Protocol of the Session on November 15, 2007

zen. Deshalb wird dieser Antrag hier auch keine Mehrheit finden.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Lindner. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Frau Kollegin Asch das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Lindner, nicht wir bringen diese Diskussion in den Landtag. Diese Diskussion – das werden Sie auch wahrnehmen – findet hier bereits statt. Sie findet statt zwischen dem Vorsitzenden der CDU-Fraktion, Herrn Wüst, dem Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, und Herrn Rüttgers als Ministerpräsident und Herrn Laschet,

(Beifall von den GRÜNEN)

weil diese Protagonisten unterschiedliche Positionen zu der Frage Betreuungsgeld oder besser gesagt Herdprämie einnehmen. Das ist doch die spannende Frage, wie es überhaupt interessant ist, dass sozusagen die Kakofonie in den letzten Tagen und Wochen aus dem Regierungslager zunimmt.

Es ist nicht nur so, dass jetzt die FDP andere Töne in der Schulpolitik anschlägt und dass Sie, Herr Lindner, wie so oft in der Familienpolitik, schon immer dazwischen getrötet haben, nein, jetzt gibt es auch zwischen Fachminister, Ministerpräsident und CDU keine einheitliche Melodie mehr.

Das Problem der CDU und der Landesregierung ist, dass sie keine einheitliche, geklärte Position in der Familienpolitik haben, dass Ihr Familienbegriff, Frau Kastner, übrigens nicht nur auf Landes-, sondern auch auf Bundesebene, ungeklärt ist. Das ist Ihr Problem, das Sie im Moment in der CDU haben.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Sie können sich nicht entscheiden, ob Sie einerseits den Wählerinnen folgen sollen, die sagen, wir kommen mit dem tradierten, mit dem alten Rollenverständnis nicht mehr zurecht, die Frau bleibt bei den Kindern zu Hause am Herd, während der Mann hinaus ins feindliche Leben geht, oder andererseits bei Ihrem alten, ideologisch verhafteten Familienbild bleiben wollen, dem Sie immer noch anhängen und das sich jetzt in dieser Herdprämie manifestiert. Das ist Ihr Problem.

(Beifall von den GRÜNEN)

Machen wir uns nichts vor: Diese Herdprämie zeigt, wo die CDU mehrheitlich mit ihrem Familienverständnis nach wie vor steht, dass nämlich die Frau nach Hause an den Herd und zu den Kindern gehört. Die Herdprämie richtet sich nämlich vor allem an Frauen, denn kein Mann lässt sich mit 150 € im Monat locken, seine Berufstätigkeit aufzugeben.

Wir sehen das ja jetzt beim Elterngeld, zu dem wir gestern die neuen Zahlen auf den Tisch bekommen haben. Es sind gerade einmal 10 % der Männer, die sich dafür entscheiden, zu Hause bei ihren Kindern zu bleiben, für gerade einmal zwei Monate die Erziehungsarbeit zu Hause zu übernehmen. Es hat – das wissen Sie genau – leidvolle und langwierige Diskussionen in der CDUFraktion auf Bundesebene gebraucht, bevor vor allem die Männer bereit waren, diese ZweiMonats-Regelung in das Erziehungsgeldgesetz aufzunehmen.

An dieser Stelle frage ich mich wirklich, wie folgender Widerspruch zustande kommt: Auf der einen Seite wollen Sie jungen Menschen erklären, wie schön es ist, Kinder zu bekommen. Sie wollen sie motivieren, Kinder in die Welt zu setzen. Aber auf der anderen Seite ist es offenbar für die Männer eine Zumutung, eine gewisse Zeit in der Familie zu verbringen. Das passt nicht zusammen. Auch das müssen Sie klären.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ihr Hauptargument – Frau Kastner hat es eben wiederholt – ist, dass mit dem Betreuungsgeld, mit der Herdprämie, wie wir sie nennen, eine vermeintliche Wahlfreiheit für die Eltern hergestellt werden soll. Sie tun geradezu so, als ob irgendeine Mutter oder irgendein Vater gezwungen würde, sein oder ihr Kind in einer Krippe betreuen zu lassen. Frau Kastner, das ist vollkommen absurd. Das geht an der Realität im Lande vollkommen vorbei.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Realität sieht folgendermaßen aus: Heute ist die Wahlfreiheit nicht gegeben, weil die Mutter aufgrund des mageren Betreuungsangebotes keine andere Wahl hat, als zu Hause zu bleiben. Heute ist die Wahlfreiheit nicht gegeben, weil jahrzehntelang statt in Betreuungsplätze und Infrastruktur in zweifelhafte Transferleistungen wie das Ehegattensplitting investiert wurde. Dieses Ehegattensplitting ist deswegen zweifelhaft, weil es vor allem die Alleinverdienerehe fördert.

