Protocol of the Session on December 20, 2007

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Vor allen Dingen nach 39 Jahren! Das ist das Entscheidende! – Weitere Zurufe von der SPD)

Innerhalb von zweieinhalb Jahren hat Ihnen allerdings das höchste Gericht des Landes, der Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen, jetzt zum zweiten Mal bescheinigt, mit Ihrer Haushaltspolitik gegen die Verfassung verstoßen zu haben. Alle Achtung! Ich nenne das ehrlich unsolide, meine Damen und Herren.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Ich komme nachher darauf. Warten Sie es ab. Ich gehe noch im Detail darauf ein. Wir haben heute ein bisschen Zeit. Es ist eine große Runde.

Wir können heute nicht über den Landeshaushalt 2008 reden, ohne uns auch noch einmal mit den Haushalten der Jahre 2006 und 2007 auseinanderzusetzen. Nach dem Münsteraner Urteil müssen Sie den Kommunen allein für das Jahr 2006 450 Millionen € zurückerstatten. Für 2007 und 2008 werden es vergleichbare, wahrscheinlich sogar höhere Summen sein. Insgesamt reden wir wohl über ca. 1,6 Milliarden €.

Heute hat das Gericht damit bestätigt, was wir seit 2006 immer wieder in diesem Hause sagen. Für Ihre Sparerfolge haben die Kommunen in diesem Land bezahlt. Das ist die Wahrheit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Der Finanzminister hat versucht, sich für seine vermeintlich ehrliche Sparpolitik feiern zu lassen. Er hat kräftig am Denkmal des Eisernen Heinrich gefeilt. Mein Fazit ist: von wegen Eiserner Helmut. Beim Sparen gab es Linssen butterweich. – Das war die Realität.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Es ist aber schon schlimm. Nach 2005 haben Sie auch 2006 gegen die Landesverfassung verstoßen, in diesem Fall nämlich gegen das Recht auf kommunale Selbstverwaltung. Das sagt das Urteil.

Der Innenminister – wenigstens er ist da – hat noch versucht, die gewaltige Schlappe wegzureden. Die Presseerklärung war schon aus dem Tollhaus. Sie haben versucht, uns glauben zu machen, das Gericht habe Ihre Politik auf der ganzen Linie bestätigt. Wenn das so wäre, stellte sich die Frage, warum Sie dann 1,6 Milliarden € zurückzahlen müssen. Diese Frage müssen Sie mir einmal beantworten.

(Beifall von der SPD)

Das Urteil spricht hier eine klare Sprache. Das Urteil sagt – ich zitiere –:

Es liegt auf der Hand, dass sich eine derart signifikante Abweichung nicht mehr im Bereich des verfassungsrechtlich Tolerablen bewegt.

Das ist die Aussage des Urteils, meine Damen und Herren.

(Zustimmung von der SPD)

Herr Innenminister, Sie kennen sich ja schon mit Verfassungsgerichten aus.

(Ralf Jäger [SPD]: Bestens! – Gisela Wals- ken [SPD]: Ständiger Kunde!)

Ja, Karlsruhe und das Verfassungsschutzgesetz lassen grüßen.

Herr Innenminister, lernen Sie daraus. Zündeln Sie nicht weiter an der Verfassung. Noch ein guter Rat: Wenn sich bei einem Feuerwerk unkontrolliert ein Knaller entzündet, muss man ihn wegwerfen oder löschen. Man darf ihn auf keinen Fall in der Hand behalten. – Da hat Ihnen Herr Linssen einiges an Erfahrung voraus. Das haben wir in den letzten Tagen gemerkt.

(Beifall von der SPD)

Meine Damen und Herren, wir halten fest: Sie hatten den Kommunen und den Bürgerinnen und Bürgern eine ganz andere Politik versprochen. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten den Finanzminister aus der Debatte über die erste Lesung des Haushalts 2006:

Die Kommunen sollen finanziell angemessen unterstützt werden.“

„In der Vergangenheit musste im kommunalen Finanzausgleich viel zu oft nachjustiert werden. Dieses Auf und Ab wollen wir abschaffen, meine Damen und Herren.“

Heute wissen wir, was damit gemeint war.

Sie haben die Kommunen wissentlich und willentlich mit einem zu geringen Festbetrag abgespeist. Die kommunalen Spitzenverbände haben Ihnen das in jeder Anhörung immer wieder vorgerechnet. Das lag schwarz auf weiß vor. Es steht auch in den Protokollen. Das bedeutet nichts anderes, als dass der Finanzminister sein politisches Feuerwerk mit dem Geld anderer Leute bezahlt hat. Das ist der Skandal, der offenkundig geworden ist.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das Mindeste ist, dass Sie jetzt schnell handeln und den Kommunen wenigstens einen Abschlag für die Jahre 2006 und 2007 zurückzahlen.

