Protocol of the Session on December 19, 2007

Also, wir sind uns einig: Es gibt Stoffe im Wasser, die dort nicht hineingehören. Aber, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, es sind nicht nur Arzneimittel. Das ist ein ganzer Cocktail von Chemikalien, es sind viele organische Stoffe, die wir im Wasser finden. Durch verschiedene Untersuchungen ist festgestellt worden, dass wir enorme Rückstände von Flammschutzmitteln im Wasser haben. Das sind nicht zuletzt auch Stoffe wie PFT. Deshalb sprechen wir nicht nur von Arzneimitteln, sondern von einem viel größeren Cocktail, dem wir begegnen müssen.

Das Problem stellt sich für Nordrhein-Westfalen noch einmal ganz besonders. Herr Kress, Sie haben zwar die Verteilung der Trinkwassergewinnung in der gesamten Bundesrepublik genannt, aber nicht die Verteilung der Trinkwassergewinnung in Nordrhein-Westfalen. Für den Bereich der Bundesrepublik stimmt das: zwei Drittel zu einem Drittel. Ein Drittel wird aus Oberflächenwasser

gewonnen. In Nordrhein-Westfalen sind die Verhältnisse umgekehrt. Deshalb haben wir in Nordrhein-Westfalen ein ganz besonderes Problem: Über 60 % unseres Trinkwassers wird aus Oberflächenwasser gewonnen. Da liegt die besondere Gefahr für Trinkwasser.

Da sollte die Prävention stimmen – daran sind eigentlich auch alle anderen drei Fraktionen des Hauses beteiligt –, es gilt nämlich über langfristige Prävention zu verhindern, dass solche Stoffe überhaupt ins Wasser kommen – ich nenne hier die EU-Chemikalienrichtlinie. Unsere Haltung dazu ist, dass das, was derzeit darin steht, nicht weitgehend genug ist, um den Vorsorgevorsatz für das Trinkwasser umfassend zu sichern. Das haben Ihnen im Übrigen auch die Wasserversorger in der seinerzeitigen Debatte vorgehalten.

Wenn Sie es also ernst meinen mit Prävention, müssten wir gemeinsam einen neuen Vorstoß unternehmen, um die EU-Chemikalienrichtlinie im Sinne einer langfristigen Prävention zu verbessern und zu stärken. Das würde tatsächlich Wirkung entfalten, allerdings erst in 20 bis 30 Jahren, weil schon so viele Stoffe in der Umwelt enthalten sind, die wir kurzfristig nicht herausbekommen.

Wir können nicht verhindern, dass Menschen Arzneimittel nehmen. Über 60 bis 70 % der Wirkstoffe werden wieder ausgeschieden. Insofern sind die Kläranlagen das größere Problem. Weil wir das aber wissen, müssen wir die Kläranlagen- und die Wasseraufbereitungstechnik auf den Stand bringen, der es erlaubt, dass es aus Vorsorgegründen solche Nachweise im Trinkwasser nicht mehr geben wird. Da gibt es in NordrheinWestfalen große Defizite,

(Beifall von den GRÜNEN)

gerade an den Stellen, an denen Trinkwasser aus Oberflächenwasser gewonnen wird: die ganze Versorgungskette entlang der Ruhr. Wir sind wieder beim Thema Ruhrverband.

Herr Kress, es war nicht nur die SPD, es war massivst auch die CDU, die in der letzten Legislaturperiode verhindern wollte, dass wir einen Statusbericht über die Leistung der Kläranlagen entlang der Ruhr bekamen. Wir haben den Bericht, Gott sei Dank, jetzt. Es ist festzustellen, dass diese Kläranlagen diese in Rede stehenden Stoffe nicht zurückhalten. Wir brauchen also, wenn wir da etwas tun wollen, eine Nachrüstung. Da gibt es einen massiven Konflikt. Es wird nämlich Geld kosten, diese Kläranlagen nachzurüsten.

Soweit ich weiß, überlegt die Emscher Genossenschaft zurzeit, für ihre Kläranlagen eine Aktivkoh

lefiltration nachzuschalten. Das ist eine Aufgabe, die sich auch dem Ruhrverband stellt. Da sind die Träger des Ruhrverbandes gefragt, solche Investitionsentscheidungen zu treffen. Die Politik, die Landesregierung, aber auch die Mehrheit in diesem Hause, ist gefragt, in dem Konflikt Stellung zu beziehen.

Dann müssen wir auch darüber diskutieren, dass die Trinkwasseraufbereitungstechnik entlang der Ruhr nicht dem Standard entspricht, wie wir ihn beispielsweise entlang des Rheins haben. Die Aktivkohleaufbereitung wird allein bei der Wasseraufbereitung in Mülheim anwendet.