Die Wahrheit ist: Mit dem Ausbau von Krippenplätzen wird erstmals annähernd so etwas wie

Wahlfreiheit hergestellt, spät genug im Jahre 2013, aber immerhin. Das Argument Wahlfreiheit ist also vollkommen abwegig. Das ist ein hilfloser Versuch, Ihre ideologisch begründeten Milliardenausgaben für dieses Betreuungsgeld – Sie müssten dafür annähernd 2 Milliarden € in die Hand nehmen – zu rechtfertigen.

Meine Damen und Herren – alle Bildungsökonomen sagen uns das –, Deutschland hinkt vor allem in der frühkindlichen Förderung, bei den Betreuungsplätzen, in der Infrastruktur hinterher. Für diese Aufgabe investieren wir im europäischen Vergleich viel zu wenig. Deshalb ist die Forderung des Ministerpräsidenten Rüttgers und des Familienministers Laschet – ich gebe ihm nicht immer recht, aber in dieser Frage gebe ich ihm recht – richtig.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Jetzt lobst du ihn, und jetzt ist er nicht da!)

Nun ist er leider nicht da. Er hätte es jetzt einmal erleben können. Aber nun gut, wir müssen es so akzeptieren –. Diese Milliardenbeträge müssen in Betreuungsplätze investiert werden und nicht in das Betreuungsgeld, nicht in ein Instrument, das Kinder von Bildungsangeboten ausschließt. Denn eines ist klar: Die gut ausgebildeten Mütter werden sich ihre Berufstätigkeit nicht mit einer Herdprämie abkaufen lassen. Aber für eine bildungsferne Familie mit Migrationshintergrund und mit einem niedrigen Einkommen sind 150 € im Monat eine Menge Geld. Die werden sich fragen, ob sie dieses Geld nicht nehmen, ihr Kind zu Hause lassen, ihr Kind nicht in einer Einrichtung fördern lassen, und damit ihrem Kind Bildungschancen verwehren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist im Kern der Effekt, der erzielt werden wird. Das ist bildungspolitisch, sozialpolitisch und integrationspolitisch vollkommen absurd.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es sind die sozial benachteiligten Kinder, die Kinder in Haushalten mit niedrigen Einkommen, die eine frühe Förderung brauchen, um bessere Startchancen in der Schule zu bekommen. Genau diesen Kindern nehmen Sie mit dem Betreuungsgeld die Startchancen für die Zukunft.

Sie greifen mit dem Betreuungsgeld in die Mottenkiste. Mit einem Instrument aus den 50erJahren wollen Sie die Miefigkeit Ihres Familienbildes beschwören. Im Grunde Ihres Herzens wollen Sie lieber Wuermeling statt von der Leyen. Das ist die Wahrheit. Aber die Zeit der Capri-Fischer ist vorbei. Deshalb gehört die Herdprämie vom Tisch.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Asch. – Für den entschuldigten Minister Laschet spricht in Vertretung Frau Ministerin Sommer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Kollege Minister Laschet würde Ihnen gerne Folgendes mitteilen: Schon die Überschrift Ihres Antrages ist in ihrer analytischen Schärfe bemerkenswert: „Betreuungsgeld leistet keinen Beitrag zum Ausbau der U3-Betreuung!“. Nach diesem Analysemuster können Sie hier sicher noch viele Anträge stellen. Wie wäre es mit „Mehr Englischlehrer leisten keinen Beitrag für mehr Französischunterricht“ oder „Mehr Klassenfahrten leisten keinen Beitrag zum Ausbau der Ganztagsschule“?

