Protocol of the Session on June 14, 2007

Frau Düker meldet sich schon zu Wort. Sie wird im Anschluss an meine Ausführungen sicherlich herzhaft – und wahrscheinlich doch erfolglos – nach dem Haar in der Suppe suchen. Aber dazu kommen Sie ja gleich noch, Frau Düker.

(Monika Düker [GRÜNE]: Warten Sie nur ab!)

Wir haben oft darüber gesprochen. Gerade heute ist es für mich als Vertreter der Regierungskoalition sehr erfreulich, über die Personalsituation sprechen zu dürfen. Sie haben es der Presse entnommen. Wir haben die Einstellungszahlen von 500 jährlich unter Rot-Grün auf 1.100 mehr als verdoppelt. Insgesamt bedeutet das, dass wir in den nächsten vier Jahren 2.400 zusätzliche neue, junge Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter haben werden.

Noch nicht kommuniziert worden ist Folgendes: Dazu kommen weitere 841 Stellen. Denn die bisherigen Planungen sahen vor, dass 841 kwStellen ab dem Jahr 2008 realisiert werden müssen. Davon hat sich die neue Landesregierung zu Recht und aus gutem Grund verabschiedet. Wir werden auch diese 841 Stellen erhalten. Das ergibt dann in der Summe in den nächsten vier Jahren 3.241 zusätzliche Stellen für die Polizei.

Das ist eine Anstrengung, die es zu erwähnen lohnt, damit diese Botschaft auch ins Land weitergegeben wird. Wir kommen mit dieser Kraftanstrengung, die auch eine finanzielle Kraftanstrengung darstellt, aus der „Altersbauchfalle“ heraus und starten mit einer neuen Personalpolitik, die verlässlich und auf Kontinuität ausgerichtet sein soll.

Dieser „Altersbauch“ bei der Polizei, von dem wir heute sprechen – gemeint ist die große Zahl der Polizeibeamten, die 50 Jahre und älter sind –, war lange Zeit vorhersehbar. Doch SPD und Grüne haben darauf nicht bzw. nicht richtig reagiert. Noch Ende 2004 haben Sie geleugnet, dass mehr Polizeibeamte in Pension gehen als neue eingestellt werden. Der Minister sagte damals, die Beantwortung dieser Fragestellung sei nicht zielführend. Ich sage dazu: Sie haben versucht, wenn auch untauglich, eine brisante Information zu verheimlichen.

(Monika Düker [GRÜNE]: Geschichtsklitte- rung!)

Verschärft wurde die Altersstrukturproblematik durch Rot-Grün dann noch durch die Erhöhung der Lebensarbeitszeit von 60 auf 62 Jahre bei gleichzeitiger Halbierung der Einstellungszahlen auf 500.

Fazit: Die Polizei hätte heute keine Altersbauchschmerzen, wenn SPD und Grüne zu ihrer Regierungszeit rechtzeitig gegengesteuert hätten.

Mit Ihrem heutigen Antrag, verehrte Kollegen der SPD, fordern Sie von der Landesregierung, möglichst rasch die erforderlichen Lösungen zu erarbeiten. Ich sage es einmal mit meinen eigenen

Worten. Sie haben dem Minister eben Ihre Hilfe auf dem Weg dahin angeboten. Sie haben an den Taten der neuen Landesregierung aber gesehen, dass diese 3.241 zusätzlichen Stellen auch ohne die Hilfe der SPD zustande gekommen sind. Denn an der raschen Lösung, die Sie fordern, arbeitet die Landesregierung zusammen mit den Fraktionen von CDU und FDP seit Vorlage des Berichts. Deswegen sind wir heute viel, viel weiter, als Sie mit Ihrem Antrag fordern. Sie fordern Lösungen. Wir präsentieren Lösungen. Wir lassen unseren Worten Taten folgen.

(Theo Kruse [CDU]: So ist es!)

Die CDU hat im Wahlkampf gesagt: Wir stehen für eine starke Polizei, auch eine personell starke Polizei, und für eine leistungsfähige Polizei. Im Gegensatz zu Ihnen werden wir das, was wir versprochen haben, umsetzen. Die 3.200 Stellen sind ein eindrucksvoller Beleg dafür.

Es ist ja nicht so, dass in Ihrem Antrag, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, nicht durchaus auch Brauchbares stünde. Er enthält eine ganze Menge Punkte, die im Detail diskussionswürdig sind. Das verwundert natürlich nicht, denn dem aufmerksamen Beobachter der Entwicklung wird sofort auffallen, dass ganz große Teile Ihres Antrags schlicht und einfach aus Papieren der Landesregierung abgeschrieben worden sind. Dass gute Lösungen dabei herauskommen, ist dann nicht verwunderlich.