Herr Kollege!

Ansonsten fehlt die Aktivkohlefiltration, fehlt die Ozonierung teilweise, jedenfalls als feste Installation. Darüber müssen wir dann auch an dieser Stelle reden. Das ist in der Tat konfliktträchtig. Da gibt es verschiedene Interessen.

Herr Kollege!

Herr Präsident, ich werde meine Rede jetzt beenden. Ich habe den Hinweis verstanden.

Ich fordere Sie auf, tatsächlich zu handeln. Wir müssen jetzt handeln. Es reicht nicht aus, nur die Forschungsaktivitäten für die Zukunft zu sehen. Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Remmel. – Jetzt hat Minister Uhlenberg das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Fraktion greift mit ihrem Antrag ein Thema auf, bei dem die Landesregierung intensiv handelt. Herr Dr. Karthaus, von daher empfinde ich diesen Antrag der SPD-Fraktion auch als Unterstützung der Politik der Landesregierung. Sie haben in Ihrer Rede auf gemeinsame Positionen hingewiesen. Das ist etwas Positives.

Herr Ellerbrock hat auf die Beantwortung der Kleinen Anfragen zum LANUV-Bericht hingewiesen. Das ist in der Tat auch eine gute Grundlage, um neue Anträge zu schreiben. Ich freue mich darüber, dass sich der Landtag mit diesem wichtigen Thema befasst. Das ist ein Thema, das die Men

schen draußen sehr stark beschäftigt. Deswegen gehört es auch in den Plenarsaal des Landtags im Rahmen einer solchen Debatte.

Nur, meine Damen und Herren, das, was Sie versuchen, mit dem Antrag zu suggerieren – die Landesregierung tut nichts –, ist falsch. Das werde ich Ihnen im Detail nachweisen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, das Thema ist in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus von Wissenschaft und Medien gerückt. Es liegt einerseits daran, dass die Wasseranalytik heute in der Lage ist, auch sehr geringe Konzentrationen im Nanogrammbereich, im Milliardstel-Grammbereich nachzuweisen. Andererseits erreichen Arzneimittelwirkstoffe und deren Abbauprodukte aufgrund ihrer hohen Verschreibungsmengen und der häufig sehr geringen Abbaubarkeit einen hohen Verbreitungsgrad in der Umwelt.

Unstrittig ist, dass der Eintrag von diesen Stoffen in die Gewässer unerwünscht ist und diese Stoffe, meine Damen und Herren, schlicht und einfach im Wasser, insbesondere im Trinkwasser nichts zu suchen haben.

(Beifall von CDU und FDP)

Fest steht auch, dass Medikamente weltweit vorkommen. Es handelt sich nicht um ein exklusives Problem von Nordrhein-Westfalen, sondern um ein Problem, das in unterschiedlichem Maße die Ballungsräume weltweit betrifft. Das soll nicht heißen, dass wir uns zurücklehnen oder dass wir die Verantwortung nach Brüssel oder Berlin schieben; nein, konkret müssen wir handeln, und wir handeln auch in Nordrhein-Westfalen.

Ich nehme diesen Antrag zum Anlass darzustellen, welche Maßnahmen und Initiativen von der Landesregierung bereits durchgeführt, angestoßen oder geprüft werden. Das LANUV hat zusammen mit dem Rheinisch-Westfälischen Institut für Wasserforschung und dem Institut für Wasserforschung in Schwerte bereits im November 2006 eine Fachtagung mit dem Titel „Arzneistoffe im Trinkwasser“ durchgeführt.

Um die Entwicklung interdisziplinärer Strategien zur Verringerung der Stoffeinträge in die zur Trinkwassergewinnung genutzten Gewässer anzustoßen, war ein Thema dieser viel beachteten Tagung. Fachleute aus den unterschiedlichen Bereichen, wie zum Beispiel aus der Pharmaindustrie, der Veterinärmedizin, dem Gesundheitswesen und der Wasserversorgung, stellten ihre Position dar und benannten eigene Handlungsspielräume.

Meine Damen und Herren, diese Fachtagung war eine Auftaktveranstaltung auch für Minimierungs

strategien bei uns in Nordrhein-Westfalen. Das Umweltministerium, unterstützt von der Trinkwasserkommission Nordrhein-Westfalen, übernimmt die Koordinierung aller Maßnahmen und Aktionen und sichert die Aufrechterhaltung des Dialogs mit den einzelnen Interessengruppen zu. Im Januar werden hierzu gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium weitere Gespräche stattfinden, die diesen Prozess voranbringen werden.

