Protocol of the Session on November 15, 2007

Ich rufe auf:

2 Aktuelle Stunde

Spitzenforschung in Nordrhein-Westfalen: Weltweit schnellster ziviler Rechner steht in Jülich

Antrag

der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP

Drucksache 14/5439

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende CDU-Fraktion dem Abgeordneten Dr. Brinkmeier das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Bevor ich zu dem Rechner in Jülich komme, Herr Kollege Schultheis, möchte ich doch einmal auf Ihre bemerkenswerte Plakataktion unter Tagesordnungspunkt 1 eingehen. Sie haben uns ein Plakat von Herrn Rüttgers in seiner damaligen Funktion als Bundesforschungsminister gezeigt.

(Karl Schultheis [SPD]: Das ist Teil unserer Erinnerungskultur!)

Man könnte ja ein bisschen darüber lächeln, dass Sie wahrscheinlich darauf hingefiebert haben, dass Herr Rüttgers auch einmal Ministerpräsident wird, damit Sie ihm dieses Plakat zeigen können.

(Karl Schultheis [SPD]: Das ist Erinnerungs- kultur, Herr Kollege!)

Aber ernsthaft: Wenn Sie hier vorsätzlich eine Rüge in Kauf nehmen – Sie sind ja eben von der Landtagspräsidentin gerügt worden – und sich dann ganz schnell scheinheilig entschuldigen, ist das schon ein starkes Stück. Das zeigt, dass Sie offensichtlich keine Chance sehen, mit anderen Mitteln eine entsprechende Aufmerksamkeit zu erreichen.

(Beifall von der CDU)

Machen Sie nur weiter so! Wir bleiben bei der Sache. Im Übrigen macht es auch mehr Spaß, sich über die Sache auszutauschen.

(Karl Schultheis [SPD]: Das unterscheidet uns! Wir sind risikobereit!)

Ich weiß ja auch, Herr Kollege Schultheis, dass Sie dazu fähig sind. Dann machen wir das auch gerne im Ausschuss weiter.

Zur Sache selbst in Tagesordnungspunkt 2: Die Nachricht, dass der weltweit schnellste zivile Rechner nun hier in Nordrhein-Westfalen in Jülich steht, ist tatsächlich eine der wichtigsten forschungspolitischen Meldungen des Jahres in Deutschland.

Worum geht es da? – In Jülich hat man mit JUGENE – das ist die Abkürzung für Jülicher Blue Gene – in Kooperation mit IBM einen Supercomputer aufgebaut, der mit einer Rechenleistung von 167 Teraflop/Sekunde – das sind also 167 Billionen Rechenoperationen pro Sekunde – laut der aktuellen Top500-Liste der schnellste europäische Rechner ist und der zweitschnellste Rechner weltweit überhaupt.

Einen solchen leistungsfähigen Rechner zu besitzen, ist nicht nur für den Standort Jülich, sondern für ganz Nordrhein-Westfalen eine herausragende Tatsache. Denn angesichts der enormen Beschleunigung des wissenschaftlichen Fortschritts hängt die Leistungsfähigkeit der Forschung mehr und mehr davon ab, ob eine starke IT-Infrastruktur für unsere Forschungseinrichtungen vorhanden ist. Dies betrifft nicht nur den Ausbau der Vernetzung via Datenfernübertragung, also Internet, sondern gerade auch die Möglichkeit, große

Rechnerkapazitäten und schnelle Computer zur Verfügung zu haben.

Einige Forschungsfelder, in denen Supercomputer gebraucht werden, kann man auf der Homepage des Forschungszentrums Jülich mit anschaulichen Beispielen betrachten. Das sind Beispiele aus der Astrophysik, aus der Elementarteilchenphysik, aus der Vielteilchenphysik, Polymere, Chemie. Auch das Thema Erde und Umwelt wird dort genannt.

Simulationen komplexer Vorgänge ersetzen Experimente, die nur schwer oder gar nicht in der Realität durchzuführen sind.

