Protocol of the Session on September 19, 2007

Wundern würde mich das nicht, meine Damen und Herren. Aber Spaß beiseite: Was treiben Sie hier eigentlich? Was läuft bei Ihnen ab?

Apropos Treiben: Der absolute Hammer in meiner Wahrnehmung war der Mittwochabend. Mein junger FDP-Kollege Christian Lindner – Guten Morgen, Christian! – griff zum Handy und schrieb eine SMS an Frau Kastner. Sinngemäßer Inhalt: Liebe Frau Kastner – ich glaube, sie dutzen sich –, sei mir nicht böse. Ich habe gerade auf einer Pressekonferenz euer KiBiz in Sack und Asche gehauen. Es tut mir leid. Kommt nicht wieder vor. Dein Bambi.

(Beifall und Heiterkeit von SPD und GRÜ- NEN)

Wie gehen Sie denn mit Hunderttausenden von Kindern in diesem Land um? Wo leben wir denn? – Führen Sie hier bitte nicht solche Eiertänze auf. Es geht um die Zukunft von Hunderttausenden von Kindern.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Es geht um unsere Zukunft.

Dieser Gesetzentwurf hat keine inhaltliche und auch keine politische Perspektive, meine Damen und Herren. Ziehen Sie ihn zurück!

Wir stellen fest: Erstens. Der Konsens ist durch Minister Laschet gebrochen. Zweitens. Die Eltern und Hunderttausende mit ihnen wollen das Gesetz nicht. Drittens. Träger und Mitarbeiter wollen das Gesetz nicht. Viertens. Der Minister steht blank da. Er hat keine Partner mehr an seiner Seite, und die CDU/FDP-Koalition zerbricht an dieser Frage. Er steht ganz alleine da.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Minister Armin Laschet: Abwarten!)

Sehr geehrter Herr Minister, ich habe Ihnen im März an dieser Stelle gesagt, dass das KiBiz ein politischer Bumerang für die Koalition der Verschlechterung wird, der Sie im Herbst noch hart treffen wird. Ich habe Ihnen große Demonstrationen versprochen; das können Sie nachlesen. Nun, Sie können heute selbst beurteilen, ob ich recht hatte.

Wenn Sie dieses Gesetz in der Substanz so durchpeitschen, werden Sie Ende Oktober den ersten richtig dicken Sargnagel für diese Landesregierung einschlagen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Herr Jörg. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Frau Löhrmann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann an die Ausführungen des Kollegen anknüpfen, weil ich mich letzte Woche auch sehr darüber gewundert habe, in der Zeitung zu lesen, dass der Ministerpräsident Streit sucht. Der Ministerpräsident sucht mit der Gesellschaft Streit.

Ich habe mich gefragt, wo der Mann lebt. Diesen Streit hat er doch. Er hat Streit in NordrheinWestfalen,

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

aber nicht abstrakt, sondern ganz konkret. Er ist offenbar bei seinen vermeintlichen Höhenflügen so auf Wolke 7, dass er nicht merkt, dass er in Nordrhein-Westfalen reichlich Streit hat. Er hat Streit in der Koalition, er hat Streit mit den Gewerkschaften, mit den Kommunen, mit den Kirchen, mit den Behinderten und ganz aktuell hat er mit allen Beteiligten im Bereich Kindergärten

Streit. Diesen Streit haben der Ministerpräsident und seine ganze Regierung zu Recht.

An den interessanten Volten des Peter Biesenbach sieht man, dass die politische Schizophrenie nicht bei Herrn Rüttgers – links reden, rechts regieren – haltmacht. Mein Kompliment, Herr Biesenbach: Sie wissen wenigstens immer, wo Sie gerade sind, wann im Parlament in Düsseldorf, wann im Kreistag in Gummersbach.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Aber auch ich sage ganz deutlich: Scherz beiseite, meine Damen und Herren, denn es ist Ernst und bedauerlich genug, dass diese Kindergartennovelle kinderfeindlich, familienfeindlich und kommunalfeindlich ist.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Daran kann der Ministerpräsident, der leider bei dieser wichtigen Debatte nicht dabei ist – vielleicht überlegt er sich, was im nächsten Buch stehen soll, und ist noch in Berlin –, mit einem Basta-Ruf nichts ändern. Mit diesem Ruf nach der Kritik von FDP-Bambini Lindner haben Sie nur eines erreicht: Sie können nun Minister Laschet nicht mehr ohne Gesichtsverlust abziehen. Das haben Sie sich verbaut und müssen nun mit einem angeschlagenen Minister weiterleben.

(Oh-Rufe von der CDU)

Eines könnte der Ministerpräsident aber noch, ihn nämlich zurück auf Los schicken. Das könnte er und das sollte er auch tun. Da gehört nämlich das KiBiz hin – ganz an den Anfang, um es komplett neu zu entwickeln. Das ist bitter nötig, weil es nicht zukunftsfähig ist.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das KiBiz ist kinderfeindlich, weil es die Qualität der Betreuung senkt und die Gruppengrößen anhebt. Zudem waren die Leute fassungslos – das ist mir in Aachen erzählt worden; ich war da, nachdem Sie dort waren –, dass Sie die Kinder zu Berechnungseinheiten machen. Das gefällt denen nicht.

