Protocol of the Session on December 5, 2007

Ich weiß, dass es sehr wenige sind.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Wir haben kei- ne!)

Aber Frau Steffens, wir müssen doch dazu kommen, dass sich Kinder- und Jugendhilfe auf diese neue Aufgabe einstellt, gerade Mädchen, die von Zwangsverheiratung bedroht sind, Hilfe anzubieten. Das muss flächendeckend gelingen. Das, was die Koalitionsfraktionen hier beantragt haben, ist ein Einstieg genau in dieses Thema.

(Beifall von der FDP)

Wir sind immer noch unzufrieden mit der Frauenerwerbsquote in Nordrhein-Westfalen. Wir wissen, dass wir uns auch da in den hinteren Rängen der deutschen Bundesländer bewegen. Deshalb wollen wir auch hier Bewährtes mit Innovation verbinden.

Der Haushalt des nächsten Jahres hat drei Ziele: mehr Frauen für technische Berufe sowie für die Forschung zu gewinnen, den Anteil an Führungsfrauen und Unternehmerinnen zu erhöhen und den Wiedereinstieg in das Berufsleben zu erleichtern.

Der Spruch „Mädchen sind schlau, aber Jungen machen Karriere“, wie ihn eine Studie Anfang September noch einmal unterstrichen hat, darf in Nordrhein-Westfalen nicht gelten. Deshalb gibt die nordrhein-westfälische Landesregierung in Sachen beruflicher Gleichstellung auch im Jahre 2008 mit insgesamt 2,2 Millionen € Geld, um diese Potenziale zu wecken.

Frau Pieper-von Heiden hat es bereits gesagt: Frauenpolitik steht auch heute unter neuen Herausforderungen: Auf die Frauen mit Zuwanderungsgeschichte, die ein Viertel der Frauen in unserem Land ausmachen, hat noch nie jemand in dem Maße den Blick gerichtet, wie wir das mit dem neuen Haushalt tun: Wir werden – zusammen mit EU-Mitteln – 400.000 € bereitstellen, um die sogenannte erste Schwelle bei der beruflichen

Orientierung zu überwinden und auch hier Chancen zu geben.

Sie sehen, wir führen Bewährtes fort, aber wir haben auch neue Ideen, die zu den großen gesellschaftspolitischen Aufgaben, zum demografischen Wandel und zur Integrationspolitik gehören. Das ist unser Verständnis von Frauenpolitik, einer Querschnittspolitik für alle Frauen in diesem Land – übrigens auch für Landfrauen, Frau Kieninger –, die gleichberechtigt an dieser Gesellschaft teilhaben sollen.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Laschet. – Ich sehe zum Teilbereich Frauen keine weiteren Wortmeldungen.

Wir kommen zum Teilbereich „Integration und Eine-Welt“.

Frau Tillmann von der SPD-Fraktion hat sich gemeldet. Bitte schön.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Genug ist nie genug – dieser Satz scheint für den Fachbereich Integration nicht zu gelten. Für CDU und FDP scheint das Ende der Fahnenstange im Haushaltskapitel „Integration Zugewanderter“ erreicht. Die Haushaltsansätze von 2007 wurden für 2008 übernommen, und gut ist es. Selbst Änderungsanträge von uns, die keinen Cent mehr gekostet hätten als bereits im Haushalt veranschlagt, wurden abgelehnt.

Damit jeder weiß, wovon ich rede: Unser Vorschlag war, dass die nicht verausgabten Mittel bei den Kostenpauschalen gemäß § 9 Abs. 2 und § 10a Landesaufnahmegesetz in die Titelgruppe „Integrationsförderung Zugewanderter“ fließen können sollten. Das hätte zur Folge gehabt, dass die Integrationsmaßnahmen für schon länger hier lebende Menschen mit Migrationshintergrund gegebenenfalls hätten ausgebaut werden können.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, Sie waren noch nicht einmal bereit, ernsthaft über diese Möglichkeit nachzudenken. Anscheinend lautete der Marschbefehl: Egal, welche Vorschläge von der Opposition kommen, mögen sie noch so sinnvoll, kostenneutral und mit Deckungsvorschlägen hinterlegt sein, sie werden grundsätzlich abgelehnt. Dieser Eindruck ist zumindest bei mir entstanden. Solche Verhaltensweisen bescheinigen mangelnde Souveränität.

Viel schlimmer aber ist: Sie werden dem Anliegen nicht gerecht. Wir haben diesen Antrag nicht ge

stellt, um mal mit einem Antrag mehrheitsfähig zu werden, sondern weil wir das Anliegen nach vorn bringen wollten. Bisher haben wir fraktionsübergreifend versucht, den größtmöglichen gemeinsamen Nenner im Bereich der Integrationspolitik in Nordrhein-Westfalen zu finden. Der „Aktionsplan Integration“ ist von allen Fraktionen hier im Hause mitgetragen worden.

Doch die besten Aktionspläne und ein noch so fortschrittlicher Integrationsminister – ich sage das an dieser Stelle ohne Häme und auch ohne, dass es ein vergiftetes Lob sein soll – nutzen nichts, wenn sich nicht in den Köpfen von Politikerinnen und Politikern auf Bundesebene, Landesebene, Kommunalebene und auch bei den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland etwas ändert.

