Protocol of the Session on August 22, 2007

Frau Präsidentin, ich habe es gehört – noch einmal kritisch unter die Lupe genommen zu werden. Deshalb ein Ja zu der Überweisung, aber mit Sicherheit kein Ja, sondern eher ein Nein zu dem, was auf den Weg gebracht werden soll.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Gödecke. – Liebe Kolleginnen und

Kollegen, für die Fraktion der FDP hat nun Herr Kollege Witzel das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich danke meinen Vorrednern, Frau Gödecke und Herrn Biesenbach, für die Sachlichkeit im Umgang, und ich danke den Fraktionen für das gemeinsame Bemühen, hier nicht dem Populismus zu erliegen, Dinge zu versprechen, die für die Wahrnehmung politischer Arbeit für unser Land zukünftig nicht von Vorteil sind.

Zwei Jahre nach der Verabschiedung schärferer Transparenzregeln für Bundestagsabgeordnete war es Anfang Juli dieses Jahres so weit: Die Kollegen im Deutschen Bundestag müssen ihre Nebentätigkeiten und ihre Nebeneinkünfte offenlegen.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Das Bundesverfassungsgericht wies dabei die Klagen von neun Abgeordneten gegen die seinerzeit von Rot-Grün durchgesetzten Bestimmungen im Bund zurück. Das freie Mandat der Abgeordneten sei nicht verletzt, entschied das Karlsruher Gericht.

Das Urteil fiel aber ziemlich knapp aus. Vier der acht Richter des Zweiten Senats wollten die bislang ausgesetzten Vorschriften kippen. Bei Stimmengleichheit gelten – so ist das Prozedere – Klagen laut Gesetz als abgewiesen. Von daher hatten die Kläger keinen Erfolg.

Die unterlegene Hälfte des Senats, darunter Vizepräsident Winfried Hassemer, sieht in der Offenlegungspflicht einen Eingriff in das vom Grundgesetz geschützte freie Mandat des Abgeordneten. Der Umstand, dass allein Bruttoeinnahmen veröffentlicht würden, könne zu Fehlschlüssen führen und eine publizistische Prangerwirkung entfalten. Wer hohe Mittelzuflüsse offenlegen muss, daraus aber wegen hoher betrieblicher Kosten kaum Gewinn erzielt, wird praktisch genötigt, seine komplette Einkommensteuererklärung zu veröffentlichen. Das lehnen die Karlsruher Richter ausdrücklich ab, und damit haben sie recht: Der Grundsatz des Steuergeheimnisses gilt auch für Abgeordnete.

Die Fraktion der Grünen ist auf den Zug der Diskussion aufgesprungen. Auch bei dem Umgang mit diesem Thema legt sie – wie immer – etwas vor, was nicht sachgerecht ist und deshalb auch nicht dazu dient, eine Versachlichung der öffentlichen Diskussion über diese Frage herzustellen.

Dies alles geschieht vor dem Hintergrund, dass erst zum Ende der letzten Legislaturperiode – seinerzeit nach intensiver Beratung und in großer Einmütigkeit – ein deutliches Mehr an Transparenz verankert worden ist, und das ist auch gut so. Das ist im April 2005 mit den Änderungen an dieser Stelle erfolgt.

Dort wurden insbesondere ein umfangreiches Verbot des Einkommens ohne entsprechende Gegenleistung sowie die Ergänzung der Meldepflichten dahin gehend geregelt, dass neben der Art auch der Umfang der ausgeübten Tätigkeiten und die daraus erzielten Nebeneinkünfte anzugeben sind.

Daneben gibt es die Verpflichtung der Abgeordneten, bei Abstimmungen zu offenbaren, ob sie gegen ein entsprechendes Entgelt für einen anderen tätig sind und welche Interessen sie damit verfolgen, damit sich jeder einen Überblick verschaffen kann, ob es eine Verbindung zwischen dem Abstimmungsgegenstand und einem möglichen wirtschaftlichen Interesse Dritter gibt.

