Protocol of the Session on August 22, 2007

Jetzt verspricht die Landesregierung für 2008 zusätzliche 150 Millionen €. Aber die werden in dieser Größenordnung leider nicht in den Kindergärten ankommen; denn davon brauchen Sie allein 84 Millionen €, um den Trägeranteil der Kirchen abzusenken. Auch das wissen Sie. Seien Sie ehrlich zu den Menschen in diesem Land, Herr Laschet!

(Beifall von der SPD – Ralf Jäger [SPD]: Nepper, Schlepper, Bauernfänger!)

Eines finde ich besonders beschämend, Herr Ministerpräsident: Wenn Sie in Interviews behaupten, es gebe gar kein Problem mit der Erhöhung der Kindergartenbeiträge, weil die 19 %, die jetzt festgeschrieben sind, auch schon vorher 19 % gewesen seien, warum verschweigen Sie denn das, was Sie wissen: dass nämlich der kleine, aber feine Unterschied darin besteht, dass diese 19 % früher vom Land zugunsten der Kommunen zum Teil aufgefangen worden sind?

(Christian Lindner [FDP]: Zur Hälfte! – Minis- ter Armin Laschet: Das hat mit KiBiz nichts zu tun!)

Ja, natürlich hat das etwas damit zu tun! Also, wenn das nichts damit zu tun hätte! Dass Sie das Elternbeitragsdefizitverfahren ausgesetzt haben und dann bei 19 % geblieben sind, ist doch der eigentliche Skandal.

(Lebhafter Beifall von SPD und GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident, in dem besagten Interview bei „Westpol“ besitzen Sie auch noch die Unverfrorenheit, ausgerechnet Gelsenkirchen als Beispiel zu nehmen –

(Gisela Walsken [SPD]: Ein bisschen dumm gelaufen!)

eine Stadt, die sich dagegen gewehrt hat. Sie wissen doch, dass der Wegfall dieses Elternbeitragsdefizitausgleichs besonders diejenigen Kommunen betroffen hat und betrifft, in denen viele einkommensschwache Familien leben. Und dazu gehört Gelsenkirchen. Deshalb haben Sie sich geweigert, die Elternbeiträge bei den anderen, die noch zahlen, anzuheben. Es geht nicht darum, dass es viele gibt, die nicht zahlen; das hat mit der Sozialstruktur zu tun. Es geht darum, dass die

Elternbeiträge bei den anderen massiv angehoben werden müssen, weil Ihre Regierungspräsidenten dazu aufgefordert sind, in diese Richtung Druck zu machen. Sie haben das politisch zu verantworten. Stehen Sie dazu!

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wir kannten die Nöte und die finanziellen Sorgen der Familien und der Kinder dort und in den anderen betroffenen Kommunen. Deshalb hatten wir einen solchen Ausgleich hergestellt, auch in Zeiten, in denen wir massive Steuermindereinnahmen hatten, und haben ihn in diesen schweren Zeiten aufrechterhalten.

Der Armutsbericht hat es erneut gezeigt: Es muss dringend etwas gegen die Armut im Land, besonders aber gegen die Armut der Kinder getan werden.

(Heike Gebhard [SPD]: Die Armen werden immer ärmer und die Reichen immer rei- cher!)

Wir machen das zum Schwerpunkt unserer Fraktionsarbeit und unserer Klausur in der übernächsten Woche.

Die Probleme erfordern – das ist mir ganz besonders wichtig – eine Gesamtstrategie, keine Schnellschüsse. Wir brauchen mehr als Überschriften, als Einzelaktionen und reine Symbolpolitik. Wir werden unsere Vorschläge deshalb schon in die Beratung dieses Haushaltes einfließen lassen.

Liebe Grünen-Fraktion, da darf ich mich auch einmal an Sie wenden. Ihre Anträge beispielsweise zu der Erhöhung der Regelsätze sind sinnvoll, aber lassen Sie uns über ein Gesamtkonzept sprechen. Wir haben in diesem Feld viele Baustellen: Mittagessen, Lernmittel, Regelsätze. Wir sollten – das ist unsere tiefste Überzeugung – auch ernsthaft darüber nachdenken, ob wir zum Wohle der Kinder nicht auch dafür sorgen müssen, dass einmalige Beihilfen für Kinder wieder zurückkommen.

(Beifall von der SPD)

Denn wir haben die Erfahrung zu machen, dass vieles leider nicht bei den Kindern ankommt. Wenn wir es ernst meinen, gegen die Armut von Kindern vorzugehen, brauchen wir eine Gesamtstrategie. Lassen Sie uns gemeinsam an einer solchen Gesamtstrategie für Nordrhein-Westfalen arbeiten.

