Statt auf Subventionen müssen wir auf echte Standortvorteile setzen. Dazu zählt eine vernünftige Infrastruktur, dazu zählen aber in einem Land wie unserem in allererster Linie die Menschen, meine Damen und Herren. Die müssen, und zwar so gut und so viele wie möglich, qualifiziert werden. Bestmögliche Bildung für alle ist die Antwort in Nordrhein-Westfalen und in Deutschland auf die Globalisierung.
Und was machen Sie? – Sie halten an einem leistungsfeindlichen Bildungssystem aus dem vorletzten Jahrhundert fest,
Hinzu kommen weiche Standortfaktoren wie Freizeit, Kultur und Sportangebote sowie genügend Kindergartenplätze und eine gute Gesundheitsvorsorge vor Ort. Frau Thoben, Herr Ministerpräsident, es reicht nicht, schöne Veranstaltungen zur Kreativwirtschaft zu machen, um die Chancen zu nutzen. Man muss das auch durchdringen und mit der Umsetzung anfangen, wenn es um die positiven Effekte geht.
Meine Damen und Herren, Investorenakquise muss als ein systematischer Prozess mit integrierten Lösungen für die interessierten Unternehmen und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verstanden werden. Neben dieser mittel- und langfristi
gen Perspektive müssen die Verantwortlichen ständig im Kontakt mit den Unternehmen stehen – Standortpflege im besten Sinne –, um frühzeitig Signale zu bekommen, um frühzeitiger reagieren zu können. Das hätte auch bei Nokia passieren müssen. In frühzeitigen Gesprächen hätten Möglichkeiten ausgelotet werden können, die Standortschließung zu verhindern. Jetzt, da die Menschen auf der Straße stehen und demonstrieren, da Nokia in Finnland längst Entscheidungen getroffen hat, da in Rumänien längst der neue Standort aufgebaut wird, wollen Sie sprechen. Herr Rüttgers, Frau Thoben, das ist zu spät. Jetzt helfen nur noch öffentlicher Druck, Imageverlust und Verbrauchermacht.
Meine Damen und Herren, auch anderen Beschäftigten in diesem Land muss heute unsere besondere Aufmerksamkeit und Solidarität zuteil werden. Ich meine die Beschäftigten der WestLB, die sich seit Monaten und verschärft seit dem letzten Wochenende in einer ähnlichen Situation befinden wie die Kolleginnen und Kollegen von Nokia. Auch die 5.900 Beschäftigten der WestLB im In- und Ausland müssen konkret um ihren Arbeitsplatz fürchten wie die in Bochum. Keiner von ihnen weiß, wen und wie viele es treffen wird. Auch sie haben in den Medien davon erfahren, dass sie möglicherweise bald ohne Einkommen und ohne Arbeit dastehen werden. Auch hier sind wir alle gefordert, unser Möglichstes zu tun, das zu verhindern.
Da hören wir von der Landesregierung ganz andere Töne, meine Damen und Herren. Während Herr Rüttgers in Bochum ganz den Arbeiterführer gibt, spielt Herr Linssen den knallharten Sanierer und fordert notwendige Opfer der Beschäftigten ein. Diese Widersprüchlichkeit können Sie doch nicht wegreden.
Und dabei tragen Sie, Herr Ministerpräsident, und Ihre Koalition für diese Arbeitsplätze und die Situation der WestLB ganz persönlich und direkt die Verantwortung.
Deswegen war es uns Grünen auch so wichtig, die Debatte zur Situation der WestLB, Nokia und dem Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen hier heute gemeinsam zu diskutieren. Denn dieses Desaster haben Sie zu verantworten. Da, wo Sie und Ihre Koalition ganz konkret Verantwortung
Wo Sie hätten handeln können, haben Sie gezaudert und den richtigen Zeitpunkt verpasst. Ein halbes Jahr lang haben Sie sich mit den Sparkassen gestritten. An jedem einzelnen Tag dieses Streits ist der Wert der Bank wegen der US-Hypothekenkrise gesunken.
„Rüttgers spielt mit dem Feuer. Mit einem parteipolitischen Taktieren vernichtet er Tag für Tag Vermögen seiner Bürger.“
Heute stellen Sie sich hierher und behaupten, eine frühere Entscheidung hätte auch nichts geändert. Das ist falsch, meine Damen und Herren. Das ist völlig falsch.
