Protocol of the Session on September 19, 2007

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Aber, Herr Lindner, dass Sie in diesem Artikel zu den Kritikern gezählt werden, gereicht Ihnen nicht zur Ehre, denn Ihr Koalitionspartner CDU – da kann ich Sie gut verstehen, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU – ist nun langsam schwer genervt von Ihrer Schlanke-Fuß-Taktik. Aber da haben Sie sich wohl verkalkuliert, Herr Lindner. Durch Ihren Versuch, sich und Ihre FDP als Retter zu profilieren und der CDU den Schwarzen Peter zuzuschieben, haben Sie nämlich die Verantwortung, wenn nicht wirklich etwas an diesem Gesetz geändert wird, wenn jetzt weniger verändert wird, als eventuell vorher möglich gewesen wäre. Das hat dann die FDP in diesem Land zu verantworten.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Damit haben Sie der Sache massiv geschadet. Frau Kastner hat das auf den Punkt gebracht. Herr Lindner, Sie sind als Tiger gestartet und taugen nicht einmal zum Bettvorleger. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Mit Ihrem Vorpreschen haben Sie nämlich aus einer Sachfrage eine Machtfrage gemacht. Das ist immer schlecht.

Herr Stahl, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich habe großes Verständnis für Ihre Empörung über diesen Koalitionspartner. Es gibt aber einen Ausweg. Durchbrechen Sie die Logik und toppen Sie die FDP. Setzen Sie sich an die Spitze der Bewegung. Lassen Sie Lindner rechts liegen. Dieses Gesetz ist ohnehin nicht zu retten. Es gehört in die Tonne. Schicken Sie Laschet auf Los zurück. Geben Sie ihm den Auftrag, mit den Trägern, den Kommunen, der Opposition, den Erzieherinnen und den Menschen ein neues, gutes Gesetz zu machen!

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Wir als Opposition machen dabei gerne mit.

Lernfähigkeit ist ein Zeichen von Stärke. Sie würden viele Menschen glücklich machen, wenn Sie heute dieses Signal gäben. Damit könnten Sie sich auch ein bisschen an der FDP rächen. Die dürfte ganz am Ende auch zustimmen, wenn es ein gutes Gesetz ist. – Herzlichen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Danke schön, Frau Löhrmann. – Für die CDU spricht nun Frau Kollegin Kastner.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Beantragung der Aktuellen Stunde durch Sie und Ihr Eilantrag, meine Damen und Herren von der Opposition, waren nicht nur nichts Neues, sondern eigentlich auch zu erwarten; denn beide Teile gehören in die lange Reihe der Versuche, die Reform der Kindergartenbetreuung entweder zu behindern oder gar zu verhindern.

Zu diesem Zweck scheuen Sie nichts. Sie reihen sich in die Aktivitäten der Gewerkschaft ver.di ein, die nach Beratung und damit finanzieller Unterstützung der Attac-Beratergruppe OrKa eine emotionale Kampagne durchführt. Dass das bei den Erzieherinnen nicht das Ziel verfehlt, kann ich gut

verstehen; denn diese fühlen sich plötzlich an das Jahr 1998 erinnert:

(Helmut Stahl [CDU]: Ja!)

Damals standen sie zu Tausenden auf der Straße, und es fehlten 220 Millionen € im System.

(Britta Altenkamp [SPD]: Wollen Sie sagen, dass Sie das fortsetzen? Das ist ja lächer- lich, Frau Kastner!)

Das vergessen die Erzieherinnen nicht so schnell. Deshalb haben sie Angst, dass ihnen jetzt Ähnliches passiert.

(Britta Altenkamp [SPD]: Wann haben Sie eigentlich das letzte Mal Kontakt mit Erziehe- rinnen gehabt?)

Das stimmt aber natürlich nicht. Schauen Sie sich doch allein die Geldsummen an, die man nur für Kinder und Erzieher und für nichts anderes einsetzen kann.

(Unruhe)

Sie reden davon, dass wir Stechuhren brauchen. – Wenn Sie sich die jetzige Praxis im Kindergarten vor Augen führen, stellen Sie fest, dass Sie die Stechuhren schon seit 1998 haben; denn im Kindergarten wird Personal abgezogen, wenn nachmittags keine Kinder mehr dort sind.

(Anhaltende Unruhe – Glocke – Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Sie sind ja blind im Rück- wärtsgucken!)

Darüber hinaus finde ich es ausgesprochen spannend, im Internet zu verfolgen, wie sich die Akteure, die gegen das Kinderbildungsgesetz protestieren, allmählich von den Parteien, die das zu ihrem Instrument machen wollen, absetzen.

Herr Jörg hat vorhin Gevelsberg erwähnt. Gucken Sie einmal auf die Seite www.weil-kinder-zukunftsind.de! Dort wehren sie sich gegen eine Okkupation durch die SPD.

(Wolfgang Jörg [SPD]: Wir okkupieren? Ich bedanke mich für diese Fehleinschätzung! Machen Sie so weiter!)

Sie sollten einmal einhalten und nachdenken, ob das wirklich noch Demokratie ist.

Trotzdem genieße ich die Aktuelle Stunde, weil sie uns heute noch einmal Gelegenheit gibt, einige Kernpunkte des neuen Kinderbildungsgesetzes KiBiz anzusprechen.