Ich sage aber für die SPD-Fraktion auch ausdrücklich: Dieser Abschlag ist deutlich zu niedrig angesetzt. Das Gericht hat doch klar entschieden. Für 2006 haben Sie den Kommunen 450 Millionen zu viel abgenommen. Es ist nicht in Ordnung, wenn Sie für 2006 erst einmal nur 280 Millionen zahlen wollen. Der Abschlag müsste nach unserer Auffassung für 2006 mindestens 400 Millionen betragen. Für 2007 greifen Sie mit 220 Millionen € erkennbar viel zu niedrig; die Überzahlung lag wahrscheinlich weit über den 450 Millionen.

Über die Verteilungsmechanismen, die Sie vorsehen, wird heute noch zu reden sein. Ich höre bereits viel Kritik aus den Kommunen. Sie sollten sie an diesem Prozess intensiv beteiligen.

Die zentrale Frage, die sich jetzt stellt, ist aber, wann und wie Sie den Rest der Gelder zurückgeben. Dazu fehlt bisher jede Antwort im Nachtragshaushalt und im Abschlagsgesetz. Unsere Befürchtung ist, Sie suchen im Moment krampfhaft nach einer Lösung, wie Sie den Kommunen das Geld an anderer Stelle wieder abknöpfen können. Deshalb äußern Sie sich nicht dazu.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Der Haushalt 2008 hat dann denselben Mangel wie seine Vorgänger: Auch diesmal ist wieder eine viel zu hohe Belastung der Kommunen vorgesehen. Das folgt auch ganz klar aus dem Ergebnis der Anhörungen im Haushalts- und Finanzausschuss. Sie können nicht auf das Urteil von Münster verweisen und behaupten, Sie hätten jetzt zwei Jahre Zeit, den Fehler zu reparieren. Der Verfassungsgerichtshof hat Ihnen keinen Freifahrtschein gegeben, einen zinslosen Kredit bei den Kommunen zu nehmen. Es ist ein Skandal, dass Sie den Kommunen ungerührt nun auch für den Haushalt 2008 zu viel Geld für den Solidarpakt abnehmen. Die Kommunen müssen das

über Kredite teuer finanzieren. Das ist keine gute Politik für die Kommunen in diesem Land.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Die Korrekturen für 2008 hätten heute hier schwarz auf weiß auf dem Tisch liegen müssen und können; dafür hatten Sie genug Zeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Aber für uns in erkennbar: Sie tricksen schon wieder.

(Zuruf von den GRÜNEN: Nepper, Schlep- per, Bauernfänger!)

Das GFG 2008 verletzt Verfassungsrechte der Kommunen und verstößt auch gegen den Grundsatz von Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit. Trotzdem werden Sie es heute beschließen, fürchte ich. Interessant war, was Kollege Klein dazu in der Presseerklärung in der letzten Woche gesagt hat. Darin steht: Wir beschließen das GFG – Gemeindefinanzierungsgesetz – unverändert, und wir begrüßen, dass der Finanzminister unverzüglich ein GFG-Anpassungsgesetz vorlegt. – So etwas nenne ich Regierungsmurks mit Ansage.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das ist ungefähr so, als würden Sie dem Käufer eines Neuwagens mit den Schlüsseln gleichzeitig schon mal die Einladung zur Rückrufaktion mit auf den Weg geben. Ungefähr so machen Sie Politik in diesem Land.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Aber das ist leider nicht der einzige Murks im Haushalt 2008.

(Ralf Jäger [SPD]: Denn sie wissen nicht, was sie tun!)

Neben dem Loch – man könnte schon von einem Krater sprechen – von über 1 Milliarde durch das Urteil aus Münster haben Sie 60 Millionen € Einnahmen aus Abführung der Wohnungsbauförderungsanstalt zu viel eingeplant – bislang ohne jede gesetzliche Grundlage. Der Bauminister weilt nicht unter uns.

(Zurufe von der SPD: Doch!)

Doch, er ist da. Entschuldigung. Sie sitzen auf ungewöhnlichem Platz.

(Minister Oliver Wittke sitzt auf dem Platz neben Ministerpräsident Dr. Jürgen Rütt- gers.)

Sind Sie schon zum Vizeregierungschef aufgestiegen, Herr Kollege? – Der Bauminister hat es