Aus Sicht der CDU-Fraktion gibt es zwei Bemerkungen zu machen. Wir werden diese Personalerhöhung innerhalb der Polizei als ersten Schritt eines Gesamtkonzepts würdigen. Zu dem Gesamtkonzept gehören Maßnahmen, die sich gleichzeitig um altersgerechte Arbeitsbedingungen bemühen, die dafür sorgen werden, dass eine Dienstplangestaltung realisiert wird, die älteren Kollegen entgegenkommt. Wir werden auch gesundheitsfördernde Maßnahmen ergreifen, sodass mit dem Gesamtkonzept „Personalentwicklung und Personalgewinnung innerhalb der Polizei“ ein erster Schritt in eine neue Personalpolitik gegangen wird.

Wir bitten Sie, uns dabei zu unterstützen. Freuen Sie sich mit dem ganzen Land NordrheinWestfalen, mit der Polizei und mit der Mehrheit im Land über die vielen neuen, jungen Polizisten! Ich freue mich auf die Beratungen im Innenausschuss. – Danke schön.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Lohn. – Als nächste Rednerin hat für

die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Düker das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Lohn, Sie waren in Geschichtsklitterung schon einmal besser. Das, was Sie uns hier gerade präsentiert haben, war wirklich haarsträubend.

Ich komme aber noch einmal zu den Fakten: RotGrün hat bis auf zwei Jahre während der fünf Jahre der letzten Legislaturperiode den kompletten Nachersatz sichergestellt. Das heißt, wir haben eine Einstellungsermächtigung von 1.000 neuen Polizeianwärterinnen und Polizeianwärtern geschaffen, um eben die Pensionierungen aufzufangen. In den letzten zwei Jahren unserer Regierung haben wir die Einstellungsermächtigung auf 500 reduziert.

Sie haben dabei aber vergessen, dass das zur Umsetzung der 41-Stunden-Woche geschah,

(Ralf Jäger [SPD]: Das hat er nicht verges- sen!)

die formal einen geringeren Bedarf an Personal von über 2.000 Stellen bedeutet hat. Wir haben gesagt, wir machen das für zwei Jahre. Das ist befristet und stellt die Umsetzung der 41-StundenWoche dar. Insofern haben diese Maßnahmen nicht zu einem Abbau der Ressource Polizei geführt. Das steht ganz im Gegensatz zu dem, was Sie dann gemacht haben. Sie sind angetreten und haben gesagt, das werde sofort korrigiert. Sie haben erst einmal zwei Jahre gar nichts gemacht.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das gehört zur Wahrheit dazu. Sie haben, nachdem Sie die Regierungsgeschäfte übernommen haben, zwei Jahre lang anstatt 1.000 einzustellen, wie Sie versprochen haben, 500 eingestellt. Aufgrund einer Nachfrage im Innenausschuss wissen wir, dass dies eben nicht ausreichend war, um den Nachersatz zu stellen, das heißt, um die Pensionierungen aufzufangen. Sie haben also in Ihren ersten zwei Regierungsjahren hinsichtlich der Neueinstellungen die Polizei nachhaltig geschwächt.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kruse?

Wenn das nicht von meiner Redezeit abgeht, dann gestatte ich das natürlich Herrn Kruse immer wieder gerne.

Nein, selbstverständlich geht das nicht von Ihrer Redezeit ab. – Bitte schön, Herr Kollege Kruse.

Ich bedanke mich, Frau Düker. Frau Kollegin Düker, ist Ihnen erstens entgangen, dass wir im Vergleich der Jahre 1999 bis 2005 im Land Nordrhein-Westfalen ca. 2.000 Polizeivollzugsbeamte weniger haben? Ist Ihnen zweitens entgangen, dass die CDU-Fraktion 2001 einen Antrag gestellt hat, wonach wir ein langfristig über 2010 ausgerichtetes Personalentwicklungskonzept bräuchten, aber Sie das damals abgelehnt haben? Wir fangen jetzt damit an.