Ausgesprochen positiv waren auch die Änderungen der Regelung des Verfahren bei Verstößen durch die Einführung des neuen § 24a – Verfahren bei Verstößen –, nämlich die Ermöglichung einer Veröffentlichung der Angaben der Abgeordneten bei Verstößen sowie in nicht aufzuklärenden Zweifelsfällen für den Fall, dass ein Verstoß gegen das Verbot der Annahme unzulässiger Zuwendungen, insbesondere gegen das Verbot eines Einkommens ohne entsprechende Gegenleistungen, festgestellt wird. Dadurch wird eine Verpflichtung der Abgeordneten begründet, deren Wert wieder an das Land abzuführen.

Die hier von uns damals in großer Einigkeit beschlossenen Änderungen des Abgeordnetengesetzes beinhalten die Verpflichtung für Abgeordnete gegenüber dem Präsidenten oder der Präsidentin, Angaben zur Art der ausgeübten Tätigkeit zu vergüteten und ehrenamtlichen Tätigkeiten in Unternehmen und Verbänden sowie zu entgeltlichen Tätigkeiten außerhalb des ausgeübten Berufs zu machen und anzugeben, ob man zudem direkt Spenden entgegengenommen hat.

Wir glauben, dass wir damit hinreichend Transparenz geschaffen haben. Wir haben dort klarere Regelungen als andere Bundesländer in Deutschland und werden deshalb auch den hier vorliegenden grünen Gesetzentwurf ablehnen.

Entscheidend bei der ganzen Debatte ist für mich die Frage, was wir eigentlich für ein Verständnis von der Arbeit eines Abgeordneten haben. Wir als FDP-Landtagsfraktion wollen ausdrücklich unab

hängige Abgeordnete. Unabhängige Abgeordnete sind die – und auf diese Dimension muss Wert gelegt werden, und dem trägt ja auch die gesetzliche Neuregelung des Jahres 2005 Rechnung –, die ihr Mandat ausüben, ohne in ihren politischen Entscheidungen zugleich von Interessen Dritter abhängig zu sein. Deshalb ist es auch gut und richtig, dass wir mittlerweile Regelungen haben, die sich gegen ein arbeitsloses Einkommen richten, was ansonsten eine solche Gefahr darstellen würde.

Aber zum Bild des unabhängigen Abgeordneten im Parlament gehört es selbstverständlich auch, dass er eine berufliche Verwendungsperspektive auch außerhalb der Politik hat.

(Beifall von der FDP)

Ein unabhängiger Abgeordneter ist ausdrücklich nicht derjenige, der irgendwann nur noch Politik machen kann, weil er für viele andere Tätigkeiten potenziell nicht mehr geeignet ist.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Wer fleißig ist und wer deshalb zu seinem eigenen Qualifikationserhalt bereit ist, für sich Entscheidungen der eigenen Lebensdisposition so zu treffen, dass er eine hochaktive und verantwortliche Mandatstätigkeit durchaus damit verbindet, dass er seine berufliche Qualifikation erhält, dem ist deshalb kein Vorwurf zu machen.

(Beifall von der FDP)

Wenn das nicht mehr möglich wäre, meine Damen und Herren, liefen wir Gefahr, zukünftig in der Tat ein Parlament zu werden, das sich nur noch aus Beamten und denen zusammensetzt, die anderweitig vom Staat bezahlt werden. Das wollen wir ausdrücklich nicht.

(Das Ende der Redezeit wird erneut signali- siert.)

Es gibt auch ein Steuergeheimnis für Abgeordnete. Die Regelungen, die wir aktuell haben, sind gut und moderat, und davon könnten sich andere Länder durchaus noch eine Scheibe abschneiden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wir kommen damit zur Abstimmung über die Überweisungsempfehlung des Ältestenrates, den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grü

nen Drucksache 14/4851 – Neudruck – an den Hauptausschuss zu überweisen. Gibt es dagegen Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Enthaltungen? – Keine. Dann stelle ich die Zustimmung aller Fraktionen zu dieser Überweisungsempfehlung fest.