(Horst Becker [GRÜNE]: Das wäre typisch Laschet! – Weitere Zurufe von den GRÜ- NEN)

Im Ernst: Dass es mehr als ein politisches Ziel gibt, ist wirklich keine neue Erkenntnis.

(Wolfgang Jörg [SPD]: Der ist ja ein Fuchs!)

So ist das auch auf dem Feld der Familienpolitik. Die Rolle der Familie bei der Erziehung von Kindern zu stärken ist ein eigenes, berechtigtes familienpolitisches Anliegen.

Nun haben wir allerdings in Nordrhein-Westfalen einen besonders dringenden Nachholbedarf bei der institutionellen Betreuung und hier bei den unter Dreijährigen. Dieser Nachholbedarf ist sogar weit größer als etwa der in Bayern. Das ist das eigentliche Problem und vielleicht ein Grund, warum die Diskussion dort auch anders geführt wird und werden kann.

Bei Regierungsübernahme der jetzigen Landesregierung in Nordrhein-Westfalen gab es eine Betreuungsquote – Herr Lindner hat eben schon darauf hingewiesen – für unter dreijährige Kinder von 2,8 %. Damit war unser Land Schlusslicht unter allen Bundesländern. Von dieser traurigen Position müssen und wollen wir wegkommen. Es ist mutig von Ihnen, dass Sie in Ihrem Antrag auf die unzureichenden Angebote bei U3 Bezug nehmen. Wer hatte denn die Verantwortung für die schlechte Situation?

Nun ist es diese Landesregierung, die den notwendigen und bedarfsgerechten Ausbau der Betreuung für unter dreijährige Kinder voranbringt. Damit leisten wir den notwendigen und längst ü

berfälligen Beitrag zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, damit kommen wir bei der frühkindlichen Bildung voran. Mit der Verabschiedung des neuen Gesetzes zur frühen Bildung und Förderung von Kindern am 25. Oktober 2007 durch den Landtag haben wir hier den entscheidenden Schritt getan. Sie wissen, dass die Landesregierung mit enormer politischer Kraftanstrengung – ich meine auch die finanzpolitische Kraftanstrengung – erreicht hat, dass die Zahl der Betreuungsplätze in Einrichtungen bereits im kommenden Jahr auf 34.000 verdoppelt werden kann.

Meine Damen und Herren, hinzu kommt ein deutlicher Ausbau der Plätze in der Kindertagespflege. Auch das ist ein wesentlicher Fortschritt. Wir haben die Tagespflege zum ersten Mal landesgesetzlich verankert; denn wir sehen in einer professionellen Kindertagespflege eine wertvolle Ergänzung der institutionellen Kindertagesbetreuung. Besonders für die Kleinsten ist die Kindertagespflege eine Alternative zur Kindertageseinrichtung. Wegen ihrer Familienähnlichkeit, wegen der überschaubaren Kinderzahl, wegen der festen Betreuungsperson und nicht zuletzt aufgrund ihrer Flexibilität – ohne Bindung an die Öffnungszeit einer Einrichtung – ist das eine wichtige Betreuungsform.

Genau darum stellt die Landesregierung mit dem neuen Kinderbildungsgesetz erstmalig

(Unruhe – Glocke)

auch finanzielle Mittel für die Kindertagespflege zur Verfügung. Mit dem Geld – 725 € je Kind – werden die Kommunen bei der sozialen Absicherung der Tagesmütter und Tagesväter sowie bei deren Qualifizierung unterstützt. Die finanzielle Förderung durch das KiBiz ist ein wichtiger Schritt für mehr Professionalisierung der Kindertagespflege. Unser Ziel ist es, den Ausbau insgesamt so zu verstärken, dass im Jahre 2013 für 32 % der unter dreijährigen Kinder in Nordrhein-Westfalen ein Betreuungsplatz zur Verfügung steht, sei es in einer Einrichtung oder in der Tagespflege. Denn der Bund hat gemeinsam mit den Ländern entschieden, bis zum Jahr 2013 für rund 35 % aller Kinder unter drei Jahren – für NordrheinWestfalen sind es 32 % – einen Platz zu schaffen.