Mit der gestiegenen Rechnerleistung stieß man in den vergangenen Jahren in neue Dimensionen der Erkenntnis vor, und so wird es weitergehen. Der Bedarf an Rechnerleistung für die Forschung wird sich in den nächsten fünf bis zehn Jahren etwa vertausendfachen! Entsprechend werden die Maschinen immer leistungsfähiger, was bedeutet, dass sich die Top500-Liste dauernd ändert. Wenn also Europa gegen den Rechengiganten USA überhaupt mithalten will, muss es beständig bestrebt sein, im Konzert ganz vorne mitzuspielen.

Darum ist es ein forschungspolitisches Ziel der Koalition, insbesondere den Standort Jülich bei dessen Ausbau des Hochleistungscomputings zu unterstützen. Konkret hat das Land den Erwerb von JUGENE, diesem Rechner, mit 5,8 Millionen € gefördert.

Wir von der CDU-Landtagsfraktion unterstützen auch die Landesregierung darin, bis 2012 die Gründung eines europäischen Supercomputernetzwerks mit knapp 50 Millionen € zu fördern. Ziel soll es sein, den ersten PetaFlop-Computer in Europa, also den ersten, der eintausend Billionen Rechenoperationen pro Sekunde vornehmen kann, nach Jülich zu holen und damit die Spitzenstellung des Forschungszentrums Jülich unter den europäischen Superrechnern auszubauen.

Zusammen mit seinen Partnern will das Forschungszentrum nämlich bis 2009 das GAUSSCenter zum europäischen Supercomputerzentrum ausbauen, welches mit dem europäischen Konsortium PRACE innerhalb des 7. EU-Forschungsrahmenprogramms entstehen soll. GAUSS ist der von Bundesministerin Annette Schavan initiierte Zusammenschluss der deutschen Höchstleistungsrechenzentren in Jülich, München und Stuttgart. PRACE ist das von Jülich geführte europäische Konsortium zum Aufbau einer europäischen Supercomputerinfrastruktur.

Unterstützt und ausgebaut wird diese Kompetenz durch die Anfang des Jahres neu gegründete German Research School for Simulation Science an der RWTH Aachen und im Forschungszentrum Jülich.

Diese Maßnahmen, meine Damen und Herren, sind ein weiterer Baustein für unser Bestreben, im Jahr 2015 Innovationsland Nummer eins in Deutschland zu sein. Auch die strukturellen Veränderungen, die wir zum Beispiel mit dem Hochschulfreiheitsgesetz vorantreiben, verbessern die Rahmenbedingungen auch für Jülich. Dies manifestiert sich in der Allianz zwischen der RWTH Aachen und dem Forschungszentrum Jülich ganz augenscheinlich. Die wissenschaftlichen und mittelfristig auch volkswirtschaftlichen Effekte werden immens sein.

Meine Damen und Herren, ich hatte vor Kurzem mit meinen Kollegen aus dem Arbeitskreis die Gelegenheit, die Supercomputer bei einem Besuch im Forschungszentrum Jülich näher in Augenschein zu nehmen. Einem Physiker wie mir schlägt natürlich das Herz höher, wenn er vor solchen Anlagen steht.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Das merkt man an der Rede, Herr Kollege!)

Ja, das merkt man. Das macht richtig Spaß. Kommen Sie mit, Herr Kollege Eumann. Ich erkläre Ihnen auch, wie das Ding funktioniert.

(Beifall von der CDU – Zurufe)

Mir fällt das durchaus leicht.

In den Gesprächen mit Herrn Prof. Bachem, dem Vorstandsvorsitzenden des Forschungszentrums Jülich, und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wurde deutlich, wie zielgerichtet und mit wie viel Energie die Wissenschaftler dort den Ausbau vorantreiben. Jülich ist mit diesem Rechnerangebot sehr gut für die wissenschaftliche Welt aufgestellt. Dass dies auch in Zukunft so bleibt, wollen wir von der Koalition gern unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Brinkmeier. – Für die FDP-Fraktion, die zweite antragstellende Fraktion, hat Herr Abgeordneter Lindner das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor nicht ganz einem Monat konnten wir uns mit der Innovationspolitik nach dem ausgezeichneten Abschnei

den Nordrhein-Westfalens bei der Exzellenzinitiative im Rahmen einer Aktuellen Stunde beschäftigen. Heute können wir wieder über einen Erfolg in diesem Bereich sprechen. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es unter rot-grüner Führung so schnell nacheinander eine solche Ballung positiver Meldungen gab.

