Protocol of the Session on November 14, 2007

Die Zeit der Lügen ist gekommen: Lehrerlüge, Lügen in der Kinder- und Jugendpolitik und die Haushaltskonsolidierungslüge. Gelogen, betrogen, versprochen, gebrochen, das ist die Politik seit 2005.

Der Strukturwandel kommt mit CDU und FDP nicht voran. Um ein Jahr schneller aus der Steinkohleförderung auszusteigen, leisten Sie sich sogar, auf 700 Millionen € zu verzichten, die der Bund für den Strukturwandel in NordrheinWestfalen bereitgestellt hätte. Das ist katastrophal für das ohnehin schon vom Kohlerückzug betroffene Ruhrgebiet.

Die von Ihnen heute abgegebene Regierungserklärung hat den Titel „Unser Nordrhein-Westfalen – Das Bundesland der Zukunft“. Sie wollen sich heute selber feiern. Ich frage mich allerdings: Wofür? Denn Ihre Politik in den vergangenen Jahren war völlig unsozial, unökologisch, nicht nachhaltig und ungerecht gegenüber den nordrhein-westfälischen Bürgerinnen und Bürgern.

Herr Kollege, ich erinnere Sie an die Redezeit.

Ist die abgelaufen?

Ja, leider.

Ich frage, weil hier keine Zeit angezeigt wird.

Das geht leider nicht anders.

Ist die Redezeit jetzt abgelaufen, oder kann ich noch drei Sätze sagen?

Sagen Sie noch die drei Sätze, aber dann kommen Sie bitte zum Schluss.

Das ist wunderbar. – Die unsoziale Politik soll auch 2008 fortgesetzt werden, denn mit dem geplanten Verkauf der Landesentwicklungsgesellschaft NRW und der möglichen Privatisierung der WestLB stehen weitere Privatisierungsmaßnahmen an.

Das Ganze ist natürlich auch gegen die Kommunen gerichtet.

Ich kann nur feststellen: Ihre Politik, Ihr System ist unökologisch, unsozial, ungerecht, unsolidarisch. Deswegen sage ich: Wir brauchen einen Systemwechsel hin zu einer anderen Politik in NordrheinWestfalen. – Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit. Ich hätte mich gefreut, wenn sich der Ministerpräsident und sein Stellvertreter das heute angehört hätten. Aber die sind ja, wie gesagt, seit mehr als zwei Stunden nicht mehr da.

Vielen Dank, Herr Kollege Sagel. – Jetzt hat für die Landesregierung Frau Ministerin Thoben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nur ein paar Anmerkungen zu dem machen, was Herr Groschek hier abgeliefert hat.

(Zuruf von der SPD: Das war großartig!)

Er hat den Spruch „Markt statt Mensch“ benutzt. Über Ihren Text, den Sie hier vorgetragen haben, würde ich schreiben: „Emotionen statt Verstand“.

(Beifall von der CDU – Zurufe von der SPD)

Wenn wir über das Ruhrgebiet, seine Probleme und seine Chancen reden, dann schadet es nicht, wenn man etwas rechnen kann, Herr Groschek. Sie haben in allem Ernst vorgetragen, der Bau neuer Steinkohlekraftwerke würde die deutsche Steinkohle begünstigen können, weil das dadurch preiswerter würde. Haben Sie einmal über diesen Satz nachgedacht? Der ist grottenschrecklich! Unsere Perspektive für das Ruhrgebiet ist eine andere.

Die beiden großen Investitionen, die Sie genannt haben, nämlich Museum Folkwang und ThyssenHauptverwaltung, sind private Investitionen vermögender Menschen. Heißen Sie sie bei uns willkommen und beschimpfen Sie sie nicht auf der nächsten Veranstaltung!

(Beifall von der CDU)

Wir haben uns vorgenommen, die neue Ziel-2Förderperiode stärker unter die Überschrift „Stärken stärken“ zu stellen. Das hat zunächst im Ruhrgebiet – ich wohne dort genauso wie Sie, Herr Groschek, aber ich brülle nicht so – für Angst gesorgt: Man würde ausgeschlossen, man könne nicht teilnehmen. Längst sind die auf den Trichter gekommen, dass man auch dort und gerade dort Stärken stärken kann. Sie richten sich auf die Wettbewerbe ein, sie kommen mit Ideen, sie formulieren Schwerpunkte, die sie sich selber zutrauen.