Die Verwaltungsvereinbarung ist am 18. Oktober 2007 vom Ministerpräsidenten unterzeichnet worden. Dabei werden wir natürlich auch die Aufforderung des Landtags einbeziehen, den Ausbau von Plätzen für unter dreijährige Kinder auf der Grundlage eines mit den Trägern abgestimmten Konzepts und der Verwaltungsvereinbarung vo

ranzutreiben. Damit soll sichergestellt werden, dass bereits im Laufe des Kindergartenjahres 2010/2011 alle Eltern, die dies wünschen, für ihr zweijähriges Kind einen Betreuungsplatz finden können. Auch diese Weichenstellung wird somit zu einem ausgewogenen und bedarfsgerechten Betreuungsangebot beitragen, das den Wünschen der Familien entspricht.

Sie sehen, meine Damen und Herren, das vorrangige Ziel zur tatsächlichen Verwirklichung der Wahlfreiheit ist für uns die Stärkung des Betreuungsangebotes für unter Dreijährige und die Beseitigung der bislang bestehenden Defizite. Hierzu bedarf es zum jetzigen Zeitpunkt und aller Voraussicht nach auch weit darüber hinaus der Nutzung aller zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen. So stellt das Land bereits im kommenden Jahr mit KiBiz insgesamt rund 150 Millionen € zusätzliche Mittel zur Verfügung. Mit den Geldern des Bundes für das Investitionsprogramm „Kinderbetreuungsausbau“ werden wir bereits 2008 erstmals über 1 Milliarde € an die Kommunen weiterleiten. Diese Summe wird in den dann folgenden Jahren weiter ansteigen. Nach unserer Auffassung ist das die vorrangige Aufgabe.

Nun ist es kein Widerspruch dazu, dass Frau von der Leyen in einem Gesetzentwurf, der auf der Arbeitsebene des Bundes in der Abstimmung ist, ab August 2013 eine Zahlung für Eltern vorsieht, die ihre Kinder nicht in Einrichtungen betreuen lassen wollen. Das Bundesfinanzministerium hat dagegen sein Veto eingelegt. Wir werden abwarten müssen, wie das Thema in der Großen Koalition behandelt wird.

Ich bin zuversichtlich, dass wir für das Jahr 2013 eine vernünftige Lösung finden werden, und plädiere dafür, die Diskussion hier und heute auf die Frage zu konzentrieren, wie es uns gelingt, die frühe Förderung von Kindern weiter zu verbessern. Dazu gehört auch, für die Wertschätzung der Erziehung in der Familie, für die Wertschätzung der Betreuung der Kinder durch die eigene Mutter oder den eigenen Vater einzutreten. Die Landesregierung erkennt ausdrücklich die Leistung der Familien an, die sich für eine Betreuung ihrer Kinder in familiärer Obhut entscheiden. Die Erziehungsleistung von Eltern verdient in hohem Maße jede gesellschaftspolitische Anerkennung und auch finanzielle Unterstützung.

Ich könnte mir vom heutigen Standpunkt aus auch gut vorstellen, dass wir mehr für die Anerkennung der Erziehungsleistungen im Rentensystem tun, also für die Mütter oder Väter, die sich im wesentlichen Umfang selbst um ihre Kinder kümmern.

Es ist gut, dass wir über die richtigen Wege hierzu auch im Rahmen der Neuordnung der bestehenden familienpolitischen Leistungen des Staates diskutieren. Sie wissen, dass an dieser Neuordnung derzeit ebenfalls auf Bundesebene gearbeitet wird.

Unser vorrangiges politisches Ziel hier im Land ist es, den bedarfsgerechten Ausbau zur Betreuung der unter Dreijährigen zu sichern. Darum haben wir das Kinderbildungsgesetz auf den Weg gebracht, das Sie bis zum Schluss abgelehnt haben. Darum sind wir mit den anderen Ländern und dem Bund in Gesprächen zu einer neuen Verwaltungsvereinbarung.