Protocol of the Session on September 19, 2007

Da mich die Zeit etwas einschränkt, möchte ich mich auf das Thema „Abschaffung der Stichwahl“ konzentrieren. Es ist bemerkenswert, wie der nordrhein-westfälische Sportminister heute argumentiert. Die Abschaffung der Stichwahl wird im Wesentlichen mit zwei Argumenten begründet:

Das erste Argument lautet, die Abschaffung ist verfassungsgemäß. – Darauf können Sie wirklich stolz sein und sich auf die Schulter klopfen: Sie haben ein verfassungsgemäßes Gesetz eingebracht. Es ist wirklich eine Leistung der nordrheinwestfälischen Landesregierung festzustellen, ihr Gesetz ist verfassungsgemäß.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ob es zweckmäßig ist, ob es opportun ist, ob es der demokratischen Kultur in diesem Land dient, wird mit keinem Wort erwähnt.

Das zweite Argument ist, bei der kürzlich stattgefundenen Nachwahl hätten nur 19 % an der Stichwahl teilgenommen. – Ich mache auf folgenden Zusammenhang, der kausal auf der Hand liegt, aufmerksam: Sie schaffen die gemeinsame Wahl von Räten, Oberbürgermeistern und Bürgermeistern in diesem Bundesland ab. Dass zukünftig Oberbürgermeister und Landrat getrennt zu wählen sind, ist ein Vorgeschmack auf das, was vor wenigen Wochen im Rahmen der Nachwahl stattgefunden hat. Sie schaffen es ab, wohl wissend, dass dadurch die Wahlbeteiligung massiv sinken wird. Und dieses Sinken der Wahlbetei

ligung nehmen Sie jetzt als Begründung dafür, die Stichwahl abzuschaffen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Einen solchen Schwachsinn – Entschuldigung, Herr Sportminister – sollten Sie als Begründung nicht in Ihre Rede schreiben lassen.

Tatsache ist: In 15 Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland, in ganz Europa, ja selbst im Kongo, wohin wir Bundeswehrsoldaten schicken, gilt eine Stichwahl. Das, meine Damen und Herren, ist ein Gut in unserer demokratischen Kultur in Deutschland. Wenn es um Personenwahlen geht, dann geht es darum, dass nicht zufällig der beste Bewerber gewählt ist, sondern dass sich in einer Stichwahl der Beste durchsetzen muss.

Herr Sportminister, Sie begründen – das ist wirklich abenteuerlich –, es sei so wie bei den Räten. Auch da würde das Ratsmitglied in einer direkten Wahl gewählt. Lassen Sie sich Nachhilfe hinsichtlich des Unterschieds zwischen Verhältniswahl auf der einen Seite und Personenwahl auf der anderen Seite geben.

Ich sage hier nur eins – und das gilt für die gesamte heutige Debatte –: Hier ist die Handschrift der FDP erkennbar. Meine Damen und Herren von der CDU-Landtagsfraktion, wir haben in der Vergangenheit in diesem Land eine Gemeinsamkeit gepflegt: Wir haben notwendige große Änderungen der Gemeindeordnung in großer Gemeinsamkeit über alle Parteien und Fraktionen hinweg miteinander beschlossen. Mit dieser Tradition, meine Damen und Herren von der CDULandtagsfraktion, brechen Sie hier und heute, wenn Sie diesem Gesetz zustimmen.

Ich kann nur sagen: Sie sind ein scheinbar ausgezeichneter Koalitionspartner. Denn die Art und Weise, wie Sie sich von dieser 6,2%-Partei gängeln und in Ihrem Regierungshandeln führen lassen, zeigt, dass Sie scheinbar schmerzfrei sind und deshalb grundsätzlich für alle Parteien als Koalitionspartner infrage kommen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Jäger. – Jetzt hat Herr Jarzombek von der CDU-Fraktion das Wort.

Herr Vizepräsident! Meine Damen und Herren! Es ist schön, dass das Wahlsystem mit dem vom Kongo verglichen wird. Da kann ich den Kollegen Jäger fragen, ob es in seinem Wahlkreis eine Stichwahl gegeben hat. In meinem zumindest gab es an dieser Stelle keine.

(Beifall von der CDU – Manfred Palmen [CDU]: Sehr schön!)

Ihren Zweifeln muss man mit Zahlen entgegnen und sich die Frage stellen, wie begeistert die Menschen in Nordrhein-Westfalen von diesen Stichwahlen gewesen sind. Ich nenne Ihnen hier einige Beispiele.

Bei der Landratswahl im Kreis Recklinghausen im Jahre 2004 gab es eine Wahlbeteiligung von 55 % bei der Hauptwahl und 34 % bei der Stichwahl.

Herr Jarzombek, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Jäger?

Das können wir gleich gerne machen.

Ja oder nein?

Ich warte auf Herrn Becker. Seine Zwischenfrage wird unterhaltsamer.

Also nein.

Wir hatten im Rhein-Erft-Kreis bei der Hauptwahl 57 % und bei der Stichwahl 33,8 %. Und wir hatten im Kreis Wesel wie auch in der Stadt Mönchengladbach als absoluten Rekord 31,3 % bei der Stichwahl und 56 % bei der Hauptwahl. Bei 31,3 % in der Stichwahl hat der gewählte Oberbürgermeister eine Legitimation von 15 % der Bevölkerung. Und das wollen Sie uns hier als demokratisches Gut verkaufen? – Bitte, Herr Jäger, lassen Sie die Kirche im Dorf.

(Beifall von der CDU)

Ich möchte auf das eingehen, was Herr Becker hier so ausführlich dargestellt hat, nämlich das Grundmandat. Wir haben in den Anhörungen lange gemeinsam die Frage behandelt, ob man eine neue Sperrklausel einführen kann oder nicht.

