Protocol of the Session on December 5, 2007

(Minister Armin Laschet: Wo denn?)

Sie geben zum Beispiel mehr Geld für die Landwirtschaftskammern aus. Die entsprechenden Mittel haben Sie um 20 Millionen € aufgestockt. „Rinder statt Kinder“ ist ja damals zu Recht gesagt worden. Das war Ihre erste Maßnahme. Jetzt geben Sie Geld für Subventionen für den Flughafenausbau aus. Herr Rüttgers sitzt ja auch hier. Ich weiß gar nicht, wie viele Redenschreiber Herr Rüttgers mittlerweile beschäftigt. Herr Rüttgers, eigentlich müssten Sie ständig am Redepult stehen, weil Sie so viele Redenschreiber haben. Ich glaube, mittlerweile sind es sechs. Die Stellen haben Sie, glaube ich, um drei oder vier aufgestockt.

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

Auch das ist Ihre konkrete Politik.

Vielen Dank, Herr Kollege Sagel. – Weitere Wordmeldungen liegen mir nicht vor, sodass wir am Schluss der Beratung zum Einzelplan 12 in Verbindung mit dem Einzelplan 20 sind. Abstimmungen finden ja in der Zeit zwischen 12:30 Uhr und 14 Uhr nicht statt, sodass wir erst später abstimmen lassen.

Ich rufe den Einzelplan 15

Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration

mit den Teilbereichen „Generationen und Familie, Kinder und Jugend“, anschließend „Frauen“ und danach „Integration und Eine-Welt“ auf.

Ich weise auf die Beschlussempfehlung in der Drucksache 14/5515, die Änderungsanträge der Fraktion der SPD und die Änderungsanträge der

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Ihnen vorgelegt mit den laufenden Nummern 14 bis 29 als Tischvorlage, hin.

Ich eröffne die Beratung zum Teilbereich „Generationen und Familie, Kinder und Jugend“.

Zunächst erteile ich dem Kollegen Jörg für die Fraktion der SPD das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das geschwätzige „Wir tun mehr für Kinder“ dieser Landesregierung wird durch den vorliegenden Haushalt ad absurdum geführt. Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Seit 2005 ist kein einziger Cent mehr für Kinder in unserem Land ausgegeben worden. Im Jahre 2005 standen für das GTK, für die Sprachförderung und für die Sprachstandserhebungsverfahren fast 958 Millionen € zur Verfügung. Der heutige Haushaltsentwurf umfasst rund 10 Millionen € mehr.

Verbunden damit sind allerdings erhebliche zusätzliche Aufgaben: die Förderung der Familienzentren, die Förderung der Tagespflege, die Zuschüsse für eingruppige Einrichtungen, um einige wichtige Bereiche zu nennen. Deshalb steht im Vergleich zu den Aufgaben 2008 deutlich weniger für die Tageseinrichtungen zur Verfügung als 2005. Weniger und nicht mehr!

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Nur: Es gibt mehr Geschwätzigkeit, was man alles für Kinder tun will. Besonders bedrückend ist der vorliegende Haushalt unter dem Gesichtspunkt, dass sich die Situation für viele Kinder in den letzten Jahren verschlechtert hat. Niedrige Löhne und schwierige Lebensbedingungen führen dazu, dass sich Eltern immer weniger und nicht immer optimal um ihre Kinder kümmern können.

Hinzu kommt die bittere Erkenntnis, dass immer mehr Kinder in Armut leben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir leben in einer der reichsten Gesellschaften auf dieser Welt. Umso unerträglicher ist die Einsicht, dass jedes fünfte Kind hier in Armut leben muss.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Doch wir als Politiker können die Lebensbedingungen für diese Kinder verändern. Wenn wir das wirklich wollen, können wir dafür sorgen, dass sie zumindest eine Chancengleichheit im Bildungsbereich bekommen. Über den Weg einer guten Bildung erschließen sich soziale Aufstiegschancen. Nur so können wir den Teufelskreis von Armut

durchbrechen. Denn diese Kinder sind nicht dümmer oder schlauer als Kinder aus reichen Familien. Wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, können die Rahmenbedingungen verbessern, unter denen diese Kinder groß werden.