Ich rufe auf:

4 Europa in den Regionen leben – Regierungskonferenz zum Erfolg führen und die Europäische Union auf eine erneuerte Grundlage stellen

Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 14/4868

Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/4899

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion der Kollegin von Boeselager das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben den Antrag gestellt, um die Landesregierung aufzufordern, sich bei der Bundesregierung dafür einzusetzen, dass bei den Detailverhandlungen zu dem neuen EU-Reformvertrag die Substanz des Verfassungsvertrags erhalten bleibt und insbesondere die Punkte, die ich nennen werde, im Vertragtext Berücksichtigung finden.

Erstens. Wir brauchen auch im neuen EUReformvertrag eine deutliche Stärkung der europäischen Regionen. Wir haben das schon häufig im Ausschuss diskutiert. Europa wird in den Regionen gelebt. Im konkreten Alltag der Menschen entscheidet sich die Zukunftsfähigkeit des europäischen Projekts. Alles, was dort passiert, muss auch für die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbar sein.

Der neue EU-Reformvertrag muss den Charakter der Europäischen Union als Staatenverbund ausdrücklich bestätigen. Zudem gilt es, die Verbesserung des Subsidiaritätsprinzips sicherzustellen und die nationale Identität der Mitgliedstaaten zu gewährleisten, damit man überhaupt noch weiß, wovon man eigentlich redet.

Zweitens. Wichtig ist darüber hinaus, dass die Parlamente der Mitgliedstaaten mehr Einfluss erlangen, damit wir uns schon im Vorfeld einbringen können. Wir begrüßen ausdrücklich, dass der

neue EU-Reformvertrag festlegt, dass nationale Parlamente binnen acht Wochen gegen geplante europäische Gesetzesvorhaben Einspruch erheben können.

Drittens. Wir begrüßen die geplante Einführung eines europäischen Bürgerbegehrens. Wenn 1 Million europäische Bürgerinnen und Bürger dies mit ihrer Unterschrift verlangen, muss die Europäische Kommission als Hüterin der Europäischen Verträge und Inhaberin des Initiativrechts für alle europäischen Politiken auch letztendlich tätig werden können, damit man das eine oder andere doch noch einmal überdenkt.

Viertens. Sicher gestellt sein muss auch, dass sowohl die Grundsätze des Binnenmarktes und des freien Wettbewerbs als auch die sozialen Komponenten im Vertragstext hinreichend Berücksichtigung finden.

Fünftens. Nicht zuletzt gilt es, die Kriterien für den Erweiterungsprozess stringent durchzusetzen. Voraussetzung für den EU-Beitritt eines Landes muss auch auf der Basis des neuen EUReformvertrages die strikte Einhaltung der Kopenhagener Beitrittskriterien und hier insbesondere die Aufnahmefähigkeit der EU selbst sein. Darauf legen wir allerdings sehr großen Wert. Bestehende Schutzklauseln müssen auch angewendet werden.

Ich denke, das Paket, das wir geschnürt haben und diskutiert haben wollen, ist sehr ambitioniert.

Es besteht kein Zweifel, dass ein Vertagen des europäischen Reformprozesses die Europäische Union auf lange Zeit gelähmt hat. Umso mehr begrüßt meine Fraktion, dass die institutionelle Handlungsfähigkeit der Europäischen Union durch zahlreiche zukunftsweisende Regelungen auch sichergestellt werden soll.

Ich möchte hier einige Regelungen nennen. Das ist die Einführung verbesserter Abstimmungsverfahren im EU-Ministerrat nach einer Übergangsfrist. Das ist die Stärkung der außenpolitischen Kompetenz der Europäischen Union. Das ist die Schaffung klarer Zuständigkeiten zwischen regionaler, nationaler und europäischer Ebene. Und das ist die Gewährleistung effizienter europäischer Institutionen.

Ich denke, da haben wir für unseren Ausschuss zusätzlich mit dem Entschließungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen eine Menge an Diskussionsstoff. Vielleicht kommen wir sogar zu einer gemeinsamen Position. Das wäre sehr wünschenswert. Wir freuen uns auf die Diskussion im Ausschuss.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin von Boeselager. – Als nächster Redner spricht Kollege Brockes für die Fraktion der FDP.