Die Menschen in Nordrhein-Westfalen sollen wieder spüren, dass die staatlichen Institutionen sorgsam mit dem Geld der Bürgerinnen und Bürger, dem Steuergeld, umgehen.
erstens: solide und mit Augenmaß, – zweitens: mit Gespür für die richtigen politischen Schwerpunkte, – drittens: nachhaltig, also in Verantwortung auch für die kommenden Generationen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Politik schafft keine Arbeitsplätze. Dafür sind in einem marktwirtschaftlichen System die Unternehmen zuständig. Die Politik muss aber die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Unternehmen in unserem Land investieren und Arbeitnehmer leistungsbereit sind. Das schafft Arbeitsplätze. Hierfür
kann und muss der Staat, muss die Politik sehr wohl sorgen. Über diese Rahmensetzung ist eine Regierung auch für die Wirtschaftsentwicklung und für die Schaffung von Arbeitsplätzen mitverantwortlich.
Es ist Aufgabe der Politik, ein Klima des wirtschaftlichen Vertrauens zu schaffen: Vertrauen in einen Standort, Vertrauen in planbare Rahmenbedingungen und Vertrauen in die Verlässlichkeit staatlichen Handelns. – Dieser Aufgabe kommt die Koalition der Erneuerung auch mit ihrer nachhaltigen Finanzpolitik für Nordrhein-Westfalen nach.
Mit dem geltenden Haushalt 2007 ist es bereits bei der Aufstellung gelungen, die Kreditverfassungsgrenze einzuhalten. Der Einstieg in Strukturveränderungen beim Landeshaushalt ist ebenfalls geschafft. Ohne weitere strukturelle Veränderungen wird es aber nicht gelingen, dauerhaft solide und nachhaltig zu wirtschaften und neuen Spielraum für den politischen Gestaltungsanspruch der Landesregierung zu gewinnen.
Zurzeit müssen wir 4,7 Milliarden € pro Jahr allein für Zinsen ausgeben. Wir zahlen also für die Fehler der Vergangenheit und können diesen Betrag nicht in die Zukunft investieren. Das zeigt, dass der Weg einer nachhaltigen Haushaltskonsolidierung noch lang ist.
Es bleibt unser Ziel, möglichst bald Haushalte mit einer Nettoneuverschuldung von null Euro aufzustellen. In überschaubarer Zeit wollen wir auch mit der Rückzahlung der alten Schulden beginnen, die seit Mitte der 60er-Jahre aufgehäuft worden sind.
Mit dem heute eingebrachten Entwurf des Nachtragshaushalts für das Jahr 2007 setzt die Landesregierung ihre finanzpolitische Linie fort, Steuermehreinnahmen nachhaltig und zur Senkung der Nettoneuverschuldung einzusetzen.
Frau Walsken, wie ich Ihrer gestrigen Presseerklärung zum Haushalt des Jahres 2008 entnommen habe, wird es Ihnen entgangen sein, dass wir immer versprochen haben, Steuermehreinnahmen im Nachtrag zur Absenkung der Nettoneuverschuldung einzusetzen.
Dass wir bei der Aufstellung eines Haushalts auch Steuereinnahmen für unabweisbare Ausgaben brauchen, ist wohl selbstverständlich.
Erfreulicherweise ist die Senkung der Nettoneuverschuldung die wesentliche Ursache für die Aufstellung des Nachtragshaushalts. Das vom Arbeitskreis Steuerschätzung im Mai dieses Jahres vorgelegte Ergebnis zeigt, dass wir in diesem wie im kommenden Jahr mit erheblichen Steuermehreinnahmen gegenüber den bisherigen Planungen rechnen können.
Nach dem regionalisierten Ergebnis der Steuerschätzung werden gegenüber dem verabschiedeten Haushalt des Jahres 2007 die Steuereinnahmen für Nordrhein-Westfalen um 1,415 Milliarden € steigen. Wir kalkulieren für dieses Jahr daher mit Steuereinnahmen von insgesamt 39,95 Milliarden €. Gleichzeitig können die Ausgaben für den Länderfinanzausgleich um 150 Millionen € reduziert werden. Die Steuermehreinnahmen und die Minderausgaben beim Länderfinanzausgleich addieren sich somit auf 1,565 Milliarden €.