Das funktioniert aber nicht, indem wir das Kindergeld anheben oder andere Transferleistungen beliebig nach oben schrauben. Diese Gelder landen leider nicht immer beim Kind. Ich füge hinzu: Selbst bei deutlicher Erhöhung der Transferleistungen könnten die strukturellen Nachteile der Kinder aus ärmeren Verhältnissen nicht aufgefangen werden.

Wir können diesen Kindern nur helfen, indem wir die Angebotspalette ihrer Betreuungseinrichtungen stärken und diese Einrichtungen in die Lage versetzen, allen Kindern das notwendigste Rüstzeug für einen guten Start in ein lebenslanges Lernen zu ermöglichen. Eltern brauchen in den Einrichtungen stabile Partner, mit denen sie ihre Probleme des Alltags meistern und gleichzeitig ihren Kindern einen möglichst optimalen Entwicklungsrahmen bieten können.

Wenn uns gemeinsam gegenwärtig ist, dass die Probleme der Kinder in den letzten Jahren größer geworden sind, dann müssen wir auch mehr dafür tun, dass diese Probleme aus dem Weg geräumt werden. Dieser Haushalt ist leider weit davon entfernt. Jürgen Rüttgers ist in Sachen Kinder für jedes Schwätzchen zu haben. Konkret wird die Situation der Kinder durch diesen Haushalt aber eher weiter geschwächt.

Eltern werden fast landesweit durch höhere Beiträge für die Tageseinrichtungen belastet.

(Minister Armin Laschet: Das stimmt doch gar nicht!)

Schon allein das ist ein Skandal; denn höhere Belastungen der Eltern treffen natürlich auch immer die Kinder.

Auf die Spitze wird diese Situation dadurch getrieben, dass Städte mit schwächeren Sozialstrukturen – dort sind die bereits genannten niedrigen Löhne häufiger anzutreffen – aufgrund ihrer schwachen Haushaltslage die Elternbeiträge besonders anheben müssen. Auf gut Deutsch: Die Familien, denen es sowieso schon schlechter geht, werden durch die Landesregierung hier noch einmal besonders bestraft.

Hinzu kommt nun auch noch das sogenannte KiBiz. Daran ist schon genug Kritik formuliert worden; aber ich möchte es hier noch einmal hervorheben. In dieser für Kinder prekären gesellschaftlichen Situation schafft das KiBiz per Gesetz e

normen finanziellen Druck in unseren Einrichtungen. Dies wird sich erheblich auf die Qualität der Arbeit in den Einrichtungen auswirken – und ein Qualitätsverlust in den Einrichtungen trifft Kinder mit einem höheren Förderbedarf immer härter als andere. Das KiBiz ist wirklich ein kinder- und familienpolitischer Totalschaden; das sei hier noch einmal gesagt.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Mit diesen Mitteln werden Sie eine – jedenfalls von uns gewünschte – Chancengleichheit niemals erzielen. An dieser Stelle unterscheiden wir uns aber erheblich, glaube ich. Sie wollen diese Chancengleichheit nicht. Sie sind Besitzstandswahrer. Sie glauben, dass die Situation der armen Kinder Schicksal ist.

(Christian Lindner [FDP]: Ach!)

Wenn Sie etwas anderes glauben würden, lieber Christian Lindner, dann hätten Sie angesichts der Probleme nicht die Verdopplung des Kulturetats als Ziel in Ihre Koalitionsvereinbarung geschrieben, sondern die Verdopplung des Etats für unsere Kinder. Aber Sie wollen die Zusammenhänge zwischen guten Einrichtungen und einer damit verbundenen guten Bildungsperspektive nicht erkennen.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Sie leugnen sie geradezu. Deshalb setzen Sie auch so stark auf individuelle und private Lösungen.