Ein Projekt – Sie sagen, wir hätten nichts zustande gebracht –, das bei Ihnen jahrelang geschlummert hat, haben wir wenigstens auf einem wesentlichen Teilstück, nämlich von Marl bis Duisburg, hinbekommen, und zwar die Propylenpipeline, die die ganzen Chemiestandorte im nördlichen Ruhrgebiet auf Jahre sichert. Das hätten Sie machen können, aber das haben Sie nicht getan.

Außerdem haben Sie ganz offensichtlich bei der Konferenz des Initiativkreises Ruhrgebiet gefehlt. Dort wurde nicht gejammert. Dort wurden Stärken beschrieben. Man hat sich darauf verständigt, auf welchen Feldern man bereits zukunftsfähig ist und auf welchen Feldern man zukunftsfähig werden möchte. Sie waren nicht da. Sie sind ein typischer Vertreter des alten, rückwärtsgewandten Ruhrgebiets und kein zukunftsweisender Mensch für die Metropole Ruhr.

(Beifall von der CDU)

Sie haben uns eine „Route der Industriekultur“ hinterlassen. Auf viele Einzelteile sind auch wir stolz. Nur: Sie haben sie vorne und hinten weder durchgängig organisiert, geschweige denn finanziert. Die Aufräumarbeiten hatten wir vor zweieinhalb Jahren – Sie wissen, um welche Größenordnung es geht – vor uns. Das haben Sie uns hinterlassen. – Danke schön.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Frau Ministerin Thoben. – Herr Kollege Groschek, es ist leider so: Sie haben noch Redezeit. Dann gebe ich Ihnen auch das Wort.

(Zuruf von der SPD: Wir freuen uns! – Gerda Kieninger [SPD]: Wir nehmen das mit Freude zur Kenntnis, Herr Präsident!)

Ich hatte gedacht, nach fünf Stunden und 15 Minuten Debatte könnten wir langsam zum Ende kommen.

Jetzt hat der Kollege Groschek für die SPDFraktion das Wort. Bitte schön.

Es ist doch beruhigend, dass zumindest einige Aspekte der Sachbeiträge zu einem Aufwachen auf der Regierungsbank führen.

(Beifall von der SPD)

Wir können uns gerne noch einmal über das Ruhrgebiet unterhalten. Ich war sehr wohl bei der toll inszenierten Veranstaltung des Initiativkreises und bin mit Ihnen in einem Urteil einig: Man hätte vom Initiativkreis mehr konkrete Projekte erwarten können, als nur die Prüfung der Ansiedlung eines Großflughafens. Das ist richtig. Ansonsten war aber auf der Veranstaltung sehr wohl klar, dass der Initiativkreis die Landesregierung auffordert, die Cluster- oder Kompetenzfeldwirtschaftspolitik forciert weiterzubetreiben.

(Ministerin Christa Thoben: Machen wir doch!)

Frau Thoben, was haben Sie – ganz emotionslos und rein rational betrachtet – praktisch für das Ruhrgebiet getan?

Sie haben zunächst einmal den Regionalverband Ruhr, der nach Meinung aller eine Stärkung im Vergleich mit dem Kommunalverband Ruhr war, in Teilen entmündigt.

Wieso? – Weil Sie mit Ihrem Gesetz einen historisch einmaligen Vorgang zurückgedreht haben. Historisch einmalig war das verpflichtende Bekenntnis aller Oberbürgermeister und Landräte zur praktischen Mitarbeit auf regionaler Ebene. All das, was Sie immer krokodilstränenartig beklagt haben, haben wir eingelöst, nämlich dass die Oberbürgermeister nicht nur Lokalpatrioten sein dürfen und nur bis zum Tellerrand gucken müssen, sondern auch darüber hinaus. Das haben Sie kassiert.