Herr Kruse, Sie haben diese Aufarbeitung der Tätigkeit Rot-Grün immer noch nicht hinbekommen. Sie wissen, dass wir fünf Jahre lang versucht haben, Ihnen zu erklären, dass der Vorwurf „weniger Polizei“ wesentlich durch zwei Maßnahmen geprägt war. Sie haben vergessen, dass es in der Zeit einen Umzug der Bundesregierung nach Berlin gab und deswegen am Bonner Standort Personal eingespart wurde, aber weil Aufgaben weggefallen sind und nicht weil wir die Polizei geschwächt haben. Aufgabenbezogener Wegfall von Polizei, das was der eine Grund. Das andere war eine Korrektur von Vorjahren, in denen über Nachersatz eingestellt und das wieder zurückgefahren wurde. Das heißt, wir hatten nicht ein Minus, sondern eine Korrektur der Einstellungszahlen, die auch mit einem Aufgabenwegfall verbunden waren. Wir haben fünf Jahren hundertmal versucht, Ihnen das zu erklären. Er hat es immer noch nicht verstanden.

(Frank Sichau [SPD]: Jetzt hat er es kapiert!)

Noch einmal zur aktuellen Situation. Herr Lohn, zu Ihren Zahlen und Taschenspielertricks: Sie addieren diese Neueinstellung einfach, die Sie jetzt machen – das ist ja gut und schön –, und sagen, Sie schafften zusätzlich 3.000 Stellen. – Das ist schlicht nicht wahr. Es sind keine neuen Stellen, die Sie schaffen, sondern es ist in erster Linie der Nachersatz für Kolleginnen und Kollegen in der Polizei, die dann, wenn die Leute ausgebildet sind, in drei Jahren in Pension gehen. Das nennt man „Nachersatz“ und nicht „neue Stellen“. Das bedeutet – mehr oder weniger plus/minus null – zuzüglich kommt ein Puffer, den ich nicht verhehlen will, der aber beileibe nicht bei 3.000 Stellen liegt.

(Beifall von der SPD)

Zu der momentanen Situation: Die heute 40- bis 50-Jährigen bilden den Großteil der Beschäftigten bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen. Richtig ist,

dass uns dieser Bauch, wie man das bezeichnet, in zehn Jahren das Problem dieser sogenannten Vergreisung bescheren wird. Das ist ein Problem insbesondere für den Wachdienst – das wissen wir – und das ist auch ein Problem im ländlichen Raum, weil wir wissen, dass es richtiger- und verständlicherweise keine gleichmäßige Verteilung des Personals in NRW gibt und dass diese Vergreisung insbesondere im ländlichen Raum in den sogenannten Endbehörden stattfindet. Das ist die Situation, die wir zur Kenntnis nehmen müssen. Für den Wachdienst, der 50 % des Personals ausmacht, wird das schwierig sein; denn wir alle wollen doch nicht, dass Sechzigjährige im Streifenwagen Schichtdienst machen.

Der Innenminister hat im Bericht im Ausschuss zu Recht dargestellt, dass alleine die Erhöhung der Einstellungszahlen, die Sie – das muss man dazu sagen – nach zwei Jahren endlich vornehmen, das Problem weder kurzfristig noch in den nächsten zehn Jahren wird lösen können. Das ist nicht das Allheilmittel für das Problem. Es bedarf eines Gesamtkonzeptes. Richtig, in dem Bericht Anfang des Jahres wurde lapidar gesagt, dass dies zu gegebener Zeit vorgelegt wird. Das Gesamtkonzept liegt uns nicht vor; auch das stelle ich fest. Wir werden dafür Lösungen brauchen.

Ich finde es berechtigt, dass die SPD sagt, dass diese Lösungen langsam auf den Tisch müssen. Es sind eben nicht diese Einstellungszahlen, die in erster Linie dazu dienen, dass wir bei der Polizei den Nachersatz werden stellen können. Da werden ein paar draufkommen – das ist gut –, aber das wird das Problem, insbesondere für den ländlichen Raum, nicht lösen, wenn wir in zehn Jahren diese stark vertretenen Jahrgänge der 60Jährigen und älteren haben werden.

Was ist zu tun? – Ich meine, dass wir auf jeden Fall über flexiblere Lebensarbeitszeiten für den gesamten öffentlichen Dienst werden nachdenken müssen, aber insbesondere für die Polizei, weil ich es richtig finde, dass hier besondere Belastungen Berücksichtigung finden, dass es eben nicht dazu kommt, dass diese Kolleginnen und Kollegen, wenn sie sechzig Jahre und älter sind, noch im Schichtdienst sitzen, sondern dass dies als besondere Belastung Berücksichtigung finden wird. Viele andere Punkte gehören dazu. Aber zu all dem habe ich von der Regierung in diesen zwei Jahren nichts gehört.

