Protocol of the Session on December 5, 2007

Für viele Funktionäre ist es ein Dilemma: Auf der einen Seite müssen sie mit denen sprechen – namentlich Herrn Stahl, der gerade nicht hier ist, und Frau Kastner, die Gott sei Dank da ist –, die ihnen das Wasser abtragen. Schließlich will man verhindern, dass es noch schlimmer wird. Man muss freundlich mit ihnen umgehen. Auf der anderen Seite wurden Versprechungen nach der Wahl nicht gehalten. Man spricht mit der Faust in der Tasche mit ihnen.

Nach meiner Wahrnehmung ist das Schlimmste für alle an der Kinder- und Jugendarbeit Beteiligten aber, mit welcher Arroganz die Landesregierung über die Volksinitiative und die im letzten Jahr vorgenommene Sammlung von 500.000 Unterschriften hinweggegangen ist.

(Beifall von Angela Tillmann [SPD])

20 Millionen € kann man nicht kompensieren. Das Angebot der offenen Jugendarbeit in NordrheinWestfalen wird weniger. Das haben Jürgen Rüttgers und seine Besitzstandswahrer hier zu verantworten, meine Damen und Herren.

(Minister Armin Laschet: Das stimmt doch gar nicht! Die Einrichtungen bekommen doch mehr als vorher!)

Sehr geehrter Herr Laschet, Sie werden niemals Partner dieser Menschen werden – nicht wirklich Partner. Das haben Sie sich mit den voreiligen Pressemitteilungen der CDU und den ganzen Versprechen gründlich verdorben.

Fazit: Der vorgelegte Haushalt macht deutlich: Die Probleme von Familien und Kindern sind nicht Schwerpunkt dieser Landesregierung.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Soziale Gerechtigkeit oder gar Zugangsgerechtigkeit zu Einrichtungen und Schulen ist nicht gewollt – ganz im Gegenteil. Es ist ein Haushalt, den wir aus tiefster Überzeugung ablehnen. Kinder sind in Nordrhein-Westfalen nach wie vor der häufigste Armutsgrund. Die Kinder leiden am meisten unter dieser Armut.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Dieser Haushalt manifestiert diese bittere Entwicklung, und deshalb werden wir dagegen stimmen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Jörg. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der CDU Kollegin Kastner das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Jörg, mir geht es selbstverständlich etwas anders als Ihnen. Wir werden diesem Haushalt im Einzelplan 15 – Generationen, Familie, Kinder und Jugend – aus vollem Herzen zustimmen, weil er genau das widerspiegelt, was wir vor der Wahl versprochen haben, nämlich Prioritäten für Kinder und Jugendliche zu setzen.

(Beifall von der CDU – Andrea Asch [GRÜ- NE]: Das glaubt Ihnen keiner mehr!)

Nordrhein-Westfalen braucht starke Familien, und wir brauchen auch die notwendigen Rahmenbedingungen. Angefangen bei den ganz Kleinen mit der Weiterentwicklung der Frühwarnsysteme bis zum Landesjugendplan – darauf werde ich gleich noch zurückkommen –, haben wir durchaus Akzente gesetzt, die wir auch im Haushalt finden werden.

Noch eine Zwischenbemerkung, Herr Jörg: Ich bin der Meinung, dass auch Kinder Kultur brauchen. Das gehört ebenfalls zur Entwicklung der Kinder und liegt nicht abseits,

(Beifall von der CDU)

dass auch sie ein kulturelles Angebot bekommen. Deshalb bin ich sehr dafür, das Kulturprogramm gerade im Sinne von Kindern aufzustocken. Ob Musik oder Singen, all das ist eine notwendige Weiterentwicklung von Bildung für Kinder, die sie sonst – gerade in bildungsfernen Elternhäusern – nicht bekämen.

Für den Bereich der frühkindlichen Bildung stehen im kommenden Jahr insgesamt 969 Millionen € zur Verfügung. Das sind, Herr Jörg, auf jeden Fall schon einmal 10 Millionen € mehr, als Sie in Ihren Ausführungen angegeben haben. Im Übrigen ist das ein Plus von mehr als 10 %, verglichen mit dem vergangenen Haushaltsjahr. Das ist trotz der Haushaltskonsolidierung ein beachtlicher Sprung und drückt die von mir eingangs erwähnte Prioritätensetzung aus.

Mit dem KiBiz, das zum 1. August 2008 in Kraft treten wird, kommt es im kommenden Jahr zu einem Wechsel der Förderstruktur gegenüber dem jetzt geltenden Gesetz. Hierüber haben wir uns lang und ausgiebig auseinandergesetzt. Die Umwandlung bezieht sich auch auf die Sprachförderung und die finanzielle Förderung von Familienzentren. Im Übrigen, Herr Jörg, ist das ein sehr wichtiger Punkt, um gerade Kinder und Elternhäuser zu erreichen, die vielleicht Schwierigkeiten haben. Einschließlich dieser Veränderungen sprechen wir von einer Erhöhung von 140 Millio

nen € allein für den Bereich der frühkindlichen Bildung.