Wir halten an unserer Selbstverpflichtung fest, Steuermehreinnahmen nicht konsumtiv zu verwenden. Die gesamten Steuermehreinnahmen werden auf nachhaltige Weise im Haushalt des Jahres 2007 eingesetzt.
Selbstverständlich verwenden wir den größeren Teil der Mehreinnahmen wie bei den Haushalten und Nachtragshaushalten der Vorjahre für die weitere Rückführung der Nettoneuverschuldung. Diese wird gegenüber dem beschlossenen Haushalt für das Jahr 2007 um 885 Millionen € von 3,23 Milliarden € auf 2,34 Milliarden € sinken. Damit setzen wir die Linie der vergangenen beiden Jahre fort.
Wir haben unter dem Gesichtspunkt des nachhaltigen Wirtschaftens aber auch die steigenden Versorgungspflichten des Landes im Blick. Sie drohen zum Sprengsatz für künftige Haushalte zu werden. Bereits jetzt ist absehbar, dass die Pensions- und Versorgungsausgaben in den nächsten Jahren stark anwachsen werden. Diese Erkenntnis hat im Übrigen schon in der letzten Legislaturperiode alle Fraktionen des Landtags beschäftigt. Ich erinnere nur an den Versorgungsbericht und die aus ihm abgeleiteten Initiativen.
Nach den vorliegenden Modellrechnungen wird die Zahl der Versorgungsempfänger bis zum Jahr 2030 von derzeit etwa 153.000 auf rund 240.000
ansteigen. Schon ohne Berücksichtigung linearer Steigerungen der Versorgungsbezüge werden die Versorgungsausgaben in diesem Zeitraum von derzeit 4,5 Milliarden € auf über 7 Milliarden € pro Jahr anwachsen.
Bereits mit dem Versorgungsreformgesetz von 1998 ist daher die Einrichtung einer Versorgungsrücklage beschlossen worden, um den bevorstehenden Belastungen frühzeitig entgegentreten zu können. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Das sind eigentlich Personalkosten. Das sind Sozialversicherungskosten, die eigentlich schon früher in jeden Haushalt hineingehört hätten.
Die Versorgungsrücklage wird im Wesentlichen aus der Kürzung jeder Erhöhung der Besoldungs- und Versorgungsbezüge um 0,2 % gespeist. Beginnend im Jahr 1999 stieg die Zuführung zu dem Sondervermögen bis zum Jahr 2002 auf jährlich 0,8 %. Das sind diese 160 Millionen €, die wir jährlich eingestellt haben.
Mit dem Versorgungsänderungsgesetz 2001 wurden die weiteren Erhöhungen ab 2003 jedoch ausgesetzt. Seitdem stagnieren die Zuführungen bei 0,8 % der Besoldungs- und Versorgungsbezüge pro Jahr. Mit der geplanten Einmalzahlung von 680 Millionen € wird die ausgesetzte Steigerung der Zuführung für das Land NordrheinWestfalen bis zum Jahre 2010 ausgeglichen. Ende 2007 wird die Versorgungsrücklage unter Einrechnung der Einmalzahlung dann ein Volumen von rund 1,7 Milliarden € aufweisen. Trotz dieses gewaltigen Schrittes, liebe Kolleginnen und Kollegen, zahlen wir, wie Sie vorhin gehört haben, 4,5 Milliarden € pro Jahr. Jetzt haben wir eine Rücklage von 1,7 Milliarden €.
Diese Zuführung ist damit eine Investition in die Zukunftsvorsorge des Landes. Ich halte es für wichtig, jetzt Vorsorge zu betreiben und dafür einen Teil der Steuermehreinnahmen zu verwenden. Denn letztlich sind nicht gedeckte Versorgungspflichten nichts anderes als Schattenschulden.
Wenn wir jetzt für eine Entlastung in der Zukunft sorgen, denken wir an die Lasten kommender Generationen. Das ist verantwortliche Politik im Interesse der Zukunft unseres Landes.