Wenn Sie jetzt seit Montag versuchen, dies in der Presse zu korrigieren, dann soll das doch nur ablenken, meine Damen und Herren. Das ist nicht mehr als ein reines Ablenkungsmanöver. Ich weiß nicht, ob Sie Herrn Oettinger für blöd halten. Ich halte ihn nicht für blöd. Natürlich hätte die LBBW uns die Altlasten der Bank nicht abgenommen und wollte die jemand irgendwo verstecken. Das ist doch lächerlich. Das spricht doch gegen Sie und nicht gegen die Vorschläge der Opposition und die Vorschläge der Sparkassenverbände und, und, und.
Nur mit einer frühzeitigen und klaren Entscheidung für eine Fusion mit der LBBW hätte die WestLB eine klare Zukunftsperspektive mit einem starken Partner und würde damit vor allem in den Augen der Ratingagenturen und der Geschäftspartner eindeutig besser dastehen.
Die beiden Banken hätten sich angesichts ihrer unterschiedlichen Stärken hervorragend ergänzt. Diese Win-Win-Situation haben Sie, Herr Ministerpräsident, wissentlich und mutwillig verspielt.
Hätten Sie Ihre persönliche Animositäten mit Ihrem Amtskollegen Oettinger aus BadenWürttemberg hintangestellt, hätten Sie, Herr Ministerpräsident, den Rat vieler Experten nicht missachtet, sondern ausnahmsweise angenom
men, hätten Sie im Sommer 2007 nicht gezögert und gezaudert, hätten Sie nicht einen unnötigen Streit zwischen den Eigentümern vom Zaun gebrochen, dann stünde die WestLB heute anders da: stärker, mit einem starken Partner an ihrer Seite, mit einem schlüssigen Geschäftsmodell.
Herr Weisbrich, ganz ruhig. Lesen Sie die Wirtschaftsseiten nach! Lesen Sie das Handelsblatt nach! Da steht das alles drin, was ich Ihnen hier heute vortrage.
(Beifall von den GRÜNEN – Christian Weisbrich [CDU]: Da steht nicht, die WestLB hätte keine Verluste gemacht!)
Das hat auch keiner gesagt. Es ist aber ein Unterschied, ob eine Linie noch so läuft und man handelt oder ob sie dann ganz schwer auf Schussfahrt geht. Wo das Ende dieser Schussfahrt ist, das können Sie hier heute auch noch nicht sagen. Dazu hat der Finanzminister auch heute nichts gesagt, meine Damen und Herren.
Diese politischen Fehlentscheidungen kosten in NRW viel Geld – Geld, das die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler und die Kundinnen und Kunden der Sparkassen aufbringen müssen. Statt gedanklich, wie das eigentlich gedacht war, besonders von der FDP und von Herrn Pinkwart, schon Milliarden aus einem Verkauf der WestLB zu verplanen, müssen Sie nun Milliarden in die Bank pumpen.
Herr Ministerpräsident – Herr Linssen hat es auch getan –, im Sommer 2007 haben Sie die Opposition beschuldigt, die Bank schlechtzureden. Damals ging es noch um 200 Millionen €, heute um 2 Milliarden. Und – ich sage es gern noch einmal – das Ende der Fahnenstange ist laut „Financial Times“ von heute leider noch lange nicht erreicht.
Sie haben sich seitdem bei der WestLB eine Kette von Unzulänglichkeiten und Fehlgriffen geleistet. Und Sie reden diese Problemlage auch noch weg. Dass Sie das immer noch wegreden und nicht die internationale Finanzsituation vernünftig einschätzen, das ist das größte Problem.
Ich erinnere noch einmal daran: Immer auf der Flucht vor Günther Oettinger forderten Sie mal die Fusion mit der Sachsen LB, die so gut wie pleite war, mal die mit der IKB, die so gut wie pleite ist, immer um angeblich ein schlagkräftiges west
deutsches Institut zu schaffen, immer unter der Losung „Arbeitsplätze retten, Standorte retten“ – Münster zum Beispiel –, „Bankenplatz NRW retten“. So hat sich Herr Rüttgers hier doch aufgeführt. Das haben wir noch nicht vergessen. Wer das vergessen hat, sollte bitte im Livestream nachgucken.
Der selbsternannte Arbeiterführer wollte nebenberuflich nach der Rolle des Ruhrbarons auch noch die des Bankenführers.
Dass da im Hintergrund auch noch der Verband der Privatbanken in Gestalt des FDP-Fraktionsvorsitzenden an der Zerschlagung des öffentlichrechtlichen Sparkassensystems arbeitete,