Das überaus erfolgreiche Konzept der Familienzentren, das wir bereits 2005 mit einer parlamentarischen Initiative angeregt haben, werden wir auch im kommenden Jahr weiter ausbauen. Fraktionen in anderen Bundesländern wollen das Konzept übernehmen, so beispielsweise in SchleswigHolstein die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die dazu einen Antrag eingebracht hat. Die Abgeordnete Monika Heinold hat in der Plenardebatte am 11. Oktober 2007 ausgeführt: Nordrhein-Westfalen hat gezeigt, welche Dynamik entsteht, wenn sich eine Landesregierung um die Weiterentwicklung von Kindertagesstätten kümmert.

Ich sage: Es ist gut, dass diese Dynamik entstanden ist und dass das Land die Bereitschaft der Kindertageseinrichtungen, der Erzieherinnen und Erzieher, sich weiterzuentwickeln, unterstützt.

Nachdem wir seit wenigen Monaten in NordrheinWestfalen über 1.000 Familienzentren mit niederschwelligen Angeboten für Familien verfügen, wollen wir dieses Angebot 2008 auf 1.500 Familienzentren ausdehnen. Mit jeweils 1.000 € pro Monat allein für die Koordinationsaufgaben wird die Arbeit der Familienzentren auch in Zukunft durch Landesmittel gefördert. In § 21 Abs. 3 des Kinderbildungsgesetzes haben wir diese finanzielle Förderung festgeschrieben.

Die Weiterentwicklung der Kindertageseinrichtungen zu Familienzentren haben wir weitgehend auch dem hohen Engagement der Erzieherinnen und Erzieher zu verdanken. Ich möchte an dieser Stelle hierfür noch einmal Danke sagen, dass dieses große Engagement auch in der ersten Phase ohne finanzielle Unterstützung erfolgt ist.

(Beifall von der CDU)

Im Gegensatz zu Ihren jährlichen Kürzungsorgien in der Vergangenheit können wir im nächsten Jahr die Einrichtungen der Familienhilfe und Familienbildung weiter auf gleich hohem Niveau fördern.

Die Kooperation der Kindertageseinrichtungen mit diesen Einrichtungen im Rahmen der Weiterentwicklung zu Familienzentren führt dazu, dass Familien frühzeitig erreicht und viel zielgerichteter unterstützt werden können. Im Zusammenhang mit dem weiteren Ausbau der Familienzentren in den kommenden Jahren werden wir darauf achten, wie sich die Weiterentwicklung der Tageseinrichtungen auf die kooperierenden Einrichtungen und deren Inanspruchnahme auswirken wird.

Mit der verpflichtenden Sprachstandsfeststellung im vierten Lebensjahr und einer frühzeitig einset

zenden kontinuierlichen Sprachförderung legen wir den Grundstein für frühkindliche Bildung und ein erfolgreiches schulisches Lernen. Das gilt ganz besonders für Familien, in denen Bildung nicht oben auf der Tagesordnung steht.

Das ist ein Baustein, um dem nachzukommen, was die OECD in der letzten PISA-Studie für Deutschland als Notwendigkeit angesehen hat. Wir sind in Nordrhein-Westfalen bereits auf diesem Weg. Insgesamt 28 Millionen € stellen wir im kommenden Haushaltsjahr für diesen Bereich zur Verfügung, ein beachtlicher Posten, der die Startchancen aller Kinder in Nordrhein-Westfalen unabhängig von deren Herkunft verbessern soll. Damit machen wir Sprachförderung weit über das Normalmaß hinaus.

Auch hier haben wir Wert darauf gelegt, die finanzielle Förderung im Kinderbildungsgesetz zu verankern. Nur über diesen Weg kommen wir zu einem Anspruch auf Sprachförderung. Das ist deutlich mehr und viel weitgehender als all das, was Sie in den vergangenen Legislaturperioden angedacht haben.

Mit dem Inkrafttreten des Kinderbildungsgesetzes im kommenden Jahr kommt es erstmals zu einer finanziellen Förderung der Tagespflege. 13 Millionen € stehen hierfür im kommenden Haushaltsjahr zur Verfügung – Geld, das zur Qualifizierung und Absicherung der Tagesmütter und -väter dienen soll. Jeder Platz in der Kindertagespflege wird in Zukunft mit dem Inkrafttreten des Kinderbildungsgesetzes erstmalig mit 725 € jährlich aus Landesmitteln gefördert. Das ist eine deutliche Aufwertung dieser Betreuungsform, die gerade für die Betreuung von jungen Kindern aufgrund familienähnlicher Strukturen besonders geeignet ist. Wir haben gemeinsam mit unserem Koalitionspartner in einer parlamentarischen Initiative für die gesetzliche Verankerung gesorgt.

