Protocol of the Session on November 16, 2007

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Herr Brockes, hören Sie lieber zu! Sie haben eben so viel Unkenntnis gezeigt, als Sie geredet haben. Jetzt hören Sie lieber einen Moment zu!

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Auf die Kernfrage, wie Sie den Markt herstellen wollen, haben Sie keine Antwort gegeben.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Herr Brockes, ich kann Sie nicht verstehen und Sie dürfen leider auch keine Frage stellen. Ich würde Sie ja gerne fragen lassen, aber das dürfen Sie in der Aktuellen Stunde nicht.

(Dietmar Brockes [FDP]: Was ist denn mit Stromsteuern senken? – Carina Gödecke [SPD]: Dann tun Sie es auch!)

Sind Sie jetzt ruhig, wenn ich die Frage beantworte, damit ich dann weiter reden kann?

(Beifall von der SPD)

Ich antworte auf die Frage ja gerne, aber wir müssen hier doch irgendwie zu einer Verständigung kommen. – Der Präsident ist damit einverstanden.

Herr Brockes, ich teile nicht alle Auffassungen von Herrn Rhiel, um das ganz klar zu sagen. Wir sind auch nicht in einer Partei. Darum geht es auch gar nicht. Es geht um die Kernfrage, wie wir Markt im Energiebereich herstellen. Dazu hat Herr Rhiel einen Vorschlag gemacht.

Was die Frage nach den Steuern angeht, will ich Ihnen auch eine klare Antwort geben: Der Staat braucht Steuern, um seine Aufgaben zu erledigen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Tun Sie nicht so, als ob Sie als FDP keine Steuern brauchen würden! Man kann immer über die Höhe streiten. Aber dass der Staat nicht auf Energiesteuern verzichten kann, das wissen Sie ganz genau. Solange Sie in der Bundesregierung waren, haben Sie mit Ihren Wirtschaftsministern

Bangemann, Möllemann und wie sie alle hießen, auch die Steuern erhöht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Aber jetzt kommen wir auf die Kernfrage zurück, damit Sie mir nicht ausbüchsen. Auf die Frage, wie wir den Markt herstellen, gibt es bei Ihnen nur eine Antwort – das hat die Ministerin auch gesagt –: Das ist die Preisaufsicht. Das ist das einzige Instrument aus dem ganzen Katalog der Maßnahmen, das Sie an der Stelle akzeptieren. Weder ist Frau Kroes, die die Trennung von Netz und Betrieb vorschlägt, eine Grüne noch ist Rhiel ein Grüner noch ist die Monopolkommission, die „neue Kraftwerke durch neue Marktteilnehmer“ sagt, eine grüne Vereinigung. Sie haben nur der Stromaufsicht zugestimmt. Sie wissen aber ganz genau: Die Strompreisaufsicht …

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Ja, jetzt beim Bund soll sie wieder kommen, aber Sie haben nur diesem Instrument zugestimmt. Alle anderen haben Sie abgelehnt. Dieses Instrument taugt nicht – das wissen Sie ganz genau –, weil es nur bei Missbrauch greift, wenn die Preiserhöhung über 10 % liegt. Wenn sich die Konzerne – abgesprochen oder nicht abgesprochen – symmetrisch bewegen, dann – das wissen Sie ganz genau – greift es nicht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Insofern haben solche Debatten ja auch immer einen Sinn.

Der VIK, der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft, ist ja auch keine grüne Vereinigung. Dieser Verband hat jetzt in der Anhörung des Bundestages gesagt, 2005 sind industriellen und privaten Verbrauchern durch die Konzerne über 9 Milliarden € ungerechtfertigt aus der Tasche gezogen worden. Dass die Preistreiberei der Konzerne auf einen Mangel an Erzeugungskapazitäten zurückzuführen sei, wie Frau Thoben ausgeführt hat, habe ich noch nie gehört, noch in keiner Stellungnahme, in keiner Anhörung.

Ganz im Gegenteil: Wir sind zunehmend Stromexportland. Ich gucke mir das immer wieder an. Denn es kommt ja immer der Vorwurf, die Bundesrepublik importiere Atomstrom aus Frankreich, und die Grünen seien daran schuld. Wir waren über Jahre plus/minus null, die Bundesrepublik Deutschland war bei bestimmten Austauschen im Stromimport/-export immer null. Und seit einigen Jahren sind wir mit ganz deutlich zunehmender Tendenz Stromexportland.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es ist eine Kapazität von mindestens 4.000 oder 5.000 Megawatt.

Bundesminister Gabriel hat kürzlich in Krefeld in einer Diskussion um das neue Kraftwerk dort gesagt: Wir wollen Exportland werden, um Frankreich und Spanien, die Defizite haben, zu versorgen. Da gibt es eine ganz klare Tendenz. – Ich weiß auch, dass in diesem Jahr zeitweilig sieben Atomreaktoren stillgestanden haben, weil die Dinger nicht so zuverlässig sind, wie Sie immer meinen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Aber dass wir eine Mangelsituation hätten, ist bisher nirgendwo Teil der Debatte gewesen. Und ich habe mir alle Beiträge zur Anhörung in dieser Woche zum Bundesgesetz, zum Preismissbrauch sorgfältig durchgelesen. Die Argumente waren sehr, sehr interessant. Das müssten wir noch vertiefen. Deswegen ist es für mich ganz neu, dass das jetzt angeführt wird.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Mein Fazit ist: Ich sage heute gar nicht, dass wir den einen entscheidenden Baustein haben. Denn die Trennung der Netze und des Betriebes ist auch in der konkreten Umsetzung nicht einfach; das ist mir auch klar. Man muss den EUVorschlag gründlich diskutieren. Aber der Vorschlag der Monopolkommission, zeitlich befristet Neuen eine stärkere Chance zu geben, ist aus meiner Sicht am einfachsten umsetzbar. Auch den Vorschlag von Herrn Kollegen Rhiel muss man im Detail diskutieren. Man muss sich allerdings auf die Debatte einlassen. Und das ist es, was ich beklage,