Meine Damen und Herren, den Mehreinnahmen steht im Nachtragshaushalt eine Reihe von Mehrausgaben und Mindereinnahmen gegenüber. Ins
gesamt handelt es sich dabei um ein Volumen von rund 130 Millionen €. Die wesentlichen Blöcke der Mehrausgaben umfassen folgende Punkte:
Für die Beseitigung der Sturmschäden durch den Orkan Kyrill hat die Landesregierung ein Sonderprogramm mit einem Volumen von insgesamt 100 Millionen € aufgelegt. Den betroffenen Waldbesitzern und Regionen wird auf vielfältige Weise schnell geholfen. Insbesondere wird der Wiederaufbau der touristischen Infrastruktur unterstützt. Im Nachtragshaushalt werden dafür insgesamt 15 Millionen € bereitgestellt.
Ferner erhalten die Kommunen im Rahmen des Familienleistungsausgleichs eine Nachzahlung von 18,4 Millionen € aus der Abrechnung der Kompensationsleistungen für das Jahr 2006.
Schließlich wird das Land Nordrhein-Westfalen zu Beginn des Schuljahres 2007/2008 einen Fonds „Kein Kind ohne Mahlzeit“ einrichten. Kindern aus unterstützungsbedürftigen Familien wird es damit ermöglicht, am Mittagessen in einer Ganztagsschule teilzunehmen. Der Fonds umfasst 10 Millionen € pro Schuljahr und ist zunächst auf zwei Jahre befristet.
Im Bereich der Konzessionseinnahmen müssen wir Rückgänge auf der Einnahmenseite hinnehmen. Die Einnahmen aus dem Zahlenlotto, der Lotterie Keno, der Zusatzlotterie Super 6 und Plus 5 sinken um zusammen 65,6 Millionen €.
Wie schon in den Vorjahren und entsprechend unserer finanzpolitischen Leitlinie werden diese Mindereinnahmen und Mehrausgaben nicht aus den Steuermehreinnahmen gedeckt. Daher werden die 130 Millionen € durch Minderausgaben an anderer Stelle erwirtschaftet.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine alte Volksweisheit sagt: Spare in der Zeit, dann hast du in der Not! – Danach verfahren wir auch beim Nachtragshaushalt 2007. Dank der Sparmaßnahmen und der Steuermehreinnahmen hat sich die Haushaltssituation in unserem Land auch bereits erfreulich entspannt.
Gleichwohl bleibt es dabei: Es ist nicht die Zeit, die Spendierhosen anzuziehen. Geld für neue Begehrlichkeiten kann und wird es nicht geben. Finanzieller Spielraum besteht nur in dem Umfang, in dem Aufgaben und Ausgaben wegfallen.
Andere Länder konnten früher mit den Strukturveränderungen und der Haushaltskonsolidierung beginnen. Sie haben das auch getan. Erst seit dem Jahre 2005, dem Beginn der neuen Finanzpolitik für Nordrhein-Westfalen, ist bei uns ein neuer Kurs eingeschlagen worden. Wir haben schon beträchtlich aufgeholt. Das zeigt die niedrigste Nettoneuverschuldung seit 15 Jahren.
Dennoch sind uns andere Länder voraus. Die Zahl der Länder mit ausgeglichenem Haushalt oder gar Haushaltsüberschüssen wird im nächsten Jahr deutlich zunehmen. Wir als größtes Bundesland dürfen da auf Dauer gerade auch im Interesse unserer Kinder und Enkel nicht zurückstehen.
Meine Damen und Herren, wir werden deshalb unseren Kurs fortsetzen. Die positiven Signale seit dem Haushalt 2006 sind Ansporn genug, für neue Spielräume zu arbeiten. Ich bin zuversichtlich, dass unsere Finanzpolitik mit Augenmaß zu diesem Ziel führen wird. – Herzlichen Dank.
Ich eröffne die Beratung und erteile als erstem Redner für die Fraktion der SPD dem Abgeordneten Börschel das Wort. Bitte schön.