Warum? – Nicht wegen inhaltlicher oder formaler Aspekte, sondern wegen einer rein ideologischen Nostalgie. Sie können es nicht verwinden, dass die Menschen zwischen Duisburg und Hamm nach wie vor überwiegend Sozialdemokraten auf die Oberbürgermeister- und Landratssessel gewählt haben. Das passte Ihnen nicht, das haben Sie mit Macht

abgeräumt und zeigen damit intellektuell, konzeptionell eher Ohnmacht als Macht. – Erster Punkt.

(Beifall von der SPD)

Zweiter Punkt. Erinnern Sie sich daran, wie Ihre Vorgänger im Parlament – Sie waren teilweise als Landtagsabgeordnete dabei – ein Riesenprojekt bekämpft und als töricht denunziert haben, die IBA Emscher Park? Herrn Ganser und Herrn Zöpel hat man zu Feinden der zivilisierten Gesellschaft in Nordrhein-Westfalen stilisiert. Ein zentrales Projekt war die Renaturierung der Emscher. Auch auf unserer Seite haben sich viele erstaunt gefragt, ob diese Vision noch genügend Bodenhaftung und Realitätsnähe hat.

Heute stellt sich der Ministerpräsident breitbeinig hin und philosophiert über das tolle Projekt der blauen Emscher. Nur: Sie selbst unterstützen es nicht mit der Verve, die Sie eigentlich an den Tag legen müssten. Das ist die Doppeldeutigkeit.

(Beifall von der SPD)

Dritter Punkt. Der Kollege Laumann, Sie, viele andere, der Ministerpräsident waren vor dem „Zelt der Solidarität“ bei BenQ. BenQ ist eine Riesensauerei, die nicht politisch zu verantworten ist, weder von Ihnen noch von uns, sondern deren Verantwortliche sind woanders zu verorten. Sie und der Kollege Laumann von der Landesregierung haben dort aber Zusagen gemacht, den forcierten Strukturwandel in Kamp-Lintfort zu konzentrieren, zu fokussieren. Jetzt ist nachzulesen, dass Sie auf Ihrem Kreisparteitag vor Ort sagen: „Mal langsam mit den Pferden! Womöglich kriegen wir das Zentrum und auch eine Fachhochschulausdienung hin.“ Praktische Erfolge vor Ort sind aber bislang Fehlanzeige. Deshalb auch hier zunächst einmal nur die Ankündigung und Förderzusagen als Überschrift, keine konkreten, greifbaren Projekte.

(Dr. Stefan Berger [CDU]: Wer hat denn die Beschäftigungsgesellschaft unterstützt?)

Sie fahren doch mit dem Smart in Köln durch die Gegend. Da sind Sie gut aufgehoben. Lassen Sie uns im Ruhrgebiet zufrieden.

Nächster Punkt: Standortprogramm Bergbau. Auch da hätten wir gemeinsam die Chance gehabt, viel weiter zu sein. Der Ministerpräsident sagt hier: Ich erwarte vom Bergbau, von der RAG, von Herrn Müller, dass im Frühjahr ein Standortprogramm vorgelegt wird. – Das ist doch kalter Kaffee. Wir waren gemeinsam beim Deutschen Steinkohletag in Essen. Dort hat Herr Müller angekündigt: Wir werden das Konzept im April 2008 vorlegen. – Der Krieg, die Meinungsverschieden

heit ging nur darum, ob das von 2008 bis 2012 oder von 2008 bis 2018 fortgeschrieben wird. Da gab es zu Recht Bedenken.

(Zuruf von Ministerin Christa Thoben)

Ich habe nur die „WAZ“ gelesen. Ob sie realitätsnah ist, weiß ich nicht. Es geht aber um etwas anderes. Es geht darum, dass klar ist, welche Standorte bis 2012 dran glauben müssen, und darum, dass für keinen dieser Standorte bislang Vorsorge durch praktische Projektvorbereitung getroffen wurde. Die Menschen warten auf Antworten. Es gibt keinen Hinweis, Flächenmanagement kollektiv mit den Verantwortlichen vor Ort, mit der Unternehmensleitung voranzutreiben. Es gibt nichts. Sie stehen mit leeren Händen da und können nur Ihre Parteifreunde vor Ort auf einen späteren Zeitpunkt vertrösten. Trost sollten wir uns gegenseitig in Landtagsandachten spenden, aber nicht hier mit Bezug auf das Ruhrgebiet.