

Meine Damen und Herren, ich verstehe es gut, wenn viele Menschen ihren Unmut dadurch zum Ausdruck bringen, keine Nokias mehr kaufen zu wollen. Wenn die Verluste von Nokia durch diesen Imageschaden größer sind, als die geplante Verlagerung des Werkes einbringt, das wäre das einzige Zeichen, das die Manager verstehen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich finde: Eiskalten Rechnern muss man eiskalt die Rechnung präsentieren, und die Macht der Verbraucherinnen und Verbraucher ist die stärkste Macht in dieser Auseinandersetzung.

Es ist gut, meine Damen und Herren, dass in den letzten Tagen und auch gestern in Bochum die Solidarität und Unterstützung aller politischen Parteien sichtbar und spürbar war.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Beim einen mehr, beim anderen weniger!)

Es ist selbstverständlich, dass Sie, Herr Ministerpräsident, persönlich und Mitglieder Ihrer Landesregierung vor Ort waren. Aber – das ist nicht nur mir aufgefallen – wenn man sich Ihr persönliches Agieren vor Augen führt, das mehr als deutliche Parallelen mit der Siemens-BenQ-Pleite aufweist, stellen sich nicht nur mir einige Fragen. Was haben Sie und Ihre Wirtschaftsministerin eigentlich seit dieser Pleite getan? BenQ hat doch mehr als deutlich gezeigt, dass die Handyproduktion in Deutschland von den Konzernspitzen zur Disposition gestellt wurde.

Ewald B. Schulte stellt in der „Berliner Zeitung“ dieser Tage deshalb völlig zu Recht fest – ich zitiere –: „Im Interesse einer vorausschauenden Arbeitsmarkt- und Standortpolitik wäre somit schon vor einem Jahr ein enger Schulterschluss der NRW-Wirtschaftspolitik mit dem Nokia-Management zwingend vonnöten gewesen.“ Der Autor kommt zu dem Schluss, dass Sie sich, Herr Ministerpräsident, als Regierungschef des bevölkerungsstärksten Bundeslandes nur dann für Aspekte der Wirtschaft zu interessieren scheinen, wenn Sie sie, wie zuletzt bei RAG und WestLB, parteipolitisch ausschlachten können. – Herr Schulte hat leider recht.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Es sind gerade nicht irgendwelche linken Kampfblätter, die das ausführen, sondern die Wirtschaftsseiten der Zeitungen. Das sollte Ihnen zu denken geben.

Meine Damen und Herren, der Fall Nokia zeigt, dass die Landesregierung sehr weit von der Entwicklung einer zukunftsorientierten und nachhaltigen Standortpolitik entfernt ist. Sicher, es liegt nicht in der Hand der Politik, die Standortfragen von Großkonzernen zu entscheiden – das machen die Konzerne selbst –, aber wir können und müssen Einfluss nehmen. Das Beispiel Nokia führt uns allerdings mit aller Härte vor Augen, das Subventionen nicht das richtige Mittel für Standortakquise sind; denn dann – das sehen wir jetzt – ziehen die Konzerne weiter immer dorthin, wo es am meisten Unterstützung gibt. Geld anzubieten, damit ein Konzern kommt, ist nur ein paar Jahre wirksam. Ein Subventionswettlauf kann nicht in unserem Interesse sein und auch nicht im Interesse des zusammenwachsenden Europas; das sage ich ausdrücklich dazu.

(Beifall von den GRÜNEN)