(Beifall von den GRÜNEN)

dass Sie trotz all der konkreten Vorschläge keinen aus Nordrhein-Westfalen liefern, sondern sich praktisch hinter der untauglichen Regelung in § 29 bei Herrn Glos verstecken, von dem alle Experten in der Anhörung gesagt haben, er werde Marktneuzutritte verhindern, er werde sie nicht fördern, er werde neue Anbieter verhindern.

So, Kollege Priggen, jetzt müssen Sie doch langsam Schluss machen. Ich habe Ihnen etwas mehr Zeit gelassen, weil Sie einen privaten Disput mit dem Kollegen Brockes hatten, was in der Aktuellen Stunde eigentlich nicht zulässig ist. Aber jetzt müssen wir langsam Schluss machen.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und freue mich auf die weitere Debatte.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Priggen. – Jetzt hat Herr Abgeordneter Sagel das Wort. Bitte schön.

(Dietmar Brockes [FDP]: Jetzt kommt der andere Teil der Fraktion!)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich bei den Grünen für die Aktuelle Stunde bedanken. Ich habe als fraktionsloser Abgeordneter der Linken ja kein Antragsrecht für eine Aktuelle Stunde. Insofern finde ich es gut, dass Sie es hier gemacht haben.

(Dietmar Brockes [FDP]: Echt?)

Jetzt hat auch das Bundeskartellamt Alarm geschlagen. Was Verbraucherschützer, Umweltschützer, die Linke und auch Grüne hier immer wieder kritisiert haben, ist jetzt eingetreten. Es ist in der Tat nicht so, wie es hier dargestellt worden ist, dass nämlich Angst und Schrecken verbreitet werden, sondern das ist die Realität.

Herr Weisbrich, es geht hier auch nicht um Gefühle. Man muss vielmehr fragen: Was haben uns die neoliberalen Weltverbesserer gebracht? Abzocke an der Steckdose, Preisabsprachen, Manipulation! Das ist es, was wir hier erlebt haben.

Wir erleben genau das Gegenteil von Wettbewerb. Wir haben keine Kontrolle durch die öffentliche Hand. Wir haben hier in der BRD vier Besatzer: Das sind die vier großen Energiekonzerne. Sie haben ein Oligopol; man könnte auch sagen, dass sie regionale Monopole haben. Sie machen Milliardengewinne auf Kosten der Verbraucherinnen und Verbraucher.

Und was macht die NRW-Landesregierung? Die NRW-Landesregierung unterstützt dies massiv, indem sie jetzt auch noch den § 107 Gemeindeordnung ändert. Sie will, dass diese Marktmacht noch verstärkt wird und dass die Stadtwerke in ihren Möglichkeiten beschnitten werden.

(Minister Andreas Krautscheid: Wo denn?)

Das ist die Konsequenz ihrer Politik.

Es braucht nicht nur strukturelle Änderungen, sondern es braucht Entflechtung. Die Energiekonzerne müssen entflechtet werden, sie müssen zerlegt werden. Wir brauchen Dezentralisierung,

die Förderung regenerativer Energien und Energieeinsparungen auf den Energiemärkten. Wir brauchen vor allem ein ökologisches Energiekonzept für Nordrhein-Westfalen. Das gibt es bisher nicht.

Ihre Kohlepolitik ist völlig kontraproduktiv. Sie setzen auf der einen Seite zwar auf das Ende der deutschen Steinkohle, aber auf der anderen Seite wollen Sie hier neue Kraftwerke bauen. Großkraftwerke insbesondere im Bereich der Braunkohle sind die größten Emissionsschleudern in Europa. Rund 90 Millionen t CO2 werden hier emittiert – ein Drittel der Gesamtbelastung.

Ich muss an einer entscheidenden Stelle SPD und Grünen widersprechen, und zwar wenn sie sagen, die neoliberale Koalition aus CDU und FDP habe kein Konzept. Sie haben ein Konzept. Ihr Konzept heißt: Alle Macht der Wirtschaft und den Konzernen! – Das ist Politik gegen Verbraucherinnen und Verbraucher. Das ist das Konzept der neoliberalen Koalition hier in Nordrhein-Westfalen.

Frau Thoben steht dabei mit der Energiepolitik, die sie hier macht, bezeichnenderweise an der Spitze. Sie überlässt der Wirtschaft, sie überlässt den Konzernen, sie überlässt auch anderen – das sieht man sehr deutlich bei der IHK – die Wirtschaftspolitik in Nordrhein-Westfalen. Sie läuft ihnen hinterher.

Genau dies hat die katastrophalen Auswirkungen zur Folge, die wir jetzt in Nordrhein-Westfalen erleben: Die Verbraucherinnen und Verbraucher werden abgezockt, und zwar ganz konkret an der Steckdose. Es passiert das, was vom Kartellamt, von verschiedensten Initiativen und Verbänden angemahnt wird: Hier werden Strompreise völlig unzulässig erhöht.