(Minister Armin Laschet: Die Einrichtungen bekommen mehr Geld als bei euch!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der vorgelegte Haushalt zeigt, dass die Landesregierung viele neue Probleme in der Kinder- und Familienpolitik durchaus erkennt, aber nicht bereit ist, diesen Problemen sozial und vor allen Dingen gerecht zu begegnen. Stattdessen – ich muss es immer wieder sagen – werden Familien und Kommunen zusätzlich belastet.

(Minister Armin Laschet: Steigt der Etat, oder sinkt er?)

Und das werden Ihnen die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land nicht durchgehen lassen, sehr geehrter Herr Minister. Für diese geschwätzige unsoziale Politik werden Sie Ihre Quittung bekommen.

(Minister Armin Laschet: Gibt es mehr Geld oder weniger? Sagen Sie doch einmal!)

Denn Lügen tragen nicht weit, weil sie bekanntlich kurze Beine haben, Herr Minister.

Was haben Sie nicht alles versprochen! Der Landesjugendplan ist dafür immer wieder ein gutes Beispiel. 96 Millionen € haben Sie allen Trägern in die Hand versprochen. Und heute? Heute berufen Sie sich darauf, dass die Zahlungen an die Verbände garantiert werden; das an sich habe schon einen großen Wert.

(Minister Armin Laschet: Gibt es mehr Geld oder weniger Geld?)

Ich verkneife mir, hier ganz unparlamentarisch Klatsche zu verteilen, frage aber in Anlehnung an eine bekannte Fernsehwerbung: Die Zuverlässigkeit, wer hat’s gemacht? – Richtig, Herr Minister: Die SPD hat’s gemacht.

(Lachen von Marie-Theres Kastner [CDU])

Wir haben den Landesjugendplan zum Gesetz gemacht. Daraus hat sich die von Ihnen so beworbene Planungssicherheit ergeben. Das ist die Wahrheit.

Viel schlimmer ist aber, dass Sie die inhaltliche Diskussion um die Kinder- und Jugendarbeit nicht vorantreiben. Es gibt viele neue Herausforderungen. Zum Beispiel wäre die Landesregierung bei der Zusammenarbeit der Einrichtungen mit offenen Angeboten und unseren Ganztagsschulen gefragt. Mittlerweile sind Ganztagsschulen ja auch im schulpolitischen Entwicklungsland der Christdemokraten angekommen. Hier brauchen wir neue Angebote, die sich auf die veränderten Rahmenbedingungen einlassen.

Um eine stabile Persönlichkeit zu entwickeln, brauchen Jugendliche Angebote auch nicht schulischer Art. Deshalb können Schule und Schulpersonal die Herausforderung nicht alleine lösen. Die Kompetenz in den Schulen reicht dafür nicht aus. Hier brauchen wir den Sach- und Fachverstand der Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen in den Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit. Wir brauchen Angebote in Wohn- und Schulumfeld, bei denen die Jugendlichen selbstbestimmt ihre Interessen verfolgen und bei denen eben kein systematisches Lernen stattfindet.

An diesem Punkt haben wir Nachholbedarf. Doch die Antwort der Landesregierung ist in den Haushalt eingemeißelt: 20 Millionen € weniger als versprochen.

Gleichzeitig aber wachsen die Aufgaben. Das ist eine Zerreißprobe für alle Einrichtungen. Nicht alle werden diesen Sparhaushalt überleben.

Für viele Funktionäre ist es ein Dilemma: Auf der einen Seite müssen sie mit denen sprechen – namentlich Herrn Stahl, der gerade nicht hier ist, und Frau Kastner, die Gott sei Dank da ist –, die ihnen das Wasser abtragen. Schließlich will man verhindern, dass es noch schlimmer wird. Man muss freundlich mit ihnen umgehen. Auf der anderen Seite wurden Versprechungen nach der Wahl nicht gehalten. Man spricht mit der Faust in der Tasche mit ihnen.