Von daher: Das Gesamtkonzept muss her. Diese Forderung unterstreiche ich. Aber nach zwei Jahren bloß ein paar Versprechen einzulösen, die man während der Wahlkampfzeit gemacht hat, und damit einen ausreichenden Nachersatz zu

schaffen, wird nicht die Lösung dieser Probleme in Bezug auf die Polizei sein. – Vielen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Düker. – Als nächster Redner hat nun für die Fraktion der FDP der Kollege Engel das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Düker, der Streit, der eben ansetzte, wird diesem ganz komplexen Sachverhalt wirklich nicht gerecht. Am Ende sind versöhnlichere Töne gekommen. Da können wir uns eventuell auch einigen. Es sind aber einfach komplexere Sachverhalte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nach Abitur oder Fachabitur und gesundheitlicher Eignung der sogenannten Polizeidiensttauglichkeit kann man im jungen Alter von 18 Jahren in den Polizeidienst eintreten. Dabei liegt das Höchstalter für den Eintritt in die Kommissarslaufbahn, gehobener Dienst, bei 32 Jahren, und für die Ratslaufbahn, höherer Dienst, bei 35 Jahren. Der landesweite Altersdurchschnitt bei der Polizei liegt aktuell bei ca. 46 Jahren. Es gilt der Erfahrungssatz: Je größer eine Polizeibehörde, desto jünger – je kleiner, desto älter ist der Beamtenkörper. – Aktuell wird fast täglich ein Polizeibeamter pensioniert. Die bisherige Einstellungsanzahlen gleichen das aus.

Durch die Organisationsänderung – das haben Sie eben übersehen, Frau Düker – POG I, die die Regierungskoalition im Jahr 2006 in Angriff genommen hat und die seit dem 1. Januar 2007 in Kraft ist, sinkt z. B. der Altersdurchschnitt in Leverkusen, jetzt PP Köln/Leverkusen, und auch in Mülheim, jetzt PP Essen/Mülheim. In der landesweit größten Polizei, beim PP Köln, liegt der Altersdurchschnitt aktuell bei 48 Jahren. Entscheidend ist aber der Prozentsatz von Polizeivollzugsbeamten im Alter von über 40 Jahren, z. B. im PP Köln 47 %, im PP Düsseldorf 49 % und im PP Dortmund 56 %. In den deutlich kleineren Polizeibehörden, den sogenannten Landratsbehörden – ich greife wieder nur drei heraus –: MindenLübbecke, 40 Jahre und älter, 47 %, Heinsberg 82 % und Olpe 83 %. Woran liegt das? – Über das müssen wir uns unterhalten.

Es ist nur zu natürlich und völlig unbestritten, dass es eine Fluktuation der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten heraus aus den größeren Polizeipräsidien gibt, wo man im Dienst zugegebenermaßen psychisch und physisch mehr gefordert ist und die Lebenshaltungskosten zudem meist auch

noch höher liegen, hin zu den kleineren Polizeibehörden mit in der Regel weniger Stress, mit denselben Karrierechancen, niedrigeren Lebenshaltungskosten, ja wo man sich auch den Traum vom eigenen Heim eher erfüllen kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie spüren spätestens an dieser Stelle, dass es sich um einen ganz komplexen Sachverhalt handelt. Er wird noch dadurch deutlich verschärft, dass in der Zeit des RAF-Terrors, also in den siebziger Jahren, die Einstellungsanzahl bei der Polizei erheblich erhöht wurde.

Aus dieser alten Einstellungswelle wurde inzwischen die neue Alterswelle, die sich, wie bereits begründet, besonders in den kleineren Behörden durch hohe Altersdurchschnitte abbildet und sich erst ab dem Jahr 2013 durch erhebliche Pensionierungszahlen mildert. Es gilt also, ein Gesamtkonzept zu entwickeln, um solche Alterswellen und Wanderungsbewegungen zu vermeiden.

Dabei wäre es nach Auffassung der FDP-Fraktion zu eindimensional gedacht, wenn sich ein solches Konzept nur in Einstellungszahlen erschöpfen würde. Dies kann wirklich nur ein allererster Schritt sein. Wichtig ist dabei – das hat Kollege Lohn mit Recht erwähnt – nicht nur die Erhöhung auf 1.100 Einstellungsermächtigungen, sondern auch der Wegfall von 841 kw-Stellen. Das ist die frohe Botschaft.