Wir haben es uns an dieser Stelle nicht leicht gemacht. Wir haben über die Anhörungen hinaus auch noch Herrn Prof. Stern, der an beiden Urteilen des Verfassungsgerichts beteiligt war, zu Rate gezogen und ihn gefragt, wie es mit der Verfassungsmäßigkeit einer neuen Sperrklausel aussieht. Die Erkenntnis, die wir gewonnen haben, ist folgende: Es ist sehr schwierig.

Es ist sehr schwierig, weil wir die Funktionsstörungen nachweisen müssen. Das bedeutet, meine

Damen und Herren von der Opposition: Es reicht nicht, wenn Sie in die Begründung Ihres Antrags ganz lapidar zwei Sätze zu dem Thema schreiben. Vielmehr müssen Sie die Funktionsstörungen in Ihrer Begründung genau benennen.

Das haben Sie hier nicht getan. Sie machen sich einen ganz schlanken Fuß, schreiben einen Satz hinein und sagen: Dann wird das schon passen. – Sie müssen schon die einzelnen Landkreise, Stadträte und Kreistage beleuchten und schauen, wie es wirklich gewesen ist. Das haben Sie an der Stelle nicht getan.

Jetzt kommen wir zu der Wirkung. Herr Becker, Sie haben genauso wie einige Kollegen von der SPD hier vorhin die Unwahrheit gesagt oder zumindest zu sagen versucht.

(Horst Becker [GRÜNE]: Vorsicht!)

Sie haben nämlich gesagt, dass es eine Wirkung im ländlichen Raum, aber nicht in den großen Kreistagen und Städten gibt. Das ist falsch. Vielleicht rechnen Sie selber einmal nach. Wenn wir das Grundmandat jetzt ändern, führt dies dazu, dass sowohl in 29 Stadträten in kreisangehörigen Gemeinden als auch in 29 großen Stadträten der kreisfreien Städte wie auch der Kreistage Einzelbewerber ausscheiden werden. Es ist also pari, pari. Das, was Sie sagen, stimmt nicht, und ich fordere Sie auf, das nicht mehr zu wiederholen.

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

Das wird durch stetiges Wiederholen nicht richtiger.

(Beifall von der CDU)

Wenn Sie sich mit dem Wahlrecht im Detail befassen, werden Sie sehen, dass die Wirkung des Grundmandats steigt, je mehr Parteien zur Wahl stehen, und dass es auch zu Nachkommaresten kommt. Das könnte jemand dem Kollegen Eiskirch auch einmal erklären, der vorhin mit seiner Frage sehr ausführlich dokumentiert hat, wie kompetent er bei dieser Sache ist.

(Beifall von der CDU)

Wir verlassen uns bei der Frage der Verfassungskonformität natürlich auf die Prüfung dessen, was uns das Innenministerium vorgelegt hat. Und deshalb glaube ich, dass wir mit dem Grundmandat den richtigen Weg gehen.

Eine Frage, meine Damen und Herren, bleibt an dieser Stelle offen. Denn das, was Sie an Argumentation gebracht haben, klingt so, als wäre das Urteil des Verfassungsgerichts im Jahre 2006 ergangen. Tatsächlich stammt es bereits aus dem

Jahre 1999. Und ich kann mich nicht daran erinnern, Herr Becker, dass Sie hier in den Jahren 1999 bis 2005, als Sie regiert haben, die Initiativen gebracht haben, von denen Sie heute reden.

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

Da habe ich mich gefragt, warum Sie das nicht getan haben. Sie haben uns die Begründung heute auf den Tisch gelegt; ich halte sie hoch.

(Der Redner hält zwei Papiere hoch.)

Es sind zwei Änderungsanträge. Sie müssen sie vergleichen. Es gibt einen von der SPD, in dem gefordert wird, eine Sperrklausel von 3 % einzuführen. Es gibt noch einen zweiten Änderungsantrag, nämlich von den Grünen, der eine Sperrklausel von 2 % einfordert. Das ist die Erklärung, warum Sie sich in Ihrer Regierungszeit nie einig geworden sind: Keiner hat an einem Strang gezogen.

(Lachen von der SPD – Rainer Schmeltzer [SPD]: Logik ist nicht Ihre Stärke!)

So, meine Damen und Herren, das können wir deutlich besser. Wir haben mit unserem Koalitionspartner einen guten Vorschlag vorgelegt. Dieser wird verfassungsgerichtsfest sein und dazu führen, dass 58 extremistische Einzelratsmitglieder ausscheiden werden. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Jarzombek. – Jetzt hat der Innenminister noch einmal um das Wort gebeten. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit Blick auf die fortgeschrittene Zeit möchte ich dem Kollegen Jäger eine sportliche Antwort zum Thema Mindestsitzanteil geben. Wenn Sie sich § 46a Abs. 6 anschauen, sehen Sie, Herr Jäger, dass dort auf § 33 Abs. 2 verwiesen wird, nicht aber auf § 33 Abs. 3, demzufolge nicht auf das, was Sie gerade angesprochen haben. Gehen Sie also davon aus, dass es sich so verhält, wie ich das gerade Herrn Eiskirch erläutert habe.

Ich bin Herrn Jarzombek sehr dankbar, dass er noch einmal das Thema Funktionsstörungen aufgeworfen hat. Das ist für die Sperrklausel ein schwieriges Feld. Wenn es einfach gewesen wäre, hätten Sie das tun können. Vielleicht haben Sie das aber auch politisch nicht auf die Reihe bekommen. Beides ist jedenfalls kein Punkt, warum wir uns an dieser Stelle heute sehenden Au