Dieses Gesetz wird eine Antwort auf den demografischen Wandel liefern. Sie ignorieren immer noch schlicht und ergreifend, dass es permanent

weniger Kinder gibt und nach der gegenwärtigen Gesetzeslage ein Run auf die Kinder beginnen wird. Wettbewerb finden wir ja nicht schädlich. Er kann auch ganz gut sein und dazu dienen, pädagogische Qualität zu steigern. Wir müssen eine Antwort auf die schwindende Kinderzahl geben.

Mit dem neuen Gesetz bekommen wir mehr Plätze für Kinder unter drei Jahren. Ob Ihnen das passt oder nicht: Wir werden die rote Laterne, die das Land Nordrhein-Westfalen trägt, in andere Hände übergeben; denn wir werden mehr Kindergartenplätze schaffen und damit endlich den Bedürfnissen der Familien entgegenkommen.

(Beifall von der CDU – Britta Altenkamp [SPD]: Aber nicht durch dieses Gesetz!)

Lautstärke ersetzt nie Argumente, Frau Altenkamp.

(Beifall von der CDU)

Im Übrigen tun wir eigentlich das, was die Grünen anmahnen. Mit Erlaubnis der Präsidentin möchte ich hier aus der Bundestagsdrucksache 16/3219 zitieren. Dabei handelt es sich um die Beschlussempfehlung und den Bericht zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE „Elternbeitragsfreie Kinderbetreuung ausbauen“. Ich zitiere:

„Dem Antrag auf Drucksache 16/453 hingegen könne die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht zustimmen. Zwar sei eine kostenlose Kindertagesbetreuung dem Grunde nach unterstützenswert. Zuvor müssten jedoch der quantitative Ausbau, dann der qualitative Ausbau der Kindertagesbetreuung und schließlich auch eine bessere Anerkennung der Erzieherinnenleistung realisiert werden.“

Nichts anderes planen wir mit diesem Gesetzentwurf. Das sollten Sie endlich zur Kenntnis nehmen. Wir verankern mehr Bildung.

(Lachen von der SPD)

Wir verorten den gesetzlichen Förderanspruch auf Sprachförderung ebenso wie die Förderung der Familienzentren.

(Carina Gödecke [SPD]: Elvis lebt! – Weitere Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, wir haben diese Ziele fest im Auge. Wie Sie sich sicherlich denken können, werden wir den Gesetzentwurf nicht zurückziehen. Wir werden das tun, was jetzt unsere Schulaufgaben sind. Wir werden die Zuschriften und die Anhörung ernst nehmen und alles auswerten.

(Wolfgang Jörg [SPD]: Wenn Sie das ernst nehmen, müssen Sie Ihren Gesetzentwurf zurückziehen!)

Die Gesprächspartner haben uns eine Menge Stoff hinterlassen. In der Anhörung und in vielen schriftlichen Äußerungen haben wir Gutes und Kritisches gehört. Ich fand es schon beachtlich, dass in der Regel alle, wirklich alle die Zielsetzung des Gesetzes letztendlich begrüßt und es sogar als bundesweit beispielhaft bezeichnet haben.

(Beifall von der CDU)

Es mag in unterschiedlicher Weise manche Anregung für Modifizierungen gegeben haben. Ich denke zum Beispiel daran, dass die Wissenschaft die pädagogische Bedeutung der altersgemischten Gruppe durchaus hinterfragt. Unter anderem wurden wir auch gefragt, warum wir in NordrheinWestfalen keine privat-gewerblichen Kindergärten zulassen, wie es sie in anderen Bundesländern gibt. Natürlich gab es auch die Forderung nach mehr Geld; das gehört immer dazu.

Kurzum: Wir werden uns an das halten, was uns Dr. Articus als Vertreter der kommunalen Spitzenverbände in der Anhörung mit auf den Weg gegeben hat, was ich zur Gedächtnisauffrischung noch einmal zitieren möchte:

„So hat auch der Weg des KiBiz bisher gezeigt, dass es sich lohnt, die Probleme und die Schwierigkeiten, die positiven Anliegen und Ansätze nicht aus den Augen zu verlieren, und dass es sich lohnt, zu versuchen, das Kritische und das Ziel wirklich zueinander zu führen. Manches, was im KiBiz verhandelt wurde, hat sogar das Potenzial exemplarischer Lösungen im Ländervergleich.“

Wir sind auf einem schwierigen Weg mit guten Zielen schon ziemlich weit gekommen, aber noch nicht am Ziel. Wir sind aber viel zu weit, um jetzt abzubrechen. In diesem Sinne werden wir uns verhalten, das Ganze bewerten und auswerten. Wir werden uns auch an den Plan halten. Wir werden nicht jeden Tag ein neues Bruchstückchen in die Welt setzen, sondern am Ende das Ganze bewerten und verändern. Am 18. Oktober steht die Entscheidung im Fachausschuss und am 24. Oktober die Entscheidung im Plenum an.

Meine Damen und Herren, bis dahin werden Sie sich gedulden müssen und auch können. Die Bevölkerung im Land Nordrhein-Westfalen wird diese drei, vier Wochen auch noch ertragen, denke ich. – In diesem Sinne: Geben wir dem KiBiz eine Chance!

(Beifall von CDU und FDP)