Frau Ministerin, darf ich noch einmal auf die Anmerkung, die Sie gerade zu mir gemacht haben, zurückkommen? Aus
weislich der Großen Anfrage unter „1.2 Erfassung der Kenndaten“ geht die antragstellende Fraktion davon aus, dass eine Erfassung von Betrieben mit weniger als 20 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen – gleich 40 % der Betriebe – nicht erfolgt.
Sie haben das in der Antwort nicht anders dargestellt. Also, sind es nicht Betriebe mit unter zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sondern Betriebe mit unter 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und damit 40 % der Betriebe, die herausfallen würden.
Können wir uns so verständigen, Herr Kuschke, dass wir versuchen, über das Monitoring eine präzisere Erfassung hinzubekommen, als wir sie derzeit über die Berichtspflicht erreichen?
Wir haben ferner den Geologischen Dienst beauftragt, ein auf Luftbilder gestütztes Abgrabungsmonitoring zu erproben. Die Ergebnisse sind sehr gut, und wir wollen das verstärkt nutzen, übrigens dann landesweit.
Wir sehen uns darüber hinaus einer nachhaltigen Raumentwicklung verpflichtet, die die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang bringt. Sowohl im Bundesraumordnungsgesetz wie auch im Landesentwicklungsplan NordrheinWestfalen sind der Anspruch einer nachhaltigen Entwicklung im Sinne eines langfristigen Schutzes von Umwelt und Ressourcen sowie gleichermaßen die Verwirklichung sozialer und ökonomischer Ziele enthalten.
Mit der Zusammenführung von Landesentwicklungsplan und Landesentwicklungsprogramm zu einem LEP-neu werden wir auch die Ziele für die Rohstoffsicherung überprüfen und gegebenenfalls anpassen, ohne allerdings das landespolitische Ziel der Vorsorgeplanung aufzugeben.
In dem neuen Planwerk werden wir verstärkt unser Augenmerk auf die Sicherung gewünschter und die Vermeidung ungewünschter räumlicher Entwicklungen richten. Das schließt den Schutz von besonders belasteten Teilräumen durch die Rohstoffgewinnung ausdrücklich mit ein.
Dies lenkt den Blick zum Beispiel auf den Niederrhein, wo bekanntlich die Gewinnung von Kies und Sand als spezifische räumliche Belastung empfunden wird, die durch die Kiesexporte in die Niederlande noch verschärft wird. Das dortige
Geschehen ist nicht nur ein langjähriges Planungsproblem, sondern beschäftigt die Verwaltungsgerichte. Es findet sich aktuell auch in der regionalen Presse.
Nach meinem Eindruck ist in die Sache Bewegung gekommen. Die Gespräche mit dem Regionalrat, der Bezirksregierung, der Rohstoffindustrie und den Niederländern laufen. Ich möchte dem weiteren Fortgang nicht vorgreifen, würde es aber sehr begrüßen, wenn der nach meinem Empfinden ziemlich konfrontative Gesamtkurs der Akteure am Niederrhein einem konsensualen Vorgehen weichen würde.
Mittelfristig, das heißt mit den anlaufenden Novellen zum Planungsrecht, will ich dem erkennbar weiter entgegenkommen und beabsichtige unter anderem, im zukünftigen Planwerk LEP-neu eine Modifizierung der Planungshorizonte vorzunehmen, künftig stärker als bisher spezifischen Raumbelastungen Rechnung zu tragen und dem gesellschaftlichen Mehrwert durch entsprechende Modelle der Nachfolgenutzung mehr Aufmerksamkeit zu widmen, abbauspezifische Raumansprüche stärker als bisher auch am Potenzial von Recycling und Substitution zu messen und Letzteres möglichst auszuweiten. – An welche Grenzen man da aus anderen Gründen stößt, wurde bereits eben vorgetragen.
Aber ich erwarte auch weiterhin, dass der Rohstoffindustrie von der Regionalplanung und den Genehmigungs- und Zulassungsbehörden die erforderliche, angemessene und verlässliche Planungs- und Investitionssicherheit geboten wird. Dass eine entsprechende Bemessung der Flächensicherung auch eine verwaltungsseitig wünschenswerte Reduzierung von aufwendigen Änderungsverfahren nach sich ziehen könnte, erwähne ich hier nur am Rande.