Eine vorsorgende Umweltpolitik, für die die Landesregierung steht, packt die Probleme bei der Wurzel. Nach diesem Grundsatz muss die Minimierung von Schadstoffen deshalb an der Quelle ansetzen. Das gilt für die Produktion von Arzneimitteln und von chemischen Stoffen, ebenso für die Verwendung vermeidbarer Einträge. Nicht vermeidbare Einträge müssen mit Hilfe technischer Maßnahmen reduziert werden.

Hauptemittenten von arzneistoffhaltigen Abwässern sind hierbei Haushalte, gefolgt von Krankenhäusern. Das ist die Reihenfolge. Ich glaube, das ist bei diesem Thema wichtig. Jetzt geht es um den Einsatz von innovativer Technologie, was wir mit unserem Investitionsprogramm Abwasser in Nordrhein-Westfalen auf den Weg bringen.

Beispielhaft möchte ich hier auf das von Ihnen im Antrag erwähnte und vom MUNLV geförderte Pilotprojekt am Kreiskrankenhaus in Waldbröl zu sprechen kommen. – Herr Abgeordneter Ellerbrock hat das Thema angesprochen –, in dem erstmals eine Abwasserbehandlungsanlage errichtet wurde, die Arzneimittel erfolgreich zurückhält. Begleitet wird diese Maßnahme von der RWTH Aachen, die zurzeit in einer wissenschaftlichen Untersuchung Betriebsverhalten, Effizienz und Kosten untersucht. Die Landesregierung wird diesen Ansatz der Vermeidung der Haupteinträge von Arzneimittelrückständen an Hotspots weiterverfolgen.

Meine Damen und Herren, wichtig ist natürlich auch die Information der Bevölkerung. Deswegen darf ich noch einmal auf die Informationskampagne der Landesregierung verweisen. Wir haben einen neuen Flyer aufgelegt. Er heißt „Alte Arzneimittel richtig entsorgen“ und informiert darüber, dass abgelaufene oder nicht mehr benötigte Arzneimittel entweder über die Restmülltonne zu entsorgen sind oder samt Verpackung in vielen Apotheken abgegeben werden können.

Meine Damen und Herren, wie wichtig Information ist, das gilt auch für die Forderung in dem Antrag der SPD-Fraktion, eine Bundesratsinitiative zu starten, die eine Umweltrisikobewertung von Arzneimitteln analog des PTB-Indexes in Schweden

beinhaltet. – Diese Umweltrisikobewertung wird bereits europaweit für Human- und Tierarzneimittel durchgeführt. Zuständig für die Bewertung in Deutschland ist das Umweltbundesamt.

Herr Minister.

Einen Satz noch, Herr Präsident.

Ja.

In dem Zusammenhang ist der eine Punkt noch besonders wichtig, wobei ich noch viel zu diesem Thema sagen könnte. Wir werden das im Ausschuss dann weiter vertiefen. Leider läuft die Redezeit davon.

Das von Ihnen angeführte Umweltrisikobewertungssystem in Schweden ist hiermit nicht direkt vergleichbar, Herr Dr. Karthaus. Es ist nämlich nicht mit der Zulassung von Arzneimitteln verknüpft. Es handelt sich vielmehr um ein Informationssystem für Verbraucher, Ärzte und Apotheker, die anhand dieses Bewertungssystems Umweltrisiken einschätzen können. Der im Antrag angesprochene PTB-Index wird mit Daten der pharmazeutischen Industrie oder aus selbst ermittelten Daten einer Stockholmer Behörde gespeist.

Deswegen ist das auch nicht mit anderen Bundesratsinitiativen oder mit einer möglichen Bundesratsinitiative der Landesregierung von NordrheinWestfalen vergleichbar. Sie sollte eine andere wissenschaftliche Grundlage haben. Die erarbeiten wir zurzeit.

Ich muss jetzt leider schließen. Ich würde gerne noch wichtige Punkte zu diesem in der Tat wichtigen Thema vortragen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und gehe davon aus, dass wir das Thema intensiv im Ausschuss besprechen werden. Ich bedanke mich auch für den Antrag, den ich im Großen und Ganzen als Unterstützung der Politik der Landesregierung verstanden habe, Herr Dr. Karthaus.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/5778 an den Ausschuss für Umwelt

und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz – federführend – sowie an den Ausschuss für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie. Die abschließende Beratung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe auf:

7 Hochschulmedizingesetz (HMG)

Gesetzentwurf