Der Ansatz beim Kinder- und Landesjugendförderplan liegt für 2008 wie bisher bei 75,2 Millionen €. Dazu kommen noch 4,5 Millionen € für die Jugend in sozialen Brennpunkten. Seit Übernahme der Regierungsverantwortung gewährleisten wir damit bis zum Jahr 2010, was die Jugendverbände und alle in der Jugendarbeit Tätigen schmerzlich vermisst haben nach dem Motto, Herr Jörg: Wer hat es getan? – Wir haben es getan! Bis zum Jahr 2010 werden die offene Kinder- und Jugendarbeit, die Verbandsarbeit, die Jugendsozialarbeit und die kulturelle Kinder- und Jugendarbeit aus dem Landesjugendplan verlässlich gefördert. Die Mittel stehen in vollem Umfang zur Verfügung und können auch übertragen werden.

Bei der Generationen- und Seniorenpolitik bleibt es beim gleichen Ansatz wie 2007. Neben der klassischen Seniorenpolitik stehen dabei Fragen des Miteinanders der Generationen im Mittelpunkt. Dieses Thema haben wir gemeinsam mit unserem Koalitionspartner in der Initiative „Jung und Alt in den Städten und Gemeinden Zukunftskonzepte für ein neues Zusammenleben der Generationen in Nordrhein-Westfalen“ ausgearbeitet.

Mit dem Generationengipfel am 14. Dezember im Düsseldorfer Landtag nimmt die Umsetzung dieser Idee in Kürze erste konkrete Formen an. Beispielhafte Zukunftsprojekte für ein Miteinander zwischen Jung und Alt erhalten Gelegenheit, sich vorzustellen. In einer älter werdenden Gesellschaft mit sinkenden Kinderzahlen ist dies eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe, die wir weiter fortführen wollen.

Lassen Sie mich abschließend feststellen: Die Schwerpunktsetzung der Landesregierung und der Regierungsfraktionen bei der frühkindlichen Bildung und die deutliche Abgrenzung gegenüber der Politik der rot-grünen Landesregierung wird auch außerhalb des Landtags deutlich wahrgenommen. So heißt es beispielsweise in den „Aachener Nachrichten“ vom 13. November 2007 in einem Artikel zur Schulpolitik:

„Auf keinem Feld nämlich hat die Regierung Rüttgers mehr investiert als in die Erziehung.“

(Beifall von Walter Kern [CDU])

„Die frühkindliche Bildung … war von der rotgrünen Vorgängerregierung ebenso stiefmütterlich behandelt worden wie die personelle Ausstattung der Schulen.“

Frau Kraft redet immer davon, wir würden eine unsoziale Politik auf dem Rücken der Kinder machen.

(Andrea Asch [GRÜNE]: Genau! Recht hat sie! – Gegenruf von Ralf Witzel [FDP])

Der Kommentar sieht das wohl nicht so!

Wir wollen den erfolgreichen Weg einer Politik für Kinder und Familien weitergehen. Deshalb werden wir diesem Einzelplan 15 mit Freuden zustimmen.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Kastner. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Kollege Lindner das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Haushaltsberatungen im Bereich Kinder, Jugend und Familie sind in den letzten Jahren ruhiger geworden. Ich erinnere mich gut, dass es in der vergangenen Wahlperiode zahllose Sitzungen und Gespräche mit Fachverbänden gegeben hat. In diesen Gesprächen wurde uns als Oppositionspolitikern, aber genauso auch den Politikern der Regierungsseite vorgetragen, wie groß die Befürchtungen seien, dass etwa wieder in die Förderung aus dem Landesjugendplan eingegriffen werden könnte.

In diesem Jahr gibt es Gespräche wie auch schon im vergangenen Jahr. Aber sie haben einen anderen Charakter. Es gibt allerdings weniger Gespräche und weniger Druck,

(Beifall von Walter Kern [CDU] – Zurufe von der SPD und von Sylvia Löhrmann [GRÜ- NE])

weil die wesentliche Leistung dieser Koalition war, bis zum Jahr 2010 den Verbänden Planungssicherheit zu geben. Diese Planungssicherheit, meine Damen und Herren, erlaubt es den Beschäftigten in den Verbänden und in den Einrichtungen, sich auf das konzentrieren, was ihre vornehmste Aufgabe ist. Das ist nicht die Lobbyarbeit im Landtag, sondern das ist die pädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen vor Ort. Dafür haben sie jetzt den Freiraum, die Zeit und die Sicherheit.