Ferner: Die Verwaltungsgerichte haben bei jüngsten einschlägigen Entscheidungen eine Vielzahl sehr konkreter Hinweise gegeben, was im Einzelnen erfüllt sein muss, damit Regionalpläne die notwendige Konzentrationswirkung, also wirkliche Steuerungskraft, entfalten und insgesamt rechtliche Stabilität erlangen. Ich rufe alle Beteiligten auf, dies im Auge zu behalten.
Meine Damen und Herren, mit Blick auf den Niederrhein ist ausdrücklich festzustellen, dass die unstreitige Abbaukonzentration mit einer besonderen Betroffenheit konkurrierender Raumansprüche einhergeht. Dies berührt die hochwertige landwirtschaftliche Nutzung ebenso wie den wertvollen Grund- und Trinkwasserschutz, die ökologischen Schutzgebiete und das Landschaftsbild.
Ich halte es daher grundsätzlich für sinnvoll, in Teilbereichen auffälliger Raumbelastung strengere Abwägungsmaßstäbe anzulegen.
Herr Remmel, Sie haben eben nicht vorgetragen, dass viele Fachgesetze sehr konkrete Vorgaben machen. In diesem Zusammenhang nenne ich das Landschaftsgesetz, die UVP-Prüfung, zukünftig die strategische Umweltprüfung. Ab und an würde ich mir, was die Zuständigkeit angeht, wünschen, dass die Regionalräte das selber beschließen, was dann die Wirkungen hat, die, wenn sie es nicht beschließen, auch nicht entstehen. – Ich hoffe, ich habe mich vorsichtig genug ausgedrückt.
In Düsseldorf gibt es nämlich das Problem, dass man jahrelang die notwendigen Beschlüsse weder in die eine noch in die andere Richtung hinbekommen hat, sodass eben diejenigen, die Abbaubetriebe gerne ausweiten wollen, andere Wege suchen, um die Genehmigung zu erhalten. Die Konzentrationswirkung hat der Regionalplan dann nicht so entfaltet, wie er es hätte tun können.
Sie sollten meinen Anmerkungen entnehmen, dass die Landesplanungsbehörde großes Interesse daran hat, die zum Teil im Land verhärteten regionalen Planungskonflikte schnellstmöglich zu lösen. Wir bieten der zuständigen Regionalplanung und der Rohstoffindustrie gleichermaßen ausdrücklich unsere Begleitung und Unterstützung an. – Danke schön.
Frau Ministerin, ich habe versucht, Sie zu unterbrechen, weil sich der Kollege Remmel für eine Zwischenfrage gemeldet hatte, als Sie bei den diplomatischen Formulierungen waren.
Zu einem Thema, zu dem Sie sich nicht gesprochen haben, habe ich eine Nachfrage. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann teilen Sie die Vision des Kollegen Ellerbrock von einem Ijsselmeer am Niederrhein nicht.
Ich habe mich dazu bereits öffentlich geäußert, Herr Remmel. Ich wiederhole das hier gerne: Wenn im regionalen Konsens ein solches Projekt zur Tourismusförderung am Niederrhein eingereicht wird, kann es am Wettbewerb teilnehmen.
Vielen Dank, Frau Ministerin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, als Nächstes hat der Kollege Karthaus für die Fraktion der SPD das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Jeder von uns in diesem Saal, jeder in diesem Landtagsgebäude verbraucht in seinem Leben etwa 100 t Kalkstein, etwa 460 t Sand und Kies. Das stammt fast ausschließlich aus NordrheinWestfalen. Jährlich werden hier 70 Millionen t Lockergestein gefördert.
Meine Damen und Herren, das sind beeindruckende Zahlen. Jetzt haben wir nur ein Problem: Mineralische Rohstoffe werden bekanntlich in geologischen Zeiträumen gebildet, das heißt, sie sind nicht vermehrbar und selbstverständlich nur sehr begrenzt verfügbar. Sie stellen eine äußerst wertvolle Ressource in einem rohstoffarmen Bundesland dar.