(Beifall von der SPD)

Meine Damen und Herren, um die Kinder geht es auch in der Bildungs- und Schulpolitik.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Die Kinder sind die Leidtragenden Ihres Schlingerkurses bei der Ganztagsbetreuung, Frau Ministerin Sommer. Die investiven Mittel für den Ausbau des Ganztags im Grundschulbereich haben Sie gekürzt.

(Zuruf von der SPD: Aha!)

Einige Kommunen konnten nicht mehr rechtzeitig reagieren, konnten das, was für sie plötzlich weggefallen war, nicht wieder drauflegen – mit dem Ergebnis, dass die Betreuung, wie wir hören, nun zum Teil in Fluren und Essenssälen stattfindet. Das ist kein pädagogisches Ganztagskonzept. Das ist Chaos, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Sören Link [SPD])

Davon versuchen Sie mit Umbuchungen im Gemeindefinanzierungsgesetz abzulenken. Sie erhöhen die Bildungspauschale und tun damit so, als gäbe es frisches Geld für die Schulen. Aber gleichzeitig tricksen Sie bei der Investitionspauschale. Aus der finanzieren die Kommunen aber bekanntlich hauptsächlich Investitionen in Schulen. Das ist wie gehabt: Linke Tasche, rechte Tasche – in der Hoffnung, dass es keiner merkt. Das ist Politik dieser Landesregierung, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD – Rainer Schmeltzer [SPD]: Überschriftenpolitik!)

Auch bei der Sprachförderung, die Sie zu Recht stärken wollen, steckt hinter dem verbalen Marketing leider zu wenig Substanz. Frau Ministerin Sommer, da müssen Sie mit dem Finanzminister besser verhandeln.

(Britta Altenkamp [SPD]: Das ist eine Katast- rophe!)

Sie wissen, dass auch wir dieses Thema für zentral halten, doch mit 6,45 € pro Woche werden Sie die Sprachprobleme unserer Kinder nicht wirklich bekämpfen können.

(Minister Dr. Helmut Linssen: Die hatten gar nichts! – Britta Altenkamp [SPD]: Das ist ja lächerlich!)

Das ist die Befürchtung, die wir haben.

(Beifall von der SPD)

Auch Ihre Familienzentren sind gnadenlos unterfinanziert. Zur Kostendeckung werden geschätzt

100.000 € pro Jahr benötigt. Sie geben 12.000 €, 1.000 € pro Monat für jedes Familienzentrum.

(Minister Dr. Helmut Linssen: Die hatten gar keine!)

Das ist eine zu geringe Summe, um diese Leistung, die Sie damit dauernd in der öffentlichen Wahrnehmung verbinden wollen, wirklich erbringen zu können, Herr Minister Laschet.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Volkmar Klein [CDU])

Bleiben Sie redlich!

(Beifall von der SPD)

Genauso lächerlich war die Ankündigung, 400.000 € zur Verfügung zu stellen, damit ehrenamtliche Gruppen Kindern aus einkommensschwachen Familien ein warmes Mittagessen anbieten können. Zu Recht haben Sie das Gott sei Dank nach wenigen Tagen vom Tisch genommen und eine neue Initiative gestartet.

(Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers: Nein!)

Dann habe ich Sie falsch verstanden. Das können Sie ja gleich richtigstellen.

(Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers: Sie sagen schlicht die Unwahrheit!)

Das können Sie ja gleich richtigstellen.

Diese neue Initiative haben Sie aus RheinlandPfalz übernommen. Das ist eine gute Idee. Wir unterstützen das. Aber auch hier brauchen wir noch mehr Geld. Denn es gibt viel mehr Kinder, die kein warmes Mittagessen bekommen, viel mehr, als Sie bei den Berechnungen zugrunde gelegt haben. Sie beziehen sich auf die Kinder, die jetzt im Ganztag angemeldet sind. Was ist mit denen, wo die Eltern, weil sie das Geld nicht haben, die Kinder gar nicht erst angemeldet haben? Die fallen bei Ihnen durch den Rost. Das darf nicht passieren. Bessern Sie an dieser Stelle nach! Das ist unsere Bitte.

(Beifall von der SPD)

An der Hektik bei diesen Maßnahmen hat man übrigens deutlich gesehen, wie nervös Sie im Augenblick sind. Ist es diese Nervosität, die Sie an den Terminen für die Bundestagswahl und Kommunalwahl herumtricksen lässt?

(Heiterkeit und Beifall von der SPD)

Nach Abschaffung der Stichwahl und der Entkopplung der Bürgermeister- und Ratswahlen jetzt der nächste Manipulationsversuch!