Es nutzt nichts, wenn Sie von der positiven Vielfalt sprechen, die Migrantinnen und Migranten mitbringen, diese Vielfalt aber nicht fördern oder nur zum Teil, zum Beispiel durch die gezielte Förderung der Mehrsprachigkeit in den Sprachen der Herkunftsländer.

Es nutzt auch nichts, wenn auf der einen Seite Herr Minister Laschet von Deutschland als Einwanderungsland spricht, gleichzeitig aber auf dem CDU-Parteitag Deutschland als Integrationsland bezeichnet wird. Es nutzt nichts, wenn wir Deutschland als Einwanderungsland bezeichnen, gleichzeitig aber nicht daran arbeiten, auch tatsächlich eine Einwanderungsgesellschaft zu werden.

Es nutzt auch nichts, wenn Herr Ministerpräsident Rüttgers feststellt – was ich übrigens sehr positiv fand –, die Festlegung der Höhe von Moscheen ergebe keinen Sinn; die Muslime, die zu uns kämen, hätten ein Anrecht auf würdige Gotteshäuser. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite aber erhielt die Kanzlerin Applaus, als sie sagte: Wir müssen darauf achten, dass Moscheekuppeln nicht demonstrativ höher gebaut werden als Kirchtürme. Gleichzeitig stoppen CDU-Politikerinnen und -Politiker in Köln einen Moscheebau, dem sie erst einmal offen gegenübergestanden haben.

Es nutzt nichts, wenn Sie von der Bereicherung unserer Gesellschaft durch Migrantinnen und Migranten sprechen, gleichzeitig aber das Wahlrecht an die deutsche Staatsbürgerschaft koppeln und bereits beim kommunalen Wahlrecht für nicht EU-Bürgerinnen und -Bürger Bedenken haben, weil Gefahren drohen könnten.

Parteien und Fraktionen können durchaus unterschiedlicher Auffassung sein. Sie dürfen aber nicht in sich widersprüchlich sein, denn dies verunsichert Menschen. Da haben Sie, meine Da

men und Herren von der CDU, noch enormen Klärungsbedarf. – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Tillmann. – Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Solf das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Tillmann, ich habe leider nur fünf Minuten und muss für den Haushalt reden. Auf alles andere, was Sie gesagt haben, komme ich gerne bei anderer Gelegenheit zurück; denn in manch einem Punkt stimme ich Ihnen durchaus zu.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Politikfeld der Integration entscheidet sich die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft. Deshalb hat die Koalition der Erneuerung den Anspruch, Integrationspolitik lebendig und zukunftsfest zu gestalten. Dies zeigt sich nicht nur durch den bereits im Juni des letzten Jahres auf den Weg gebrachten Aktionsplan, es spiegelt sich auch im vorliegenden Haushaltsentwurf des Einzelplans 15 wider. Ich zeige Ihnen einige wesentliche Aspekte auf:

Erstens. Auch 2005 unterstützen wir mit dem schon während Ihrer Regierungszeit begonnenen Programm „KOMM-IN NRW“ Städte, Kreise und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen bei der Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes und der Verbesserung ihrer kommunalen Integrationsbemühungen mit erneut 3,3 Millionen €.

Zweitens. Genau wie 2007 stellen wir auch in den Haushalt 2008 erneut 2,2 Millionen € zur Unterstützung der wegweisenden regionalen Arbeitsstellen zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien ein. Wir wollen diese regionalen Arbeitsstellen zu einem landesweiten Netzwerk „Integration durch Bildung“ weiterentwickeln und so eine Flächenwirkung für ganz NRW erzielen.

Drittens. Mit den erneut fast 7 Millionen € für die Arbeit der Integrationsagenturen gewährleisten wir eine qualitativ hochwertige, nachholende und weiterführende Integration der bereits länger hier lebenden Menschen mit Zuwanderungsgeschichte.

Darüber hinaus haben die Koalitionsfraktionen im Zuge der Haushaltsberatungen entschieden, noch einmal einen besonderen Akzent im Bereich der Förderung der Integration Zugewanderter zu setzen. Mit der zusätzlichen Erhöhung der entsprechenden Titelgruppe 68 des Kapitels 15 060 um

weitere 200.000 € wollen wir zwei Dinge erreichen:

Zum Ersten wird die strukturelle Öffnung der Betriebskostenförderung für Migrantenselbstorganisationen ermöglicht. Wir wollen so deren Arbeit nachhaltig verbessern. Durch die Erhöhung können über das bestehende Förderspektrum hinaus innovative und wegweisende Integrationsprojekte mit Modellcharakter finanziert werden. Denkbar sind in diesem Kontext beispielsweise Maßnahmen zur Verbesserung der Emanzipation muslimischer Frauen und Mädchen, Maßnahmen zur Verbesserung der Altersheimversorgung für Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, Maßnahmen zur Gewaltprävention und integrationsfördernde Sportprojekte.