(Minister Armin Laschet: Das stimmt doch überhaupt nicht! Das ist Unsinn!)

Das haben Eltern mir gesagt, nachdem sie Sie erlebt haben. Die Eltern haben Sie als beratungsresistent erlebt, Herr Minister. Sie haben sich von Ihnen nicht angenommen gefühlt.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das KiBiz ist familienfeindlich, weil es für Eltern höhere Beiträge bedeutet.

(Minister Armin Laschet: Es gibt doch noch gar kein KiBiz!)

Das erleben die Eltern in Nordrhein-Westfalen Tag für Tag in den Kommunen. – Ihr Zuruf ist der absurdeste Versuch, etwas schönzureden. – Fakt ist: Sie haben zu verantworten, dass das Beitragsgesetz so gestaltet ist, und zwar mit dem Haushaltsgesetz. Sie schreiben das fort. Deswegen ist Schwarz-Gelb schuld, dass die Kommunen die Lasten allein zu tragen haben. Vorher waren sie geteilt. Das ist Ihre Schuld. Da können Sie sich doch nicht mit Verweis auf Gesetzeskosmetik herausreden!

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das ist nämlich das Perfide dabei: Sie verabschieden das Gesetz hier und die armen Kommunen müssen es vollziehen. Die Kommunen bekommen vor Ort den Ärger ab. Der Ärger landet nicht bei dieser Landesregierung, die diese soziale Spaltung und diese Elternbeitragserhöhung zu verantworten hat.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das KiBiz ist schlecht für die Einrichtungen, weil die Träger keine Planungssicherheit mehr haben. Was nutzt den Trägern, Herr Laschet, die viel beschriebene Flexibilität, wenn so viele kleine Einrichtungen zumachen müssen, weil sie das Risiko nicht tragen können? Die kleinen Träger können dieses Risiko nicht tragen! Das ist ein Problem.

Also: Kinder, Familien, Kommunen und Träger müssen ausbaden, was Schwarz-Gelb ihnen mit dem KiBiz zumutet. Das ist ein Gesetz, das seinen Namen nicht verdient. All diesen Betroffenen und Beteiligten begegnen Sie – man hat es gerade hier wieder erlebt – mit Arroganz. Sie verhöhnen den Protest. Herr Stahl, das gilt auch für Sie. Sie sagen, die seien aufgehetzt, das seien Gewerkschaftsfunktionäre. Haben Sie denn letzte Woche am Samstag nicht die vielen Eltern und Familien hier gesehen? Wir haben sie gesehen. Wir finden, dass man das Ernst nehmen muss.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Was heute hier – aus diesem Grunde haben wir diese Aktuelle Stunde beantragt – angesagt ist, das ist nicht dieses Vertrösten mit den Worten: Ja, wir gucken einmal, wir verändern vielleicht noch ein bisschen. Wir wollen vielmehr heute hier wissen, was Sie ändern wollen. Sie hatten Zeit genug, sich das zu überlegen. Die Menschen wollen wissen, was Sie an diesem Gesetz ändern wollen. Oder wollen Sie es wie beim LPVG und wie bei der Gemeindeordnung wieder bei kosmetischen Korrekturen belassen? Die Menschen haben ein

Recht darauf zu erfahren, ob Sie grundsätzliche Veränderungen angehen, ob Sie das umsetzen, was Lindner und andere als substanzielle Veränderungen in den Raum gestellt haben.

Meine Damen und Herren, ich will nicht die eineinhalbjährige Leidensgeschichte vortragen. 40 Verhandlungsrunden soll es gegeben haben. Dann kommt dieser „tragfähige Konsens“ heraus, an den sich alle gebunden fühlten. Herzlichen Glückwunsch! Daran kann doch etwas nicht stimmen, Herr Laschet und Herr Rüttgers!

Was machen Sie? – Sie tricksen mit Zahlen herum. Sie reden das Gesetz nach wie vor schön und lügen nicht nur den Menschen, sondern vor allem sich selbst etwas in die Tasche und verhöhnen den Protest.

Eines ist klar: Die Schar der Kritiker ist nicht kleiner, sondern größer geworden. Die „Neue Westfälische“ listete es auf:

„Es sind die Kirchen und die ihnen angeschlossenen Wohlfahrtsverbände, es sind Kommunen und kommunale Spitzenverbände, es sind die Erzieherinnen, und jetzt sind es sogar CDUKreistagsfraktionen und FDP-Generalsekretär Christian Lindner.“

Es fehlen noch die Eltern. Später heißt es im gleichen Artikel:

„Der erneute Wirbel um das KiBiz lässt nur das für Laschet verheerende Urteil zu, dass handwerklich miserable Arbeit abgeliefert wurde.“

Schließlich empfiehlt der Artikel:

„Besser wäre es, das KiBiz zurückzuziehen und ein vernünftiges neues Gesetz zu schreiben.“

Ganz genau! Darauf käme es an. Das wäre hier heute festzustellen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)