(Karl Schultheis [SPD]: Das liegt aber an Ih- rer Erinnerung!)

Das lässt am Ende dieser ersten Etappe der Regierungsarbeit nur einen Schluss zu: Die Weichen für unsere Innovationspolitik sind richtig gestellt.

(Beifall von FDP und CDU)

Das Forschungszentrum Jülich, das jüngst den Nobelpreisträger Peter Grünberg hervorgebracht hat, kann wieder positive Nachrichten für sich beanspruchen. Es beherbergt nunmehr den schnellsten zivil genutzten Rechner der Welt. Der Kollege Brinkmeier als Physiker hat dargestellt, was das für unseren Standort bedeutet.

Es zeigt, dass das Konzept „Stärken stärken“ aufgeht. Mit 5,8 Millionen € hat sich das Land NRW neben dem Bund und der Helmholtz-Gemeinschaft an der Finanzierung dieses Supercomputers beteiligt und damit gezielt Spitzenforschung ermöglicht. Während unter Rot-Grün Gelder eher mit der Gießkanne vergeben wurden, setzen wir auf Exzellenz, die sichtbar wird. Das zeigt sich nicht nur anhand des Jülicher Hochleistungsrechners, sondern auch an anderer Stelle. Ich nenne beispielhaft die Ansiedlung des neuen MaxPlanck-Instituts für die Biologie des Alterns in Köln.

(Zuruf von der SPD)

Die Stärkung von Exzellenz ist eine wesentliche, aber nicht die einzige Säule unserer Innovationspolitik. Wir wollen erreichen, dass sich Investitionen nicht nur auszahlen, sondern dass sie Schub für weitere Innovationen geben.

Das wird in Jülich heute schon deutlich; denn von diesem hochkarätig besetzten Forschungszentrum profitiert natürlich auch die RWTH Aachen. Der dort gegründete Forschungsverbund ist eine echte Win-win-Situation für Lehre wie für Grundlagenforschung. Das zeigt: Innovationsprozesse müssen von unterschiedlicher Seite angestoßen, aber auch miteinander verzahnt werden, um maximalen Nutzen zu erreichen.

Vor diesem Hintergrund will ich vier weitere Bemerkungen machen.

Erstens. Es geht uns als Freien Demokraten in dieser Koalition mit der Union auch darum, Spitzentechnologie zu fördern, in die ich vor allen Dingen die Innovationsinitiative BIO.NRW einbeziehe. Die Förderung von Spitzentechnologie ist die Voraussetzung für die Schaffung zukunftsfähiger Arbeitsplätze.

Zweitens. Stärken stärken bedeutet eben auch, vorhandene Kompetenzen auszubauen, Ressourcen zu nutzen und nicht aus ideologischen Gründen zu riskieren, dass wir den Anschluss verlieren. Wir begrüßen deshalb, dass die Landesregierung die weitere Kernforschung an der RWTH Aachen bzw. dem Forschungszentrum Jülich durch die Besetzung dreier neuer Professuren gesichert hat.

Drittens. Die Wettbewerbsfähigkeit NordrheinWestfalens hängt entscheidend davon ab, ob Wissenschaft und Wirtschaft es gemeinsam schaffen, aus Forschungsergebnissen auch innovative Produkte und Dienstleistungen zu machen.

Das bedingt zum einen, die Zusammenarbeit von Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen zu verbinden, wie es in Aachen geschehen ist. Zum anderen ist die Verzahnung von Wissenschaft und Wirtschaft entscheidend. Das RWI bezeichnet den Wissenstransfer zwischen Hochschulen und Unternehmen daher zu Recht als Kardinalfrage in der Innovationspolitik.