Zum Zweiten soll mit den zusätzlichen Mitteln der Dialog mit den Muslimen in unserem Land verstärkt werden. Wir wollen das Entstehen einer repräsentativen Vertretung der Muslime in unserem Land positiv begleiten. Die zusätzlichen Mittel sollen für den Aufbau einer Beratungs- und Servicestelle zur Unterstützung der Organisationsentwicklung der in NRW lebenden Menschen muslimischen Glaubens zur Verfügung gestellt werden.

Ich fasse zusammen: Auch im Bereich der Integrationspolitik setzen wir die richtigen Schwerpunkte.

Gleiches gilt für die Entwicklungspolitik. Nordrhein-Westfalen kann mit Fug und Recht als das Nord-Süd-Land der Bundesrepublik Deutschland bezeichnet werden. Mit der Unterzeichnung des Partnerschaftsabkommens mit Ghana im November dieses Jahres haben wir diesen Anspruch untermauert. Ich danke in diesem Kontext ganz besonders dem Kollegen Chris Bollenbach.

Auch der Haushaltsentwurf 2008 zeugt von unserem Gestaltungswillen. So stellen wir erneut 800.000 € für das rundum erneuerte Koordinatorenprogramm zur Verfügung. Damit ist erstmals die landesweite Vermittlung entwicklungspolitischer Bildungsarbeit sichergestellt.

Im Haushaltsentwurf 2008 stehen erneut Mittel für Zuschüsse zur entwicklungspolitischen Informations- und Bildungsarbeit, und erneut sind 100.000 € zur Stärkung des deutschlandweit einzigen Standortes der Vereinten Nationen in Bonn eingestellt. Die Anfang November dieses Jahres erstmalig ausgerichtete Bonner Konferenz für Entwicklungspolitik zeigt, dass wir hier auf einem guten Weg sind.

Unter dem Strich: Auch im Bereich der Integrations- und Entwicklungspolitik beraten wir eine soli

de und seriös gerechnete Vorlage. Ich bitte um Ihre Zustimmung. – Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Solf. – Für die FDP-Fraktion spricht jetzt Herr Abgeordneter Lindner.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen, meine Herren! Es ist der Landesregierung und den Koalitionsfraktionen trotz der notwendigen und immer noch nicht abgeschlossenen Haushaltskonsolidierung gelungen, den Ansatz für das Politikfeld Integration und Entwicklungszusammenarbeit zu überrollen. Dieser Haushaltsentwurf sowie die Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen zeigen, dass wir unsere ehrgeizigen Ziele, die wir in diesem Politikfeld formuliert haben, im Haushalt konsequent abbilden. Ich möchte das an vier Punkten unterstreichen:

Erstens. Wir verstärken die Mittel dort, wo die Basis für Teilhabegerechtigkeit gelegt wird. Das ist – wir haben eben im Teilbereich „Generationen und Familie, Kinder und Jugend“ darüber sprechen können – der Bereich der Sprachförderung. Hier stehen unterdessen viermal so viel Mittel für die Verbesserung der Bildungschancen von Kindern aus Zuwanderungsfamilien zur Verfügung, als das zu rot-grüner Verantwortungszeit der Fall gewesen ist.

Zweitens. Wir gehen notwendige Strukturveränderungen an, selbst wenn das mitunter schmerzlich ist und auf den Widerstand organisierter Einzelinteressen stößt. Beispielsweise sind die Zuwandererzahlen seit Jahren rückläufig. Gleichwohl hat die rot-grüne Vorgängerkoalition nicht reagiert und die Landesstelle Unna-Massen als eine Art Sparschwein weiter finanziert. Wir gehen mit Veränderungen eine haushaltspolitisch erforderliche Richtungsänderung an. Erst jetzt, bei Beratung dieses Haushalts, kommen Sozialdemokraten auf die Idee, die Gelder für die Landesstelle Unna-Massen zugunsten der sogenannten nachholenden Integration umzuwidmen. Das allerdings haben wir bereits mit Beginn der Regierungsübernahme in Nordrhein-Westfalen eingeleitet. Da kommen Sie sehr spät. Hier rollt der Zug schon. Sie dürfen gerne aufspringen, aber er rollt schon.

Drittens. Wir machen aus Betroffenen Beteiligte. Unter Schwarz-Gelb ist es gelungen, eine interfraktionelle Arbeitsgruppe einzurichten, die die islamischen Vertreter auf dem Weg begleitet, eine repräsentative Vertretung der Muslime in unserem Land zu etablieren. Neben der ideellen Hilfe sol

len 50.000 € bereitgestellt werden, um den organisatorischen Aufbau dieser Repräsentanz zu unterstützen. Ich freue mich ausdrücklich – das muss man trotz aller Gegnerschaft im Landtag sagen dürfen –, dass die Grünen diesem Vorschlag im Haushalts- und Finanzausschuss zugestimmt haben. Leider hat es die Sozialdemokratie nicht vermocht, über ihren Schatten zu springen. Das ist sehr bedauerlich.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Im Haus- haltsausschuss haben auch Ihre Leute da- gegen gestimmt!)