Dieser Sachverhalt zieht sich wie ein roter Faden durch alle Aussagen und alle Antworten zur Großen Anfrage „Perspektiven für einen nachhaltigen Rohstoffabbau in NRW“. Ich treffe sicherlich auf keinen Dissens bei der Feststellung, dass wir uns – das ist ja auch bei meinen Vorrednern angeklungen – in Nordrhein-Westfalen sehr genau über unsere Strategie klar werden müssen, wie wir behutsam und nachhaltig mit diesen Ressourcen umgehen.
Bei der Gewinnung dieser Rohstoffe treffen wir zum Teil auf tiefe Konflikte mit anderen Ansprüchen der Daseinsvorsorge, zum Beispiel Gewässerschutz, sprich Trinkwasser, Bodenschutz, Natur- und Umweltschutz, aber auch die Landwirtschaft.
In der Antwort auf die Große Anfrage führt die Landesregierung aus – das habe ich heute schon vom Kollegen Ellerbrock gehört –: Abgraben heißt Nutzung auf Zeit. – Meine Damen und Herren, das ist zu einfach, denn bei Abgrabungen entstehen durchaus sehr persistente, also dauerhafte Folgewirkungen.
Ich möchte Ihnen das einmal am Beispiel des Grundwassers bzw. der Trinkwassergewinnung aufzeigen. Die Landesregierung stellt in der Antwort gerade diese Problematik besonders heraus. Sie sagt nämlich, es komme durch die Abgrabung zur irreversiblen Aufhebung der Pufferfunktion und der Aufbereitungsfunktion der Böden. Durch die Offenlegung des Grundwassers, also „Thema Baggersee“, gibt es drastische Änderungen in den Grundwasserständen. Wir haben ungehinderte Einträge von Schadstoffen aus der Atmosphäre, aber auch Abschwemmungseffekte und Veränderungen des Wasserchemismus in ganz deutlicher Form. Wir haben Summationseffekte. Gerade wenn Abgrabungen nebeneinander liegen, schaukeln sich die Veränderungen des Chemismus dadurch auf.
Ich weiß nicht, wo Herr Ellerbrock steckt, aber vielleicht sollte er sich das einmal anhören: Baggerseen sind nicht automatisch ökologisch hervorragende und funktionierende Gewässer. Das kennen wir nicht zuletzt aus dem Bereich der Ville mit kleineren Folgeseen aus Abgrabungen. Daraus können sich riesige Probleme im Wasserchemismus ergeben. Eine Seenplatte Niederrhein mit dem Ijsselmeer zu vergleichen, mit völlig anderen aquatischen Verhältnissen, ist schon abenteuerlich.
Ich kann es mir nicht erklären. Ich habe den Kollegen Ellerbrock sonst immer als wissenschaftlich eingeschätzt. Aber das ist eine spinnerte Idee.
Dazu kommt noch eine weitere interessante Aussage, auch der Antwort der Landesregierung zu entnehmen. Darin steht nämlich – Zitat der Landesregierung –, dass zukünftige Grundwasserentnahmen im Niederrheingebiet zu erheblichen Nutzungskonflikten mit der Kiesindustrie führen oder umgekehrt. Andere Trinkwassergewinnungsgebiete stehen nur in sehr begrenztem Umfang zur Verfügung. – Wir haben dort zum Teil hohe Nitratbelastungen.
Das heißt, wenn wir kein Trinkwasserrisiko in Nordrhein-Westfalen eingehen wollen – wir sind uns sicherlich einig, dass das saubere Trinkwasser einer unser wertvollsten und Hauptrohstoffe der Zukunft ist –, dann dürfen wir keinen Gedanken an solch eine verrückte Idee verschwenden,
größere Seen miteinander zu vernetzen. Das würde ein riesiges Risiko ergeben und uns die Trinkwassergewinnung unmöglich machen, denn man muss wissen: Offene Abgrabungsflächen, also Baggerseen, sind keine Trinkwassergewinnungsbereiche. Dort bildet sich Grundwasser nicht neu, sondern der Abstrom ist in der Regel größer als die Neubildungsrate. Sonst wäre das ziemlich einfach. Aber das muss man dabei natürlich wissen.
Herr Kollege Karthaus, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche. Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kuschke?